Titel:
Verkehrsunfall, Schadensersatz, Reparaturkosten, Abtretung, Reparaturwerkstatt, Zahlung, Schadensbeseitigung, Fahrzeug, Erforderlichkeit, Rechnung, Anspruch, Gutachten, Beurteilung, Aufwendungen, subjektbezogene Schadensbetrachtung, Zeitpunkt der Zahlung, ohne Verschulden
Schlagworte:
Verkehrsunfall, Schadensersatz, Reparaturkosten, Abtretung, Reparaturwerkstatt, Zahlung, Schadensbeseitigung, Fahrzeug, Erforderlichkeit, Rechnung, Anspruch, Gutachten, Beurteilung, Aufwendungen, subjektbezogene Schadensbetrachtung, Zeitpunkt der Zahlung, ohne Verschulden
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31734
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 337,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.10.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 58% und die Beklagte 42% zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die VollStreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall.
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Am 27.07.2021 beschädigte ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug alleinverschuldet das Kraftfahrzeug des Klägers. Die Einstandspflicht der Beklagten zu 100% ist dem Grunde nach unstreitig.
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Der Kläger hat die Reparatur des Unfallschadens auf der Basis eines von ihm erholten Gutachtens in Auftrag gegeben, wofür die Reparaturwerkstatt 5.719,18 € in Rechnung gestellt hat. Die Beklagte regulierte hiervon 4.932,56 € und erhob im Übrigen Beanstandungen gegen die Reparaturkostenrechnung. Der Kläger setzte letzte Zahlungsfrist bis 18.10.2021. Er beglich die Reparaturkostenrechnung erst, nachdem die Beklagte Beanstandungen dagegen erhoben hatte.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe den vollständigen Rechnungsbetrag unabhängig von der Frage der Berechtigung einzelner Rechnungspositionen zu begleichen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 786,62 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.10.2021 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 86,63 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Sie ist der Auffassung, die Reparaturrechnung sei überhöht und stelle nicht die erforderlichen Reparaturkosten i. S. V. § 249 BGB dar.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung venviesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Erhoiung eines mündiichen Gutachtens des Sachverständigen H. des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoii der mündiichen Verhandiung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zuiässige Kiage ist nur teiiweise begründet. Der Kiäger hat aus § 7 StVG i.V. m. § 115 WG einen Anspruch auf Zahiung weiterer 337,34 €.
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1. Grundsätzlich hat der Geschädigte keinen Anspruch auf Ersatz von Rechnungsbeträgen, sondern nur auf den objektiv erforderlichen Betrag, der zur Wiederherstellung des beschädigten Fahrzeugs aufgewendet werden muss, § 249 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 491/15 [juris, Rz. 15] m.w.N.).
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2. Dabei ist anzuerkennen, dass auf die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten in seiner jeweiligen Situation abzustellen ist (subjektbezogene Schadensbetrachtung).
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a) Regelmäßig sind daher vom Geschädigten ohne Verschulden veranlasste und tatsächlich durchgeführte Schadensbeseitigungsmaßnahmen bei der Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes zu berücksichtigen, auch wenn sie sich nach fachkundiger Prüfung bei rein objektiver Betrachtung als unangemessen erweisen (vgl. Urteil vom 26. April 2022; Az.: VI ZR 147/21 [juris, Rz. 16]).
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b) Auch dies bedeutet aber nicht automatisch, dass der Geschädigte den Betrag verlangen kann, der ihm vom Reparaturbetrieb in Rechnung gestellt wird. Vielmehr muss die jeweilige Schadensbeseitigungsmaßnahme zum einen vom Geschädigten veranlasst und zum anderen tatsächlich durchgeführt worden sein. Dies verdeutlicht, dass insoweit das vertragliche Verhältnis zwischen Geschädigten und Werkstatt von Bedeutung ist: Das Abstellen auf veranlasste und durchgeführte Arbeiten verdeutlicht, dass der Geschädigte bei der konkreten Abrechnung jedenfalls nicht mehr vom Schädiger verlangen kann, als er dem Werkunternehmer aufgrund des Werkvertrags schuldet.
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Regelmäßig ist werkvertraglich nicht die Durchführung konkreter Reparaturschritte vereinbart, sondern die fachgerechte Behebung des Unfallschadens. In diesem Fall kann der Werkunternehmer nur solche Leistungen vergütet verlangen, die nach dem Stand der Technik und guter fachlieher Praxis objektiv erforderlich sind, denn andere Arbeiten und Leistungen sind durch den Reparaturauftrag nicht veranlasst. (Tauscht die Werkstatt beispielsweise bei einem Anstoß vorne links auch das völlig unbeschädigte rechte Hinterrad aus, kann sie hierfür werkvertraglich keine Vergütung verlangen, auch wenn sie dies in die Rechnung aufnimmt. Nur weil wirtschaftlich nicht der Auftraggeber die Kosten trägt, sondern der Schädiger, kann sich hieran nichts ändern.)
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c) Dies ist auch keine Frage des sogenannten „Werkstattrisikos“. Dieses bezeichnet das Risiko, dass aufgrund der Reparatur in der konkreten, ohne Auswahlverschulden ausgewählten Werkstatt mehr bezahlt werden muss als abstrakt betrachtet objektiv erforderlich ist. Dass der Schädiger dieses Werkstattrisiko zu tragen hat, bedeutet nicht, dass er schlichtweg alles bezahlen muss, was die Werkstatt in Rechnung stellt (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974, Az.: VI ZR 42/73 [juris, Rz. 14]). Vielmehr muss der Schädiger nur das erstatten, was auch der Geschädigte gegenüber der Werkstatt zu zahlen verpflichtet ist. Andernfalls wäre der Geschädigte bereichert, weil er den vollen Rechnungsbetrag vom Schädiger verlangen könnte, der Werkstatt jedoch entgegenhalten könnte, den Betrag gar nicht vollständig zu schulden.
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aa) „Werkstattrisiko“ ist ein vom Subjekt des Auftraggebers der Reparaturleistung unabhängiges Risiko und betrifft somit die objektive Erforderlichkeit, eine bestimmte Zahlung an den konkret beauftragten Reparaturbetrieb zu leisten. Es ist das Risiko bei der Auftragserteilung an die konkrete Werkstatt, dass die Reparatur dort teurer als objektiv erforderlich wird - gleich ob der Geschädigte oder der Ersatzpflichtige den konkreten Reparaturauftrag erteilt hat.
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bb) Das „Werkstattrisiko“ betrifft somit regelmäßig nur die Fälle, in denen die Werkstatt im Rahmen des Reparaturauftrags ohne Verstoß gegen die werkvertragiiehen Pfiiehten Aufwendungen macht, die sich zwar als vertragsgerecht, aber im Endeffekt als nicht erforderlich herausstellen (beispielsweise wenn zunächst versucht wird, ein Teil zu reparieren, bevor sich herausstellt, dass es doch auszutauschen ist). Das „Werkstattrisiko“ betrifft also nur Fälle, in denen der Auftraggeber eine Reparaturleistung zu vergüten hat, obwohl sie sich nachträglich als objektiv nicht erforderlich herausstellt. Grundgedanke der Rechtsfigur des „Werkstattrisikos“ ist nämlich, dass der Schädiger dieses Risiko „auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Satz 1 BGB überlassen würde“ (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974, Az.: VI ZR 42/73 öuris, Rz. 10]).
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Werkstattrisiko bedeutet dagegen nicht, dass Leistungen, die ein Selbstzahler gar nicht zahlen muss, vom Ersatzpflichtigen bezahlt werden müssen. (Im obigen Beispiel würde kein Selbstzahler den unnötigen Austausch des falschen Rads bezahlen und dies als hinzunehmendes WerkStattrisiko betrachten. Dann kann auch nicht dem Schädiger aus Gründen des „Werkstattrisikos“ auferiegt werden, diese Kosten zu erstatten.)
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Das Werkstattrisiko betrifft aiso nur Fäiie, in denen auch der Seibstzahier mehr zahien muss ais objektiv zur Beseitigung der Schäden erforderiich.
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cc) Zahien „muss“ der Geschädigte eine - streitig unberechtigte - Reparaturrechnung aiierdings auch dann, wenn sich der Werkunternehmer auf sein Werkunternehmerpfandrecht beruft und die Herausgabe des Wagens von der Begieichung der Rechnung abhängig macht, in diesem Faii ist der Geschädigte nicht gehaiten, zunächst in eine rechtiiche Auseinandersetzung mit der Werkstatt einzutreten; vieimehr ist zu erwarten, „daß der Schädiger dem Geschädigten die Mittel zur Verfügung stellt, die diesen in die Lage versetzen, das Unfallfahrzeug möglichst rasch wieder nutzen zu können, und selbst die Entscheidung über das Vorgehen gegen die Werkstatt trifft.“ (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974, Az.: VI ZR 42/73 [juris, Rz. 13]).
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Dies betrifft allerdings nur Fälle, in denen die Zahlung Bedingung dafür ist, um „das Unfallfahrzeug möglichst rasch wieder nutzen zu können“ (BGH a. a. O.). Denn nur dann liegt die für die Überbürdung des Werkstattrisikos auf den Schädiger maßgebliche Situation vor, dass dieser es „auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Satz 1 BGB überlassen würde“. (BGH a. a. O. Rz. 10)
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dd) Hat der Geschädigte das Fahrzeug allerdings bereits repariert zurückerhalten und kann es uneingeschränkt nutzen, besteht kein „Zwang“ mehr, auch eine unberechtigte Reparaturkostenrechnung zu begleichen, um das Fahrzeug wieder nutzen zu können. Ein Selbstzahler sähe sich in diesem Fall nicht gezwungen, unberechtigte Rechnungspositionen zu begleichen.
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Zahlte er dennoch, so handelte es sich damit nicht um „Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung…, deren Entstehung seinem Einfluß entzogen ist und die ihren Grund darin haben, daß die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten, wohl auch nicht vom Schädiger kontrollierbaren Einflußsphäre stattfinden muß.“ (BGH a. a. O. Rz. 10)-also nicht um „Werkstattrisiko“.
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Ob der Geschädigte eine geleistete, tatsächlich nicht geschuldete Zahlung vom Ersatzpflichtigen erstattet verlangen kann, ist vielmehr eine Frage der subjektbezogenen Schadensbetrachtung, also der „speziellen Situation des Geschädigten, insbesondere seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten“ (vgl. Urteil vom 26. April 2022; Az.: VI ZR 147/21 [juris, Rz. 12]).
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d) Es ist somit ais Zwischenergebnis festzuhaiten, dass ein Geschädigter (bei der konkreten Schadensberechnung) grundsätziich maximai den Betrag vom Ersatzpflichtigen veriangen kann, den er dem Werkunternehmer für die beauftragte (von ihm veranlasste) und tatsächlich durchgeführte Reparatur auch tatsächlich schuldet (abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall, dass der Reparaturbetrieb das Fahrzeug erst gegen Begleichung der Reparaturrechnung herausgibt).
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Es widerspräche jedoch dem Grundgedanken der subjektbezogenen Schadensbetrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 491/15 [juris, Rz. 16] m. w.N.), wenn dem Geschädigten die Kontrolle der Reparaturrechnung unabhängig von seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten abverlangt und ihm dabei das Risiko auferlegt würde, unverschuldet unerkannt zu viel an den Reparaturbetrieb zu bezahlen.
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aa) Daher ist (in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung) einer im guten Glauben vollständig und vorbehaltlos beglichenen Reparaturrechnung ein maßgeblicher Indizwert für die subjektiv erforderlichen Wiederherstellungskosten zuzubilligen. - Dies bedeutet allerdings mitnichten, dass sich dann der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Wiederherstellungskosten in einen Anspruch auf Ersatz des Rechnungsbetrags wandelt. Vielmehr führt die Indizwirkung nur dazu, dass ein einfaches Bestreiten der subjektiven Erforderlichkeit des beglichenen Rechnungsbetrags im Rechtsstreit nicht mehr genügt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 491/15 Öuris, Rz. 18]; Urteil vom 28. Februar 2017, Az.: VI ZR 76/16 öuris, Rz. 13]). Eine vorbehaltlos beglichene Reparaturrechnung indiziert also nur, dass der hierfür aufgewendeten Betrag für den Geschädigten in seiner Situation und unter Zuhilfenahme seiner Erkenntnismöglichkeiten subjektiv erforderlich war. Es genügt daher dann nicht mehr, dass der Ersatzpflichtige nur darlegt, dass die Aufwendungen objektiv nicht erforderlich waren, sondern es muss vielmehr substantiiert vorgetragen werden, dass die Aufwendungen auch subjektiv nicht erforderlich waren, also nicht „vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen“ (BGH, Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 491/15 öuris, Rz. 15]).
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Die Indizwirkung einer im guten Glauben beglichenen Reparaturrechnung ist also entgegen einem verbreiteten Fehlverständnis weder Fiktion noch Vermutung, dass der Rechnungsbetrag die erforderlichen Reparaturkosten beschreibt, sondern erhöht lediglich die inhaltlichen Anforderungen an das Bestreiten der subjektiven Erforderlichkeit durch den Ersatzpflichtigen.
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bb) Eine Übertragung dieser Indizwirkung auf eine unbeglichene Rechnung verbietet sich schon denklogisch: Denn nicht der Rechnung, sondern nur dem Vorgang des Bezahlens lässt sich ein Rückschluss auf die subjektive Beurteilung des Geschädigten entnehmen. Eine Rechnung allein sagt gar nichts über die subjektive Beurteilung ihres Inhalts durch den Rechnungsempfänger aus. Sie ist schlichtweg völlig unbeeinflusst von der Kenntnis des Rechnungsempfängers, denn die Rechnung existiert mit dem Moment ihrer Erstellung. In diesem Zeitpunkt kann der Rechnungsempfänger sie noch gar nicht kennen, also kann ihr in diesem Moment auch kein Indizwert für dessen subjektive Einschätzung zukommen. Der Indizwert einer Rechnung kann sich aber nicht nachträglich ändern, nur weil der Rechnungsempfänger von ihr Kenntnis nimmt. Außerdem ist es ohne weiteres möglich, Rechnungen zur Kenntnis zu nehmen, die man nicht für berechtigt hält. Somit kann auch der Kenntnisnahme einer Rechnung kein Rückschluss auf die subjektive Beurteilung ihres Inhalts entnommen werden.
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Wollte man einer unbeglichenen Rechnung einen Indizwert beimessen, so könnte dieser also nichts mit der subjektiven Situation des Rechnungsempfängers zu tun haben. Dies bedeutete, dass der Indizwert dann die objektive Erforderlichkeit des Rechnungsbetrags zur Wiederherstellung des Fahrzeugs beträfe. Objektiv erforderlich ist der Betrag, der der üblichen Vergütung für die beauftragte Reparaturleistung entspricht. Dies wiederum ist regelmäßig der Betrag, den der Auftraggeber an den Werkunternehmer zu bezahlen hat, § 632 Abs. 2 BGB. Einer unbeglichenen Rechnung einen Indizwert beizumessen, bedeutete daher nichts anderes als zu behaupten, dass eine Rechnung indizieren soll, dass sie richtig ist. Dies verbietet sich aber. Auch der BGH (Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 491/15 [juris, Rz. 12]) betont, dass die Indizwirkung nicht bedeute, dass sich der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Wiederherstellungskosten in einen Anspruch auf Ersatz des Rechnungsbetrags wandelt.
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Einer unbeglichenen Rechnung kann daher keinerlei Indizwirkung zukommen. Der Geschädigte hat somit substantiiert vorzutragen und zu begründen (sowie im Bestreitensfall zu beweisen), dass der von ihm verlangte Betrag vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in seiner Lage zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheint. Nichts anderes hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.04.2022 (a. a. O. Rz. 16) geäußert: Er stellt nicht etwa fest, dass auch unbeglichenen Rechnungen eine Indizwirkung zukäme. Vielmehr stellt er nur klar, dass im Falle einer unbeglichenen Rechnung nicht von vornherein nur auf die objektive Erforderlichkeit der Aufwendungen abgestellt werden darf, sondern dennoch die Grundsätze der subjektbezogenen Schadensbetrachtung berücksichtigt werden müssen. Die Entscheidung mahnt also nur dazu, dass - unabhängig von der Frage, ob die Reparaturrechnung gezahlt ist - „vom Geschädigten ohne Verschulden veranlasste und tatsächlich durchgeführte Schadensbeseitigungsmaßnahmen bei der Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes - den Grundsätzen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung zuwider - [nicht] nur deshaib außer Betracht bleiben müssen, weil sie sich nach fachkundiger Prüfung bei rein objektiver Betrachtung als unangemessen erweisen.“ (BGH a. a. O. Rz. 16)
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Nicht zuletzt führte die Annahme der Indizwirkung einer unbeglichenen Rechnung dazu, dass der Ersatzpflichtige dem Geschädigten einen objektiv nicht erforderlichen Geldbetrag zahlen müsste, obwohl der Geschädigte unter Umständen selbst gar nicht verpflichtet ist, diesen Betrag an den Werkunternehmer zu bezahlen. Dies führte zu einer nicht gerechtfertigten Bereicherung des Geschädigten. Anders als bei einer bezahlten Rechnung findet der Ersatzpflichtige nämlich keine Kompensation durch die Abtretung eines Rückzahlungsanspruchs des Geschädigten gegen den Werkunternehmer. Ohne dass dieser eine Zahlung erhalten hat, existiert weder ein Rückzahlungsanspruch noch (mangels Schadenseintritts) ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten, welchen er abtreten könnte.
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Im Übrigen ist der Beurteilungszeitpunkt, auf den es ankommt, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung soweit der Geschädigte noch keine vermögenswirksamen Dispositionen getroffen hat. Unzweifelhaft kann sich jedenfalls die Beurteilung im Zeitverlauf ändern: Erstellt die Reparaturwerkstatt zunächst eine - hohe - Reparaturkostenkalkulation, dürfte ein geschädigter Laie wohl die darin kalkulierten Kosten subjektiv für erforderlich halten. Wird dann auf Anraten des Rechtsanwalts oder der Versicherung vor der Reparatur ein Sachverständigengutachten erholt, welches geringere Kosten ausweist, kann vernünftigerweise nicht wider bessere nachträgliche Erkenntnis der geschuldete Schadensersatz an den ursprünglich subjektiv für erforderlich gehaltenen Kosten orientiert werden. Nachträgliche Erkenntnisse sind daher bei der subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich zu berücksichtigen. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich die subjektive Einschätzung des Geschädigten bereits in einer Vermögensdisposition verstetigt hat, er also den von ihm für erforderlich gehaltenen Betrag bezahlt hat oder sein Vermögen mit einer Forderung in dieser Höhe tatsächlich belastet ist. - Hat der Geschädigte noch keine Zahlung erbracht und stellt sich heraus, dass auch keine wirksame Forderung gegen ihn in dieser Höhe besteht, ist seine Vermögenslage durch die subjektive Fehleinschätzung der erforderlichen Herstellungskosten nicht berührt. Genauso wie eine Korrektur der ersten Kostenkalkulation durch das Sachverständigengutachten vor Reparatur bei der Beurteilung der subjektiven Erforderlichkeit zu berücksichtigen ist, sind auch andere nachträgliche Erkenntnisse zu berücksichtigen, soweit dies nicht dazu führt, dass beim Geschädigten V. Z..
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cc) Wird eine zunächst unbeglichene Rechnung vom Geschädigten nachträglich beglichen, nachdem der Ersatzpflichtige auf konkrete Bedenken hingewiesen hat, kann dies nicht nachträglich die Indizwirkung einer in gutem Glauben vorbehaltlos beglichenen Rechnung herbeiführen.
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Jedenfalls kommt es für die Beurteilung der subjektiven Erforderlichkeit dann auf den Zeitpunkt der Zahlung an. Erbringt jemand eine Zahlung, die ihn wirtschaftlich letztendlich nicht betrifft, weil ein Dritter sie zu ersetzen hat, obwohl dieser wirtschaftlich betroffene Dritte konkrete Einwände geäußert hat, kann dieser Zahlung nicht mehr die Bedeutung beigemessen werden, dass der Zahlende in seiner subjektiven Situation nicht anders konnte, als die Forderung ungeachtet der Einwände für berechtigt zu erachten.
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Mit diesen Einwänden hat er sich auseinanderzusetzen, bevor er sich über sie hinwegsetzt. Dies ergibt sich bereits aus der Verpflichtung, bei der Schadensbehebung wirtschaftlich vorzugehen und den Interessen des Schädigers an der Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung zu tragen (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974, Az.: VI ZR 42/73 [juris, Rz. 14]). Es muss nämlich - so richtigerweise der BGH - vermieden werden, „daß sich - letztlich zum Schaden der Allgemeinheit - mangelndes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer marktgerechten Abwicklung der Instandsetzung im Kostenniveau niederschlägt.“ (a. a. O.)
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Außerdem konkretisiert sich die Überwachungspflicht des Geschädigten gegenüber der Reparaturwerkstatt durch die seitens des Ersatzpflichtigen geäußerten Einwände. Auf seine etwaig beschränkten Erkenntnismöglichkeiten kann sich der Geschädigte nicht zurückziehen, wenn ihm konkrete Einwände gegen die Rechnung bekannt geworden sind. Denn wenn der Geschädigte mangels eigener Sachkenntnis oder sonstiger Erkenntnismöglichkeiten die Einwände des Ersatzpflichtigen gar nicht sachgerecht würdigen kann, weiß er gar nicht, ob sie berechtigt sind. Er kann daher vernünftigerweise keine subjektive Überzeugung von der Erforderlichkeit der abgerechneten Reparaturkosten bilden.
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Verschlösse der Geschädigte einfach die Augen vor den Einwendungen des Ersatzpflichtigen, verletzte er seine Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens (falls der Ersatzpflichtige dann zur Erstattung des vollen Rechnungsbetrags verpflichtet wäre) zum Zwecke dessen den Geschädigten schließlich eine Überwachungspflicht des Reparaturbetriebs betrifft („An den vom Geschädigten zu führenden Nachweis, daß er wirtschaftlich vorgegangen ist, also bei der Beauftragung aber auch bei der Überwachung der Reparaturwerkstatt den Interessen des Schädigers an Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat, dürfen deshalb nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden.“ (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974, Az.: VI ZR 42/73 [juris, Rz. 14])).
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Erbrächte der Geschädigte die Zahlung nur, um dem Ersatzpflichtigen die bereits geäußerten Einwände abzuschneiden und ihm somit eine ggfs. überhöhte Erstattungspflicht aufzuzwingen, handelte er treuwidrig, weil er dadurch die Interessen des Ersatzpflichtigen an der Geringhaltung des Schadens bewusst verletzt. Die Abtretung etwaiger Ersatzansprüche gegen die Reparaturwerkstatt ist dabei keine ausreichende Kompensation: Zum einen trägt der Ersatzpflichtige dann das Prozesskosten- und Insolvenzrisiko der Reparaturwerkstatt, die er nicht als Vertragspartner ausgewählt hat. Zum anderen riskiert er, den Einwand des § 814 BGB gemäß § 404 BGB entgegengehalten zu bekommen, weil der Zedent (Geschädigter) vor Zahlung ausdrücklich vom Zessionar über die Nichtberechtigung der Forderung informiert worden ist.
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dd) Nachdem der Kläger die Rechnung erst lange nach deren Entstehung und nachdem er Kenntnis von den Einwänden der Beklagten erhalten hatte beglichen hat, vermag die Begleichung dieser Rechnung nicht zu indizieren, dass es sich bei dm Rechnungsbetrag um die subjektiv erforderlichen Wiederherstellungskosten handelte.
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e) Der Kläger kann somit vom Beklagten nur den Betrag als Schadensersatz verlangen, den er der Reparaturwerkstatt werkvertraglich zur Zahlung verpflichtet war.
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aa) Der Kläger hat behauptet, er habe der Reparaturwerkstatt ausdrücklich den Auftrag erteilt, die Reparatur auf der Basis des Sachverständigengutachtens durchzuführen. Das Bestreiten dieses Vorbringens erst im Termin zur mündlichen Verhandlung war als verspätet zurückzuweisen, weil es den Rechtsstreit durch das Erfordernis eines weiteren Termins zur Beweisaufnahme verzögert hätte. Daher hat das Gericht diese Behauptung zugrunde zu legen, auch wenn es dem Gericht wenig plausibel erscheint, dass sich ein Unfallgeschädigter dementsprechende Gedanken über die Art der Reparaturausführung macht, wenn er einen Reparaturauftrag erteilt.
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Ein Reparaturauftrag „auf der Basis des Gutachtens“ ist allerdings nicht dahingehend auszulegen, dass die Reparaturwerkstatt sklavisch und ohne jegliches eigene Ermessen das und nur das auszuführen hat, was im Gutachten steht. - Offenbar hat die Reparaturwerkstatt dies auch so verstanden, denn die Rechnung enthält mehrere Positionen (im Volumen von 155,03 € netto), die im Gutachten nicht vorgegeben waren.
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bb) Aufgrund der Ausführungen des als erfahren und zuverlässig bekannten Sachverständigen ist das Gericht davon überzeugt, dass der abgerechnete Reparaturweg als solches fachlich korrekt war, so dass insoweit nicht zu entscheiden ist, ob der Werkstattauftrag insoweit auch einen nicht erforderlichen Reparaturweg abgedeckt hätte.
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Keine Vorgaben kann das Gutachten jedoch für die benötigte Zeit für die einzelnen Arbeiten machen. Denn der Werkunternehmer kann nur die tatsächlich aufgewendete Zeit abrechnen und nicht eine abstrakt von einem Privatgutachter für erforderlich erachtete Zeit. Die Vorgaben im Gutachten führen dabei nicht dazu, dass der Werkunternehmer unberechtigterweise „trödeln“ darf.
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Vorliegend hält es das Gericht aufgrund des erholten gerichtlichen Gutachtens für erwiesen, dass die abgerechnete Reparaturdauer für die Instandsetzung des Seitenteils von insgesamt 8,5 Stunden deutlich überhöht und nicht in diesem Maße erforderlich war. Für eine sach- und fachgerechte Instandsetzung wären 6 Stunden völlig ausreichend. Daher ist die Vergütung insoweit um 386,63 € (brutto) zu kürzen.
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cc) Desinfektionskosten waren im Sommer 2021 für eine Reparatur nicht (mehr) erforderlich (soweit nicht ein auf Tatsachen gestützter konkreter Verdacht bestand, dass das Fahrzeug tatsächlich bei Übergabe an den Reparaturbetrieb kontaminiert war). Während zu Beginn der Pandemie verbreitet Unsicherheit darüber bestand, ob eine Flächendesinfektion zur Vermeidung von Ansteckungen erforderlich und sinnvoll war (daher hatte das Gericht zunächst auch derartige Kosten selbst zugesprochen), hat sich im weiteren Verlauf landläufig die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine solche verdachtsunabhängige Flächendesinfektion nicht erforderlich ist. Entsprechende Vorschriften bestanden daher - selbst für die Gastronomie - nicht mehr.
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Auch das Privatgutachten des Klägers bezeichnet diese Desinfektionskosten nicht als erforderlich oder ortsüblich und angemessen, sondern konstatiert nur, dass die Reparaturwerkstatt diese Kosten in Rechnung stellt. Dies vermag die nichterforderlichen Desinfektionskosten natürlich nicht zu rechtfertigen. Somit ist die Vergütung um weitere 38,68 € (brutto) zu kürzen.
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dd) Gleiches gilt für den pauschalen Ansatz von Kleinersatzteilen im Umfang von 23,97 € (brutto). Diese sind auch im Privatgutachten nicht enthalten. Nachdem bereits Ersatzteile im Cent-Bereich einzeln abgerechnet wurden und eine zusätzliche Pauschale für Verbrauchsmaterialien geltend gemacht wurde, ist für eine weitere Pauschale für Kleinersatzteile kein Raum.
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ee) Was die Probefahrt anbelangt, hat die Beweisaufnahme zwar zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass eine solche für eine fachgerechte Reparatur nicht erforderlich war. Das Gericht vermag sich auch nicht vorzustellen, wie bei Originalersatzteilen, die fachgerecht eingebaut wurden, so dass das (ohne Probefahrt festzustellende) Spaltmaß stimmt, „Windgeräusche“ entstehen könnten, die trotz zuvor fachgerechtem Vorgehen gesondert abgestellt werden müssten.
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Allerdings hat sich das Privatgutachten diesbezüglich dezidiert (wenn auch in sehr allgemeiner Form) dahingehend positioniert, dass eine Probefahrt erforderlich sei.
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Da das Gericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, dass der Reparaturauftrag ausdrücklich auf Basis dieses Gutachtens erteilt war, können der Werkstatt die Kosten für die Probefahrt nicht abgesprochen werden. Es kann nämlich nicht verlangt werden, dass diese ausdrücklich für erforderlich erklärte Tätigkeiten nicht ausführt und damit Vorgaben des Gutachtens verletzt. Auch wenn die Probefahrt objektiv nicht erforderlich war, hatte die Werkstatt nach dem hier zugrunde zu legenden Tatbestand diese Probefahrt dennoch durchzuführen und daher auch einen werkvertraglichen Anspruch auf Vergütung. Weil der Kläger diesen Betrag tatsächlich schuldet, hat er insoweit auch einen Anspruch auf Ersatz gegen die Beklagte.
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3. Insgesamt hatte der Kläger daher einen Anspruch auf 5.269,90 €, von denen die Beklagte bereits 4.932,56 € reguliert hat. Somit ist die Klage noch in Höhe von 337,34 € zuzüglich Verzugszinsen ab dem Ablauf der gesetzten letzten Zahlungsfrist begründet.
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Weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann der Kläger dagegen nicht mehr verlangen, denn die sich aus dem tatsächlich berechtigten Schadensbetrag ergebenden Rechtsanwaltskos ten hat die Beklagte bereits erfüllt.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf§§ 708 Nr. 11,711 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 786,62 € festgesetzt.