Titel:
Beschluss über die Zulassung der Online-Teilnahme an Wohnungseigentümerversammlungen
Normenkette:
WEG § 23 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Ein von den Wohnungseigentümern gefasster Beschluss hinsichtlich der Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen entspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung auch dann, wenn u.a. die Verwaltung die Wahl des Kommunikationsmittels bzw. der Software treffen darf, jeder Wohnungseigentümer die technischen Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Versammlung in elektronischer Form auf eigene Kosten zu schaffen hat und Übertragungsfehler, die auf den von der Wohnungseigentümergemeinschaft angeschafften Kommunikationsmitteln beruhen, nicht zu Lasten derjenigen Wohnungseigentümer gehen, die an einer Eigentümerversammlung in elektronischer Form teilnehmen. (Rn. 4, 5 und 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Eigentümerversammlung, Online-Teilnahme, ordnungsgemäße Verwaltung
Fundstellen:
LSK 2022, 31714
ZMR 2022, 931
BeckRS 2022, 31714
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger macht gegenüber der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft einen Anspruch auf Ungültigerklärung des zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 02.11.2021 gefassten Beschlusses.
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Hinsichtlich des Wortlauts des streitgegenständlichen Beschlusses (Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen) wird auf das als Anlage zur Klageschrift vom 02.12.2021 beigefügte Protokoll der Eigentümerversammlung vom 02.11.2021 Bezug genommen.
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Der Kläger trägt hierzu im Wesentlichen vor, dass die Ladungsfrist von drei Wochen nicht gewahrt gewesen sei, da er das Einladungsschreiben vom 21.10.2021 am 22.10.2021 erhalten habe, sodass die Versammlung frühestens am 13.11.2021 statt am 02.11.2021 hätte stattfinden dürfen. Dieser formelle Fehler habe sich auch auf den angefochtenen Beschluss ausgewirkt, da sowohl er als auch weitere Eigentümer aufgrund der Nichteinhaltung der Ladungsfrist an der Eigentümerversammlung nicht hätten teilnehmen können. Die Zeit sei zu kurz gewesen, um sich auf die Versammlung vorzubereiten bzw. einen Vertreter zu organisieren und instruieren.
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Weiter trägt der Kläger vor, dass die Entscheidung, dass die Verwaltung die Wahl des Kommunikationsmittels bzw. der Software treffen dürfe, eine unzulässige Delegation darstelle. Auch würden die von der Eigentümergemeinschaft zu tragenden Kosten nicht beziffert. Es sei auch nicht sichergestellt, dass ein Kommunikationsmittel bzw. eine Software gewählt werde, die der DSGVO entspreche.
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Ziffer 2 des Beschlusses, wonach jeder Wohnungseigentümer die technischen Voraussetzungen für eine Teilnahme an den Versammlungen in elektronischer Form auf eigene Kosten zu schaffen habe, stehe im Widerspruch zu Ziffer 1 des Beschlusses, wonach dies auf Kosten der Eigentümergemeinschaft zu veranlassen sei. Auch sei unklar, wie eine Verschlüsselung gemäß Ziffer 3 des Beschlusses erfolgen solle, wenn ein Eigentümer beispielsweise nur telefonisch an der Eigentümerversammlung teilnehme. Weiter dürften Übertragungsfehler, die auf den von der Wohnungseigentümergemeinschaft angeschafften Kommunikationsmitteln beruhen, nicht zu Lasten derjenigen Wohnungseigentümer gehen, die an einer Eigentümerversammlung in elektronischer Form teilnehmen.
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Weiter stelle sich die Frage, wie sich ein Eigentümer gemäß Ziffer 5 des Beschlusses per Kamera identifizieren lassen müsse, wenn er gemäß Ziffer 1 per Chat oder Audio an der Versammlung teilnehmen dürfe. Auch sei unklar, was diese Identifikation bewirke, wenn sich ein Eigentümer von einem Bevollmächtigen vertreten lasse.
7
Ferner müssten Versammlungen in der Nähe der Wohnanlage stattfinden, sodass es unzulässig sei, dass der Verwalter einen Versammlungsort außerhalb des üblichen Umkreises der Wohnanlage auswählen dürfe, um einen ordentlichen Empfang sicherzustellen. Auch sei es nicht zulässig, den Verwalter zu ermächtigen, im Rahmen der Einladung die Online-Teilnahme auszuschließen, wenn er keinen Versammlungsort mit ordentlichem Empfang ausfindig machen könne. Auch dies ist sei ein unzulässige Delegation.
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Der Kläger beantragt daher:
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Den zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 02.11.2021 (Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen) für ungültig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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Sie führt im Wesentlichen aus, dass nicht nachvollziehbar sei, inwiefern sich die angebliche Unterschreitung der Ladungsfrist konkret ausgewirkt haben sollte. Insbesondere sei offen, was der Kläger in der Versammlung hätte beitragen können, um eine andere Entscheidung herbeizuführen; welche anderen Eigentümer aufgrund der Nichteinhaltung der Ladungsfrist an der Teilnahme gehindert gewesen sein sollen, lasse der Kläger offen. Im Übrigen sei das Abstimmungsergebnis (688/1.000stel Ja-Stimmen, 57/1.000stel Nein-Stimmen und 44/1.000stel Enthaltungen) eindeutig gewesen. Wegen dieser großen Mehrheit hätte auch eine Teilnahme des Klägers an der Versammlung am Abstimmungsergebnis nicht geändert, sodass keine Kausalität zur angeblichen Nichteinhaltung der Ladungsfrist gegeben sei. Die Wahl des Kommunikationsmittels bzw. der Software stelle keine unzulässige Delegation dar, da die Organisation der Wohnungseigentümerversammlung originäre Aufgabe des Verwalters sei.
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Eine Bezifferung des Mehraufwands sei nicht erforderlich gewesen, da hinsichtlich des Mehraufwands der Hausverwaltung auf die Vergütungssätze gemäß Verwaltervertrag abzustellen sei, die allen Wohnungseigentümern bekannt sei. Die Vorgaben der DSGVO würden erfüllt werden, da der Verwalter ausdrücklich angewiesen werde, die Onlinebeteiligung über einen, durch geeignete Verschlüsselung geschützten Zugang zu ermöglichen.
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Dagegen sei es Sache des Wohnungseigentümers, sich selbst technisch in die Lage zu versetzen, online an der Eigentümerversammlung teilzunehmen. Eine telefonische Teilnahme an der Eigentümerversammlung sehe der Beschluss nicht vor. Im Übrigen wäre es unbillig, anwesende Wohnungseigentümer nach Hause zu schicken, nur weil die Onlineteilnahme ganz oder teilweise nicht oder nicht mehr möglich sei. Ein technischer Fehler könne nicht dazu führen, dass die Eigentümerversammlung unterbrochen oder gar beendet werden müsse. Die Identifikation durch eine Kamera gewährleiste die Nichtöffentlichkeit der Wohnungseigentümerversammlung auf bestmögliche Art und Weise, wenn ein Medium gewählt werde, dass eine Kamera ermögliche. Dies gelte auch für einen Bevollmächtigten, wobei die Identifikation dann durch Personalausweis oder ein anderen geeigneten Weg mit Lichtbild erfolgen könne.
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Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Verwalter einen Versammlungsort wählen dürfe, der auch außerhalb des üblichen Umkreises der bisherigen Versammlungen liegen dürfe, da an den üblichen Versammlungsorten, nämlich Gaststätten, häufig eine ausreichende Kommunikationsverbindung nicht sicher zu stellen sei. Sollte ein derartiger Versammlungsort nicht gefunden werden, sei es zulässig, dass der Verwalter bei nicht ausreichender technischer Gebäudeausstattung die Onlineteilnahme ausnahmsweise im Hinblick auf eine Eigentümerversammlung ausschließen dürfe.
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Im Übrigen rügt die Beklagte die im Schriftsatz des Klägers vom 08.03.2022 erstmals vorgebrachten Argumente als verfristet, da außerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist vorgetragen.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
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Mit Einverständnis der Parteien hat das Gericht das schriftliche Verfahren gewählt, wobei als Zeitpunkt gemäß § 128 Abs. 2 ZPO der 06.04.2022 bestimmt wurde.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 23 Nr. 2 c GVG und § 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG.
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Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.
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Der unter TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 02.11.2021 gefasste Beschluss hinsichtlich der Onlineteilnahme an Eigentümerversammlungen entspricht den Grundsätzen ordnungsgemäße Verwaltung.
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Die vom Kläger gerügte Nichteinhaltung der Ladungsfrist mit der Folge der Nichteilnahme des Klägers an der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung ist angesichts der überwältigenden Mehrheit der abgegebenen Ja-Stimmen nicht kausal, da auch bei Zählung der Stimme des Klägers als Nein ein anderes Ergebnis nicht erzielt worden wäre. Welche anderen Eigentümer wegen der zu kurzen Ladungsfrist an der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung nicht hätten teilnehmen können, hat der Kläger nicht genannt. Insoweit ist der Vortrag unsubstantiiert.
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Die gefassten Regelungen sind auch nicht zu beanstanden.
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Der Verwalter hat für die Organisation und Durchführung der Eigentümerversammlung zu sorgen, somit auch für die Wahl des Kommunikationsmittels bzw. der Software. Dies den einzelnen Wohnungseigentümer zu überlassen, wäre, wie von Beklagtenseite zutreffend vorgetragen, lebensfremd.
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Mit der Vorgabe der Wahl eines Kommunikationsmittels mit verschlüsseltem Zugang werden auch die Vorschriften der DSGVO eingehalten. Dass überhaupt eine Onlineteilnahme zulässig ist, wird durch das neue Wohnungseigentumsgesetz, das zum 01.12.2020 in Kraft getreten ist, ausdrücklich gestattet. Auch ist die Kostenregelung konkret genug, da die Vergütungssätze des Verwalters sich aus dem Verwaltervertrag ergeben, über den die Wohnungseigentümergemeinschaft Beschluss gefasst hat, so dass die Vergütungssätze bekannt sind.
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Auch ist nicht zu beanstanden, dass ein technischer Fehler in der Sphäre der Beklagten nicht zu einer Pflicht zur Beendigung der Eigentümerversammlung führt. Im neuen Wohnungseigentumsgesetz ist geregelt, dass jede Eigentümerversammlung beschlussfähig ist. Würde ein Übertragungsfehler bzw. eine technische Unterbrechung zwangsläufig auch die Beendigung der Eigentümerversammlung bedeuten, würde dies dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Im Übrigen hat jeder Eigentümer die Freiheit, sich zu entscheiden, ob er in digitaler Form an einer Eigentümerversammlung teilnimmt. Es steht jedem Eigentümer frei, auch persönlich und direkt an einer Eigentümerversammlung teilzunehmen. Daran ändern die streitgegenständlichen Regelungen im Beschluss zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 02.11.2021 nichts.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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Als Unterlegener trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Streitwertentscheidung erfolgte gemäß § 49 GKG, dabei ist die Zugrundelegung eines mittleren Regelstreitwerts mangels anderer Anhaltspunkte ausreichend aber auch erforderlich, um das Interesse aller Beteiligter an der Entscheidung abzubilden.