Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 14.11.2022 – 4 W 30/22
Titel:

Verschlechterungsverbot im Kostenfestsetzungsverfahren 

Normenkette:
ZPO § 104 Abs. 3
Schlagworte:
Kostenfestsetzungsbeschluss, sofortige Beschwerde, Verschlechterungsverbot
Vorinstanz:
LG Schweinfurt, Beschluss vom 24.09.2021 – 12 O 588/11 Hei
Fundstellen:
ZfS 2023, 700
LSK 2022, 32255
BeckRS 2022, 32255
NJOZ 2023, 1012

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 08.10.2021 wird Ziffer 2 des Teilabhilfebeschlusses des Landgerichts Schweinfurt vom 24.09.2021, Az. 12 O 588/11 Hei, aufgehoben.
2. Die Beklagten zu 1), 2) und 4) tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.242,76 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger machte gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus Arzthaftung geltend. Im Verhandlungstermin vom 20.07.2020 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach die Beklagten zu 1), 2) und 4) zur Abgeltung sämtlicher Forderungen als Gesamtschuldner eine Zahlung an den Kläger leisten. Bezüglich der Kosten des Rechtsstreits wurde vereinbart, dass der Kläger 85 % trägt, die Beklagten zu 1), 2) und 4) als Gesamtschuldner 15 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zur 3) im Berufungsverfahren sollten vom Kläger zu tragen sein.
2
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.02.2021 setzte das Landgericht die für die zweite Instanz vom Kläger an die Beklagten zu 1), 2) und 4) zu erstattenden Kosten auf 5.970,83 € fest (im Folgenden: KFB I, Bl. 512). Mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss vom selben Tag setzte es die vom Kläger an den Beklagten zu 3) zu erstattenden Kosten auf 3.464,34 € fest (im Folgenden: KFB II, Bl. 515).
3
Mit sofortiger Beschwerde vom 11.03.2021 wendete sich der Kläger gegen die Kostenerstattung bezüglich des Beklagten zur 3) im KFB II, weil insoweit bereits vor der Bestellung des Beklagtenvertreters eine Berufungsrücknahme erfolgt sei.
4
Mit Teilabhilfebeschluss vom 24.09.2021 hat das Landgericht die Kostenfestsetzung im KFB I dahingehend abgeändert, dass vom Kläger an die Beklagten zu 1), 2) und 4) weitere Kosten in Höhe von 2.242,76 € zu erstatten sind (Ziffer 2 des Beschlusses, Bl. 557, 558) und hat die Beschwerde im Übrigen dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Erhöhung der Erstattung im Verhältnis zu den Beklagten zu 1), 2) und 4) ergebe sich aus dem Umstand, dass dem Beklagten zu 3) im Berufungsverfahren keine Kosten entstanden seien.
5
Der zuständige Einzelrichter des Senats wies mit Verfügung vom 11.10.2021 darauf hin, dass bezüglich der Beschwerde vom 11.03.2021 eine vollständige Abhilfe erfolgt und das Beschwerdeverfahren damit erledigt sei (Az. 4 W 17/21).
6
Gegen die Festsetzung weiterer Kosten zu seinem Nachteil im Abhilfebeschluss vom 24.09.2021 hat der Kläger am 08.10.2021 eine weitere sofortige Beschwerde erhoben.
7
Mit Beschluss vom 24.05.2022 hat das Landgericht der Beschwerde vom 08.10.2021 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, mit Einlegung der sofortigen Beschwerde durch den Kläger am 11.03.2021 sei die Kostenfestsetzung insgesamt angegriffen worden. Die Festsetzung von weiteren Kosten zugunsten der Beklagten zu 1), 2) und 4) im Abhilfeverfahren sei daher zulässig gewesen.
8
Der Kläger beantragt im Beschwerdeverfahren, Ziffer 2 des Teilabhilfebeschlusses vom 24.09.2021 aufzuheben. Die Abänderung der im KFB I getroffenen Festsetzung zum Nachteil des Beschwerdeführers sei unzulässig gewesen.
9
Die Beklagten beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Das Landgericht habe mit Verfügung vom 19.08.2021 darauf hingewiesen, dass eine Abhilfe geplant sei. Hiergegen habe sich die Klägerseite nicht gewandt. Die Einlegung einer Beschwerde sei daher treuwidrig. Zudem habe er sich bei der Korrektur dar zu erstattenden Kosten um eine bloße Berichtigung gemäß § 319 ZPO gehandelt.
10
Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats vom 01.06.2022 und 22.08.2022 sowie die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
11
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
12
Kostenfestsetzungsbeschlüsse erwachsen in Rechtskraft (BGH, Beschluss vom 10.03.2011 - IX ZB 104/09, Rn. 7, juris; Zöller-Herget, ZPO, 34. Aufl., § 104, Rn. 21.74). Ein Festsetzungsbeschluss darf zudem nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers geändert werden; es gilt das Verschlechterungsverbot, solange kein Anschlussrechtsmittel gemäß § 567 Abs. 3 ZPO vorliegt (Zöller-Herget, a.a.O., Rn. 21.77 und 21.8).
13
Im vorliegenden Fall war der Kostenfestsetzungsbeschluss bezüglich der an die Beklagten zu 1), 2) und 4) zu erstattenden Kosten (KFB I) nicht angegriffen worden. Er erwuchs in Rechtskraft. Eine Abänderung zu Lasten des Klägers im Beschwerdeverfahren, das allein die dem Beklagten zu 3) zu erstattenden Kosten aus einem weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss betraf, war bereits aus diesem Grund nicht zulässig.
14
Sie wäre aber selbst wenn man von einer einheitlichen Kostenfestsetzungsentscheidung ausgehen wollte, wie dies das Landgericht offensichtlich tut, aufgrund des Verschlechterungsverbots nicht zulässig gewesen. Die Beklagtenseite hatte hinsichtlich der vom Kläger angegriffenen Kostenfestsetzung vom 09.02.2021 kein Anschlussrechtsmittel eingelegt. Eine Verschlechterung zum Nachteil des Beschwerdeführers war somit nicht zulässig.
15
Der Fall einer bloßen Berichtigung gemäß § 319 ZPO ist nicht gegeben. Sie setzt einen Schreibfehler, Rechnungsfehler oder eine sonstige offenbare Unrichtigkeit voraus. Eine offenbare Unrichtigkeit ist im Falle eines Tenorierungsfehlers gegeben, wenn eine Divergenz zwischen dem Urteilsausspruch und der vom Gericht beabsichtigten Entscheidung vorliegt und sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass der Ausspruch den tatsächlichen Entscheidungswillen des Gerichts unvollkommen wiedergibt (Zöller-Feskom, ZPO, 34. Aufl., § 319, Rn. 24). Diese Situation ist hier nicht gegeben. Der zuständige Rechtspfleger ist vielmehr - wenn auch zu Unrecht - von einem Kostenerstattungsanspruch des Beklagten zur 3) ausgegangen.
16
Der Umstand, dass das Landgericht mit Verfügung vom 19.08.2021 darauf hinwies, dass eine entsprechende Änderung beabsichtigt sei, führt nicht zur Unbegründetheit des klägerischen Rechtsbehelfs. Denn der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 26.08.2021 dieser beabsichtigten Vorgehensweise widersprochen (Bl. 553 ff.). Ein treuwidriges Vorgehen ist nicht ersichtlich.
III.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 GKG.