Inhalt

VG München, Beschluss v. 17.05.2022 – M 16 K 19.423
Titel:

Prozesskostenhilfe, Keine Erfolgsaussichten, Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis

Normenketten:
VwGO § 166
ZPO § 114 ff.
GewO § 35 Abs. 1
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Keine Erfolgsaussichten, Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis
Vorinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 31.01.2022 – 22 C 21.3045
VG München, Beschluss vom 04.11.2021 – M 16 K 19.423
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32055

Tenor

Der erneute Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin … … wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seine Klage, mit der er sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung wendet.
2
Zum 10. September 1992 zeigte der Kläger bei der Beklagten die Ausübung des Gewerbes „Ausübung des Friseurhandwerkes“ sowie zum 29. Oktober 2007 zusätzlich die Ausübung des Gewerbes „Verkauf von Textilien“ an.
3
Nach den Ermittlungen der Beklagten bestanden hinsichtlich des Klägers sowohl am 19. Juli 2018 als auch am 10. Januar 2019 elf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung.
4
Mit Schreiben vom 14. August 2018 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung angehört. Zugleich wurde der Handwerkskammer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Handwerkskammer teilte mit, dass der Kläger zum 21. August 2018 Rückstände in Höhe von 277,50 Euro habe. Der Kläger nahm mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28. August 2018 sowie im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 8. Oktober 2018 Stellung und trug im Wesentlichen vor, er habe mit sämtlichen Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen bzw. gegen eine Gläubigerin geklagt. Die Beklagte bat den Kläger, bis zum 9. Januar 2019 Nachweise über die Löschung der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis beizubringen. Ein derartiger Nachweis wurde nicht erbracht.
5
Mit Bescheid vom 10. Januar 2019, laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 15. Januar 2019, untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Ausübung des Friseurhandwerkes und Verkauf von Textilien“ als selbständigem Gewerbetreibendem im stehenden Gewerbe (Nummer 1). Zudem wurde dem Kläger die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nummer 2). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine Tätigkeit spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nummer 3). Für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nummer 4) Die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 454,98 Euro wurden dem Kläger auferlegt (Nummer 5).
6
Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger besitze nicht die zur selbständigen Ausübung seines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes. Seine Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass er seinen Zahlungspflichten nicht ordnungsgemäß nachkomme. Sein Zahlungsgebahren offenbare einen mangelnden Leistungswillen. Der Kläger befinde sich, wie sich aus den zahlreichen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis ergebe, in ungeordneten Vermögensverhältnissen. Anzeichen für eine Besserung seien nicht erkennbar. Das Schutzinteresse der Allgemeinheit bedinge die Gewerbeuntersagung. Die Allgemeinheit sei davor zu schützen, dass ihr die benötigten Geldmittel vorenthalten würden, auch bestehe die Gefahr weiterer Vermögensschädigungen Dritter. Die Gewerbeuntersagung sei verhältnismäßig. Nach pflichtgemäßem Ermessen werde die Gewerbeuntersagung erweitert, da der Kläger gewerbeübergreifend unzuverlässig sei und ein Ausweichen auf anderweitige Gewerbetätigkeiten zu erwarten sei. Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung sei sachgerecht und geboten. Das Interesse des Klägers an der Ausübung einer von der Gewerbeuntersagung erfassten Tätigkeit habe hinter dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit zurückzutreten. Die Frist zur Einstellung des Betriebs sei angemessen. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erfolge nach Art. 29, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz. Das weniger einschneidende Zwangsgeld verspreche im Hinblick auf die finanzielle Situation des Klägers keinen Erfolg.
7
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 29. Januar 2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und in der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2022 beantragen, den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2019 aufzuheben sowie hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, keine Sperrfrist nach § 35 Abs. 6 Gewerbeordnung zu verfügen. Zur Klagebegründung führt die Bevollmächtigte des Klägers im Wesentlichen aus, der Kläger habe keine Rückstände beim Finanzamt und bei Sozialversicherungsträgern. Seine Umsatzsteuervoranmeldungen würden laufend abgegeben. Die Verbindlichkeiten, die er bei verschiedenen Stellen habe, seien nahezu sämtlich getilgt, hinsichtlich der meisten Eintragungen sei bereits ein Löschungsantrag gestellt. Soweit die Beklagte davon ausgehe, dass der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, treffe dies nicht zu. Vielmehr leiste er monatliche Raten an seine Gläubiger. Die Gewerbeuntersagung hätte für den Kläger existenzvernichtende Folgen. Er sei auf die Einnahmen aus dem Friseurgeschäft dringend angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.
8
Die Beklagte beantragt mit Schreiben vom 20. März 2019, die Klage abzuweisen.
9
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
10
Der mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 29. Januar 2019 gestellte Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seiner Bevollmächtigten wurde mit Beschluss vom 4. November 2021 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 31. Januar 2022 zurückgewiesen (Az. 22 C 21.3045).
11
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28. April 2022 ließ der Kläger unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erneut beantragen,
dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten, Frau Rechtsanwältin … …, zu bewilligen.
12
Das Gericht hat am 4. Mai 2022 zur Sache mündlich verhandelt. Die Bevollmächtigte des Klägers erklärte ihr Einverständnis mit einer Verhandlung in der Sache vor Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag vom 28. April 2022.
13
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16. Mai 2022 ließ der Kläger im Wesentlichen ausführen, § 12 Gewerbeordnung sei im Hinblick auf den Gesetzeszweck analog anzuwenden. Danach seien Bemühungen von Schuldnern, die ein Gewerbe betreiben, dahingehend zu berücksichtigen, dass während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen laufen oder die Erfüllung eines Insolvenzplans stattfinde, keine Maßnahmen auf das Gewerbe zu treffen seien. Der Kläger habe aufgrund des ihm erteilten anwaltlichen Rates gerade kein Insolvenzverfahren in Betracht gezogen, da er davon ausgegangen sei, dass es besser sei, wenn er seinen Verbindlichkeiten nachkommen und sich privat um die Tilgung kümmern würde. Der Kläger hätte stattdessen nach der Anhörung zur Gewerbeuntersagung Ende 2018 oder Anfang 2019 fristgerecht den Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens stellen können. Dann wäre er nicht mit einer Gewerbeuntersagung belegt worden. Der Kläger besitze die notwendige Zuverlässigkeit zur Ausübung seines Gewerbes. Er beschäftige kein Personal, sondern habe lediglich einen Stuhl in einem Friseursalon gemietet. Es werde hilfsweise beantragt, den Bescheid der Beklagten mit der Auflage aufzuheben, dass der Kläger kein Personal beschäftigen dürfe.
14
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2022 Bezug genommen.
II.
15
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten des Klägers hat keinen Erfolg.
16
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder die Gegenseite durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist bereits dann gegeben, wenn bei summarischer Prüfung die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens im Zeitpunkt der Bewilligungsreife als offen zu beurteilen sind (BayVGH, B.v. 21.9.2016 - 10 C 16.1164 - juris). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können.
17
Hiervon ausgehend hat der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers keinen Erfolg, weil seine Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Gewerbeordnung (GewO) erlassene erweiterte Gewerbeuntersagung ist offensichtlich rechtmäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf die Ausführungen im Urteil vom 17. Mai 2022 Bezug genommen. Auch die gestellten Hilfsanträge bleiben, wie im Urteil vom 17. Mai 2022 ausführlich begründet, ohne Erfolg.
18
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, das Bewilligungsverfahren nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist gerichtsgebührenfrei.