Titel:
Keine Entschädigungspflicht des Netzbetreibers gegenüber dem Anlagenbetreiber für einspeisungsmanagmentbedingte Ausgleichsenergiekosten des Direktvermarkters
Normenketten:
EEG § 15 Abs. 1 S. 1 (idF bis zum 31.12.2016)
EEG § 15 Abs. 1 S. 1 (idF bis zum 24.7.2017)
Leitsatz:
Der Betreiber eines Offshore-Windparks, der aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber seinem Direktvermarkter von diesem verlangte Kosten für Ausgleichsenergie übernimmt, kann diese nicht vom Netzbetreiber ersetzt verlangen. (Rn. 28 – 51)
Schlagworte:
Härtefallregelung, Vertrag zu Lasten, Dritter, Entschädigung für Ausgleichsenergiekosten, Einspeisungsmanagment, zusätzliche Aufwendung, Bilanzkreisverantwortlicher, Direktvermarkter, Netzbetreiber, Einspeisungsmanagement, Kosten für Ausgleichsenergie
Fundstellen:
LSK 2022, 32217
BeckRS 2022, 32217
EnWZ 2023, 188
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 1.873.175,47 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Entschädigungsfähigkeit von infolge von Einspeisemanagement-Maßnahmen bei einem Direktvermarkter angefallenen und vertraglich auf den Anlagenbetreiber überwälzten Ausgleichsenergiekosten.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin und Betreiberin des ca. … km nördlich von … in der ausschließlichen Wirtschaftszone der deutschen Nordsee gelegenen Offshore-Windparks (nachfolgend: OWP) „G. W. 1“ (nachfolgend: G3.) mit insgesamt 55 Windenergieanlagen (nachfolgend: WEA) des Typs Siemens SWT-6.0 mit einer Nennleistung von je 6 MW.
3
Die Beklagte ist Betreiberin eines der vier deutschen Übertragungsnetze. Sie ist dabei die unter anderem für … zuständige Übertragungsnetzbetreiberin (nachfolgend: ÜNB) im Sinne des § 3 Nr. 44 EEG 2014/2017. Der streitgegenständliche OWP G3. ist über das ebenfalls von der Beklagten betriebene Netzanbindungssystem „…“ an das Übertragungsnetz der Beklagten angeschlossen.
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Am 02.05.2012 erteilte die Beklagte der Klägerin eine unbedingte Netzanbindungszusage für den Windpark G3. für die Einspeisung einer Leistung von 332,1 Megawatt.
5
Die Klägerin vermarktet den von ihr erzeugten Strom nicht selbst. Am 09./10.09.2015 schloss sie mit der … (Direktvermarkterin), seinerzeit noch firmierend unter …, zwei Stromabnahme- und Direktvermarktungsverträge, nämlich das „P. P2. Agreement I G. W. 01 Offshore Wind Farm“ (Anlage K 2; beglaubigte Übersetzung Anlage K 27) sowie das „P. P2. Agreement II G. W. 01 Offshore Wind Farm“, wobei letzteres am 25.02./07.03./15.03.2016 vollständig durch das „1st Amendment to P. P2. Agreement II G. W. 01“ (Anlage K 3; beglaubigte Übersetzung Anlage K 28) ersetzt wurde (nachfolgend auch insgesamt bezeichnet als Ursprungsverträge). Mit gleichlautenden Änderungsvereinbarungen vom 18./19.02.2019 bzw. 21./22.02.2019, dem „First Amendment to the P. P2. Agreement I for the G. W. 01 Offshore Wind Farm“ (Anlage K 4; beglaubigte Übersetzung Anlage K 29) und dem „Second Amendment to the P. P2. Agreement II for the G. W. 01 Offshore Wind Farm“ (Anlagen K 4; beglaubigte Übersetzung Anlage K 30), wurde Ziffer 22 der Ursprungsverträge rückwirkend zum 9./10.09.2015 jeweils durch eine neue Fassung ersetzt (jeweils § 1 1.1 der Änderungsvereinbarung).
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Gemäß der Verträge nahm und nimmt die Direktvermarkterin der Klägerin den gesamten durch G3. erzeugten Strom ab und vermarktet ihn anschließend auf dem europäischen Strommarkt. Für den durch G3. erzeugten Strom zahlt die Direktvermarkterin der Klägerin eine monatliche Vergütung; die Klägerin vergütet ihrerseits die Absatztätigkeit der Direktvermarkterin mit einer monatlichen Zahlung. Die wechselseitigen Zahlungsbeträge werden saldiert. Das so entstehende Mehr an Zahlungsverpflichtungen auf Seiten der Direktvermarkterin ist gleichbedeutend mit der monatlichen Vergütungszahlung an die Klägerin. Dabei umfasst gemäß Ziffer 16.2 Satz 2 der Direktvermarktungsverträge ein Teil der monatlichen Zahlung der Klägerin nach den Verträgen auch die Erstattung von etwaigen Ausgleichsenergiekosten. Diese grundsätzliche Erstattungspflicht der Klägerin blieb von den Änderungsvereinbarungen unberührt.
7
Ziffer 22 der Ursprungsverträge enthielt nähere Bestimmungen zu etwaigen Ausgleichsenergiekosten. Hiernach war die Direktvermarkterin für jeden Monat während der ersten zehn Jahre ab Inbetriebnahme der ersten WEA von G3. berechtigt, im Falle netzengpassbedingter Aufforderungen zur Abregelung durch die Beklagte, sog. Einspeisemanagement-Maßnahmen (nachfolgend auch: EinsMan-Maßnahmen), das Produkt aus dem dann anwendbaren Ausgleichsenergiepreis und 50% der Ausgleichsenergie von der Klägerin zu verlangen, sofern die Aufforderung zur Abregelung mindestens 90 Minuten vor Ablauf der Gebotsfrist für die relevante Energie an der europäischen Strombörse EPEX einging (Anlage K 27, S. 48, und Anlage K 28, S. 44 f.). Auch nach Ziffer 22.1 der Direktvermarktungsverträge in der Fassung des § 1 1.1 der Änderungsvereinbarungen ist die Direktvermarkterin berechtigt, Erstattung von Ausgleichsenergiekosten von der Klägerin zu verlangen. Dabei konkretisiert die Regelung Ziffer 22.1 Absatz 2 in der Fassung der Änderungsverträge die Erstattung von Ausgleichsenergiekosten in Anlehnung an die Grundsätze des § 15 EEG 2017, jedoch ohne die dort vorgesehene Limitierung des Erstattungsanspruchs auf 95% der entgangenen Erlöse umzusetzen („ohne die in § 15 Absatz 1 Satz 1 EEG vorgeschriebene Obergrenze in Höhe von 95% für entgangene Einnahmen anzuwenden“, Anlage K 29/30, jew. S. 3). Der von der Klägerin monatlich an die Direktvermarkterin zu zahlende Erstattungsbetrag nach Ziffer 22 der Direktvermarktungsverträge in der Fassung der Änderungsvereinbarungen beläuft sich ausweislich Ziffer 22.3 auf die Summe der Ausgleichsenergiekosten für sämtliche Viertelstunden eines Monats, die von EinsManbedingten Abregelungen betroffen waren (a.a.O.).
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der vertraglichen Regelungen zwischen der Klägerin und der Direktvermarkterin wird auf die Anlagen K 2 bis K 5 und K 27 bis K 30 Bezug genommen.
9
Die Direktvermarkterin war aufgrund eines mit der Beklagten als Bilanzkreiskoordinatorin abgeschlossenen Bilanzkreisvertrages Bilanzkreisverantwortliche im Sinne des § 4 II StromNZV. In einem Bilanzkreis werden die Stromerzeugungen und Stromlieferungen verbucht, was dem Zweck dient, Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen mittels Durchmischung zu minimieren und die Abwicklung von Handelstransaktionen zu ermöglichen (§ 3 Nr. 10a EnWG 2017 bzw. § 3 Nr. 10d EnWG 2021). Im Bilanzkreis werden somit alle Einspeisungen aus dem vom Bilanzkreisverantwortlichen vorgehaltenen Anlagenpool sowie sämtliche Entnahmen für Stromlieferungen zusammen erfasst. Dem Bilanzkreisverantwortlichen kommt dabei nach den abzuschließenden, standardisierten Bilanzkreisverträgen die Aufgabe zu, den Bilanzkreis durch ein Fahrplanmanagement so zu führen, dass sich Einspeise- und Entnahmemenge möglichst entsprechen. Auftretende Differenzen zwischen der Einspeise- und der Entnahmemenge aufgrund von Abweichungen zwischen dem gemeldeten Fahrplan und der tatsächlichen Stromerzeugung bzw. Stromentnahme werden vom Übertragungsnetzbetreiber bilanziell ausgeglichen. Dieser Ausgleich erfolgt viertelstundenscharf durch Einsatz sogenannter Ausgleichsenergie. Im Gegenzug schuldet der Bilanzkreisverantwortliche dem Übertragungsnetzbetreiber die Kosten für den Einsatz der Ausgleichsenergie, die sich nach dem bundesweit einheitlichen und damit regelzonenübergreifenden Ausgleichsenergiepreis (reBAP) bemessen. Gemäß § 8 StromNZV erfolgt die Abrechnung der Ausgleichsenergie im Rahmen eines symmetrischen Preismodells durch Erstattungen bzw. Zahlungen. Dies gilt auch für Differenzen, die durch zur Vermeidung einer drohenden Netzüberlastung ergriffene EinsMan-Maßnahmen entstanden sind.
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Auf Grund von Engpässen in ihrem Übertragungsnetz ergriff die Beklagte in den Jahren 2016 und vermehrt im Jahr 2017 EinsMan-Maßnahmen und reduzierte die Einspeisung der an das Netzanbindungssystem angeschlossenen Offshore-Windparks per Direktzugriff, um das Übertragungsnetz zu entlasten. Auch der OWP der Klägerin war von diesen Maßnahmen betroffen. So forderte die Beklagte die Klägerin erstmals am 4. Oktober 2016 sowie an zahlreichen Tagen im Jahr 2017 zur Reduzierung der Einspeiseleistung von G3. auf.
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Infolgedessen kam es zu Schwankungen in dem von der Direktvermarkterin zu verantwortenden, u.a. die von G3. produzierten Strommengen umfassenden Bilanzkreis. Die Beklagte musste diese Schwankungen durch die Zuführung von sog. Ausgleichsenergie ausgleichen und verlangte im Gegenzug von der Direktvermarkterin als der für G3. Bilanzkreisverantwortlichen die Erstattung hierdurch entstandener Kosten.
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Die Direktvermarkterin … wiederum griff unter Berufung auf die Direktvermarkungsverträge auf die Klägerin zurück und verlangte von dieser mit Rechnung vom 17. 07.2017 zunächst die Erstattung der veranlagten Ausgleichsenergiekosten für EinsMan-Maßnahmen im Oktober 2016 in Höhe von 1.934,95 €. Am 20.05.2019 korrigierte die Direktvermarkterin den ursprünglichen Rechnungsbetrag für 2016 nach unten und stellte der Klägerin nun noch 747,37 € in Rechnung. Darüber hinaus forderte die Direktvermarkterin von der Klägerin unter anderem die Erstattung der im Jahr 2017 von ihr verauslagten Kosten für Ausgleichsenergie in Höhe von 1.872.428,10 €.
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Die Klägerin beglich daraufhin sämtliche ihr in Rechnung gestellten Forderungen für die Jahre 2016 und 2017. Anschließend wandte sie sich an die Beklagte und forderte von dieser Entschädigung für diese Kosten. Die Beklagte wies dieses Ansinnen zurück, verzichtete jedoch am 13.12.2019 auf die Einrede der Verjährung in Bezug auf sämtliche im Jahr 2016 entstandene Forderungen.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass es sich bei den von ihr der Direktvermarkterin erstatteten Kosten für Ausgleichsenergie für die Jahre 2016 und 2017 um erstattungsfähige Aufwendungen handele. Der Begriff der Aufwendungen in § 15 I EEG 2014/2017 sei im Hinblick auf den Sinn und Zweck der sog. Härtefallregelung weiter zu fassen als im allgemeinen Zivilrecht und umfasse im Sinne eines möglichst vollständigen Nachteilsausgleichs auch Vermögenswerte, die unfreiwillig im eigenen Interesse aufgeopfert werden. Insbesondere seien die EinsMan-Maßnahmen auch unmittelbar ursächlich für den ihr entstandenen finanziellen Nachteil gewesen. Die zusätzlichen Aufwendungen seien der Klägerin vorliegend zwar durch das Eingehen einer Verbindlichkeit entstanden, dennoch fehle es weder an der Unmittelbarkeit noch an der Erforderlichkeit dieser Aufwendungen. Sie behauptet, sie habe die entsprechende vertragliche Verpflichtung eingehen müssen, um eine infolge des massiven Anstiegs von EinsMan-Maßnahmen der Beklagten drohende Kündigung oder zumindest wirtschaftlich nachteilige Anpassung der bestehenden Direktvermarktungsverträge zu verhindern. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass das Bereitstellungsrisiko auch im Falle der Direktvermarktung letztlich beim Anlagenbetreiber verbleibe, sei es mittelbar durch Strompreissenkungen oder Gebührenerhöhungen oder - wie vorliegend - durch ausdrückliche vertragliche Regelung. Mit der vertraglich gefundenen Regelung werde daher lediglich die vom Gesetzgeber gewollte Risikoverteilung aus § 15 I EEG 2017 nachgebildet. Zur Anpassung der vertraglichen Risikoverteilung sei zudem das an die Direktvermarkterin zu entrichtende Dienstleistungsentgelt reduziert worden, um eine einseitige Bevorteilung des Direktvermarkters auszuschließen. Die gewählte vertragliche Regelung sei zulässig, insbesondere liege kein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter vor. Es bestehe ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend, dass ein Risiko von demjenigen zu tragen sei, der es am besten beherrsche, weswegen die Beklagte im Ergebnis für die Kosten der Ausgleichsenergie aufzukommen habe.
15
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.873.175,47 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2019 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Ansicht, die verfahrensgegenständlichen Ausgleichsenergiekosten seien bereits nicht als zusätzliche Aufwendungen im Sinne des § 15 I EEG 2017 zu qualifizieren, weil sie weder im eigenen Interesse der Klägerin noch in direktem Zusammenhang mit den EinsMan-Maßnahmen entstanden seien. Der Klägerin sei als Anlagenbetreiberin keine ersatzfähige finanzielle Mehrbelastung aus dem Bezug von Ausgleichsenergie entstanden. Die Pflicht, im Falle eines unausgeglichenen Bilanzkreises Kosten für Ausgleichsenergie zu tragen, treffe alleine den Bilanzkreisverantwortlichen und damit vorliegend die Direktvermarkterin. Zusätzliche Aufwendungen im Sinne des § 15 I EEG 2017seien der Klägerin auch nicht durch die vertragliche Berechtigung der Direktvermarkterin entstanden, die Ausgleichsenergiemehrkosten der Klägerin in Rechnung zu stellen. Die vertragliche Übernahme der Ausgleichsenergiekosten durch die Klägerin sei weder erforderlich noch notwendig gewesen. Die konkret gewählte vertragliche Konstruktion diene ausschließlich der Entlastung der Direktvermarkterin bei gleichzeitiger treuwidriger Schädigung der Beklagten, stehe in klarem Widerspruch zum gesetzgeberischen Willen und stelle letztlich einen unzulässigen Vertrag mit Lastwirkung gegenüber Dritten dar.
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Die Beklagte bestreitet im Übrigen, dass der Direktvermarkterin durch die streitgegenständlichen Einspeisemanagementmaßnahmen ein Schaden entstanden sei und dass die betroffenen Windenergieanlagen weniger Strom erzeugt hätten, als prognostiziert worden und tatsächlich zu erwarten gewesen sei. Sie behauptet, dass die Direktvermarkterin durch Rückgriff auf ihren gesamten Anlagenpool des betroffenen Bilanzkreises bei ordnungsgemäßer Nachbewirtschaftung eine Kompensation einzelner EinsManbedingter Mindermengen hätte erreichen können, so dass das Zuführen von Ausgleichsenergie bei ordnungsgemäßer Nachbewirtschaftung gar nicht erforderlich gewesen wäre. Sie meint, die Klägerin müsse sich jedenfalls diejenigen Vorteile anrechnen lassen, die durch die EinsMan-Maßnahmen bei bestimmten Preiskonstellationen erzielt werden könnten.
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Wegen der Einzelheiten des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2022 verwiesen.
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Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Mit Zustimmung der Parteien ist mit Beschluss vom 26.07.2022 ein Übergang in das schriftliche Verfahren gemäß § 128 II ZPO erfolgt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
22
I. Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit des Landgerichts Bayreuth folgt sachlich aus §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 I GVG und örtlich aus §§ 12, 17 I 1 ZPO.
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Ersatz der von ihr an die Direktvermarkterin gezahlten Ausgleichsenergiekosten gemäß § 15 I 1 EEG 2014/2017 zu. Die in den Direktvermarktungsverträgen von der Klägerin übernommene Verpflichtung zur und die erfolgte Erstattung von bei der Direktvermarkterin angefallenen Ausgleichsenergiekosten sind keine zusätzlichen Aufwendungen im Sinne der Vorschrift.
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1. Als Anlagenbetreiberin hat die Klägerin gegen die Beklagte als Betreiberin des Netzanschlusses (vgl. zur Passivlegitimation BK-EnR/König, 4. Aufl. 2018, § 15 EEG Rn. 16; BeckOK-EEG/Schellberg, 11. Ed. Stand 16.11.2020, § 15 EEG 2017 Rn. 11; Baumann/Gabler/Günther, EEG, 1. Aufl. 2019, § 15 Rn. 6 u. 9) hinsichtlich EinsMan-Maßnahmen des Jahres 2016 gemäß § 15 I 1 EEG 2014 und für EinsMan-Maßnahmen des Jahres 2017 aus der - insoweit unveränderten - Norm des § 15 I 1 EEG 2017 abweichend von § 13 V 3 EnWG 2016 einen Entschädigungsanspruch für 95% der entgangenen Einnahmen zuzüglich zusätzlicher Aufwendungen und abzüglich ersparter Aufwendungen, die durch die Reduzierung der Einspeisung wegen Netzengpässen im Sinne des § 14 I EEG 2014/2017 entstanden sind.
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2. Bei § 15 I 1 EEG 2014/2017 handelt es sich nicht um einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch, sondern um einen Aufopferungsanspruch (BGH, BeckRS 2021, 9062 (Rn. 26); so bereits Reshöft/Schäfermeier, EEG, 4. Aufl. 2014, § 12 Rn. 1: Sonderfall zum allgemeinen zivilrechtlichen Aufopferungsanspruch; a. A. wohl BK-EnR/König, § 15 EEG Rn. 1, nach dem es sich entgegen der Normüberschrift nicht um eine Härtefallregelung handeln soll), der - wie bereits der Wortlaut der Norm deutlich macht - eine gesetzliche Ausnahmeregelung zu dem in § 13 V 3 EnWG 2016 verankerten Grundsatz darstellt, nach dem eine Haftung der Netzbetreiber für Vermögensschäden infolge der Reduzierung der Einspeiseleistung im Anwendungsbereich des § 13 II EnWG 2016 grundsätzlich ausscheidet.
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3. Unstreitig kam es in den Jahren 2016 und 2017 aufgrund von Engpässen im Übertragungsnetz der Beklagten zu vermehrten EinsMan-Maßnahmen i.S.d. § 14 I 1 EEG 2014/ 2017, bei denen die Einspeisung des an das Netzanbindungssystem angeschlossenen OWP G3. per Direktzugriff reduziert wurde, um das Übertragungsnetz zu entlasten, wobei das Ausmaß der EinsMan-Maßnahmen hinsichtlich Anzahl und Umfang zwischen den Parteien streitig ist.
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4. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte der Klägerin bereits die Einnahmeverluste ersetzt hat, die dieser dadurch entstanden sind, dass in den Zeiten der Abregelung ihrer WEA in den Jahren 2016 und 2017 weniger Strom produziert und in das Netz eingespeist wurde.
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5. Neben entgangenen Einnahmen sind grundsätzlich nach § …14/2017 auch zusätzliche Aufwendungen des Anlagenbetreibers erstattungsfähig. Bei den hier streitigen Kosten für Ausgleichsenergie handelt es sich aber nicht um zusätzliche Aufwendungen im Sinne der Vorschrift.
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a) Der Begriff der Aufwendung im Sinne des § 15 I 1 EEG 2014/2017 umfasst alle freiwilligen Vermögensopfer, die im eigenen Interesse erbracht werden (LG Bayreuth, Urt. v. 31.07.2019, Az. 34 O 417/18, S. 13 (Anlage B 6); LG Dortmund, BeckRS 2019, 28863 (Rn. 42); Baumann/Gabler/Günther, § 15 Rn. 38; Altrock/Oschmann/Theobald/Hoppenbrock, EEG, 4. Aufl. 2013, § 12 EEG Rn. 74; Reshöft/Schäfermeier, § 12 Rn. 17; a. A. LG Itzehoe, EnWZ 2018, 420 (Rn. 22 ff.) zu Bezugsstromkosten), und nicht wie im allgemeinen Zivilrecht (nur) solche, die im Interesse eines anderen aufgewandt werden (dazu MK-BGB/Krüger, 9. Aufl. 2022, § 256 Rn. 2; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 256 Rn. 1). Dieses vom allgemeinen Zivilrecht abweichende Verständnis ergibt sich zweifellos aus dem Telos der Norm: Der Entschädigungsanspruch zielt auf den Ausgleich finanzieller Nachteile, die der Anlagenbetreiber allein im Eigeninteresse auf sich genommen hat (Danner/Theobald/Lülsdorf, 94. EL Juli 2017, § 15 Rn. 34). In diesem Sinne kann auch die Eingehung einer Verpflichtung durch den Anlagenbetreiber ein Vermögensopfer sein (LG Bayreuth, a.a.O.; LG Dortmund, BeckRS 2019, 28863 (Rn. 46); Gabler, a. a.O. Rn. 41).
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b) Aufwendungen sind dann „zusätzlich“ im Sinne der Norm, wenn sie der Anlagenbetreiber unmittelbar wegen der Abregelung seiner Anlage getätigt hat, er und er sie ohne diese Maßnahme nicht hätte tätigen und keine Kosten hätte auslösen müssen (LG Bayreuth, a.a.O.; LG Dortmund, BeckRS 2019, 28863 (Rn. 42); OLG Schleswig, Beschluss vom 07.07.2021, Az. 7 U 143/20, S. 11 u. 19 (Anlage B 9); Danner/Theobald/Lülsdorf, § 15 Rn. 35; Altrock/Oschmann/Theobald/Hoppenbrock, § 12 EEG Rn. 75).
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aa) Gerade im Hinblick auf den Charakter des Entschädigungsanspruchs als Aufopferungsanspruch (siehe 2.) ist am Unmittelbarkeitserfordernis entgegen der Argumentation der Klägerin und anderslautender Stimmen in der Literatur (so etwa Baumann/Gabler/Günther, § 15 Rn. 44) festzuhalten, da es sich um eine allgemein anerkannte ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung eines Aufopferungsanspruchs handelt, die der Abwendung uferloser Entschädigungen dient (OLG Schleswig, a.a.O., S. 19).
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bb) Nach diesem Maßstab liegen keine zusätzlichen Aufwendungen vor. Die in Streit stehenden Kosten für Ausgleichsenergie fallen beim Bilanzkreisverantwortlichen an. Bilanzkreisverantwortlich ist im Fall der Direktvermarktung regelmäßig - und so auch hier - das Direktvermarktungsunternehmen und nicht der Anlagenbetreiber. Originäre Schuldnerin der Ausgleichsenergiekosten war daher - was zwischen den Parteien auch unstreitig ist - nicht die Klägerin, sondern die Direktvermarkterin als Bilanzkreisverantwortliche. Die Beklagte hatte daher - anders als von § 15 I 1 EEG 2014/2017 vorausgesetzt - zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsenergiekosten gegen die Klägerin. Die Klägerin konnte nicht aufgrund der EinsMan-Maßnahme selbst, sondern erst aufgrund der zwischen ihr und der Direktvermarkterin sowohl in den Ursprungsverträgen als auch den Änderungsvereinbarungen im Vorfeld künftiger EinsMan-Maßnahmen getroffenen Vereinbarung von der Direktvermarkterin für die grundsätzlich von dieser als Bilanzkreisverantwortlicher zu tragenden Ausgleichsenergiekosten in Anspruch genommen werden. Bereits aus diesem Grund stellen sich diese Positionen für die Klägerin als nicht mehr unmittelbar durch die EinsMan-Maßnahme veranlasste Zahlungsverpflichtungen dar (so auch LG Bayreuth, a.a.O., S. 14; OLG Schleswig, a.a.O., S. 12 f.; wohl auch BeckOK-EEG/Schellberg, § 15 EEG 2017 Rn. 15). Es wäre grundsätzlich bei der Kostentragung für die Maßnahmen der Beklagten durch die bilanzkreisverantwortliche Direktvermarkterin geblieben, wenn es keine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Direktvermarkterin gegeben hätte. Die Aufwendung ist mithin unmittelbar bei der Direktvermarkterin entstanden. Diese kann jedoch selbst keinen Anspruch gestützt auf die Härtefallregelung des § 15 I 1 EEG 2014/2017 geltend machen (OLG Bamberg, NJOZ 2019, 1607 (Rn. 53 f.); LG Bayreuth, BeckRS 2018, 3923 (Rn. 80 ff.); OLG Schleswig, a.a.O. S. 8 ff.; BeckOK-EEG/Schellberg, § 15 EEG 2017 Rn. 5; Baumann/Gabler/Günther, § 15 Rn. 49).
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Im Übrigen kann die nachträgliche Eingehung von rückwirkenden Verbindlichkeiten durch Abschluss des „First Amendment to the P. P2. Agreement I for the G. W. 01 Offshore Wind Farm“und des „Second Amendment to the P. P2. Agreement II for the G. W. 01 Offshore Wind Farm“ (Anlagen K 4 und K 5; Übersetzungen K 29 und K 30) im Jahr 2019 schon im Hinblick auf den erfolgten Zeitablauf seit Zahlung der Ausgleichsenergiekosten durch die Direktvermarkterin an die Beklagte nicht mehr als unmittelbar durch die EinsMan-Maßnahme veranlasst angesehen werden (so zumindest in der Tendenz auch LG Dortmund, BeckRS 2019, 28863 (Rn. 44)).
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c) Überdies war die vertragliche Übernahme der Ausgleichsenergiekosten durch die Klägerin nicht erforderlich. Die Erforderlichkeit einer Aufwendung stellt eine ungeschriebene Anspruchsvorraussetzung des § 15 I 1 EEG 2014/2017 dar. Sie folgt aus dem in § 254 BGB zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken der Schadensminderungspflicht, der auch auf den Anlagenbetreiber bei Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach § 15 I 1 EEG 2017 anzuwenden ist (OLG Schleswig, Urt. v. 18.01.019, Az. 17 U 36/18, S. 6 (Anlage B 8); OLG Schleswig, Beschluss vom 07.07.2021, S. 12 (Anlage B 9); LG Bayreuth, Urt. v. 31.07.2019, Az. 34 O 417/18, S. 14 (Anlage B 6); Altrock/Oschmann/Theobald/Hoppenbrock, § 12 EEG Rn. 77; Danner/Theobald/Lülsdorf, § 15 Rn. 35; ebenso BNetzA, Mitteilung vom 14.04.2016, Az. BK6-13-049; i. E. ebenso Reshöft/Schäfermeier, § 12 Rn. 18, nach dem nur erforderliche Aufwendungen „zusätzlich“ im Sinne der Vorschrift sind; offen gelassen bei Baumann/Gabler/Günther, § 15 Rn. 46). Aus diesem Grund kann ein Anlagenbetreiber nur diejenigen erforderlichen und notwendigen Aufwendungen ersetzt verlangen, die durch eine Einspeisemanagementmaßnahme verursacht worden sind. Hierzu gehört jedoch nicht die Eingehung solcher Verbindlichkeiten durch den Anlagenbetreiber, hinsichtlich deren Eingehung keine Verpflichtung bestand und die auch nicht der Abwendung eines eigenen Schadens dienten, da derartiges mit dem Schadensminderungsgebot nicht zu vereinbaren ist (so auch OLG Schleswig, Beschluss vom 07.07.2021, S. 12; LG Bayreuth, a.a.O.; vgl. auch Danner/Theobald/Lülsdorf, a.a.O.).
35
Die Klägerin hat sich als Anlagenbetreiberin aus freien Stücken und auf Grund einer eigenen unternehmerischen Entscheidung dazu entschieden, dem Direktvermarktungsunternehmen die Ausgleichsenergiekosten zu erstatten, ohne dass sie rechtlich hierzu verpflichtet gewesen wäre. Für die Klägerin wären die angefallenen Ausgabenpositionen nicht entstanden, wenn sie mit dem Direktvermarkter die Erstattung der ihr entstandenen Ausgleichsenergiekosten nicht vereinbart hätte (siehe bereits unter b) bb)). Wegen der Bilanzkreisverantwortlichkeit der Direktvermarkterin aufgrund des zwischen dieser und der Beklagten abgeschlossenen Bilanzkreisvertrages stand deren Verpflichtung zur Tragung der Ausgleichsenergiekosten fest. Dieser entscheidende Umstand lässt sich auch nicht mit dem vermeintlichen Argument einer „risikoadäquaten Zuordnung“ relativieren, wonach das Ausgleichsenergierisiko den Anlagenbetreiber „bereits grundsätzlich“ treffen soll (so aber Baumann/Gabler/Günther, § 15 Rn. 52). Bei einer solchen Argumentation werden Direktvermarktungs- und Einspeisemodell vermengt; vor allem aber überblendet eine solche Argumentation, dass das Ausgleichsenergiekostenrisiko nicht an der Eigenschaft als Anlagenbetreiber, sondern an der Bilanzkreisverantwortlichkeit anknüpft. Die Klägerin hatte sich durch den Abschluss der Direktvermarktungsverträge mit einem bilanzkreisverantwortlichen Direktvermarkter ihrer zuvor bestehenden Bilanzkreisverantwortlichkeit und mithin auch der Verpflichtung, im Falle von EinsMan-Maßnahmen ggf. Ausgleichsenergie zukaufen zu müssen, entledigt. Eine Notwendigkeit oder gar Verpflichtung zum Abschluss einer Vereinbarung, aufgrund derer die Klägerin gleichwohl die Ausgleichsenergiekosten im Ergebnis zu übernehmen hatte, bestand für sie nicht.
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Soweit die Klägerin insoweit vorträgt, sie hätte den Direktvermarktungsvertrag andernfalls gar nicht oder nur zu schlechteren Konditionen abschließen oder aufrechterhalten können, überzeugt dies bereits mangels konkreter Darlegungen nicht und kann - den Vortrag als zutreffend unterstellt - eine Erforderlichkeit der Eingehung der Verpflichtung ohnehin nicht begründen. Es hätte der Klägerin freigestanden, einen Vertrag mit einem anderen Direktvermarkter abzuschließen oder aber die von ihr erzeugte Energie selbst zu vermarkten. Es bestand keine zwingende rechtliche Verpflichtung, überhaupt einen Direktvermarktungsvertrag abzuschließen. Die Klägerin hat sich für das Direktvermarktungsmodell entschieden; sie kann sodann nicht berechtigterweise erwarten, von sämtlichen Vorteilen des Direktvermarktungsmodells zu profitieren, zu denen neben der regelmäßigen Abgabe der Bilanzkreisverantwortlichkeit im Falle eines hinreichend umsichtigen Vermarkters insbesondere auch höhere Ertragsmöglichkeiten zählen als in der gesetzlichen Vergütung (vgl. dazu OLG Schleswig, a.a.O., S. 14; BK-EnR/Hermeier, 4. Aufl. 2018, § 20 EEG Rn. 7), dessen Nachteile aber nicht tragen zu müssen, zu denen oftmals eben auch eine vertragliche Abwälzung des Ausgleichsenergierisikos durch den bilanzkreisverantwortlichen Direktvermarkter auf den Anlagenbetreiber gehört. Die Klägerin kann mithin nicht erwarten, dass ihr im Rahmen des Direktvermarktungsvertrages zu ihren Gunsten Bedingungen gewährt werden, die im Ergebnis das Ausgleichsenergiekostenrisiko als für die Vertragsparteien relevante Position völlig negieren. Zugespitzt formuliert ist die Eingehung einer Zahlungsverpflichtung hinsichtlich Ausgleichsenergiekosten gegenüber der Direktvermarkterin lediglich aus Sicht der Klägerin erforderlich, um insgesamt für sie günstigere Vertragskonditionen zu erhalten; dies macht den entsprechenden Vertragsschluss aber nicht zu einer erforderlichen zusätzlichen Aufwendung im Sinne des § 15 I 1 EEG 2014/2017.
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Dies gilt erst recht für die erst nachträgliche Übernahme von Zahlungsverpflichtungen, und sei es nur in ihrer konkreten Ausgestaltung, durch die Klägerin im Jahr 2019 hinsichtlich bereits in den Jahren 2016 und 2017 entstandener Ausgleichsenergiekosten gemäß Ziffer 22 des „First Amendment to the P. P2. Agreement I for the G. W. 01 Offshore Wind Farm“ bzw. des „Second Amendment to the P. P2. Agreement II for the G. W. 01 Offshore Wind Farm“ (Anlagen K 4 und K 5; Übersetzungen K 29 und K 30). Weshalb es erforderlich gewesen sein soll, im Nachhinein Zahlungsverpflichtungen für abgeschlossene Zeiträume einzugehen, erschließt sich nicht. Ein etwaiges auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung gerichtetes Drängen eines Vertragspartners hätte ersichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und hätte sich darüber hinaus auch als treuwidrig dargestellt. Die Direktvermarkterin hätte daher ein Eingehen der Klägerin auf ein etwaiges derartiges Ansinnen redlicherweise nicht erwarten dürfen. Die Klägerin hat normativ betrachtet kein schutzwürdiges Interesse, die aus diesen rechtlich betrachtet unnötig eingegangenen Verpflichtungen resultierenden und ihr bei Abschluss der Verpflichtung aufgrund des abgeschlossenen Zeitraums auch der Höhe nach bekannten oder für sie zumindest berechenbaren Kosten im Ergebnis von der Beklagten erstattet zu erhalten.
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d) Eine normativ-erweiternde Auslegung des § 15 I 1 EEG 2014/2017, die dazu führen würde, dass die Klägerin die von ihr vertraglich übernommenen Verpflichtungen zur Erstattung von durch die Direktvermarkterin verauslagten Ausgleichsenergiekosten von der beklagten Netzbetreiberin ersetzt verlangen könnte, ist nicht angezeigt.
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aa) Der Gesetzgeber hat den Kreis der Anspruchsberechtigten bewusst auf Anlagenbetreiber beschränkt bzw. beschränkt belassen (OLG Bamberg, NJOZ 2019, 1607 (Rn. 42 ff.); OLG Schleswig, a.a.O. S. 9), auch nachdem er ab 2012 sukzessive auch das Direktvermarktungsmodell eingeführt hat. Auch beim grundsätzlichen Übergang vom vorherigen System der festen Einspeisevergütung, auf welches der Entschädigungsanspruch nach § 12 I 1 EEG 2012 bzw. § 15 I 1 EEG 2014/2017 zugeschnitten war (OLG Bamberg, NJOZ 2019, 1607 (Rn. 37 f.); ebenso LG Dortmund, BeckRS 2019, 28863 (Rn. 64); BeckOK-EEG/Schellberg, § 15 EEG 2017 Rn. 5), zum sog. Direktvermarktungs- oder Marktprämienmodell mit der EEG-Novelle 2014 (näher dazu BK-EnR/Hermeier, § 20 Rn. 2-5) hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die bereits dem Wortlaut der Norm nach bestehende Begrenzung der Anspruchsberechtigten auf den Kreis der Anlagenbetreiber auf Direktvermarkter zu erweitern (zweifelnd daher, ob § 15 I 1 EEG 2014/2017 überhaupt auf das Direktvermarktungsmodell anwendbar ist, OLG Bamberg, a.a.O. (Rn. 36, 49)). Auch in der weiteren Folge hat der Gesetzgeber trotz der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung, die soweit ersichtlich durchweg Ansprüche des Direktvermarkters aus § 15 I 1 EEG 2014/2017 verneint hatte, nicht etwa reagiert und den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Diese mehrfach manifestierte gesetzgeberische Entscheidung gegen eine Anspruchsberechtigung des Direktvermarkters gilt es zu respektieren. Sie würde aber konterkariert, wenn man über den Umweg einer - mitunter sogar nachträglichen - Vertragsgestaltung zwischen Anlagenbetreiber und Direktvermarkter letzterem doch eine Möglichkeit eröffnen würde, vermittelt über den Anlagenbetreiber, der sich die entsprechenden Aufwendungen in der Folge seinerseits erstatten lässt, sich der Kosten für Ausgleichsenergie zu entledigen. Dass die Direktvermarkterin nach der gesetzlichen Konzeption keinen Ausgleich für entstandene Ausgleichsenergiekosten erhält, erscheint dabei nur auf den ersten Blick als widersprüchlich, ist letztlich aber Folge einer vom Gesetzgeber bewusst vorgenommenen Differenzierung zwischen Anlagenbetreibern und Direktvermarktungsunternehmen (LG Bayreuth, a. a. O., S. 10 f.). Schließlich gebietet auch der mit der sog. Härtefallregelung des § 15 I 1 EEG 2014/2017 verfolgte Zweck, eine ausreichende Planungs- und Investitionssicherheit für Anlagenbetreiber im Falle von Einspeisemanagementmaßnahmen zu schaffen (dazu BK-EnR/König, § 15 EEG Rn. 3; BeckOK-EEG/Schellberg, § 15 EEG 2017 Rn. 2 f.), keine Ausweitung des Erstattungsanspruchs als Relikt des Einspeisemodells auf Direktvermarkter, da dieser Zweck im Direktvermarktungsmodell auf andere Weise - etwa durch Bildung deutlich größerer Bilanzkreise, Minimierung der wirtschaftlichen Erlösrisiken und die grundsätzliche Chance auf insgesamt höhere Einnahmen (dazu BK-EnR/Hermeier, § 20 EEG Rn. 6 f.) - erreicht wird.
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bb) Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf eine vermeintlich „risikoadäquaten Zuordnung“ des Ausgleichsenergierisikos (so aber Baumann/Gabler/Günther, § 15 Rn. 52). Eine derartige Argumentation geht von der unzutreffenden Prämisse aus, dass das Ausgleichsenergierisiko „bereits grundsätzlich“ beim Anlagenbetreiber liege (Gabler, a.a.O.). Dies war - auch nur im Ergebnis - lediglich beim vor der EEG-Novelle 2014 überwiegend praktizierten Einspeisemodell der Fall, ist aber im Fall der Direktvermarktung im Marktprämienmodell unzutreffend. Die genannte Argumentation verkennt, dass das Ausgleichsenergiekostenrisiko nicht an der Eigenschaft als Anlagenbetreiber, sondern an der Bilanzkreisverantwortlichkeit anknüpft. Diese übernimmt aber im Fall der Direktvermarktung - so auch vorliegend - im Regelfall der Direktvermarkter. Damit ist im Direktvermarktungsmodell das Ausgleichsenergiekostenrisiko grundsätzlich dem Direktvermarkter zugewiesen (ebenso OLG Bamberg, NJOZ 2019, 1607 (Rn. 57 u. 62); LG Bayreuth, a. a.O., S. 14 f.; Klausmann, EWeRK 2019, 201 (203)). Es besteht keinerlei Veranlassung, mittels einer normativen Korrektur in die bei der Direktvermarkterin und damit im Ergebnis zutreffend erfolgte Kostenrisikozuweisung einzugreifen und die rein vertraglich auf die Klägerin erfolgte Kostenabwälzung zu billigen mit der Konsequenz, dass diese Kosten zunächst von der Beklagten und - vermittelt über die EEG-Umlage, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 II EEG 2014/2017 unterstellt - letztlich von der Allgemeinheit zu tragen wären. Ein gesetzlich vermittelter Ersatz von Ausgleichsenergiekosten des Direktvermarkters ist folglich mit dem Marktprämienmodell nicht vereinbar (so im Ergebnis auch OLG Schleswig, a.a.O., S. 14; LG Bayreuth, a.a.O., S. 15).
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cc) Gegen eine im Ergebnis zu Gunsten des Direktvermarkters vorgenommene normative Korrektur im Sinne einer erweiternden Auslegung spricht auch dessen gerade im Vergleich zum Anlagenbetreiber fehlende Schutzbedürftigkeit.
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Ein Direktvermarktungsunternehmen hat durch die Möglichkeit, einen Pool aus Anlagen verschiedener Anlagenbetreiber zu bilden, gegenüber dem einzelnen Anlagenbetreiber den Vorteil, das Risiko eines unausgeglichenen Bilanzkreises zu minimieren. Bietet der Direktvermarkter den geringeren Anfall von Ausgleichsenergie aufgrund der Bündelung von Anlagen und eines damit verbundenen größeren Durchmischungseffektes gerade als Vorteil gegen Entgelt am Markt an, muss er auch die mit dem Modell verbundenen Nachteile in Kauf nehmen. Die Zahlung etwaiger Ausgleichsenergiekosten gehört dabei zum originären wirtschaftlichen Risiko, das mit der Direktvermarktung verbunden ist, und ist deshalb auch grundsätzlich und entschädigungslos vom bilanzkreisverantwortlichen Direktvermarkter zu tragen (OLG Schleswig, a.a.O., S. 15). Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass die Abregelung einzelner Anlagen des Anlagenpools sich für den Bilanzkreisverantwortlichen mitunter sogar positiv auswirken kann, etwa wenn Überproduktionen anderer Anlagen innerhalb des Bilanzkreises aufgefangen und kompensiert werden können (vgl. OLG Schleswig, a.a.O.; LG Dortmund, BeckRS 2019, 28863 (Rn. 62)).
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Entscheidend spricht schließlich gegen eine entsprechende Schutzbedürfigkeit der Direktvermarkterin, dass diese aufgrund einer eigenen unternehmerischen Entscheidung durch den Betrieb eines Direktvermarktungsunternehmens und sodann den Abschluss entsprechender Direktvermarktungs- und Bilanzkreisverträge das Bilanzkreisrisiko und mit diesem auch das Ausgleichsenergierisiko übernommen hat. In diesem Rahmen stand es ihr auch frei, unter Berücksichtigung des eingegangenen Risikos Lieferverträge an die Bilanzkreisverträge anzupassen (vgl. auch OLG Bamberg, NJOZ 2019, 1607 (Rn. 57 u. 62)).
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dd) Eine normative Korrektur im Sinne einer erweiternden Auslegung des § 15 I 1 EEG 2014/2017 ist schließlich auch nicht im Hinblick auf die Neuregelung des Entschädigungsregimes mit Überführung der Entschädigungsregelung des § 15 I 1 EEG 2017 in § 13a II EnWG (vgl. dazu BT-Drs. 19/7375, S. 55 und BeckOK-EEG/Schellberg, § 15 EEG 2017 Rn. 4a) durch das zum 01.10.2021 in Kraft tretende NABEG 2.0 (Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13.05.2019, BGBl. 2019 I, S. 706) veranlasst.
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Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass zwar „[d]ie Regelungen zum finanziellen Ausgleich […] in § 13a Absatz 2 EnWG zusammengeführt [werden], ohne dass sich [aber] dadurch materielle Änderungen ergeben“ (BT-DRs. 19/7375, S. 75). Vor allem aber hat er in § 13a Ia 1 EnWG 2021 dem Bilanzkreisverantwortlichen primär einen unentgeltlichen (BT-Drs. 19/7375, S. 55) Anspruch auf einen bilanziellen Ausgleich der Maßnahme gegen den Übertragungsnetzbetreiber eingeräumt, der den Betreiber der Anlage zur Anpassung aufgefordert oder die Anpassung durchgeführt hat. Der Wortlaut des § 13a Ia 1 EnWG 2021 differenziert dabei nicht zwischen einem bilanzkreisverantwortlichen Anlagenbetreiber und einem bilanzkreisverantwortlichen Direktvermarkter. Nach dieser gesetzgeberischen Konzeption ist davon auszugehen, dass künftig im Falle abregelungsbedingter Bilanzkreisungleichgewichte schon gar keine Kosten für den Bezug von Ausgleichsenergie entstehen, die in der Folge auszugleichen wären (so auch Klausmann, EWeRK 2019, 201 (203); a. A. offenbar Schneider/Schliephake, EnWZ 2020, 299 (304), die sodann dem bilanzkreisverantwortlichen Direktvermarkter zwar keinen direkten Anspruch auf Erstattung von aufgrund von EinsMan-Maßnahmen angefallenen Ausgleichsenergiekosten gegen den Netzbetreiber zugestehen wollen, im Falle einer vertraglich eingegangen Verpflichtung zur Erstattung angefallener Ausgleichsenergiekosten eine Ersatzpflicht des Netzbetreiber nach § 13 a [II] EnWG 2021 aber bejahen [Anm.: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Aufsatzes waren beide Autoren als Rechtsanwälte in der Kanzlei der Klägerbevollmächtigten tätig]).
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e) Selbst wenn man einen Entschädigungsanspruch der Klägerin aus § 15 I 1 EEG 2014/2017 im Übrigen dem Grunde nach bejahen würde, so würde er jedenfalls daran scheitern, dass er nur vermittelt durch die Vereinbarung in Ziffer 22 der Direktvermarktungsverträge bestünde, diese Regelung aber als unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter gemäß §§ 138 I, 242 BGB zum Nachteil der Beklagten aber keinerlei rechtliche Wirkungen entfalten kann (vgl. hierzu statt vieler BeckOGK/Mäsch, Stand 01.10.2022, § 328 BGB Rn. 129).
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aa) Die Grundsätze der Privatautonomie und die verfassungsrechtlich als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützte negativen Vertragsfreiheit lassen nicht zu, dass zwei Parteien einen Vertrag schließen, durch den einem am Vertragsschluss nicht beteiligten Dritten ohne dessen Mitwirkung und gegen dessen Willen eine Verpflichtung oder sonstige belastende Wirkung erwächst, es sei denn, es handelte sich dabei um einen bloßen Rechtsreflex (BeckOGK/Mäsch, § 328 BGB Rn. 123 u. 127; MK-BGB/Gottwald, § 328 Rn. 263; Grüneberg, vor § 328 Rn. 10). Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn dem Dritten lediglich eine rechtlich nicht geschützte Gestaltungschance genommen wird (Mäsch, a.a.O. Rn. 127). Auf welchem Wege ein Dritter mit Pflichten belastet oder ihm Rechte genommen werden sollen, ist gleichgültig (Gottwald, a.a.O. Rn. 264).
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bb) Die konkreten vertraglichen Vereinbarungen in Ziffer 22 der Direktvermarktungsverträge dienen ihrem Gesamtcharakter nach allein dazu, eine Einstandspflicht der Beklagten herbeizuführen, die anderenfalls nicht bestanden hätte oder nicht zum Tragen gekommen wäre. Bei dem gewählten Modell der Direktvermarktung ist nicht der Anlagenbetreiber, sondern das Direktvermarktungsunternehmen zur Führung und zum Ausgleich des Bilanzkreises und damit zur Erstattung von Ausgleichsenergiekosten verpflichtet (siehe bereits b) bb), c) und d) bb)). Da die Direktvermarkterin aber mangels eigener Anspruchsberechtigung gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß § 15 I 1 EEG 2014/2017 hätte geltend machen können (siehe bereits b) bb)), bestand ausgehend von der gesetzlichen Regelung keine Einstandspflicht der Beklagten für entstandene Ausgleichsenergiekosten. Erst aufgrund der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung entstünde damit - die Erfüllung der Voraussetzungen des § 15 I 1 EEG 2014/2017 im Übrigen unterstellt - ein Anspruch gegen die Beklagte. Damit entfaltet der zwischen der Klägerin und der Direktvermarkterin geschlossene Vertrag, soweit er eine Rückgriffsmöglichkeit der Direktvermarkterin auf die Klägerin zur Erstattung verauslagter Ausgleichsenergiekosten für EinsMan-Maßnahmen eröffnet, aufgrund einer erst hierdurch entstehenden Aktivlegitimation eine belastende Wirkung für die Beklagte. Ein solches Ergebnis steht zudem der grundsätzlichen vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung entgegen. Der gesetzgeberische Wille, nur den Anlagenbetreibern einen Erstattungsanspruch zuzusprechen, würde gerade umgegangen, wenn die hinsichtlich Ausgleichsenergiekosten nicht aktivlegitimierten Direktvermarkter durch die Hintertür einer vertraglichen Gestaltung zu faktischen Anspruchsberechtigten würden, indem sie sich aufgrund vertraglicher Vereinbarung die Ausgleichsenergiekosten von den Anlagenbetreibern erstatten lassen, die sich diese Kostenposition sodann ihrerseits allein aufgrund ihrer formalen Stellung als Anlagenbetreiber über § 15 I 1 EEG 2014/2017 von der Übertragungsnetzbetreiberin erstatten lassen könnten. Die Klägerin und die Direktvermarkterin waren sich durchaus bewusst, dass die Klägerin als Anlagenbetreiberin einen derartigen Erstattungsanspruch haben könnte. So wurde denn auch in den Abänderungsverträgen bei der vertraglichen Regelung der Erstattungszahlungen für Ausgleichsenergie unter Ziffer 22.1 ausdrücklich auf § 15 EEG Bezug genommen (Anlagen K 29 und K 30, jew. S. 3).
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Ziel dieser vertraglichen Vereinbarung kann bei lebensnaher Betrachtung und in Ermangelung anderweitiger ersichtlicher, geschweige denn überzeugender Motivlagen für den Abschluss einer derartigen Vereinbarung nur gewesen sein, einen nach der gesetzgeberischen Entscheidung nicht bestehenden Anspruch des Direktvermarktungsunternehmens auf Erstattung der Ausgleichsenergiekosten gegen den Netzbetreiber zu konstruieren. Im Ergebnis würden die verauslagten Ausgleichsenergiekosten der Direktvermarkterin ausgeglichen, ohne dass dies für die Klägerin einen relevanten finanziellen Nachteil bedeutet hätte. Damit sind die vertraglichen Regelungen in Ziffer 22 der Direktvermarktungsverträge als treuwidrige vertragliche Vereinbarungen zu Lasten eines Dritten anzusehen, die dem Gesamtgefüge der vertraglichen und gesetzlichen Aufgaben- und Risikoverteilung bei dem gewählten Modell der Direktvermarktung widerspricht (so auch LG Bayreuth, a.a.O., S. 15; LG Dortmund, BeckRS 2019, 28863 (Rn. 60); ähnlich OLG Schleswig, a.a.O. S. 13: „[E]ine unzulässige Vertragsgestaltung (§ 242 BGB) wegen Umgehung des gesetzgeberischen Willens“).
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Es erscheint im Übrigen geradezu als bezeichnend für die Intention der Vertragsparteien des Direktvermarktungsvertrages, dass die in § 15 I 1 EEG 2014/2017 grundsätzlich vorgesehene Begrenzung des Erstattungsanspruchs auf 95% der entgangenen Einnahmen in der vertraglichen Erstattungsregelung zwischen der Klägerin und der Direktvermarkterin gerade nicht übernommen wurde. Damit erhält die Direktvermarkterin bezogen auf Ausgleichsenergiekosten auf vertraglicher Grundlage von der Klägerin mehr, als sie im Falle einer eigenen Anspruchsberechtigung von der beklagten Netzbetreiberin hätte verlangen können. Dies bedeutet zugleich, dass die Beklagte im Falle einer vollständigen Erstattungsfähigkeit dieser erst vertraglich bei der Klägerin entstandenen Kostenpositionen schlechter stünde, als dies nach der gesetzlichen Regelung des § 15 I 1 EEG 2014/2017 vorgesehen war. Eine vollständige Erstattung der Ausgleichsenergiekosten würde damit im Ergebnis sogar zu einer Überkompensation der an sich gar nicht anspruchsberechtigten Direktvermarkterin führen.
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f) Das originäre wirtschaftliche Risiko des Direktvermarkters kann nach alledem nicht über die gewählte vertragliche Konstruktion auf die Beklagte und damit im Ergebnis - unter den Voraussetzungen des § 15 II EEG 2014/2017 - auf die Endverbraucher abgewälzt werden.
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6. Die Zinsforderung teilt als Nebenforderung das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, 2 ZPO.