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VG München, Urteil v. 30.06.2022 – M 11 K 19.333
Titel:

Vorbescheid für Zweifamilienhäuser - Abgrenzung von Innen- und Außenbereich

Normenketten:
BauGB § 34, § 35
BayBO Art. 71
Leitsätze:
1. Ein Grundstück fällt nicht bereits deshalb unter § 34 Abs. 1 BauGB, weil es von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Für die Beurteilung, ob ein unbebautes Grundstück als „Baulücke“ anzusehen ist, die an einem Bebauungszusammenhang iSv § 34 BauGB teilnimmt, ist maßgeblich, ob die zur Bebauung anstehende Fläche von einer tatsächlich aufeinanderfolgenden, zusammenhängenden Bebauung geprägt wird. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Feste Zahlenwerte für die maximale Ausdehnung einer Baulücke bestehen nicht. Es gibt auch keine Regelvermutung oder Faustformel für bestimmte Fälle. Mit zunehmender Größe der Freifläche wird das Vorliegen einer Baulücke allerdings weniger wahrscheinlich. Entscheidend bleibt stets eine umfassende Bewertung der Grundstücksituation auf Grundlage der konkreten Gegebenheiten. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorbescheid, Abgrenzung Innen- und Außenbereich, Baulücke, Bebauungszusammenhang
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.04.2023 – 1 ZB 22.2558
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32179

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Erteilung eines Vorbescheids zur Errichtung zweier Zweifamilienhäuser auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … (Vorhabengrundstück).
2
Das westlich der … straße gelegene ca. 2.460 qm große Vorhabengrundstück und das hieran nördlich angrenzende, etwa doppelt so große Grundstück Fl.Nr. … sind unbebaut und werden bislang als landwirtschaftliche Grünfläche genutzt. Nördlich der Fl.Nr. … verläuft die … straße, auf deren nördlicher Seite das Gelände stark abfällt. Im Westen, Süden und Osten ist das Vorhabengrundstück von Wohnbebauung umgeben; das westlich gelegene Geviert wird dabei über die … straße und den hiervon abzweigenden H.weg erschlossen. Lediglich die östlich der … straße gelegenen Fl.Nrn. … und … sind unbebaut. Das Vorhabengrundstück liegt, ebenso wie das Grundstück Fl.Nr. …, nicht im Gebiet eines Bebauungsplans.
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Der Kläger beantragte unter dem 1. Februar 2018 einen Vorbescheid zur Errichtung von zwei Zweifamilienhäusern mit Garagen auf dem Vorhabengrundstück. Konkrete Vorbescheidsfragen wurden nicht gestellt.
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Der Gemeinderat der Beigeladenen verweigerte hierzu mit Beschluss vom 15. März 2018 das gemeindliche Einvernehmen, weil das Vorhaben im Außenbereich liege.
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Mit Bescheid vom 5. Dezember 2018 lehnte das Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) nach vorheriger Anhörung des Klägers den begehrten Vorbescheid ab. Hierzu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben als sog. „Innenanger“ bzw. „Innenbereich im Außenbereich“ zu qualifizieren sei. Eine ringsum von Bebauung umgebene Freifläche, die so groß sei, dass sich ihre Bebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdränge, liege nicht innerhalb eines Bebauungszusammenhangs i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB, sondern sei dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich zuzuordnen. Dabei sei nicht auf die Gesamtheit aller unbebauten Flächen (Fl.Nrn. … und ...), sondern nur auf die zur Bebauung vorgesehene Fläche abgestellt worden. Die umliegenden Wohngebiete würden für sich gesehen jeweils einen geschlossenen Bebauungszusammenhang bilden, an dem das Vorhabengrundstück nicht teilnehme. Das im Außenbereich nicht privilegierte Vorhaben beeinträchtige in mehrfacher Hinsicht öffentliche Belange. Es stehe in Widerspruch zur Darstellung des Flächennutzungsplans, der den Bereich als Fläche für die Landwirtschaft ausweise. Des Weiteren lasse das Vorhaben die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten und beeinträchtige auch die natürliche Eigenart der Landschaft. Ferner habe die Gemeinde das gemeindliche Einvernehmen aufgrund der Außenbereichslage nicht erteilt. Der Bescheid wurde der Klägerseite am 20. Dezember 2018 zugestellt.
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Der Kläger hat durch seinen Bevollmächtigten am 21. Januar 2019 (Montag) Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben. Er beantragt,
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den Bescheid des Landratsamts vom 5. Dezember 2018 betreffend die Bauvoranfrage des Klägers betreffend die Errichtung von zwei Wohnhäusern mit Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen der Bauvoranfrage des Klägers vom 1. Februar 2018 positiv entsprechenden Bescheid zu erlassen.
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Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass im Rahmen eines Gesprächstermins mit Vertretern des Landratsamts am 10. Juli 2018 dahingehend Einigkeit erzielt worden sei, dass durch das Vorhaben keine Splitterbebauung entstehe oder begünstigt werde. Das nun im Ablehnungsbescheid gleichwohl auf die Entstehung einer Splittersiedlung abgestellt werde, sei einigermaßen überraschend. Die Bedenken des Landratsamts vor Erlass des Bescheids hätten sich auf andere öffentliche Belange und die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens bezogen. Demgegenüber habe die Gemeinde ausweislich eines Zeitungsberichts das Einvernehmen deswegen verweigert, weil das Landratsamt die bauliche Zulässigkeit ohnehin nicht befürworte. Dem Kläger lägen Unterlagen vor, die dieses Ping-Pong-Spiel zwischen Gemeinde und Landratsamt als nur vorgeschoben erscheinen ließen, um den Kläger zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags zu bewegen. Die Gemeinde habe dem Vater des Klägers als vormaligem Eigentümer angeboten, nicht nur das Vorhabengrundstück, sondern auch das wesentlich größere Grundstück Fl.Nr. … mit freistehenden Wohnhäusern zu überplanen. Dazu sei es nur deswegen nicht gekommen, weil die Konditionen der Gemeinde untragbar gewesen seien. Aufgrund der umliegenden Bebauung und der angrenzenden S. straße, die die Fläche von der nördlich an die S. straße angrenzenden Hangfläche/ …terrasse abgrenze, sei das Vorhabengrundstück als im Innenbereich liegend prädestiniert. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein müsse, um noch als zusammenhängende Bebauung zu erscheinen, sei aufgrund einer umfassenden Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden. Vorliegend handele es sich um eine Baulücke, zumal insbesondere auf optisch wahrnehmbare Besonderheiten der Topographie zu achten sei. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erkenne eine Baulücke als eine Ausdehnung von 2 bis 3 Baugrundstücken bzw. 130 m an, was hier weit unterschritten werde. Es gehe somit nicht um eine Splitterbebauung, sondern um eine logische Fortentwicklung der bestehenden Siedlungsstruktur im Sinne einer Nachverdichtung. Hinzu komme die besondere Lage der Siedlung auf einer …terrasse, welche durch die S. straße hangseits abgegrenzt und räumlich umklammert werde. Demzufolge erscheine die Errichtung eines Gebäudes auf der unbebauten Fläche als zwanglose Fortsetzung des bereits vorhandenen, bebauten Bereichs. Im Rahmen des § 34 BauGB sei auf das umgebende Geviert abzustellen, das auf drei Seiten bis hin zur S. straße von freistehenden Wohnhäusern und Doppelhaushälften - teils genehmigt, teils im Bau und teils bereits fertiggestellt - geprägt sei. Das Vorhaben halte in jeder Hinsicht den von der umliegenden Bebauung vorgegebenen Rahmen ein. Das Argument des Entstehens eine Splittersiedlung sei unzutreffend, auch wenn dieses regelmäßig bei einer Bebauung am Ortsrand genannt werde. Vorliegend handele es sich um einen Innenbereich, der zur S. straße und den angrenzenden …hang natürlich abgeschlossen werde. Das Vorhabengrundstück befinde sich faktisch bereits im Zusammenhang dreiseitig umschließender, bebauter Ortsteile und werde nördlich begrenzt durch das Grundstück Fl.Nr. …, das wiederum an die den Ortsrand begrenzende S. straße grenze. Die Siedlungsstruktur in … sei ein dörflich zusammenhängender Siedlungskomplex, der teilweise durch umliegende Bauernhöfe aufgeschlossen sei. Das Vorhaben führe nicht zu einer Zersiedelung der Landschaft durch Einzelgehöfte, sondern füge sich am Ortsrand unmittelbar angrenzend, aber doch inmitten umgebender Bebauung sehr gut in die gegebene dörfliche Struktur ein. Die Darstellungen des Flächennutzungsplans seien im Innenbereich kein Beurteilungsmaßstab. Soweit das gemeindliche Einvernehmen wie hier rechtswidrig von Seiten der Gemeinde verweigert worden sei, sei dieses von der Bauaufsichtsbehörde zu ersetzen. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass sonstige Vorhaben im Außenbereich auch nach § 35 Abs. 2 BauGB im Einzelfall zugelassen werden könnten. Dies sei hier der Fall, zumal das Vorhaben keinen auffälligen Fremdkörper zu einer im wesentlichen einheitlichen Außenbereichsnutzung und den angrenzenden Wohnhäusern darstelle. Eine unorganische und zusammenhanglose Streubebauung entstehe nicht. Für eine Einzelfallregelung nach § 35 Abs. 2 BauGB spreche zudem indiziell auch die Vorstellung der Gemeinde, die beiden Grundstücke Fl.Nrn. … und … einer umfassenden Bebauung bis zur angrenzenden S. straße zuzuführen. Ebenso wie in Aufstellung befindliche Bebauungspläne in die Einzelfallentscheidung einbezogen werden könnten, sei auch das Ansinnen der Gemeinde positiv bei der Bescheidung mit in die Einzelfallprüfung einzubeziehen, auch wenn der Konkretisierungsgrad des § 33 BauGB noch nicht erreicht sei. Der Wille der Gemeinde, die Fläche einer umfassenden Bebauung zuzuführen, widerspreche den Vorstellungen von einer Zersplitterung oder Zersiedelung des ohnehin zur Bebauung angedachten Gebiets. Der Begriff „Außenbereich im Innenbereich“ sei vom Bundesverwaltungsgericht nicht als eigenständiger Rechtsbegriff eingeführt worden. Bei einer Fläche von gerade einmal 2.460 qm könne nicht von einer derart großen zusammenhanglosen Fläche die Rede sein, dass diese als Außenbereich einzustufen wäre. Direkt anschließend und auf drei Seiten würden bebaute Grundstücke an das Vorhabengrundstück angrenzen. Hierzu sei der Bebauungsplan abweichend vom Flächennutzungsplan bereits ausgeweitet worden. Hätte der Vater des Klägers die Konditionen der Gemeinde angenommen, wäre das Vorhabengrundstück (und auch die größere Fl.Nr. ...) bereits in der Art und Weise überplant, wie dies auch in der Bauvoranfrage des Klägers zum Ausdruck komme. Es sei daher kein Grund ersichtlich, weshalb eine Bebauung der Fl.Nr. … zwischen der dreiseitig ringsum bebauten Fläche, welche bereits ursprünglich zur späteren Überplanung vorgesehenen gewesen sei, eine nicht im Zusammenhang stehende Bebauung darstellen solle. Die geplante Bebauung schließe vielmehr die Lücke zwischen der … straße und der … straße und sorge für den Eindruck der Zusammengehörigkeit zwischen den beiden Siedlungsabschnitten. Da in der bestehenden Siedlung vorrangig freistehende, ländliche Einfamilienhäuser mit teils großen Abständen zueinander gebaut seien und großzügig angelegte Gärten sämtliche Häuser umfassen würden, sei nicht zu beanstanden, dass die geplanten Wohnhäuser zu weit von den angrenzenden Häusern entfernt lägen. Ein Bebauungszusammenhang liege trotz bestehender Lücken vor, solange der Eindruck der Geschlossenheit gegeben sei. Durch die geplante Bebauung könne die … straße optisch direkt mit dem H.weg verbunden werden. Die geplanten Wohnhäuser würden nach der Art und dem Maß der Nutzung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche nicht von der Umgebungsbebauung abweichen und somit nicht das Gesamtbild der Siedlung stören. Vielmehr ergebe sich der Eindruck einer organischen Siedlungsstruktur. Das Grundstück könne folglich auch nicht als Außenanger i.S.d. § 35 BauGB qualifiziert werden, sondern stelle sich als natürlicher Teil des gewachsenen Ortsbilds dar. Allein die Befürchtung eines Präzedenzfalles könne nicht Entscheidungsgrundlage dafür sein, ob dem Kläger Baurecht zustehe oder nicht. Sollte das Vorhabengrundstück als Außeninsel qualifiziert werden, bestehe hilfsweise ein Anspruch auf Genehmigung nach § 35 Abs. 2 BauGB.
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Der Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Zur Begründung wurden mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 die Ausführungen des Bescheids im Wesentlichen wiederholt und vertieft.
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Die Beigeladene stellte keinen Antrag.
13
Die Kammer hat am 30. Juni 2022 Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheins erhoben und anschließend die mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der beim Augenschein getroffenen Feststellungen und des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Augenscheins- und Sitzungsniederschrift verwiesen.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 5. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf den begehrten Vorbescheid hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16
Dem beantragten Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 BayBO).
17
Nach Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung des Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Im vorliegenden Fall zielt der Antrag des Klägers vom 1. Februar 2018 - auch wenn eine ausdrückliche Fragestellung fehlt - nach den erkennbaren Umständen darauf ab, dass über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens vorab verbindlich entschieden werden soll. Das Landratsamt hat dies im streitgegenständlichen Bescheid zu Recht verneint.
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1.1 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 35 BauGB. Das Grundstück liegt weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB.
19
Ein „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ im Sinne von § 34 BauGB ist jede Bebauung im Gebiet einer Gemeinde, die trotz vorhandener Baulücken geschlossen und zusammengehörend wirkt, nach der Zahl der vorhandenen Gebäude ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, U.v. 6.11.1968 - 4 C 2.66 - juris). Ein Grundstück fällt nicht bereits deshalb unter § 34 Abs. 1 BauGB, weil es von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Für die Beurteilung, ob ein unbebautes Grundstück als „Baulücke“ anzusehen ist, die an einem Bebauungszusammenhang im Sinn von § 34 BauGB teilnimmt, ist maßgeblich, ob die zur Bebauung anstehende Fläche von einer tatsächlich aufeinanderfolgenden, zusammenhängenden Bebauung geprägt wird. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um noch als zusammenhängende Bebauung zu erscheinen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Grund einer umfassenden Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden (BVerwG, U.v. 6.11.1968 - IV C 2.66 - BVerwGE 31, 20; B.v. 4.7.1990 - 4 B 103.90 - BayVBl 1991, 473; U.v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - ZfBR 2007, 480). Das betreffende Grundstück muss dabei selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bilden, also selbst am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnehmen. Am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang - unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen - grundsätzlich hinter dem letzten Gebäude (BVerwG, U.v. 12.10.1973 - IV C 3.72 - BauR 1974, 41). Für die Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich können auch topografische Verhältnisse, wie etwa Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse usw.) eine Rolle spielen. Auch eine Straße, ein Weg oder ein sonstiges Hindernis kann je nach den Umständen des Einzelfalls einen Bebauungszusammenhang herstellen oder trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich haben. Die Berücksichtigung solcher optisch erkennbaren Umstände kann dazu führen, dass der Bebauungszusammenhang ausnahmsweise nicht am letzten Baukörper endet, sondern dass ihm ein oder auch mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze zuzuordnen sind (BVerwG, U.v. 12.12.1990 a.a.O., B.v. 18.6.1997 - 4 B 238.96 - BauR 1997, 807).
20
Feste Zahlenwerte für die maximale Ausdehnung einer Baulücke (z.B. zwei, drei oder vier Bauplätze) bestehen nicht. Es gibt auch keine Regelvermutung oder Faustformel für bestimmte Fälle (vgl. Söfker in E/Z/B/K, BauGB, Stand April 2022, § 34, Rn. 23 m.w.N. zur Rspr.). Mit zunehmender Größe der Freifläche wird das Vorliegen einer Baulücke allerdings weniger wahrscheinlich (vgl. BayVGH, U.v. 16.6.2015 - 1 B 14.2772 - juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 12.6.1970 - IV C 77.68 - BVerwGE 35, 256-262; U.v. 1.12.1972 - IV C 6.71 - BVerwGE 41, 227). Entscheidend bleibt stets eine umfassende Bewertung der Grundstücksituation auf Grundlage der konkreten Gegebenheiten. So kann es für einen Bebauungszusammenhang ausreichen, wenn eine Baulücke bestimmter Größe zwischen großzügig bemessenen, mit Einfamilienhäusern bebauten Grundstücken liegt, während bei einer eng aneinandergereihten Bebauung eine vergleichbar große Lücke dem Bebauungszusammenhang unterbricht, weil sich eine Neubebauung nicht mehr als Fortsetzung der vorhandenen Bebauung darstellen würde (vgl. Mitschang/Reidt in B/K/L, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 34, Rn. 9). Soweit es an einer Prägung durch die benachbarte Bebauung fehlt, handelt es sich um Außenbereich.
21
Daran gemessen liegt der Standort der geplanten Zweifamilienhäuser nach den Feststellungen des gerichtlichen Augenscheins nicht mehr innerhalb des von der umliegenden Bebauung gebildeten Bebauungszusammenhangs.
22
Das Vorhabengrundstück ist an drei Seiten (Westen, Süden und Osten) von Bebauung umgeben. Im Norden ergibt sich eine klare Begrenzung durch die … straße mit dem nach Norden abfallenden Steilhang, dem die Kammer nach dem Eindruck des Augenscheins trennende Wirkung zu dem nordöstlich gelegenen Außenbereich beimisst. Die das Vorhabengrundstück umgebende Bebauung im Süden und insbesondere im Westen stellt sich nach dem Eindruck des Augenscheins indes nicht als besonders aufgelockerte Bebauung dar. Vielmehr handelt es sich nach dem Eindruck des Augenscheins um eine für den ländlichen Raum relativ dichte, kleinteilige und homogene Bebauung; die Wohngebäude in der näheren Umgebung besitzen im Wesentlichen die Kubatur E + 1, max. E + 1 + Dach. Dieser eher verdichtete Eindruck der umgebenden Bebauung wird auch durch die Luftbildaufnahmen aus dem Geodatenportal Bayern Altas bestätigt. Die Bebauung östlich der … straße kann demgegenüber nur bedingt als Maßstab herangezogen werden, da sich dort ganz zentral, in etwa auf Höhe des Vorhabengrundstücks eine Baulücke für zwei Bauplätze (Fl.Nrn. … und ...) befindet.
23
Unter Berücksichtigung dieser konkreten örtlichen Gegebenheiten erscheint die in den Blick zu nehmende Freifläche schlicht als zu groß, um noch eine bloße „Baulücke“ innerhalb des bestehenden Bebauungszusammenhangs annehmen zu können. Entgegen den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid ist dabei nicht allein das nach Angaben der Klägerseite ca. 2.500 qm große Vorhabengrundstück, sondern mangels topographischer Besonderheiten auch das ca. doppelt so große, nördlich angrenzende Grundstück Fl.Nr. … in die Betrachtung einzubeziehen. Es handelt sich mithin um eine Fläche von mindestens etwa 7.500 qm, nach einer Berechnung in der Behördenakte dürfte es sich sogar um eine deutlich größere Gesamtfläche von ca. 8.193 qm handeln (vgl. handschriftl. Notiz, Bl. 31 d.BA.). Der Abstand zwischen der in westlicher und östlicher Richtung maßstabsbildenden Bebauung (Anwesen H.weg 6 und H.weg 10) beträgt ca. 77 m (vgl. Messungen, Bl. 29 d.BA). In Nord-Süd-Richtung ergibt sich für die gesamte Wiesenfläche bei einer Messung im Bayern Atlas eine Ausdehnung von ca. 139 m (auf der Ostseite) bzw. ca. 145 m (auf der Westseite). Auf dieser Fläche könnten unter Heranziehung der Bebauung des westlich gelegenen Baugebiets durchaus 10 Bauplätze untergebracht werden. Auch der von Klägerseite angenommene Umfang von 2 bis 3 Bauplätzen wird damit vorliegend deutlich überschritten.
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Auf Grund des im Rahmen des Augenscheins gewonnenen Gesamteindrucks ist die maßgebliche unbebaute Fläche unter Berücksichtigung der konkreten Örtlichkeiten und der umliegenden Bebauung damit deutlich zu groß, um den Bereich des Vorhabenstandorts noch als bloße Baulücke innerhalb eines Bebauungszusammenhangs der umliegenden Bebauung werten zu können.
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1.2. Als sonstiges Bauvorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist das Vorhaben im Außenbereich nicht zulässig, weil öffentliche Belange beeinträchtigt werden.
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Das Vorhaben soll auf einer Fläche verwirklicht werden soll, die nach den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Landwirtschaft vorbehalten bleiben soll (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Nach den Feststellungen des Augenscheins wird das Grundstück auch tatsächlich als landwirtschaftliche Grünfläche bewirtschaftet. Der Widerspruch zum Flächennutzungsplan reicht als Beeinträchtigung öffentlicher Belange aus, um dem nicht privilegierten Vorhaben im Außenbereich die Genehmigung zu versagen. Auf die zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob daneben weitere öffentliche Belange - wie etwa die des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 BauGB - beeinträchtigt werden, kommt es damit vorliegend nicht mehr entscheidungserheblich an. Ebenso kommt es vorliegend nicht darauf an, ob und inwieweit die Beigeladene für das Vorhabengrundstück und die nördlich angrenzende Freifläche in der Vergangenheit die Aufstellung eines Bebauungsplans ins Auge gefasst hat.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene trägt billigerweise gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.