Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.10.2022 – 9 C 22.1995
Titel:

Unstatthaftigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde

Normenketten:
VwGO § 146
GVG § 198
Leitsatz:
Seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist für das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der Untätigkeitsbeschwerde kein Raum mehr. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nichtentscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag, Untätigkeitsbeschwerde, Unstatthaftigkeit, Prozesskostenhilfeantrag, Nichtentscheidung
Vorinstanz:
VG Ansbach vom -- – AN 3 K 21.2268
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31615

Tenor

I. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer am 8. August 2022 erhobenen sofortigen Beschwerde dagegen, dass das Verwaltungsgericht über ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch nicht entschieden hat. Sie hat ihre am 22. Dezember 2021 erhobene Anfechtungsklage, die sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung richtet, mit Schriftsatz vom 15. März 2022 begründet und zugleich Prozesskostenhilfe beantragt.
II.
2
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtentscheidung ihres Prozesskostenhilfeantrags für das erstinstanzliche Klageverfahren ist unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) am 3. Dezember 2011 ist für das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der Untätigkeitsbeschwerde kein Raum mehr (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 26.10.2016 - 6 PKH 22.16 - juris Rn. 3; BGH, B.v. 20.11.2012 - VIII ZB 49/12 - juris Rn. 3; OVG NRW, B.v. 28.1.2020 - 18 E 39/20 - juris Rn. 2 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.7.2019 - 3 C 19.1218 - juris Rn. 8; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 127 Rn. 65 f.). Der sinngemäß vorgetragene Einwand der Klägerin, bei Unstatthaftigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde werde die bedürftige Partei unangemessen benachteiligt und der Rechtsschutz unverhältnismäßig erschwert, überzeugt nicht. Vielmehr kann im Hinausschieben der Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen, wenn sich die Verzögerung der Entscheidung zu Lasten der Klägerin ausgewirkt hat und ihr deshalb eine sachgerechte Prozessführung vorenthalten wurde (vgl. BSG, B.v. 5.7.2018 - B 13 R 32/15 BH - juris Rn. 17; Bader in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 166 VwGO Rn. 60 m.w.N.). Eine solche kann ggf. im Rechtsmittelverfahren gerügt werden.
3
Selbst wenn dem nicht gefolgt und mit der früheren Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 27.1.2000 - 10 C 99.3695 - juris, Rn. 14 f.; LAG Hamm, B.v. 30.10.2006 - 18 [7] Ta 249/06 - juris Rn. 9 ff.) eine Untätigkeitsbeschwerde nach wie vor als statthaft angesehen würde (vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, § 146 VwGO Rn. 9), hätte die Beschwerde keinen Erfolg. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass hier eine mit dem Grundsatz der zeitlichen Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht zu vereinbarende Verzögerung anzunehmen wäre. Sie hat ihre am 22. Dezember 2021 erhobene Klage selbst erst am 15. März 2022 begründet und Prozesskostenhilfe beantragt. Der Beklagte hat am 13. Mai 2022, die Beigeladene - nach Gewährung von Akteneinsicht - mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022 Stellung genommen. Diese Äußerungen der Beteiligten durften für die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten abgewartet werden. Angesichts dieses Zeitverlaufs ist bei Erhebung der sofortigen Beschwerde am 8. August 2022 eine unangemessene Verzögerung nicht erkennbar und erst Recht keine faktische Aussetzung des Verfahrens (vgl. zu dieser Voraussetzung Stuhlfauth, a.a.O.). Das Verwaltungsgericht hat eine rechtzeitige Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag vor einer Hauptsacheentscheidung auch nicht verweigert (vgl. BayVGH, B.v. 6.8.1996 - 7 C 96.1262 - NVwZ-RR 1997, 501). Dem Nichtabhilfebeschluss ist vielmehr zu entnehmen, dass die Kammer beabsichtigt, der Klägerin nach einer ggf. ablehnenden Entscheidung über ihren Prozesskostenhilfeantrag eine hinreichende Entscheidungsmöglichkeit darüber einzuräumen, ob sie das Verfahren auf eigene Kosten fortsetzt oder den Rechtsbehelf zurücknimmt.
4
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich (vgl. OVG Hamburg, B.v. 6.11.2015 - 3 So 83/15 - juris).
5
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.