Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 04.08.2022 – B 7 K 20.1409
Titel:

Verhältnismäßigkeit einer isolierten Zwangsgeldandrohung aufgrund nachträglich eingetretener entscheidungserheblicher Umstände 

Normenkette:
BayVwZVG Art. 29 Abs. 3
Leitsatz:
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Falle einer isolierten Zwangsgeldandrohung der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage einer isolierten Zwangsgeldandrohung, Verhältnismäßigkeit einer isolierten Zwangsgeldandrohung wegen nachträglicher Änderungen von entscheidungserheblichen Umständen (verneint), isolierte Zwangsgeldandrohung, Wehranlage, Verklausung, Hochwasser, Vollstreckungsvoraussetzung, Verhältnismäßigkeit, Rückbauanordnung, Beugemittel
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31707

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamts … vom 06.11.2020 - Az. … - wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Aufhebung einer isolierten Zwangsgeldandrohung.
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1. Der Kläger betreibt eine in … (Markt …) an der … (Gewässer 2. Ordnung) gelegene Mühle. Für die Wehranlage der Mühle besteht ein Altrecht, dessen Grenzen sich aus einem Bescheid aus dem Jahr 1925 und den zugehörigen Unterlagen ergeben (BA Aktenteil 1). Im Jahr 1993 wurde das Wehr ungenehmigt umgebaut; es wurden zwei Metallstützen in die … eingebracht und eine ca. 4 m breite Schütze ins Wehr eingebaut (vgl. BA Aktenteil 3 Bl. 41). Hierauf erging unter dem 16.01.1996 eine Anordnung gegenüber dem Rechtsvorgänger des Klägers. Gegenstand der Anordnung war es, u.a. „die nicht genehmigten Einbauten an der Stau- und Wehranlage zurückzubauen“ (Nr. I. c des Bescheids - vgl. BA Aktenteil 3 Bl. 63 ff.). Im Wesentlichen wurde diese Anordnung damit begründet, dass die Veränderungen in der Vergangenheit zu Verklausungen geführt hätten. Dadurch sei es zu Rückstau und Überflutungen der angrenzenden bebauten Grundstücke gekommen. Nur durch den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr und der Mitarbeiter des Bauhofes des Marktes … hätten wiederholt schlimmere Folgen verhindert werden können. Ziel der Anordnung sei die Sicherstellung eines schadlosen Hochwasserabflusses. Die Rückbauanordnung wurde bestandskräftig, jedoch - soweit erkennbar - in der Folgezeit weder vom Betreiber umgesetzt noch vom Beklagten vollstreckt.
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Zu Beginn der 2000er Jahre wurde die Wehranlage erneut umgebaut und die Wehrschütze automatisiert. Mitte der 2000er Jahre baute der Betreiber zudem einen Rechen am Triebwerkskanal ein (vgl. BA Aktenteil 3 Bl. 94, vgl. nachträgliche Genehmigung des Rechens auf Bl. 142), später wurde ein nicht genehmigter Betonsteg über dem Wehr angebracht (BA Aktenteil 5 Bl. 28 und 30 f.), wobei die Prozessbevollmächtigte des Klägers vorträgt, dass der Bediensteg bereits viele Jahre vor den 2000er Jahren bestanden haben soll (fortgeführte BA Bl. 7). Bei einer Ortseinsicht am 20.07.2020 sei festgestellt worden, dass die vorhandenen senkrechten Stahlträger am Wehr durchtrennt und durch seitliche Bleche wieder miteinander verschraubt worden seien, wodurch etwaigen Gefahren für die benachbarten Grundstücke im Falle eines weiteren Hochwassers ausreichend begegnet worden sei (BA Aktenteil 5 Bl. 30).
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Seit den 1990er Jahren kam es zu Beschwerden von Nachbarn und Anliegern (z.B. BA Aktenteil 3 Bl. 101, 121, 136, 145; Aktenteil 5 Bl. 9, 14, 28 Rückseite f., 87 f.), wonach deren Anwesen bei Hochwasser infolge unsachgemäßer Handhabung der Wehranlage und Verklausung überflutet worden seien. Infolgedessen wandte sich der Kläger ab dem Jahr 2020 zunächst formlos, später unter Vorlage von Planunterlagen an das Landratsamt … und beantragte den Umbau des Wehrs von einem Schützen- zu einem Klappenwehr (BA Aktenteil 5 Bl. 1 und 42 ff.). Das Landratsamt verwies auf die zusätzliche Notwendigkeit einer Fischauf- und -abstiegshilfe (BA Aktenteil 5 Bl. 70) und gab dem Kläger auf, auch hierfür Antragsunterlagen beizubringen.
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Nachdem die geforderten Unterlagen nicht binnen gesetzter Frist vorgelegt wurden, hat das Landratsamt … mit Bescheid vom 06.11.2020, zugegangen laut Postzustellungsurkunde beim Kläger am 10.11.2020 (BA Aktenteil 5 Bl. 81 Rückseite) folgende streitgegenständliche Anordnung erlassen:
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1. Falls Herr … der in Ziffer „ I. c)“ des Bescheides … vom 16.01.1996 festgelegten Rückbauverpflichtung nicht bis spätestens 31.03.2021 nachkommt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zur Zahlung fällig. Sollte die Vollziehung ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederhergestellt werden, wird die Frist zum Rückbau der Anlage um vier Wochen nach Eintritt der Bestandskraft verlängert.
2. [Kostenentscheidung]
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Der Bescheid wird damit begründet, dass es sich bei dem Bescheid vom 16.01.1996 um einen befehlenden Verwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt handle. Der Kläger sei als Rechtsnachfolger für den Anlagenbetrieb verantwortlich. Das hier angedrohte Zwangsgeld als mildestes Zwangsmittel des VwZVG stütze sich auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Hiernach sei die Vollstreckungsbehörde befugt, den Verpflichteten zu einer Handlung durch ein Zwangsgeld anzuhalten. Bei Ziffer „ I. c)“ des Bescheides vom 16.01.1996 handle es sich auch um eine Handlungspflicht i.S.d. Art. 31 Abs. 1 VwZVG. Die hier festgelegte Höhe des Zwangsgeldes bewege sich nicht nur im gesetzlichen Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, sondern bestimme sich auch nach pflichtgemäßem Ermessen. Insbesondere sei im hiesigen Einzelfall zu berücksichtigen, dass dem Kläger sowohl die Rückbauverpflichtung als auch die mit dem nicht genehmigten Umbau einhergehende Erhöhung der Hochwasserrisiken im Bereich … schon seit mehreren Jahren bekannt seien. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Rückbau im Bereich der Mühle dem Schutz von Leib, Leben und Gesundheit und dem Schutz hochwertiger Sachgüter zu dienen bestimmt sei. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers sei - unter Zugrundelegung der am 01.10.2020 bei dem Landratsamt … eingegangenen Unterlagen - ebenfalls berücksichtigt worden.
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Die Erfüllung der Verpflichtung könne dem Kläger in der bestimmten Frist auch billigerweise zugemutet werden, vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Insbesondere sei bei der Fristbestimmung berücksichtigt worden, dass die gegenwärtige Witterung („Wintermonate“) eine Erschwernis für einen zeitnahen Rückbau der Veränderungen aus dem Jahre 1993 darstelle. Des Weiteren sei berücksichtigt worden, dass dem Kläger im Lichte der Corona-Pandemie ausreichend Zeit verbleibe, um die für die Erfüllung der Rückbauverpflichtung erforderlichen Gerätschaften herbeizuschaffen. Die Tatsache, dass der Kläger - ausweislich der Ziffer „ I. d)“ des Bescheides vom 16.01.1996 - auch in der Zwischenzeit dafür verantwortlich sei, geeignete personelle und gerätemäßige Ressourcen vorzuhalten, um rechtzeitig Verklausungen oder Eisstau an der Stau- und Wehranlage zu entfernen, rechtfertige ebenfalls die hier gewährte Frist. Eine noch längere Frist könne wegen der nachbarschaftlichen Spannungen und der bisher gewährten Fristverlängerungen nicht in Aussicht gestellt werden.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 17.11.2020 „Widerspruch“ eingelegt (BA Aktenteil 5 Bl. 82 ff.). Darin hat er u.a. ausgeführt, dass die gesamte lichte Breite rund 10,0 Meter betrage. Allerdings sei es technisch nicht möglich gewesen, diese gesamte Breite mit einer einzigen Schütztafel zu bedienen. Richtig sei, dass vor 1993 diese 10,0 Meter lichte Breite nicht im Wortsinn „licht“ gewesen, sondern durch fünf Schütztafeln mit unterschiedlicher Breite und vier Zwischenstützen unterteilt gewesen seien. Durch die Mechanisierung und den Wegfall einer Stütze habe eine Verbesserung stattgefunden. Der Bescheid aus 1996 sei inhaltlich hinfällig.
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2. Mit Schriftsatz vom 09.12.2020 hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte Klage erhoben und beantragt,
Der Bescheid des Landratsamts … vom 06.11.2020 wird aufgehoben.
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Die Klage ist damit begründet worden, dass es aufgrund der Einzelrechtsnachfolge des Klägers an einem Rechtsgrund für den Übergang bzw. für ein (Fort-)Wirken der Rückbaupflicht zulasten des Klägers fehle. Da kein vollstreckungsfähiger Grundlagenbescheid bzw. kein Bescheidstitel gegen den Kläger vorliege, sei die streitgegenständliche Vollstreckungsmaßnahme unter Androhung eines Zwangsgeldes rechtswidrig. Gegenüber dem Kläger fehle es an einem Vollstreckungstitel, so dass dem Kläger gegenüber auch kein Zwangsgeld angedroht werden könne.
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Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Stau- und Triebwerksanlage nach dem Erwerb ertüchtigt habe. U.a. sei das Heben der Schützentafel mit einem elektrischen Antrieb versehen worden. Durch die Automatisierung könne auf den jeweiligen Wasserstand reagiert und die Schütze so bedient werden, dass einer Anstaugefahr rechtzeitig begegnet werde. Des Weiteren sei vom Kläger geplant, zur Verbesserung des Hochwasserschutzes die Wehranlage durch Einbau einer durchgehenden Wehrklappe zu erneuern. Ein entsprechender Erneuerungs- und Entwurfsvorschlag liege dem Landratsamt … bereits seit Frühjahr dieses Jahres (wohl gemeint des Jahres 2020) vor. Gegen die beabsichtige Durchsetzung werde daher auch eingewandt, dass sich die tatsächlichen Grundlagen zu der im Jahre 1996 getroffenen Ermessensentscheidung nachträglich wesentlich geändert hätten. Nachdem seit Erlass des Bescheids vom 16.01.1996 fast 25 Jahre vergangen und vom Kläger zwischenzeitlich Ertüchtigungsmaßnahmen an der Wehranlage durchgeführt worden und zudem weitere Verbesserungsmaßnahmen geplant seien, sei die Zwangsgeldandrohung unverhältnismäßig.
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Das Landratsamt … hat für den Beklagten beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Erwiderung wurde geltend gemacht, dass die Behauptung unter Ziffer „3.“ des Schriftsatzes vom 09.12.2020, wonach der Kläger erstmals von der Existenz des Bescheids vom 16.01.1996 im Juli dieses Jahrs (wohl gemeint das Jahr 2020) Kenntnis erlangt habe, nachweislich nicht den Tatsachen entspreche (wird vertieft ausgeführt). Die Darstellung unter Ziffer „4.“ des Schriftsatzes vom 09.12.2020, wonach der Kläger die Stau- und Triebwerksanlage nach dem Erwerb ertüchtigt habe und durch besagte Ertüchtigungen einer Anstaugefahr begegnet werde, sei zunächst entgegenzuhalten, dass auch die nach 2004 getätigten Maßnahmen ohne ein vorausgegangenes wasserrechtliches Verfahren unternommen worden seien. Darüber hinaus zeige das jüngste Hochwasserereignis im Juni 2020, dass die bereits in den 1990er Jahren prognostizierte Gefahr einer Verklausung im Hochwasserfall nach wie vor vorhanden sei. Die weitere Darstellung, wonach dem Beklagten seit Frühjahr dieses Jahres ein Erneuerungs- und Entwurfsvorschlag vorliege, schweige sich darüber aus, dass der Kläger bislang erfolglos zur Vervollständigung bzw. Brauchbarmachung seiner Planunterlagen aufgefordert worden sei. Darüber hinaus verschweige die Klägervertreterin, dass der Kläger das Mühlenanwesen Ende Oktober 2020 auf einer Internetplattform zum Verkauf angeboten und somit signalisiert habe, dass eine Vervollständigung bzw. Brauchbarmachung wohl nicht mehr erfolgen werde. Die Behauptung, wonach sich die tatsächlichen Gegebenheiten seit Erlass des Bescheides im Jahre 1996 wesentlich geändert hätten, werde ausdrücklich bestritten. Die Umbaumaßnahmen seien bisher nicht Iegalisiert worden. Die Auffassung, dass die hier streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung bereits aufgrund der klägerseits geplanten Verbesserungsmaßnahmen unverhältnismäßig sei, überzeuge schon deshalb nicht, weil der Kläger es seit mehr als 15 Jahren unterlassen habe, vollständige und brauchbare Planunterlagen beizubringen. Darüber hinaus diene die hier streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung der effektiven Abwehr der - nach wie vor existenten - Gefahrenlage für die Nachbarschaft im Hochwasserfall.
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3. Mit Schriftsatz vom 26.01.2021 hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte einen Eilantrag gestellt. Mit diesem hat er sich gegen die Androhung des Zwangsgeldes vom 06.11.2020 gewendet. Auf den Vorschlag des Gerichts, vollständige und prüffähige Planunterlagen zum Umbau des Wehrs einschließlich einer Fischwanderhilfe binnen einer noch zu vereinbarenden Frist einzureichen (GA B 7 S 21.89, Bl. 45 f.), mit dem die Beteiligten einverstanden waren (GA B 7 S 21.89, Bl. 75 [Beklagter] und Bl. 85 [Kläger]), hat sich das Eilverfahren erledigt, das Verfahren ist mit Beschluss vom 26.03.2021 (Az. B 7 S 21.89) eingestellt worden.
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4. Nach Erledigung der Eilsache wurde dem Landratsamt eine Auftragsbestätigung des beauftragten Ingenieurbüros sowie eine dem Ingenieurbüro erteilte Vollmacht, zur Erstellung der Unterlagen direkt mit dem Landratsamt … in Kontakt zu treten, vorgelegt (fortgeführte BA Bl. 82 f., 88 und 92 f.).
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Mit Schriftsatz vom 20.09.2021 hat das Landratsamt … dem Gericht mitgeteilt, dass am 18.08.2021 Planunterlagen im wasserrechtlichen Verfahren (fortgeführte BA Bl. 95 ff. und 128) eingegangen seien. Der Kläger sei mit Nachricht vom 20.08.2021 auf die Unvollständigkeit derselben hingewiesen worden. Eine Vervollständigung der Unterlagen im Sinne der WPBV sei bislang nicht erfolgt. Bei den noch zu ergänzenden Angaben handele es sich u.a. um Angaben zur Verwendung von wassergefährdenden Stoffen im Bereich von Einrichtungen im Wasserbau, wobei hier § 10 WPBV ausschlaggebend sei (vgl. auch E-Mail in der fortgeführten BA Bl. 115).
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Mit einer E-Mail vom 18.10.2021 hat das beauftragte Ingenieurbüro dem Landratsamt … ergänzende Angaben zur Erläuterung zukommen lassen (fortgeführte BA Bl. 136 ff.). Im Wesentlichen wurden in der Erläuterung Angaben zu dem in der Wehranlage verwendeten Hydrauliköl sowie zur Fisch- bzw. Tieraufstiegsanlage gemacht, sowie ein Grundstücksverzeichnis eingereicht. In einer E-Mail vom selben Tag hat das beauftragte Ingenieurbüro dem Landratsamt ein Produktdatenblatt des verwendeten Hydrauliköls zukommen lassen (fortgeführte BA Bl. 143 f.).
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In einer E-Mail vom 20.10.2021 des Landratsamts … (fortgeführte BA Bl. 156) hat es dem beauftragten Ingenieurbüro mitgeteilt, dass sich die Planunterlagen weiterhin als nicht vollständig für die Durchführung des wasserrechtlichen Verfahrens darstellen würden. Insbesondere seien u.a. folgende Ergänzungen notwendig:
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a. Eignungsnachweis (Sachverständigengutachten) i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 WPBV; die Prüfung des Sachverständigen habe u.a. die Zuordnung zu einer Wassergefährdungsklasse zu enthalten.
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b. Ausgehend von der Zuordnung zur Wassergefährdungsklasse sei § 34 AwSV in die Planungen einzubeziehen. Die geplante Rückhaltung bzw. die Erfüllung der Anforderungen nach § 34 Abs. 2 und 3 AwSV seien zu erläutern und planerisch darzustellen. Diesbezüglich werde u.a. auf die notwendige Einschätzung durch einen Sachverständigen verwiesen.
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c. [Überarbeitung der Planunterlagen hinsichtlich der Lage der Anlage im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet] In einer E-Mail vom 28.11.2021 hat der Kläger gegenüber dem Landratsamt … seine Bereitschaft zur Beibringung eines Gutachtens geäußert (fortgeführte BA Bl. 201).
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In einer E-Mail vom 21.01.2022 der Prozessbevollmächtigten des Klägers an das Landratsamt wurde die Beschreibung der beauftragten Firma S. zur Ausführung der Hydraulikanlage und die zur Verfügung gestellten Lichtbilder von der Firma S. übermittelt (fortgeführte BA Bl. 219 ff.).
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Mit E-Mails des Wasserwirtschaftsamts … vom 28.01.2022 bzw. 17.02.2022 an das Landratsamt … (fortgeführte BA Bl. 245 und 249) wurde dem Landratsamt mitgeteilt, dass die Unterlagen für das wasserrechtliche Erlaubnisverfahren vollständig und brauchbar seien.
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5. Nachdem im vorliegenden Verfahren die „jüngere Korrespondenz“ zwischen den Beteiligten (fast) ausschließlich Detailfragen zu den Planunterlagen des neuen wasserrechtlichen Gestattungsverfahrens zum Inhalt hat, hat das Gericht dies zum Anlass genommen, um mit Schreiben vom 01.06.2022 darauf hinzuweisen, dass diese Detailfragen in Bezug auf die „HBV-Anlage“ ggf. durch Inhalts- bzw. Nebenbestimmungen geregelt oder jedenfalls - unter Anwendung des Art. 67 BayWG - nachgefordert werden könnten. Um dem Verfahren Fortgang zu geben, hat das Gericht vorgeschlagen, dass der Beklagte erklärt, aus dem streitgegenständlichen Bescheid vom 06.11.2020 keine Rechte mehr herzuleiten, dass das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt werde und die Kosten des Klageverfahrens gegeneinander aufgehoben werden.
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Mit Schriftsatz vom 13.06.2022 hat die Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass mit der Verfahrensweise Einverständnis bestehe und die Abgabe einer Erledigungserklärung in Aussicht gestellt werde.
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Das Landratsamt … hat für den Beklagten mit Schriftsatz vom 20.06.2022 mitgeteilt, dass eine Erledigungserklärung derzeit nicht in Aussicht gestellt werden könne. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die klägerseits bereits für Ende August 2021 angekündigten Unterlagen bis zum heutigen Tage nicht beigebracht bzw. vervollständigt worden seien und die Gefahr eines erneuten Übertritts des Gewässers im Bereich der gegenständlichen Wasserkraftanlage fortbestehe.
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Das Gericht hat den Schriftsatz des Beklagten zum Anlass genommen, um den Beklagten auf seine vorläufige Rechtsauffassung mit gerichtlichem Schreiben vom 06.07.2022 hinzuweisen. Auf dieses Schreiben wird Bezug genommen (GA Bl. 151 f.). Zeitgleich hat es die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört.
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Mit Schriftsatz vom 21.07.2022 hat das Landratsamt für den Beklagten anlässlich des Schreibens vom 06.07.2022 Stellung bezogen. Soweit zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage des streitgegenständlichen Bescheids auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgestellt werde, sollte ebenfalls berücksichtigt werden, dass ernsthafte und nachhaltige Anstrengungen des Klägers in puncto „Anlagenumbau“ seit geraumer Zeit nicht mehr festzustellen seien. Insbesondere sei hervorzuheben, dass die AwSVspezifischen Fragestellungen - trotz umfassender Erläuterungen - nach wie vor offen seien und auch auf jüngere Anfragen nicht mehr reagiert werde. Dass der die gegenständliche Anlage illegal betreibende Kläger der im wasserrechtlichen Gestattungsverfahren bestehenden Mitwirkungslast nicht nachkomme, sei ebenfalls zu sehen. Im Lichte der neuerdings unterlassenen Mitwirkung stelle sich eine Vollstreckung der Maßnahme zum Schutz von Leben und Gesundheit der sich im unmittelbaren Umgriff befindlichen Nachbarschaft und Gebäudlichkeiten als nicht unverhältnismäßig im Sinne des Art. 29 Abs. 3 VwZVG dar. Der Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum vor - sich bereits nachweislich realisierten - Hochwassergefahren eines „Schwarzbaus“ erweise sich weiterhin als interessengerecht. Ziel des Weges über die hier gegenständliche Zwangsgeldandrohung sei es, die Gefahr schnell und wirksam zu bekämpfen. Der Weg über eine Zwangsgeldandrohung zu späterer Zeit werde dem Schutzauftrag nicht gerecht; auch eine Legalisierungsanordnung nach Art. 67 BayWG erscheine insoweit nicht ähnlich effektiv. Hinzu komme, dass das Schweigen der Klägerseite eine Bewältigung der Angelegenheit erschwere und zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit einem Wiedereinlenken des Klägers gerechnet werden könne. Gegen die mit Schreiben vom 01.06.2022 angeregte „Erledigterklärung“ spreche, dass der den „Schwarzbau“ betreffende Primärverwaltungsakt bereits in Bestandskraft erwachsen sei und - ausweislich der aktenkundigen Hochwasserereignisse aus 2020 und 2021 - nach wie vor Rechtsfolgen zeitige. Auf das Urteil des OVG Bautzen vom 11.12.2019 - 4 A 1219/17 werde ausdrücklich Bezug genommen. Die hiesige Anlage werde sich auch im Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung als illegal erweisen. Eine Entscheidung im Wege eines Gerichtsbescheides könne beklagtenseits nicht befürwortet werden, da mit dem Urteil des OVG Bautzen in puncto „Erledigung“ bereits ein abweichendes Judikat vorliege.
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Gem. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31
I. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
32
II. Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg, weil die isolierte Zwangsgeldandrohung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
33
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der streitgegenständlichen isolierten Zwangsgeldandrohung ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Der maßgebliche Zeitpunkt bestimmt sich grundsätzlich nach dem, dem Bescheid zugrundeliegenden materiellen Recht (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 55). Da die Zwangsgeldandrohung fortdauernde Rechtswirkungen entfaltet, sind insoweit entscheidungserhebliche Veränderungen grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus dem Charakter des angedrohten Zwangsgeldes als Beugemittel (BVerwG, U.v. 16.12.2004 - 1 C 30/03 - juris Rn. 23; vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 45 m.w.N.).
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2. Zu diesem Zeitpunkt erweist sich die isolierte Zwangsgeldandrohung als rechtswidrig.
35
Entgegen den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten entfaltet eine wasserrechtliche Beseitigungsanordnung zwar grundsätzlich auch Rechtswirkungen gegenüber dem Rechtsnachfolger, vorliegend hat das Gericht aber erhebliche rechtliche Zweifel, ob die (bestandskräftige) Rückbauanordnung aus dem Jahr 1996 überhaupt (noch) einen hinreichend bestimmten Vollstreckungstitel i.S.d. Art. 19 Abs. 1 VwZVG darstellt. Zwar ist Voraussetzung einer rechtmäßigen Vollstreckung nur die Wirksamkeit - und nicht die Rechtmäßigkeit - des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes, gleichwohl mangelt es an den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, wenn die Grundverfügung nicht (mehr) hinreichend bestimmt ist (vgl. Zeiser in: Wernsmann, VwZVG, 1. Aufl. 2020, Art. 19 Rn. 17 m.w.N.). Vorliegend wurden nach Erlass der Rückbauanordnung aus dem Jahr 1996 offensichtlich noch weitere Umbaumaßnahmen an der Anlage getätigt. Weitere förmliche Anordnungen oder „Ergänzungsbescheide“ im Hinblick auf den Bescheid aus dem Jahr 1996 sind jedoch nicht ergangen. Teilweise wurden die Baumaßnahmen sogar vom Landratsamt „genehmigt“. Von daher stellt sich die Frage, ob es für die Beteiligten hinreichend klar ist, was gegenwärtig genau zurückgebaut werden soll und ob dies - infolge weiterer Umbauarbeiten - überhaupt noch realisierbar ist.
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Letztlich bedarf es keiner weiteren Vertiefung, ob es gegenwärtig bereits an den allgemeinen Voraussetzungen mangelt, da jedenfalls die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht (mehr) vorliegen. Die Vollstreckung ist nämlich aufgrund nachträglicher Veränderungen der Umstände unverhältnismäßig geworden.
37
Nach Art. 29 Abs. 3 VwZVG muss das Zwangsmittel in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck stehen. Dabei ist das Zwangsmittel möglichst so zu bestimmen, dass der Betroffene und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt werden.
38
Das streitgegenständliche Zwangsmittel ist ein striktes Beugemittel ohne strafähnlichen Ahndungscharakter. Damit soll eine Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht durchgesetzt werden (vgl. etwa BayVGH, B.v. 30.11.2005 - 1 CE 05.153 - juris Rn. 24). Der Umsetzung der Rückbauverpflichtung aus dem Jahre 1996 soll dadurch Nachdruck verliehen werden. Der Kläger hat aber inzwischen ernsthaft zu erkennen gegeben, dass er die Anlage komplett umbauen möchte. Hierzu hat er umfangreiche Planunterlagen und auch nachträgliche Ergänzungen eingereicht und ein wasserrechtliches Verfahren eingeleitet. Er hat damit bereits erhebliche und nachhaltige Anstrengungen zum angestrebten Umbau der betroffenen Anlage vorgenommen. Dass die beabsichtigen Umbaumaßnahmen ernsthaft und nachhaltig sind, wird auch durch die Mitteilung des Wasserwirtschaftsamtes … unterstrichen, dass die vorgelegten Planunterlagen, deren Erstellung auch mit Kosten verbunden sind, vollständig und brauchbar sind.
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In Anbetracht dessen erweist es sich ersichtlich als unverhältnismäßig, eine Rückbauanordnung weiter zu vollstrecken, wenn bereits umfassende Pläne zu einem Gesamtumbau der Anlage bei der Genehmigungsbehörde eingereicht wurden. An der Ernsthaftigkeit der Umbaupläne zweifelt das Gericht insbesondere nicht, weil eine Detailfrage zur „HBV-Anlage“ im Erlaubnisverfahren noch nicht abschließend geklärt ist. Denn zum einen wird vom Beklagten nicht einmal ansatzweise der vom Gericht im Rahmen des Versuchs der gütlichen Streitbeilegung aufgeworfene Frage, ob diese Problematik nicht als Inhalts- bzw. Nebenbestimmung des Erlaubnisbescheids geregelt werden kann, nachgegangen. Stattdessen wird die Auslegung der Planunterlagen, die nach Aussagen des Wasserwirtschaftsamtes vollständig und brauchbar sind, seit mehreren Monaten zurückgestellt. Zum anderen scheint der Beklagte zu verkennen, dass die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung schon im Ansatz nicht geeignet ist, den Kläger zur Beibringung ausstehender Unterlagen für das neue wasserrechtliche Verfahren zu bewegen. Hierfür kommen ggf. effektivere Anordnungen als die Vollstreckung der Rückbauanordnung aus dem Jahr 1996, etwa nach Art. 67 BayWG - ggf. mit entsprechenden Zwangsmaßnahmen - in Betracht.
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Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (SächsOVG, U.v. 11.12.2019 - 4 A 1219/17 - juris) ist kein abweichendes Judikat eines anderen Gerichts, das dieser Entscheidung entgegensteht, da es sich im Wesentlichen mit der Rechtmäßigkeit eines Einschreitens einer Wasserbehörde aufgrund der wasserrechtlichen Generalklausel wegen der formellen Illegalität einer Anlage sowie der Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung bzw. -festsetzung befasst. Es setzt sich aber nicht mit der Frage der Verhältnismäßigkeit einer isolierten Zwangsgeldandrohung aufgrund nachträglich eingetretener entscheidungserheblicher Umstände auseinander.
41
Soweit der Beklagte auf den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (B.v. 29.1.2018 - 8 ZB 16.2131 - juris Rn. 25) verweist, und diese Entscheidung als Vergleichsmaßstab für befürchtete Hochwassergefahren aufgrund eines Schwarzbaus im Zwangsmittelverfahren heranziehen will, dringt er auch damit nicht durch. Denn diese Entscheidung befasst sich an der genannten Stelle mit einer Ermessensentscheidung im Hinblick auf eine Grundverfügung. Insofern muss zwischen dem Grundverwaltungsakt und einer - wie hier streitgegenständlichen - isolierten Zwangsgeldandrohung unterschieden werden.
42
Das Gericht kann vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehen, warum der Beklagte derart beharrlich an der Zwangsgeldandrohung festhält. Denn indem die bereits eingereichten Planunterlagen ausgelegt werden und ein zeitnahes Erlaubnisverfahren durchgeführt wird, könnte der Umbau der Wehranlage zügiger als mit der Zwangsgeldandrohung gegen eine Rückbauanordnung aus dem Jahr 1996 erreicht und eventuelle Gefahren, die von der Wehranlage ausgehen, effektiver abgewehrt werden.
43
3. Nach alledem ist der Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.