Titel:
Abwassergebühren nach dem modifizierter Frischwassermaßstab
Normenketten:
KAG Art. 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
AO § 162 Abs. 1 S. 1
BGS/EWS § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 6
Leitsatz:
Es verstößt nicht gegen das Äquivalenzprinzip, wenn angenommen wird, dass ein Teil des Frischwassers regelmäßig auf dem Grundstück verbraucht und dem Abwasserkanal nicht wieder zugeleitet wird, wenn angenommen werden kann, dass dieses verbrauchte Wasser bei den Benutzern etwa im gleichen Verhältnis zu der bezogenen Wassermenge steht (Frischwassermaßstab). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abwassergebühren, Schätzung des Wasserverbrauchs, Modifizierter Frischwassermaßstab, Äquivalenzprinzip
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32178
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Wasser- und Abwassergebühren.
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Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …, Gemarkung … ( … straße 75, ...). Er lebt dort mit seiner Familie in einem Vierpersonenhaushalt. Mit Bescheid vom 22. Februar 2018 setzte die Gemeinde … für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 gegenüber dem Kläger Wassergebühren in Höhe von 826,47 Euro fest. Aus diesem Bescheid ergibt sich, dass am 22. November 2017 der alte Wasserzähler (Zähler-Nr. 11131491) ausgebaut wurde und durch einen neuen (Zähler-Nr. ...) ersetzt wurde. Der Zählerstand des alten Wasserzählers wurde abgelesen und ein Verbrauch von 641 m3 für den Zeitraum bis 22. November 2017 errechnet (Zählerstand neu zum 22.11.2017: 1181 m3, Zählerstand alt zum 31.12.2016: 540 m3). Hinsichtlich des Zeitraums 23. November 2017 bis 31. Dezember 2017 schätzte die Gemeinde den Wasserverbrauch auf 15 m3, welches den Gesamtabrechnungsbetrag von 826,47 Euro für 656 m3 Wasser ergab (656 x 1,15 Euro pro m3 Wasser + 54,07 Euro Mehrwertsteuer).
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Hinsichtlich der Verbrauchszeiträume 2014, 2015 und 2016 wurde von der Gemeinde … ein jährlicher Wasserverbrauch von 120 m3 abgerechnet. Diese Bescheide wurden - wie auch der Bescheid vom 22. Februar 2018 - bestandskräftig.
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Der Beklagte ist ein kommunaler Zweckverband und betreibt eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung für das Gebiet seiner Verbandsgemeinden. Für die Einleitung des Abwassers in die Entwässerungseinrichtung erhebt er nach der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 17. April 2014 (BGS/EWS) von den angeschlossenen Grundstücken Gebühren (§ 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 BGS/EWS). Als Abwassermenge gelten die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen, die durch geeichten Wasserzähler ermittelt werden (§ 10 Abs. 2 BGS/EWS). Nach § 10 Abs. 3 Satz 6 BGS/EWS ist ein Abzug für das auf dem Grundstück verbrauchte oder zurückgehaltene Wasser schriftlich beim Beklagten zu beantragen.
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Mit (bestandskräftigen) Bescheiden des Beklagten vom 22. April 2015, 28. April 2016 sowie 11. April 2017 setzte der Beklagte Abwassergebühren für die Jahre 2014, 2015 und 2016 fest. Dabei wurden als Berechnungswerte die jeweils von der Gemeinde … geschätzten Wasserverbrauchswerte zugrundegelegt. Der Bescheid vom 11. April 2017 für den Abrechnungszeitraum 2016 nennt als Zählerstand zum 31. Dezember 2016 einen Stand von 540 m3.
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Mit Bescheid vom 12. April 2018 setzte der Beklagte unter Zugrundelegung eines Zählerstandes von 1.181 m3 zum 22. November 2017 Abwassergebühren für den Zeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 in Höhe von 1489,12 Euro fest. Dabei legte der Beklagte eine Abwassermenge von 656 m3 zugrunde.
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Mit Schreiben vom 27. April 2018 erhob der Bevollmächtigte des Klägers beim Beklagten Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. April 2018. Eine ordnungsgemäße Abrechnung sei nicht erfolgt. Die pauschalisierte Schätzung sei unzulässig. Mit weiterem Schreiben vom 13. Juli 2018 führte der Bevollmächtigte des Klägers aus, dass im Bescheid vom 22. Februar 2018 keinerlei Hinweise seien, wie der Verbrauch erfolgt sei, insbesondere auch, warum eine Zählerauswechslung stattgefunden habe. Stutzig mache besonders die Vergleichsangabe: In 2016 seien wohl 120 m3 verbraucht worden, während 2017 dies nun auf das fünffache angestiegen sein solle. Hierfür sei überhaupt keine Grundlage vorhanden. Es sei eher davon auszugehen, dass beim Zählerwechsel irgendwelche Fehler erkannt worden seien, die hätten beseitigt werden müssen. Ferner sei vorzutragen, dass im vorliegenden Fall Gartenarbeiten, Ausbaumaßnahmen etc. zu einer Vergrößerung des Frischwasserverbrauchs, aber keinesfalls zu einer Gleichbehandlung des Abwassers hätten führen dürfen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2019, zugestellt am 3. August 2019, wies das Landratsamt … den Widerspruch zurück. Hierin wird unter anderem ausgeführt, dass eine Mitteilung der Zählerstände durch den Kläger für die Abrechnungszeiträume 2014 bis einschließlich 2017 nicht erfolgt sei. In den Abrechnungszeiträumen 2014 bis 2016 seien die damaligen Verbrauchswerte zulässigerweise nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO durch Schätzung ermittelt worden (120 m3 pro Jahr bzw. 10 m3 pro Monat). Die berechnete Abwassergebühr ergebe sich aus dem Differenzbetrag des abgelesenen Zählerstandes zum 22. November 2017 und dem letzten (geschätzten) Zählerstand zum 31. Dezember 2016 sowie dem geschätzten Wasserverbrauch von 15 m3 für den verbleibenden Zeitraum vom 23. November 2017 bis 31. Dezember 2017. Die in den Abrechnungszeiträumen 2014 bis 2016 bestandskräftig festgesetzten Verbrauchwerte nähmen gem. § 157 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG an der Bestandskraft der damaligen Gebührenbescheide teil. Die Bescheide aus den Vorjahren 2014-2016 seien nicht nach § 125 AO nichtig.
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Der Kläger hat am 29. August 2019 Klage erheben lassen. Er beantragt,
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1. die Abrechnungsbescheide für Abwasser- und Wasserverbrauch vom 22. Februar 2018 und vom 12. April 2018 des Zweckverbands …-Südost für Abwasserbeseitigung und Abfallwirtschaft aufzuheben.
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2. den Widerspruchsbescheid vom 1. August 2019 aufzuheben.
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Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass die verbrauchte Wassermenge nach eigenem Vortrag des Beklagten nicht nachweisbar sei. Die Schätzung sei unzulässig, weil die Möglichkeit der Ablesung gegeben gewesen sei. Der Hinweis, dass der Zweckverband nach dem „modifizierten Frischwassermaßstab“ den Verbrauch von Frischwasser übermittele, sei insoweit nicht sachgerecht und auch unzulässig. Offensichtlich sei ja auch vorher die Grundlage des Verbrauchs für die Jahre 2014, 2015 und 2016 mit 10 m3 (gemeint wohl: 10 m3 pro Monat, also 120 m3 pro Jahr) ordnungsgemäß angesetzt worden. Warum dann allerdings auf eine Schätzung umgestellt worden sei, sei nicht nachvollziehbar und auch zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2019,
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Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 25. August 2020 ausgeführt, dass der Beklagte die Abwassergebühren nach dem modifizierten Frischwassermaßstab berechne. Grundlage sei der vom Wasserversorger ermittelte Frischwasserverbrauch. Der Wasserversorger versende zur Ermittlung der Zählerstände am Ende des Jahres Ablesekarten an die Grundstückseigentümer. Erfolge keine Rückäußerung, werde der Zählerstand vom Wasserversorger geschätzt.
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Der Kläger habe das streitgegenständliche Grundstück im Jahr 2013 erworben und sei mit seiner Familie im März 2014 eingezogen. Da er dem Wasserversorger die Zählerstände nicht mitgeteilt habe, sei der Verbrauch vom Wasserversorger geschätzt worden. Der Beklagte habe sich in den vergangenen Jahren der Schätzung des Wasserversorgers angeschlossen. Der Zählerausbau nach Ablauf der Eichfrist am 22. November 2017 habe einen gemessenen Zählerstand von 1.181 m3 ergeben. Unter Abzug des bereits abgerechneten Verbrauchs von 540 m3 habe sich der Verbrauch von 641 m3 ergeben. Der vom Wasserversorger geschätzte Verbrauch für den Zeitraum vom 23. November 2017 bis 31. Dezember 2017 sei realistisch. Ferner wird angemerkt, dass der vom Kläger vorgeschlagene Verbrauch von 120 m3 bei einem Vierpersonenhaushalt nicht realistisch sei. Der statistische Durchschnitt liege bei 176 m3. Des Weiteren gebe es keine Anhaltspunkte für einen Defekt des Wasserzählers, sodass der am 22. November 2017 abgelesene Zählstand herangezogen werden könne.
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Mit E-Mail vom 13. Oktober 2022 erklärte der Kläger den Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2022 erklärte der Beklagte, dass ebenso auf mündliche Verhandlung verzichtet werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten hierauf übereinstimmend verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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2. Die Klage ist, soweit sie sich gegen den Bescheid der Gemeinde … vom 22. Februar 2018 wendet, bereits wegen Verfristung unzulässig. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger - anders als gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2018 - keinen Widerspruch erhoben, womit der Bescheid vom 22. Februar 2018 bestandskräftig wurde.
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3. Soweit sich der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2018 wendet, ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2018 ist materiell rechtmäßig.
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a) Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abwassergebühren im angegriffenen Bescheid ist die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung in der Fassung vom 17. April 2014, die eine gültige Stammsatzung, hier die Entwässerungssatzung vom 7. Dezember 2012, voraussetzt. Die Änderung der Beitrags- und Gebührensatzung durch Änderungssatzung vom 5. März 2015 ist im Hinblick auf den vorliegenden Streitgegenstand nicht entscheidungserheblich.
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aa) Der Beklagte betreibt zu Recht als kommunaler Zweckverband die Abwasserbeseitigung für seine Mitgliedsgemeinden als öffentliche Einrichtung. Dem Beklagten obliegt insoweit auch die Satzungshoheit, vgl. § 4 Abs. 1 Verbandssatzung des Zweckverbands …-Südost vom 24. März 1995 (zuletzt geändert mit Satzung vom 12.6.2014) i.V.m. Art. 22 Abs. 2 Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gründung des Zweckverbands, der Änderung der Verbandsaufgaben sowie der Aufgabenübertragung durch die Verbandssatzung vom 24. März 1995 sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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bb) Die Entwässerungssatzung vom 7. Dezember 2012 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsfehler der maßgeblichen Benutzungsregelungen sind weder geltend gemacht noch erkennbar.
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cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 17. April 2014 begegnet im Gebührenteil (§§ 9 ff. BGS/EWS), soweit er in entscheidungserheblicher Weise die Abwassergebühren betrifft, keinen rechtlichen Bedenken. Formelle Fehler im Hinblick auf das Zustandekommen der Satzung sind weder behauptet worden noch ersichtlich. Auch sind durchgreifende materielle Rechtsmängel nicht gegeben.
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(1) Die Regelung, nach der als Abwassermenge die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen gelten, soweit der Abzug nicht nach Abs. 4 ausgeschlossen ist, ist nach ständiger Rechtsprechung ein zulässiger Gebührenmaßstab (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.1967 - VII C 15.65 - juris Rn. 24; BVerwG, U.v. 18.4.1975 - VII C 41.73 - juris Rn. 26 ff.; BayVGH, B.v. 13.12.1990 - 23 N 88.2823 - juris Rn. 6 f.; BayVGH, U.v. 15.5.1992 - 23 B 90.1253 - juris Rn. 27 ff.). Es verstößt insbesondere nicht gegen das Äquivalenzprinzip, wenn im Rahmen eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes allgemeine Erfahrungen berücksichtigt werden wie der Umstand, dass ein Teil des Frischwassers regelmäßig auf dem Grundstück verbraucht und dem Abwasserkanal nicht wieder zugeleitet wird, wenn angenommen werden kann, dass dieses verbrauchte Wasser bei den Benutzern etwa im gleichen Verhältnis zu der bezogenen Wassermenge steht (BVerwG, U.v. 14.4.1967 - VII C 15.65 - juris Rn. 24). Vorliegend wird der Frischwassermaßstab auch dadurch modifiziert, dass dem Gebührenpflichtigen der Nachweis der verbrauchten und der zurückgehaltenen Wassermenge offensteht (§ 10 Abs. 4 BGS/EWS). Dass ein Abzug für auf dem Grundstück verbrauchte oder zurückgehaltene Wassermengen grundsätzlich schriftlich zu beantragen ist (§ 10 Abs. 3 Satz 6 BGS/EWS), begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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(2) Soweit in § 14 Abs. 3 BGS/EWS vorgesehen ist, dass Vorauszahlungsraten zu den jeweils im Gebührenbescheid festgesetzten Terminen fällig werden, bestehen Bedenken, ob diese Vorschrift mit den sich aus Art. 2 Abs. 1 Satz 2 KAG ergebenden Vorgaben im Einklang steht. Danach muss die Satzung die Fälligkeit der Abgabenschuld selbst bestimmen (vgl. auch § 14 Abs. 2 der Mustersatzung - Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20.5.2008, Az. IB4-1421.1-166, AIIMBl. S. 350). Im Ergebnis können diese Bedenken mangels Entscheidungserheblichkeit aber dahingestellt bleiben, da sich der Kläger nicht gegen die im Bescheid vom 12. April 2018 festgesetzten Vorauszahlungstermine gewandt hat, sondern gegen die festgesetzte Höhe der Abwassergebühr als solche. Es ist auch nicht erkennbar, dass eine etwaige Rechtswidrigkeit von § 14 Abs. 3 BGS/EWS auf das Gesamtgefüge des Gebührenteils durchschlagen kann, da anzunehmen ist, dass der Satzungsgeber diesen im Übrigen hätte bestehen lassen.
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b) Der Beklagte hat die Rechtsgrundlage nach §§ 9 ff. BGS/EWS auch in zutreffender Weise auf den konkreten Fall angewandt.
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(1) Der Beklagte hat die Abwassergebühr für den streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend nach der konkret bezogenen Frischwassermenge abgerechnet. Bezüglich des errechneten Differenzbetrags von 641 m3 für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 22. November 2017 bestehen keine rechtlichen Bedenken. Das Gericht nimmt gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf die diesbezüglichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 1. August 2019 Bezug und führt im Hinblick auf die in der Klageschrift erhobenen Einwände ergänzend aus:
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Die wiederholt im Widerspruchs- und im Klageverfahren vorgetragene Rüge, der Beklagte habe den Zählerstand nicht abgelesen bzw. die Schätzung des Verbrauchs durch den Beklagten sei unzulässig gewesen, ist nicht nachvollziehbar und widersprüchlich. Dies zeigt sich schon daran, dass auf Seite 3 der Klageschrift die Festsetzung des Verbrauchs für die Jahre 2014, 2015 und 2016 als „plausibel“ und „ordnungsgemäß“ bezeichnet wird (die gerade aufgrund Schätzungen des Beklagten ergangen sind), während auf Seite 2 der Klageschrift das Schätzergebnis als „evident fehlerhaft“ betrachtet wird. Die Ausführungen in der Klageschrift setzen sich schließlich in keiner Weise mit der Bestandskraft der Bescheide des Beklagten für die Vorjahreszeiträume 2014, 2015 und 2016 auseinander, sodass es für die hier zu treffende Entscheidung nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, ob die Schätzung der Zählerstände in den Abrechnungszeiträumen 2014, 2015 und 2016 nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO rechtlich zulässig war oder nicht. Diese Schätzungen sind nicht verfahrensgegenständlich, da sie, wie der Widerspruchsbescheid richtig ausführt, an der Bestandskraft der jeweiligen Bescheide teilnehmen und es für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich auf die konkret abgelesene Menge des verbrauchten Wassers ankommt.
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Die in der Klageschrift vorgetragenen Rügen, die im Kern auf die Ermittlung der Menge des bezogenen Frischwassers abzielen und daher gegen die Gemeinde … zu richten gewesen wären, sind im Übrigen insgesamt unbehelflich. Der Kläger verkennt, dass sich der Beklagte bezüglich der Ermittlung der Abwassermenge nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS lediglich an der aus der Wasserversorgungseinrichtung konkret bezogenen Frischwassermenge orientiert und auch nicht die Zählerstände zum Frischwasserbezug selbst abzulesen hat. Diese werden nach § 19 Abs. 4 der Wasserabgabesatzung der Gemeinde … vom 30. September 2013 (WAS) von einem Gemeindebediensteten abgelesen. Soweit in diesem Kontext an anderer Stelle vorgetragen wird, bei der Ablesung des Wasserzählers am 22. November 2017 seien Fehler erkannt worden, die dann hätten vertuscht werden sollen, ist dies ebenso unbehelflich, da sich der Kläger auch diesbezüglich an die Gemeinde … hätte wenden müssen, z.B. um eine Überprüfung des Wasserzählers zu verlangen (vgl. § 21 Abs. 1 WAS).
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Soweit in der Klageschrift schließlich ausgeführt wird, dass der 5-fach erhöhte Wasserverbrauch im streitgegenständlichen Zeitraum im Hinblick auf die abgerechneten Werte in den Vorjahreszeiträumen nicht plausibel sei, ist anzumerken, dass der (ehemalige) Bevollmächtigte des Klägers im Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 1. August 2018 selbst vorgetragen hat, dass im vorliegenden Fall Gartenarbeiten, Ausbaumaßnahmen etc. zu einer Vergrößerung des Frischwasserverbrauchs geführt hätten. Letztendlich wird damit implizit eingeräumt, dass gerade diese Arbeiten zu dem erhöhten Frischwasserverbrauch geführt haben. Soweit hieran anschließend argumentiert wird, dass „eine Vergrößerung des Frischwasserverbrauchs keinesfalls zu einer Gleichbehandlung des Abwassers“ führen dürfe, ist zu entgegnen, dass es dem Kläger freigestanden hätte, beim Beklagten einen Abzug dieses Wassers gem. § 10 Abs. 3 Satz 6 BGS/EWS zu beantragen, wovon er aber keinen Gebrauch gemacht hat. Die weitere Argumentation in der Klageschrift, der „modifizierte Frischwassermaßstab“ sei nicht sachgerecht und unzulässig, verkennt die satzungsrechtliche Rechtslage nach § 10 Abs. 2 BGS/EWS, der nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein zulässiger Gebührenmaßstab ist.
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Soweit der Beklagte schließlich bezüglich des verbleibenden Zeitraums vom 23. November 2017 bis 31. Dezember 2017 den Wasserverbrauch auf 15 m3 geschätzt hat, begegnet dies ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Diese Schätzung war nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, da insoweit keine Ablesung erfolgt ist, rechtlich zulässig und hat sich am statistischen Durchschnittsverbrauch eines Vierpersonenhaushalts orientiert.
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(2) Die konkret berechnete Abwassergebühr im streitgegenständlichen Bescheid des Beklagten nach dem in § 10 Abs. 1 BGS/EWS enthaltenen Gebührensatz weist auch keinen Berechnungsfehler auf; ein solcher wurde von der Klagepartei auch nicht gerügt.
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(3) Der Kläger wurde als Miteigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks auch zutreffend nach § 13 Abs. 1, Abs. 3 BGS/EWS als Gebührenschuldner herangezogen. Die zuständige Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wen sie im Fall der Personenmehrheit als Schuldner heranzieht.
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Die Heranziehung des Klägers als Gebührenschuldner ist nicht ermessensfehlerhaft (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Insbesondere wurde weder vorgetragen noch ist von sich heraus ersichtlich, dass die Heranziehung des Klägers als Gebührenschuldner unbillig oder willkürlich wäre.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.