Inhalt

OLG München, Beschluss v. 26.04.2022 – 28 U 3880/21 Bau
Titel:

Privates Baurecht: Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung für Vergütungsansprüche für erbrachte Leistung 

Normenketten:
BGB § 650f
BGB § 648 Abs. 1 (idF bis zum 31.12.2017)
VOB/B § 15 Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Stützt sich ein Unternehmer zur Begründung eines Anspruchs auf Sicherung einer Vergütung (§ 648a Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB aF) für erbrachte Leistungen auf Abrechnungen, so müssen diese den vereinbarten Prüfbarkeitsanforderungen entsprechen und aus ihnen muss sich der zu besichernde Vergütungsanspruch schlüssig ergeben. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt namentlich, wenn der Besteller bereits mehr als die im Vertrag vereinbarte Auftragssumme gezahlt hat, da im Umfang bereits erhaltener Zahlungen das Sicherungsbedürfnis entfallen ist und die Sicherheit nur noch in Höhe des nach Abzug der erhaltenen Zahlungen zu sichernden Anspruchs verlangt werden kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bauhandwerkersicherung, Vergütung für erbrachte Leistungen, prüfbare Abrechnung, vertraglich vereinbarte Prüfbarkeitsanforderungen, zu besichernder Vergütungsanspruch, schlüssige Darlegung, geleistete Auftragssumme, Wegfall des Sicherungsbedürfnisses, verbleibende Höhe, Darlegungs- und Beweislast
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 08.02.2022 – 28 U 3880/21 Bau
LG München I, Endurteil vom 28.05.2021 – 24 O 17358/18
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31773

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.05.2021, Aktenzeichen 24 O 17358/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.065.962,38 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Leistung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 648 BGB a.F. in Anspruch.
2
Das Landgericht hat die auf Leistung einer solchen Sicherheit in Höhe von 1.065.962,38 € gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen.
3
Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sowie auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 8.2.2022 Bezug genommen.
4
Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 28.05.2021 verwiesen.
5
Die Klägerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageantrag im Wege der Berufung weiter.
6
Wegen der Berufungsrügen der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 8.2.2022 unter Gliederungspunkt II. Bezug genommen.
7
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:
I. Das Urteil des LG München I vom 28.05.2021, Az. 24 O 17358/18 wird aufgehoben.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin eine Sicherheit nach § 648 a BGB a.F. in Höhe von 1.065.962,38 € zu leisten.
8
Die Beklagten beantragen,
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
9
Wegen der Berufungserwiderung der Beklagten wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 8.2.2022 unter Gliederungspunkt III. Bezug genommen.
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Der Senat hat mit Verfügung vom 8.2.2022 darauf hingewiesen, dass und warum er beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
11
Hierzu ging binnen antragsgemäß verlängerter Frist eine Gegenerklärung der Klägerin ein.
12
Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.
II.
13
Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.05.2021, Aktenzeichen 24 O 17358/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
14
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 8.2.2022 Bezug genommen.
15
Die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
16
Hierzu ist Folgendes ergänzend auszuführen:
17
Der Senat hält daran fest, dass das Landgericht die Klage auf Stellung einer Sicherheitsleistung gem. § 648 a BGB a.F. zu Recht abgewiesen hat und dass es hierbei die Anforderungen an die Schlüssigkeit des Vortrags zu dem zu besichernden Vergütungsanspruch nicht überspannt hat.
18
1. Das Landgericht hat in Anbetracht der Besonderheit des vorliegenden Falles, dass nämlich die Beklagten der Klägerin unstreitig bereits mehr als die im Vertrag vereinbarte Auftragssumme bezahlt haben und dass die Klägerin ihren zu besichernden, über die vereinbarte Auftragssumme hinausgehenden Vergütungsanspruch mit der Vorlage zweier Teilschlussrechnungen begründet hat, zu Recht gefordert, dass zu dessen schlüssiger Darlegung die Vorlage von Rechnungen erforderlich ist, welche den vertraglichen Vereinbarungen gem. Ziffer IV.2.16 des Leistungsverzeichnisses bzw. § 15 Abs. 3 Satz 2 VOB/B entsprechen.
19
Der BGH hat in seinem Urteil vom 6.3.2014, Az. VII ZR 349/12 für den Anspruch des Unternehmers auf Sicherheit nach § 648 a BGB a.F. nach einer Kündigung des Bauvertrags eine schlüssige Darlegung der dem Auftragnehmer nach der Kündigung zustehenden Vergütung als notwendige Voraussetzung für die verlangte Sicherheit genannt.
20
Zwar weist die Gegenerklärung zu Recht darauf hin, dass der BGH unter Tz. 23 des vorgenannten Urteils ausgeführt hat, dass eine entsprechende Darlegung in der Regel durch eine Schlussrechnung erfolgen „wird“ und nicht, wie der Senat in seiner Verfügung vom 8.2.2022 formuliert hatte, „zu erfolgen hat“ und dass der BGH den Begriff „prüffähig“ in seiner Begründung nicht erwähnt hat.
21
Es kann aber im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Vorlage einer Schlussrechnung bzw. einer prüfbaren Schlussrechnung in allen Fällen für eine schlüssige Darlegung des zu besichernden Anspruchs geboten ist.
22
Nachdem sich die Klägerin jedoch dafür entschieden hat, ihren über die vertraglich vereinbarte Auftragssumme hinausgehenden Vergütungsanspruch, für den sie eine Sicherheit fordert, durch die Vorlage von zwei Teilschlussrechnungen (Anlagen K 21, 23) zzgl. 10% für Nebenforderungen darzulegen, kann es nicht entscheidungserheblich darauf ankommen, ob sie zur Vorlage dieser Rechnungen verpflichtet war, sondern nur darauf, ob diese Rechnungen den vertraglich vereinbarten Anforderungen entsprechen und ob sich hieraus der zu besichernde Vergütungsanspruch schlüssig ergibt. Beides hat das Landgericht zu Recht verneint.
23
2. Eine nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprechende Rechnung ist, unabhängig von der Frage der Fälligkeit des sich hieraus ergebenden Rechnungsbetrages bereits nicht geeignet, Vergütungsansprüche schlüssig darzulegen.
24
Das Argument der Klägerin, wonach Sicherheit auch für noch nicht erbrachte Leistungen gefordert werden könne, bei denen es noch keine prüfbaren Abrechnungen geben könne, überzeugt nicht, da sich die Klägerin für ihren zu besichernden Anspruch im vorliegenden Fall gerade auf von ihr erstellte Abrechnungen stützt und die Anforderungen an die schlüssige Darstellung eines zu besichernden Vergütungsanspruchs für nicht erbrachte Leistungen sich von demjenigen für erbrachte Leistungen notwendigerweise unterscheiden.
25
3. Entgegen der in der Gegenerklärung vertretenen Auffassung der Klägerin ist der Verweis des Landgerichts auf das Urteil des BGH vom 9.11.2000, Az. VII ZR 82/99 durchaus nachvollziehbar.
26
Zwar sind der Entscheidung, welche im Übrigen noch zu § 648 a BGB i.d.F. vom 27.4.1993 erging, keine Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast für den Fall zu entnehmen, dass der Auftragnehmer Sicherheit für einen die Auftragssumme übersteigenden Vergütungsanspruch beansprucht. Das zitierte Urteil verhält sich jedoch zu der Frage, inwieweit bereits erhaltene Abschlagszahlungen das Sicherungsbedürfnis entfallen lassen (Tz. 26). Dies wird dahingehend beantwortet, dass in diesem Fall die Sicherheit nur noch in Höhe des nach Abzug der erhaltenen Zahlungen zu sichernden Anspruchs verlangt werden kann.
27
Soweit die Klägerin in ihrer Bezugnahme den Verweis des Landgerichts auf die Kommentierung in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, Teil 9, Rn. 123 als nicht einschlägig beanstandet, vermag sich der Senat der Auffassung der Klägerin, wonach sich die zitierte Passage nur auf eine Sicherheit für Werklohn für noch nicht erbrachte Leistungen beziehe, nicht anzuschließen. Für eine derartige Einschränkung ergeben sich aus der Kommentierung keine Anhaltspunkte.
28
Nachdem die Klägerin, wie vom Landgericht zutreffend gesehen, zu der zu besichernden Forderung bereits nicht schlüssig vorgetragen hatte, war das Landgericht nicht gehalten, in die Beweisaufnahme einzutreten.
29
4. Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung meint, dass der Rechtsprechung des BGH deutlich zu entnehmen sei, dass das Informations- und Kontrollinteresse des Bestellers im Sicherungsprozess hinter dem Interesse des Unternehmers auf eine effektive Sicherheit zurückstehen müsse und hierfür wiederum das Urteil des BGH vom 6.3.2014, Az. VII ZR 349/12 anführt, übersieht sie, dass der BGH den Unternehmer nicht davon entbindet, seine zu besichernde Vergütung zunächst schlüssig darzulegen (a.a.O. Tz. 29).
30
Hiervon geht im Übrigen auch die in der Gegenerklärung zitierte Kommentierung in Schmitz, Sicherheit für die Bauvertragsparteien, Rz. 353/1,5 aus.
31
5. Der Beschluss des OLG Bamberg vom 19.2.2018, Az. 5 U 190/17 ist nicht einschlägig, da der dortige Kläger seinen Schlussrechnungsanspruch - anders als im vorliegenden Fall - nicht auf eine Schlussrechnung, sondern auf schriftsätzlichen Sachvortrag gestützt hatte. Nur hierauf bezieht sich die in der Gegenerklärung zitierte Passage des Urteils.
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Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung den Beschluss des OLG Zweibrücken vom 13.5.2019, Az. 5 U 87/18 anführt, ist dies unbehelflich, da es an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt. Anders als im vorliegenen Fall, war die vertraglich vereinbarte Vergütung unstreitig nicht bezahlt und ergaben sich aus dem durch die dortige Klägerin vorgelegten Leistungsverzeichnis zusätzliche Stundenlohnarbeiten als vereinbart.
33
Es ist daher nicht zutreffend, dass das OLG Bamberg und das OLG Zweibrücken die hier maßgebliche Rechtsfrage abweichend von der Auffassung des Senats entschieden hätten.
34
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
III.
35
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
36
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
37
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG bestimmt.