Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.11.2022 – 7 CE 22.2056
Titel:

Nur eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit einer Prognose zum Vorrücken in die 8. Klasse

Normenketten:
BayEUG Art. 52 Abs. 5, Art. 53 Abs. 1, Abs. 6 S. 1
BayRSO § 23 Abs. 2, § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 25 Abs. 1 S. 1, § 26 Abs. 1
BaySchO § 34 Abs. 7 Nr. 2
GG Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 S. 2, Art. 12
Leitsatz:
Die über einen Antrag auf Vorrücken auf Probe zu treffende fachlich-pädagogische Prognoseentscheidung der Lehrerkonferenz, ob nach dem Notenbild des Jahreszeugnisses das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann, ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar; das Gericht darf seine eigene Einschätzung nicht an die Stelle der Beurteilung durch die Lehrerkonferenz setzen. (Rn. 13)
Schlagworte:
Vorrücken auf Probe, Entscheidung der Lehrerkonferenz, Berechnung der Jahresfortgangsnote, Vorrücken, auf Probe, Lehrerkonferenz, Entscheidung, gerichtliche Überprüfbarkeit, Jahresfortgangsnote
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 12.09.2022 – B 3 E 22.804
Fundstellen:
BayVBl 2023, 119
BeckRS 2022, 31612
NVwZ-RR 2023, 147
LSK 2022, 31612

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Abänderung von Nr. 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 12. September 2022 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gestattung zum vorläufigen Vorrücken, hilfsweise auf Probe, in die 8. Jahrgangsstufe der G.-H.-Realschule in F. (im Folgenden Schule), nachdem er wegen mangelhafter Leistungen in Deutsch, Englisch und Geschichte im Jahreszeugnis des Schuljahrs 2021/2022 das Klassenziel nicht erreicht hat.
2
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO mit Beschluss vom 12. September 2022 ab. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, die gerügte Notengebung in den drei Fächern sei nicht zu beanstanden, lediglich die mündliche Note, die nach der Stellungnahme der Lehrkraft aufgrund der Einzelleistungen des Antragstellers im Fach Englisch am 27. April, 4. Mai und am 6. Juli 2022 gebildet worden sein solle, könne keinen Bestand haben. Allerdings führe dies nicht zu einer Änderung der Gesamtnote im Fach Englisch.
3
Mit der vorliegenden Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er bringt insbesondere vor, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, nach Aufhebung der als rechtswidrig erkannten mündlichen Note ergebe sich im Fach Englisch eine Durchschnittsnote von 4,66, sei unzutreffend. Der Antragsteller leide an einer Lese-Rechtschreib-Störung, daher seien ihm mit Bescheid vom 12. Mai 2022 Unterstützungsmaßnahmen bewilligt worden. Das Verwaltungsgericht gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass Notenschutz vorliegend ausschließlich durch zusätzliche mündliche Leistungsnachweise gewährt werden müsse, vielmehr sei neben zusätzlichen mündlichen Leistungsnachweisen eine stärkere Gewichtung der mündlichen Leistungsnachweise im Vergleich zu den schriftlichen Nachweisen vorzunehmen. In diesem Sinne habe sich die Schule auch gegenüber den Eltern des Antragstellers geäußert, was eidesstattlich versichert werde. Werde die Gesamtnote unter Berücksichtigung dieses Notenschutzes nach der Notenformel des D. Gymnasiums in A. berechnet, ergebe sich für das Fach Englisch eine Gesamtnote von 4,34; gehe man demgegenüber von einer gleichwertigen Bewertung von mündlichen und schriftlichen Leistungsnachweisen aus, ergebe sich eine Gesamtnote von 4,47, bei einer stärkeren Gewichtung der mündlichen Leistungsnachweise gegenüber den schriftlichen Leistungsnachweisen errechne sich eine Gesamtnote von 4,27. Auch im Zeugnis des Antragstellers sei ausgeführt, dass in den Fremdsprachen die mündlichen Leistungen stärker gewichtet worden seien. Zudem müsse auch die Note 3 der am 20. Juni 2022 abgehaltenen Minipräsentation stärker gewichtet werden.
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Der Antragsteller beantragt,
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unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 12. September 2022 wird der Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller vorläufig, hilfsweise auf Probe, in die 8. Jahrgangsstufe der G.-H.-Realschule in F. vorrücken zu lassen.
6
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern.
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1. Dabei ist der Senat auf die Prüfung der inhaltlich dem Darlegungsgebot gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Gründe beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Das Darlegungserfordernis verlangt, konkret zu erläutern, aus welchen Gründen der angegriffene Beschluss fehlerhaft und daher abzuändern oder aufzuheben ist (vgl. Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 146 Rn. 24). Dem ist regelmäßig nur Genüge getan, wenn sich das Vorbringen des Antragstellers substantiell mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22a). Pauschale und lediglich formelhafte Rügen sind ebenso unzureichend wie ein Vorbringen, das offenlässt, auf welche konkreten Feststellungen des Verwaltungsgerichts es sich beziehen soll. Auch unzureichend sind in der Regel bloße Bezugnahmen auf erstinstanzliches Vorbringen (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O.).
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2. Dies zugrunde gelegt, kann das Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht zu einem vorläufigen Vorrücken des Antragstellers in die Jahrgangsstufe 8 führen. Der Antragsteller verkennt, dass er selbst bei einem Erzielen der Note 4 im Fach Englisch vom Vorrücken ausgeschlossen ist, weil sein Jahreszeugnis auch in diesem Fall in zwei Vorrückungsfächern (Deutsch und Geschichte) die Note 5 aufweist (vgl. Art. 53 Abs. 1 BayEUG i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 der Schulordnung für die Realschulen - Realschulordnung - RSO).
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3. Damit beschränkt sich die Prüfung vorliegend auf die Frage, ob der Antragsteller mit seinem Vortrag, das Verwaltungsgericht habe im Fach Englisch rechtsfehlerhaft eine Gesamtnote von 4,66 festgestellt, einen Anspruch auf ein vorläufiges Vorrücken auf Probe in die Jahrgangsstufe 8 glaubhaft gemacht hat. Auch insoweit hat die Beschwerde keinen Erfolg.
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Gemäß Art. 53 Abs. 6 Satz 1 BayEUG i.V.m. § 26 Abs. 1 RSO können Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 9, die wegen Note 6 in einem oder Note 5 in zwei Vorrückungsfächern das Ziel der jeweiligen Jahrgangsstufe nicht erreicht haben, mit Einverständnis ihrer Erziehungsberechtigten auf Probe vorrücken, wenn sie in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik und in dem jeweiligen gruppenspezifischen Wahlpflichtfach nach § 35 Abs. 1 Satz 1 RSO keine schlechtere Note als einmal 5 haben und die Lehrerkonferenz auf der Grundlage einer Empfehlung der Klassenkonferenz zu der Auffassung gelangt, dass nach dem Gesamtbild aller erzielter Leistungen erwartet werden kann, dass sie im nächsten Schuljahr das Ziel der Jahrgangsstufe erreichen.
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a. Die Verpflichtung des Antragsgegners, das Vorrücken auf Probe zu gestatten, kann vorliegend schon deshalb nicht erreicht werden, da die auf einer positiven fachlich-pädagogischen Prognose beruhende Entscheidung der Lehrerkonferenz, ob nach dem Notenbild des Jahreszeugnisses (hier mit vorwiegend ausreichenden Leistungen insbesondere in Fächern wie Mathematik, Physik und Chemie neben den Fächern mit mangelhaften Leistungen) das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann, nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (stRspr des Senats, vgl. B.v. 29.6.2020 - 7 CE 20.721 - juris Rn. 4; B.v. 24.10.2012 - 7 CE 12.2240 - juris Rn. 16; Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand September 2022, Art. 53 BayEUG Rn. 13). Da diese spezifisch fachlich-pädagogische Entscheidung der Letztentscheidungskompetenz der Lehrerkonferenz überlassen bleiben muss, darf das Gericht im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seine eigene Einschätzung nicht an die Stelle der Beurteilung durch die Lehrerkonferenz setzen (vgl. zum vergleichbaren Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum der Lehrerkonferenz bei Befreiungen nach Art. 53 Abs. 5 Satz 1 BayEUG Lindner/Stahl, a.a.O. Rn. 12).
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b. Ungeachtet dessen ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, auch nach Aufhebung der rechtswidrigen mündlichen Note ergebe sich im Fach Englisch weiterhin die Note mangelhaft, da sich (entsprechend der durch die Schule auf der Grundlage von § 23 Abs. 2 RSO erfolgten Gewichtung: doppelte Berücksichtigung der Schulaufgaben, einfache Berücksichtigung der Stegreifaufgaben sowie der mündlichen Noten [(5+5+6+5)*2+28]:15) eine Durchschnittsnote von 4,66 errechne, nicht zu beanstanden. Daher bedarf es auch keiner Entscheidung der Lehrerkonferenz.
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aa. Nicht durchgreifend ist schon das Vorbringen des Antragstellers, die Note könnte nach der im D.-Gymnasium in A. praktizierten Formel berechnet werden, was zu einer Gesamtnote von 4,34 führen würde. Nach dieser Formel würden Schulaufgaben gegenüber Stegreifaufgaben doppelt gewichtet; die aus beiden gebildete Teilnote werde gegenüber den mündlichen Noten gleichwertig (1:1) gewertet. Dabei verkennt der Antragsteller, dass die Berechnung der Jahresfortgangsnote am Gymnasium bereits vom Grundsatz her anders erfolgt als an der Realschule auf der Grundlage der Realschulordnung. Gemäß § 17 RSO wird unterschieden zwischen großen (Schulaufgaben) und kleinen (Kurzarbeiten, Stegreifaufgaben, fachlichen Leistungstests sowie mündlichen und fachlichen Leistungen) Leistungsnachweisen. Anders als am Gymnasium, wo die Jahresfortgangsnote nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GSO aus einer Gesamtnote für die großen Leistungsnachweise und aus einer Gesamtnote für die kleinen Leistungsnachweise nach der in § 28 Abs. 1 Satz 3 und 4 GSO vorgegebenen Gewichtung gebildet wird, errechnet sich die Jahresfortgangsnote an der Realschule aus der Summe der Noten der schriftlichen, der mündlichen und gegebenenfalls der praktischen Leistungsnachweise unter doppelter Gewichtung der Noten aus den Schulaufgaben (§ 23 Abs. 2 Satz 1 und 3 RSO). Unabhängig davon, ob die Formel des D.-Gymnasiums den Vorgaben des § 28 Abs. 1 GSO entspricht, hat das Verwaltungsgericht die streitgegenständliche Jahresfortgangsnote im Fach Englisch somit zutreffend nach § 23 Abs. 2 RSO gebildet.
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bb. Auch aus der beim Antragsteller diagnostizierten Lese-Rechtschreib-Störung folgt kein Anspruch auf eine günstigere Bildung der Jahresfortgangsnote im Fach Englisch durch die Erbringung zusätzlicher mündlicher Leistungsnachweise einerseits und (kumulativ) durch die stärkere Gewichtung der mündlichen Leistungsnachweise gegenüber den schriftlichen andererseits.
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(1) Ein Anspruch hierauf ergibt sich insbesondere nicht aus dem Bescheid vom 12. Mai 2022, wonach „Maßnahmen zum Notenschutz gemäß § 34 BaySchO“ gewährt wurden. Auf der Rückseite des Bescheids wurde der Satz “in den Fremdsprachen - mit Ausnahme der Abschlussprüfung - abweichend von der RSO mündliche Leistungen stärker gewichten“ mit einem Kreuz versehen, wobei dieser Satz mit dem angekreuzten Untersatz „zusätzliche mündliche Leistungsnachweise“ ergänzt wurde. Anders als der Antragsteller meint, konkretisiert der Untersatz die Maßnahme des Notenschutzes dahingehend, dass die stärkere Gewichtung der mündlichen Leistungen ausschließlich durch zusätzliche mündliche Leistungsnachweise zu erfolgen hat. Insbesondere die Zusammenschau mit der Bewilligung von Maßnahmen zum Notenschutz im vorangegangenen Bescheid vom 13. November 2019 mit der Gültigkeit bis Ende des Schuljahrs 2020/2021, in dem festgesetzt wurde, dass die Entscheidung über die genaue Umsetzung des Notenschutzes („einfache Gewichtung großer Leistungsnachweise oder Erhöhung der Anzahl mündlicher Leistungen“) die Fachlehrkraft trifft, untermauert die Auffassung des Beklagten, dass mit Bescheid vom 12. Mai 2022 der Notenschutz nicht die „einfache Gewichtung großer Leistungsnachweise“ und „zusätzliche mündliche Leistungsnachweise“ gewährt wurden.
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Die eidesstattliche Versicherung der Eltern des Antragstellers, die Schule habe sich ihnen gegenüber mündlich dahingehend geäußert, neben zusätzlichen mündlichen Leistungsnachweisen eine stärkere Gewichtung der mündlichen Leistungsnachweise im Vergleich zu den schriftlichen Nachweisen vorzunehmen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus dem Hinweis „Und wenn er es nicht eindeutig in diese Verfügung niedergeschrieben hat, warum muss nun F* … unter diesen unkorrekten Personen leiden und benachteiligt werden“, ergibt sich zweifelsfrei, dass die an Eides statt versicherten Äußerungen des Schulleiters vor Erlass des Bescheids vom 12. Mai 2022 erfolgt sein müssen. Unabhängig davon, dass die Schule derartige Aussagen von sich weist, ist aufgrund der Formulierungen im Bescheid davon auszugehen, dass der von der Schule dem Antragsteller gewährte Notenschutz ausschließlich durch zusätzliche Leistungsnachweise erfolgen sollte, zumal nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grund die Eltern des Antragstellers den Bescheid vom 12. Mai 2022 nicht angefochten haben bzw. in Kenntnis des im vorangegangenen Bescheid bewilligten Notenschutzes nicht um eine Klarstellung bemüht waren.
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(2) Ein Anspruch auf ein Vorrücken auf Probe folgt auch nicht daraus, dass dem Antragsteller der von ihm begehrte Notenschutz nach Art. 52 Abs. 5 Satz 2 BayEUG i.V.m. § 34 Abs. 7 Nr. 2 BaySchO hätte gewährt werden müssen.
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Als Notenschutz werden in Bezug auf die Bewertung schulischer Leistungen einschließlich der jeweiligen Prüfungsleistung alle Maßnahmen angesehen, die auf die Bevorzugung des einzelnen Prüflings gerichtet sind, weil diesem gegenüber auf bestimmte Leistungsanforderungen verzichtet wird, die allen anderen Prüflingen abverlangt werden. Notenschutz berührt den anerkannten und insbesondere im Prüfungsrecht maßgeblichen Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG, ggf. i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) aller Prüflinge. Dies gilt insbesondere für Schülerinnen und Schüler, deren schwaches Leistungsvermögen, etwa im Bereich des Spracherwerbs, auf einer persönlichen Veranlagung beruht, die keine Behinderung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darstellt. Mit der Einführung von Bewertungsmaßstäben, die dem individuellen Leistungsvermögen durch Notenschutz Rechnung tragen, können je nach Reichweite Änderungen der Lernziele und ein schulischer Systemwechsel verbunden sein. Aufgrund dessen ist es grundsätzlich Aufgabe des für die Schulaufsicht zuständigen Organs, darüber zu entscheiden, ob und auf welche Weise betroffene Schülerinnen und Schüler durch Notenschutz gefördert werden. Die Entscheidungen über die Gewährung von Notenschutz und dessen inhaltliche Ausgestaltung unterfallen dem Gesetzesvorbehalt (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2015 - 6 C 35.14 - juris Rn. 43).
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Der Gesetzgeber ist seiner Regelungskompetenz in Art. 52 Abs. 5 BayEUG i.V.m. § 34 BaySchO nachgekommen. Gemäß § 34 Abs. 7 Nr. 2 BaySchO ist es bei einer Rechtschreibstörung im Rahmen des Notenschutzes zulässig, in den Fremdsprachen mit Ausnahme der Abschlussprüfungen abweichend von den Schulordnungen mündliche Leistungen stärker zu gewichten. Welche Maßnahmen zur stärkeren Gewichtung mündlicher Leistungen im Einzelfall angezeigt sind, stellen der Gesetz- und Verordnungsgeber in das pflichtgemäße Ermessen des für die Schulaufsicht zuständigen Organs. Dabei sind nicht nur die Erforderlichkeit der individuellen Unterstützung der betroffenen Schülerin bzw. des betroffenen Schülers in den Blick zu nehmen, sondern auch die Auswirkungen derartiger Maßnahmen auf das Recht der Mitschülerinnen und -schüler auf Chancengleichheit. Vorliegend hat die Schule ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dem Antragsteller zusätzliche mündliche Leistungsnachweise anzubieten, da die erhöhte Anzahl der mündlichen Noten zu einer Verschiebung der Gewichtung zugunsten der mündlichen Noten führt. Gründe dafür, inwieweit die Schule verpflichtet gewesen wäre, nur den vom Antragsteller begehrten Notenschutz zu gewähren, mithin Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Hierbei führt auch der Vortrag des Antragstellers, die Note 3 für die am 20. Juni 2022 gehaltene Minipräsentation müsse als mündliche Note gewertet und damit stärker gewichtet werden, zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen wurde die Minipräsentation als kleiner Leistungsnachweis faktisch wie eine mündliche Note bewertet, zum anderen wird nicht vorgetragen, aus welchem Grund dieser zusätzliche mündliche Leistungsnachweis darüber hinaus noch einer stärkeren Gewichtung unterliegen solle.
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Ein weitergehender Anspruch auf Notenschutz lässt sich nicht aus dem Verfassungsrecht herleiten, da es einen über die einfach gesetzliche Regelung hinausgehenden verfassungsrechtlichen Anspruch auch im Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG geregelte Benachteiligungsverbot für körperlich eingeschränkte oder sonst behinderte Prüfungsteilnehmer nicht gibt (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2015 - 6 C 33.14 - juris Rn. 30; BayVGH, U.v. 28.12.2021 - 7 CE 21.2466 - juris Rn. 22).
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(3) Soweit sich der Antragsteller zur Untermauerung seiner Auffassung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Oktober 2008 - AN 2 E 08.01482 - bezieht, in dem die beteiligte Schule im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, den dortigen Antragsteller auf Probe vorrücken zu lassen, ist dem entgegenzuhalten, dass die der zitierten Entscheidung zugrundeliegende Fallkonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar ist. Zum einen war dem Antragsteller das Vorrücken in die 7. Jahrgangsstufe lediglich wegen mangelhafter Leistungen in den Fächern Englisch und Geschichte versagt worden und nicht - wie hier - wegen mangelhafter Leistungen in drei Fächern, zum anderen hatte das Verwaltungsgericht erhebliche Zweifel am rechtmäßigen Zustandekommen der Note 5 im Jahreszeugnis im Fach Geschichte, während vorliegend trotz Nichtberücksichtigung einer mündlichen Note im Fach Englisch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Jahresfortgangsnote 5 im Fach Englisch bestehen.
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Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
25
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 38.5 und 1.5 Satz 1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO). Die Abänderungsbefugnis ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Von der Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs, den Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, macht der Senat in ständiger Rechtsprechung in der Regel keinen Gebrauch (vgl. für schulrechtliche Ordnungsmaßnahmen BayVGH, B.v. 6.5.2020 - 7 C 20.366 - juris Rn. 3 m.w.N.).