Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.10.2022 – 19 ZB 22.1778
Titel:

Anforderungen an die Feststellung einer Suizidgefahr im Rahmen der Prüfung eines inlandsbezogenen Ausreisehindernisses 

Normenketten:
AufenthG § 25 Abs. 3, Abs. 5 S. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2 S. 1, Abs. 2c S. 1
AsylG § 42 S. 1
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Eine Ausreise ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn dauerhaft sogenannte inlandsbezogene (rechtliche) Ausreisehindernisse bestehen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gem. § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG iVm Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ist unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise, Psychische Erkrankung, Suiziddrohung für den Fall der Abschiebung, Antrag auf Zulassung der Berufung, Aserbaidschan, rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise, inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, Reiseunfähigkeit, Suiziddrohung, Suizidgefahr, Gesundheitsverschlechterung, Transportfähigkeit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Beweisantrag, Aufklärungsrüge
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 27.06.2022 – RN 9 K 22.607
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31583

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin, eine aserbaidschanische Staatsangehörige, die nach eigenen Angaben mit ihrer Familie am 6. November 2018 ins Bundesgebiet eingereist ist und deren Asylbegehren erfolglos blieb (ablehnender Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge <Bundesamt> vom 3.12.2018 einschließlich der Feststellung der Behandelbarkeit der psychischen Erkrankungen der Klägerin im Heimatland; Klageabweisung mit U.v. 21.8.2020 - RN 15 K 18.33026; rechtskräftig seit 6.10.2020; Ablehnung des am 23.10.2020 gestellten Folgeantrags und des Antrags auf Abänderung der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG mit Bescheid vom 15.3.2021 als unzulässig; Klageabweisung mit U.v. 12.10.2021 - RN 15 K 21.30456; Duldung mangels Identitätsdokumenten vom 27.10.2020 bis 3.6.2021), für die wegen Suiziddrohung im Rahmen eines Abschiebeversuchs mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 2. Juni 2021 die vorläufige Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 30. Juni 2021 einstweilen angeordnet und ein Verfahrenspfleger bestellt wurde (fortbestehende Betreuung und festgestellter Gesamt-Grad der Behinderung <GdB> von 30 aufgrund eines Einzel-GdBs für eine seelische Störung ab 27.5.2020), deren Antrag vom 22. Juni 2021 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen geltend gemachter schwerwiegender psychischer Erkrankung mit Bescheid vom 22. September 2021 abgelehnt wurde (Ablehnung des Eilrechtsschutzbegehrens vom 28.7.2021 gerichtet auf Abschiebungsschutz mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.7.2021 - RN 9 E 21.1505), die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer am 6. Dezember 2021 unter Bezugnahme auf die fachpsychiatrische Stellungnahme des Dr. med. P. vom 16. November 2021 und das fachpsychiatrische Gutachten der Frau Dr. B. vom 7. Oktober 2021 erneut beantragten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG weiter. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 1. Februar 2022 mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Lebensunterhaltssicherung), § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (Passpflicht) nicht erfülle und nicht mit dem erforderlichen Visum, sondern mit einem ungarischen Schengen-Visum eingereist sei. Ein Absehen von diesen Erteilungsvoraussetzungen im Ermessensweg komme nicht in Betracht, insbesondere würde zu ihren Lasten gewertet, dass sie bis heute keinerlei Dokumente vorgelegt habe. Außerdem seien auch die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht erfüllt, denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) habe festgestellt, dass keine zielstaatbezogenen Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorlägen, ein gültiges Reisepapier für die Rückreise sei vorhanden und trotz der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste sei davon auszugehen, dass sie reisefähig und die freiwillige Ausreise gemeinsam mit Ehemann und Tochter auch in Anbetracht ihres Gesundheitszustands zumutbar sei.
2
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 27. Juni 2022 unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung im Eilbeschluss vom 14. März 2022 sowie auf den Gerichtsbescheid vom 7. April 2022 abgewiesen. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei zu Recht abgelehnt worden. Eine Ausreise der Klägerin erweise sich auch weiterhin nicht als rechtlich unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG. Soweit vorgebracht werde, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung zur Sicherung ihres Lebensunterhalts im Heimatland und zum Kauf der erforderlichen Medikamente nicht in der Lage sei, handele es sich hierbei um zielstaatsbezogene Gründe, die - ihr Bestehen unterstellt - für die vorliegend begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ohne Relevanz seien. Eine Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse komme nur dann in Frage, wenn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 i.V.m. § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen Vorliegens eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG nicht möglich sei. In diesen Fällen sei die Ausländerbehörde allerdings an die Feststellungen des Bundesamtes über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG gebunden (§ 42 S. 1 AsylG). Ungeachtet dessen, dass das seitens des Bundesamtes auf 30 Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG nur für den Fall der Abschiebung der Klägerin greifen würde, seien Abschiebungshindernisse gerade nicht festgestellt worden. Ebenso wenig sei eine Reiseunfähigkeit der Klägerin gegeben; es liege keine qualifizierte Aussage zur Reise(un) fähigkeit der Klägerin vor. Zwar seien mit der fachpsychiatrischen Stellungnahme des Herrn Dr. med. P. vom 25. Februar 2022 sowie dessen fachpsychiatrischem Attest vom 7. Juni 2022 nebst Medikationsplan vom 8. Juni 2022 aktuelle Stellungnahmen vorgelegt worden. Unter nahezu wortgleicher Wiederholung der fachpsychiatrischen Stellungnahme vom 16. November 2021 werde in der fachpsychiatrischen Stellungnahme vom 25. Februar 2022 lediglich ergänzt, dass es sich um eine Verschlechterung des Krankheitszustandes handle, die Klägerin habe sich inadäquat, unruhig verhalten, sie gebe ihre Sachen an andere Menschen ab. Es bestehe die Diagnosen betreffend der dringende Verdacht auf Schizophrenie (ICD-10: F20.0). Im fachpsychiatrischen Attest vom 7. Juni 2022 würden die beiden Stellungnahmen im Rahmen der aktuellen Beschwerden in Teilen wortgleich wiederholt. Demnach hätte die Klägerin Todesgedanken, würde aber für ihre Tochter weiterleben wollen. Sie distanziere sich von der akuten Suizidalität. Im Rahmen der Diagnosen würden wie bereits in den beiden fachpsychiatrischen Stellungnahmen posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) begleitet von Zwangshandlungen (Wasch- und Putzzwang) (F42.8) sowie schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (ICD-10:F32.3) wiederholt. Der erstmals in der fachpsychiatrischen Stellungnahme vom 25. Februar 2022 angegebene dringende Verdacht auf Schizophrenie finde sich hingegen nicht mehr. Die Klägerin werde in den fachlichen Stellungnahmen als schwer psychisch krank und dringend behandlungsbedürftig, aus fachpsychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht als nicht reisefähig beschrieben. Weder aus der fachpsychiatrischen Stellungnahme noch aus dem fachpsychiatrischen Attest ergebe sich eine akute Suizidalität der Klägerin. Weder die Stellungnahme noch das Attest genüge den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG. Zwar werde eine Diagnose gestellt und erfolge eine Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Benennung der aktuellen Medikation, gleichwohl werde nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der Unterzeichner zu diesen Feststellungen gelangt sei, insbesondere ob und wie oft eine eigene Untersuchung, Befragung und Behandlung der Klägerin erfolgt seien. Auch warum und inwiefern Dr. med. P. zu einer Verneinung der Reisefähigkeit der Klägerin gelange, erschließe sich nicht. Der bloße Hinweis, dass eine solche „aufgrund der Schwere der psychischen Störung“ fehle, reiche insofern nicht aus. Mithin werde das Bestehen eines ernsthaften Risikos, dass sich unmittelbar durch die Umstände der Reise der Gesundheitszustand der Klägerin lebensbedrohlich oder irreparabel wesentlich verschlechtere, nicht dargetan. Hierzu in Widerspruch stehe überdies der Umstand, dass Dr. med. P., der die Klägerin regelmäßig behandelt habe und noch immer regelmäßig behandeln wolle, seine Praxis in K. habe. Inwiefern der Klägerin eine mehrstündige und regelmäßige Anfahrt nach Köln möglich, eine einmalige Reise nach Aserbaidschan hingegen unmöglich sein solle, sei insofern nicht nachvollziehbar. Zudem gehe aus den sonstigen bislang vorgelegten Unterlagen - unabhängig von der Frage, ob insoweit den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG genügt werde - hervor, dass sich die für die Klägerin ergebende Suizidgefahr lediglich für den Fall der zwangsweisen Ausreise, sprich der Abschiebung, stellen würde. Mithin sei der Klägerin eine freiwillige Ausreise möglich, der Tatbestand des § 25 Abs. 5 AufenthG somit nicht erfüllt.
3
Der hiergegen gerichtete Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die (sinngemäß) geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruht, liegen nicht vor.
4
1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2010 - 7 AV 4/03 - DVBl 2004, 838/839 - juris). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris Rn. 9; B.v. 10.3.2010 - 7 AV 4/03 - DVBl 2004, 838/839 - juris). Das Darlegungsgebot gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - juris; BayVGH, B.v. 10.7.2017 - 19 ZB 17.952 - juris Rn. 4; B.v. 1.3.2018 - 8 ZB 17.1486 - juris Rn. 11 m.w.N.). Ist das Urteil des Verwaltungsgerichts auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so sind Zulassungsgründe wegen eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes darzulegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 61). Dies ist in Ansehung der Antragsbegründung nicht der Fall.
5
Die Klägerin rügt, das Urteil leide an mehreren materiell-und formalrechtlichen Fehlern. Das Gericht habe festgestellt, dass die ziellandbezogenen Abschiebehindernisse im Rahmen von § 25 Abs. 5 AufenthG ohne Relevanz seien. Die Klägerin habe geltend gemacht, aufgrund ihrer Erkrankung ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen und daher Mitteln für Medikamente nicht besorgen zu können. Hierbei missachte das Gericht, dass diese Gründe auch im Rahmen des § 25 Abs. 3 AufenthG relevant sein könnten. Denn es sei die Aufgabe des Gerichts, die Erteilung des Aufenthaltstitels unter allen rechtliche Aspekten und daher auch unter der Anwendung des § 25 Abs. 3 AufenthG zu prüfen, was aber nicht geschehen sei. Dort seien die zielstaatsbezogenen Abschiebehindernisse von Bedeutung. Die Ausländerbehörde hätte die Stellungnahme des Bundesamtes zu den Abschiebehindernissen einholen können. Denn zu der Frage der Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund der Erkrankung der Klägerin habe sich das Bundesamt bisher nicht geäußert. Dass die Klägerin aber an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung leide, sei nicht nur durch Dr. P., sondern auch durch andere Ärzte bestätigt worden, weshalb die Klägerin auch durch den Beschluss des Amtsgerichts L. in die psychiatrische Anstalt eingewiesen worden sei. Diese Tatsachen seien unstreitig und vom Gericht erwähnt worden. Dieser Umstand alleine hätte das Gericht dazu veranlassen müssen, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG zu prüfen.
6
Die Klägerin habe die Tatsachen der mangelnden Lebensunterhaltssicherung und Medikamentenbeschaffung unter Beweis gestellt und die gerichtliche Einholung des Sachverständigengutachtens schriftsätzlich beantragt. Dieses Beweisangebot sei vom Gericht schlichtweg ignoriert worden. Dies stelle einen Verstoß gegen den Anspruch auf das rechtliche Gehör dar.
7
Im weiterem diskutiere das Gericht über die Reiseunfähigkeit der Klägerin und stelle fest, dass diese nicht vorliegen würde. Hier werde vom Gericht außer Acht gelassen, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt die Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne geltend gemacht habe. Denn nicht die Reisesituation als solche belaste die Klägerin psychisch, sondern die Rückkehr ins Heimatland. Insofern seien die Ausführungen des Gerichts zu den Reisen der Klägerin zu Dr. P. völlig verfehlt und rechtswidrig.
8
Bei der Einschätzung des Gesundheitszustands und der Reiseunfähigkeit stütze das Gericht seine Begründung nur auf die Feststellungen des Dr. P., ohne jedoch auf andere Atteste einzugehen. Dies stelle ebenfalls einen Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs dar. Ferner sei es nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage, aus welchen Erkenntnisquellen und aufgrund welcher ärztlichen Feststellungen das Gericht zu dem Ergebnis komme, dass bei der Klägerin die Suizidgefahr für den Fall der zwangsweisen Abschiebung bestehen würde und die Klägerin in der Lage sei, freiwillig auszureisen. Insofern werde die Entscheidung auf sachfremde bzw. willkürliche Feststellungen gestützt und sei deshalb rechtwidrig. Vielmehr bestehe bei der Klägerin die psychische Belastung aufgrund der Notwendigkeit des Lebens im Heimatland und nicht aufgrund der eigentlichen Ausreise. Das Gericht hätte aber hier auf das Beweisangebot der Klägerin über die gerichtliche Einholung des Sachverständigengutachtens erneut zurückgreifen können, was aber jedoch ohne jegliche Begründung seitens des Gerichts über die Ablehnung dieses Angebots nicht geschehen sei. Insofern werde die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt.
9
1.1. Mit diesen Rügen hat die Klägerin schon die selbständig tragende Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, im Ergebnis bestätigt durch das Verwaltungsgericht, wonach bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 5 AufenthG nicht vorliegen, nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Das Zulassungsvorbringen ist mithin nicht geeignet, auf das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung durchzuschlagen.
10
1.2. Abgesehen davon vermag das Zulassungsvorbringen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach die besonderen Erteilungsvoraussetzungen nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen.
11
Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Für eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Ausreise ist ausschlaggebend, ob die ernsthafte Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Ausreise als solche erheblich verschlechtert. Da es bei § 25 Abs. 5 AufenthG auf die Unmöglichkeit nicht nur der Abschiebung, sondern auch der freiwilligen Ausreise ankommt, sind Gesundheitsverschlechterungen, die lediglich im Fall der zwangsweisen Rückführung drohen - wie beispielsweise eine für den Fall der Abschiebung ausgesprochene Suiziddrohung -, nicht ausreichend (vgl. Zimmerer in Decker/Bader/Kothe, BeckOK MigR, Stand: 7/2022, § 25 AufenthG Rn. 87). Kein Ausreisehindernis liegt vor, wenn zwar eine Abschiebung nicht möglich ist, z. B. weil eine Begleitung durch Sicherheitsbeamte nicht durchführbar ist, eine freiwillige Ausreise jedoch möglich und zumutbar ist (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/420, S. 80; AVwV AufenthG Nr. 25.5.1.3.1).
12
Eine Ausreise ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn dauerhaft sogenannte inlandsbezogene (rechtliche) Ausreisehindernisse bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2010 - 1 B 30.10 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 30.7.2021 - 19 ZB 21.738 - juris Rn. 12; vgl. Kluth in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand: 7/2022, § 25 AufenthG Rn. 128 f.; Röcker in Bergmann/Dienelt, AuslR, 14. Aufl. 2022, § 25 AufenthG Rn. 104 ff.; Zimmerer in Decker/Bader/Kothe, BeckOK MigR, Stand: 7/2022, § 25 AufenthG Rn. 85 ff.). Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn; vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 9.5.2017 - 10 CE 17.750 - juris Rn. 3; OVG BW, U.v. 6.4.2005 - 11 S 2779/04 - juris Rn. 35; NdsOVG, B.v 29.3.2011 - 8 LB 121/08 - juris Rn. 47; ThürOVG, B.v. 1.8.2019 - 3 EO 276/19 - juris Rn. 13; OVG Berlin-Bbg, U.v. 2.11.2017 - OVG 11 B 8.16 - juris Rn. 21; OVG Hamburg, B.v. 12.9.2006 - 3 Bs 461/04 - juris Rn. 16; OVG LSA, B.v. 20.6.2011 - 2 M 38/11 - juris Rn. 5).
13
Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände enthalten, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Legt der Ausländer ärztliche Fachberichte vor, sind diese zum Beweis für ein Abschiebungshindernis nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben, gegebenenfalls die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft ergeben, wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richten. Insbesondere ist es dem Arzt, der ein Attest ausstellt, untersagt, etwaige rechtliche Folgen seiner fachlich begründeten Feststellungen und Folgerungen darzulegen oder sich mit einer rechtlichen Frage auseinanderzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2013 - 10 CE 13.1890 - juris Rn. 21; VGH BW, B.v. 10.7.2003 - 11 S 2262/02 - juris Rn. 12). Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zu den prognostizierten Folgerungen kommt und welche Tatsachen dieser Einschätzung zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2017 - 10 CE 17.349 - juris Rn. 19; B.v. 5.1.2017 - 10 CE 17.30 - juris Rn. 7). Die Begründung zur Einführung des § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit diesen Regelungen die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernis insgesamt erschweren wollte (BT-Drs. 18/7538, S. 18 ff.; vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 - 10 ZB 18.30105 - juris Rn. 7).
14
Wenngleich die Einschätzung einer Erkrankung und deren Beeinträchtigung durch den Abschiebungsvorgang nach dem Willen des Gesetzgebers der fachlichen Beurteilung von approbierten Ärzten vorbehalten sein soll, obliegt die Entscheidung über die Unmöglichkeit einer Abschiebung wegen Reiseunfähigkeit den Ausländerbehörden und Gerichten. Dies macht es erforderlich, dass ein Gutachten nur dann im Sinne von § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG als qualifiziert anzusehen und zur Glaubhaftmachung geeignet ist, wenn es von der Ausländerbehörde in groben Zügen nachvollzogen werden kann. Erschließen sich die Gründe für die Reiseunfähigkeit des Ausländers nicht schon aus der Diagnose oder sonstigen Feststellungen im ärztlichen Attest von selbst, muss das zur Glaubhaftmachung hierzu vorgelegte ärztliche Attest eine nachvollziehbare Begründung enthalten. Dies gilt vor allem bei diagnostizierten psychischen Erkrankungen oder Störungen, wenn das ärztliche Attest die Reiseunfähigkeit nur behauptet, aber nicht begründet, da die Reisefähigkeit in der Regel durch begleitende Maßnahmen (Verabreichung von Medikamenten, polizeiliche oder ärztliche Begleitung des gesamten Abschiebevorgangs, Übergabe an medizinisches Personal im Herkunftsland) sichergestellt werden kann (vgl. SächsOVG, B.v. 22.8.2019 - 3 B 394/18 - juris Rn. 12-13). Die Voraussetzungen, deren Erfüllung die Rechtsprechung für den Nachweis seelischer Beeinträchtigungen verlangt und die Anforderungen, die § 60a Abs. 2c AufenthG an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung stellt, sind auf die Substantiierung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG betreffende Geltendmachung der Unmöglichkeit einer Ausreise zu übertragen (vgl. BayVGH, B.v. 10.6.2021 - 19 ZB 20.107 - juris).
15
Da kaum jemals mit absoluter Sicherheit Suizidgefahr ausgeschlossen werden kann, braucht zur Durchführung der Abschiebung keine Gewissheit zu bestehen, dass während oder unmittelbar nach der Abschiebung ein Versuch der Selbsttötung nicht zu erwarten ist (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: 6/2022, § 60a AufenthG Rn. 93). Selbst bei Annahme einer nicht völlig auszuschließenden Suizidgefahr liegt nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vor; vielmehr handelt es sich bei einer behaupteten Reiseunfähigkeit und einer möglicherweise aus den besonderen Belastungen einer Abschiebung resultierenden Suizidgefahr um eine Abschiebung regelmäßig nur vorübergehend hindernde Umstände (vgl. BVerfG, B.v. 26.2.1998 - 2 BvR 185/98 - juris Rn. 3). Die Abschiebung ist von der Ausländerbehörde dann so zu gestalten, dass einer Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 16.4.2002 - 2 BvR 553/02 - juris; BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 9.5.2017 - 10 CE 17.750 - juris Rn. 13).
16
Nach diesen Maßgaben ist vorliegend mit dem Verwaltungsgericht nicht von einer rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit der Ausreise gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG auszugehen.
17
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend auf die Bindungswirkung der Feststellungen des Bundesamtes im Asylverfahren für die Ausländerbehörde und auch das Verwaltungsgericht gemäß § 42 Satz 1 AsylG hingewiesen, was bei abgelehnten Asylbewerbern wie der Klägerin nicht zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG berechtigt. Soweit die Klägerin geltend macht, aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen zu können und daher Medikamente nicht kaufen zu können, beruft sie sich auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, die zu prüfen weder die Ausländerbehörde noch das Verwaltungsgericht berechtigt sind. Aus diesem Grund - ganz abgesehen davon, dass das Klagebegehren stets auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG gerichtet war - durfte das Verwaltungsgericht auch keine eigenständige Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des nunmehr mit dem Zulassungsvorbringen geltend gemachten § 25 Abs. 3 AufenthG vornehmen. In dem das Asylfolgeverfahren der Klägerin und ihrer Familie betreffenden klageabweisenden Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. Oktober 2021 wurde festgestellt, dass die Klägerin im Hinblick auf die vorgelegten Atteste keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat, da die Kläger ausreichende Möglichkeiten hätten, ihr Existenzminimum zumindest so weit zu sichern, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht zu erwarten sei. Durch eine Berufstätigkeit des Ehemannes könne das Existenzminimum der Familie gesichert werden, ohne dass die gesundheitlich angeschlagene Klägerin ihre eigene Berufstätigkeit wiederaufnehmen müsste. Die psychischen Erkrankungen der Klägerin seien in Aserbaidschan behandelbar und die erforderliche Medikation im Hinblick auf die Preise auch erschwinglich, sodass die Behandlung der Klägerin finanziell erreichbar sei. Hinsichtlich dieser Feststellung besteht Bindungswirkung nach § 42 Satz 1 AsylG.
18
Mit dem Zulassungsvorbringen, bei der Klägerin bestehe die psychische Belastung aufgrund der Notwendigkeit des Lebens im Heimatland und nicht aufgrund der eigentlichen Ausreise, wird weder eine Transportunfähigkeit der Klägerin, die regelmäßig Arzttermine in K. wahrnimmt und dorthin fährt, behauptet noch eine Reisefähigkeit der Klägerin im weiteren Sinn in Abrede gestellt. Dieser Vortrag zielt in erster Linie auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, weil der Sache nach die Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland und damit Gefahren geltend gemacht werden, die im Zielland der Abschiebung drohen. In Abgrenzung inlandsbezogener und zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse ist geklärt, dass bei der Beendigung des Aufenthalts erfolgloser Asylantragsteller das Bundesamt auf die Prüfung und Feststellung von sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten, insbesondere nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, beschränkt ist, die sich der Sache nach aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten und damit in Gefahren begründet sind, die im Zielstaat der Abschiebung drohen. Die Ausländerbehörde bleibt demgegenüber für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse zuständig (wie z.B. krankheitsbezogene Reiseunfähigkeit, vgl. OVG NRW, B.v. 10.7.2018 - 13 A 1529/18.A - juris). Bei der geltend gemachten psychischen Belastung aufgrund des Lebens im Heimatland handelt es sich mithin um aus der Situation im Zielstaat resultierende Umstände, nicht jedoch um ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis.
19
Das Verwaltungsgericht hat unter Würdigung der vorgelegten Atteste zutreffend festgestellt, dass die Gefahr einer erheblichen oder gar lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin durch den Abschiebevorgang (unabhängig vom Zielstaat) nicht besteht. Die pauschal attestierte Reiseunfähigkeit mit ärztlichem Attest von Dr. P. vom 16. November 2021 lässt sich mangels näherer Begründung nicht nachvollziehen und genügt damit nicht den Anforderungen nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG; das ärztliche Attest setzt sich weder mit im Abschiebungsvorgang möglichen und zu erwartenden Sicherungsmaßnahmen noch mit der Möglichkeit einer Anschlussbehandlung im Heimatland auseinander. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die nachfolgend beigebrachten Stellungnahmen desselben Arztes (vom 25.2.2022 und 7.6.2022) sich im Wesentlichen in einer nahezu wortgleichen Wiederholung der fachpsychiatrischen Stellungnahme vom 16. November 2021 erschöpfen.
20
Der asylrelevante Vortrag der Klägerin und ihrer Familie, wonach die Klägerin und ihr Ehemann Zeuge eines Verkehrsunfalls gewesen seien, bei dem ein Fußgänger überfahren worden sei, der Ehemann nach Anzeige des Verkehrsunfalls von Polizisten angegriffen worden sei, er zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bewegt worden sei und ein ihm gehörender Laden ohne Entschädigung durch die Versicherung abgebrannt sei, der 4-jährige Sohn in Begleitung seiner Großmutter tödlich überfahren worden sei und sämtliche Dokumente über diese Vorgänge (Versicherungsunterlagen und Sterbeurkunde des Sohnes) bei einem Anschlag mit Molotow-Cocktails im Wagen verbrannt seien, wurden vom Bundesamt im Bescheid vom 3. Dezember 2018 und vom Verwaltungsgericht im nachfolgenden Urteil vom 21. August 2020 als unglaubhaft gewertet (erhebliche Widersprüche, Steigerungen, Gesamtschilderung vage, oberflächlich, nicht nachvollziehbar, detailarm, Vortrag ohne Realkennzeichen, auffällig übereinstimmende Schilderung chronologischer Ereignisse, Eindruck einer auswendig gelernten, abgestimmten Geschichte, merkwürdige Duplizität der Verfolgungsgeschehnisse). Für den als traumatisches Ereignis benannten Tod des Sohnes konnten mithin keinerlei offizielle Belege vorgelegt werden.
21
Das wenige Wochen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens eingeleitete Asylfolgeverfahren war unter Vorlage ärztlicher Atteste (u.a. Diagnosen: Posttraumatische Belastungsstörung <ICD-10: F43.1> begleitet von Zwangshandlungen <Wasch- und Putzzwang, F42.8> sowie eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen <ICD-10: F32.3>) insbesondere auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen gerichtet. Das Verwaltungsgericht hat im rechtskräftigen klageabweisenden Urteil vom 12. Oktober 2021 (laut psychiatrischem Gutachten zur Frage des Bestehens der Voraussetzungen der Betreuung vom 7.10.2021 sei eine stationäre Wiederaufnahme nach diesem Gerichtstermin geplant) festgestellt, dass bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan ausreichende Möglichkeiten der Existenzsicherung bestehen und aus den vorgelegten, den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG nicht genügenden, ärztlichen Berichten nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin einer ärztlichen Behandlung bedarf, die ihr in Aserbaidschan nicht oder nicht in ausreichendem Maße zuteilwerden kann und sich deshalb ihr Gesundheitszustand bei einer Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Hinsichtlich der geltend gemachten Retraumatisierungsgefahr wird seitens des Verwaltungsgerichts darauf hingewiesen, dass das im Attest genannte traumatisierende Ereignis der Tötung des Sohnes durch ein Bombenattentat bereits nicht zum Vortrag der Kläger im Asylerstverfahren, wonach der Sohn durch ein heranrasendes Auto getötet worden sei, passt. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeiten im Hinblick auf das traumatisierende Ereignis wurden die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung als wenig nachvollziehbar gewertet und Zweifel an einer Retraumatisierungsgefahr geäußert.
22
Die Klägerin befand sich erstmalig vom 16. bis 20. März 2020 in stationärer psychiatrischer Behandlung. Ausweislich des vorläufigen Entlassungsbriefes vom 18. März 2020 wird unter der angegebenen Diagnose rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen (ICD-10: F33.3) ausgeführt, dass die Patientin eindeutig von Suizidalität distanziert sei. Die Antragstellerin habe berichtet, bereits in Aserbaidschan unter Depressionen gelitten zu haben, sie habe jedoch keine Medikamente einnehmen wollen. Nach dem Beginn einer antidepressiven Medikation habe die Antragstellerin dennoch angegeben, ihre Tabletten zuhause nicht mehr einnehmen zu wollen.
23
Seit dem 3. April 2020 befinde sie sich in der fachärztlichen (psychiatrischen-psychotherapeutischen) Behandlung von Dr. P. in K.; in dessen fachärztlichen „Gutachten“ vom 4. Mai 2020 wird als weitere Diagnose posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) begleitet von Zwangshandlungen (Wasch- und Putzzwang) (F42.8) genannt. Unter dem 6. Juli 2020 findet sich eine weiteres „fachpsychiatrisches Gutachten“ desselben Arztes Dr. P., in dem die Antragstellerin „insgesamt“ als „schwer psychisch krank“ charakterisiert wird, ein Behandlungsbedarf von mindestens 2 Jahren aufgezeigt und ohne nähere Begründung ausgeführt wird, dass die Patientin aufgrund der Schwere der psychischen Störung aus fachpsychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht als nicht reisefähig anzusehen sei.
24
Im vorläufigen Entlassungsbericht des ...-klinikums M. vom 16. Dezember 2020 über einen erneuten stationären Aufenthalt der Klägerin vom 16. November 2020 bis 17. Dezember 2020 werden als Diagnosen u.a. eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen (F33.3) sowie (lediglich) eine Verdachtsdiagnose auf eine posttraumatische Belastungsstörung genannt. Nach entsprechenden Medikationen sei es zu einer mäßigen Besserung der zur Aufnahme führenden Symptomatik gekommen, die Patientin werde in ausreichend stabilem psychischen Zustand ohne Anhalt auf Eigen- oder Fremdgefährdung in die ambulante Weiterbehandlung entlassen.
25
Mit Verweis auf die psychischen Erkrankungen der Klägerin finden sich nachfolgend zur Erlangung größeren Wohnraums bzw. ruhigerer Umgebungsverhältnisse als in der Gemeinschaftsunterkunft zweckdienliche Atteste unter dem 7. und 14. Januar 2021. Terminbestätigungen ergeben monatlich einen 2-stündigen Termin zur Psychotherapie.
26
Nach einem Abschiebungsversuch Anfang Juni 2021 befand sich die Klägerin, da sie drohte, aus dem Fenster zu springen, erneut vom 1. Juni bis 16. Juli 2021 in stationärer Behandlung. Ausweislich des vorläufigen Entlassungsberichts des ...-klinikums vom 16. Juli 2021 habe die Patientin für den Fall einer Abschiebung Suizidpläne geäußert, sie wirke jedoch von Suizidalität distanziert.
27
In den fachärztlichen Stellungnahmen des Dr. P. vom 19. August 2021 und vom 16. November 2021, die dem Antrag vom 6. Dezember 2021 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beigefügt war, wird jeweils erneut ohne nähere Begründung ausgeführt, aufgrund der Schwere der psychischen Störung sei die Patientin aus fachpsychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht weiterhin nicht reisefähig. Nahezu wortgleiche Ausführungen finden sich in den nachfolgenden Attesten desselben Arztes vom 25. Februar 2022 und 7. Juni 2022.
28
Für die Klägerin wird somit in mehrfachen (zweckdienlichen) ärztlichen Attesten zwar eine schwerwiegende psychische Erkrankung bescheinigt, es fehlt aber an einer substantiierten Darlegung, inwiefern diese - insbesondere in Anbetracht der festgestellten Behandelbarkeit und der Möglichkeit der Fortführung einer Behandlung im Heimatland - die Reisefähigkeit der Klägerin dauerhaft ausschließen soll. Die stetige Wiederholung der gleichlautenden Äußerung zur Reisefähigkeit der Klägerin vermag eine nachvollziehbare Begründung hierfür nicht zu ersetzen. Im Übrigen wird in Anbetracht der Krankheitsgeschichte, insbesondere der Ablehnung der Klägerin gegenüber einer medikamentösen Behandlung außerhalb stationärer Strukturen, psychotherapeutischen Behandlungsterminen in großem zeitlichen Abstand und wiederkehrend gesuchter stationärer Behandlungen im Zusammenhang mit negativen behördlichen Entscheidungen eine gezielt herbeigeführte Therapieresistenz erkennbar; es erweckt den Eindruck, dass das Krankheitsbild der Klägerin zur Verhinderung einer Abschiebung „konserviert“ werden soll.
29
Abgesehen davon, dass sich aus den vorgelegten Attesten und fachärztlichen Stellungnahmen eine akute Suizidalität gerade nicht ergibt, sind diese auch nicht geeignet, eine Suizidgefahr für den Fall der Abschiebung glaubhaft zu machen, da sie den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG nicht genügen. Einer möglichen Suizidgefahr im Fall der Abschiebung kann und muss darüber hinaus durch begleitende Vorsorgemaßnahmen begegnet und die Abschiebung so gestaltet werden, dass einer Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 16.4.2002 - 2 BvR 553/02 - juris; BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16), wie z.B. durch Sicherheitsbegleitung und medizinische Begleitung während des Transports zum Flughafen und während des Fluges und eine in Empfangnahme durch medizinisch geschultes Personal im Heimatland. Bereits im Rahmen des missglückten Abschiebeversuchs vom Juni 2021 wurde nach Aktenlage seitens des Beklagten eine psychiatrische Anschlussbetreuung im Heimatland organisiert. Für den Senat sind in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts keine Anhaltspunkte ersichtlich, inwieweit sich durch einen Abschiebevorgang, insbesondere im Familienverband mit Mann und Kind, ein ernsthaftes Risiko einer lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterung ergeben könnte, dem nicht durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen (medizinische Begleitung, Medikamentenbevorratung, Gewährleistung der Möglichkeit einer Anschlussbehandlung) begegnet werden könnte.
30
1.3. Soweit das Zulassungsvorbringen sinngemäß auch die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen betrifft, vermag dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen.
31
Zwar können die Gründe, aus denen heraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen, aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren, weshalb auch im Rahmen des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht in zulässiger Weise gerügt werden kann. Die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht erfordert allerdings die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Außerdem muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder auf Grund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. etwa BVerwG, B.v. 10.08.2017 - 9 B 68.16 - juris Rn. 8).
32
Wie ausgeführt war das Verwaltungsgericht aufgrund der Bindungswirkung der Feststellungen im Asylverfahren nach § 42 Satz 1 AsylG zu eigenen Feststellungen hinsichtlich zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nicht befugt.
33
Soweit das Zulassungsvorbringen eine unterbliebene Beweiserhebung zu den Tatsachen der mangelnden Lebensunterhaltssicherung und Medikamentenbeschaffung rügt, ist - abgesehen davon, dass es sich hierbei ebenfalls um zielstaatsbezogene Erwägungen handelt - eine Beweiserhebung von der anwaltlich vertretenen Klägerin schon nicht durch förmlichen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung beantragt worden.
34
Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen hierfür nicht (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2006 - 4 BN 30/06 - NVwZ-RR 2007, 285/286). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat. Das Unterlassen eines Beweisantrags ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 16.3.2011 - 6 B 47/10 - juris).
35
Eine lediglich schriftsätzlich angeregte Beweiserhebung zu zielstaatsbezogenen Erwägungen wie die Lebensunterhaltssicherung und Medikamentenbeschaffung im Heimatland musste sich dem Verwaltungsgericht nicht nur nicht aufdrängen, sondern sie wäre dem Verwaltungsgericht aufgrund der Bindungswirkung der Feststellungen im asylgerichtlichen Verfahren nach § 42 Satz 1 AsylG auch versagt (insbesondere im Hinblick auf die ausdrücklichen Feststellungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 12.10.2021 zur Existenzsicherung und Möglichkeit der Medikamentenbeschaffung). Gleiches gilt für die angeregte Beweiserhebung zu den psychischen Belastungen aufgrund der Notwendigkeit des Lebens im Heimatland; auch eine solche Beweiserhebung wurde weder förmlich beantragt noch hat sie sich dem Verwaltungsgericht aufgedrängt.
36
2. Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines sinngemäß geltend gemachten Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Weder die geltend gemachte Aufklärungsrüge noch die Rüge der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör begründen vorliegend einen Verfahrensmangel.
37
Eine unterbliebene Beweisaufnahme rechtfertigt eine Verfahrensrüge regelmäßig nicht, wenn sie in der ersten Instanz von der anwaltlich vertretenen Partei nicht ausdrücklich beantragt worden ist. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, ein solches Versäumnis zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2015 - 5 B 36.14 - juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 5.8.2015 - 10 ZB 15.1056 - juris Rn. 15). Einen entsprechenden Beweisantrag hat - wie ausgeführt - die anwaltlich vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form gestellt; trotz Beantragung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach Erlass des Gerichtsbescheids ist für die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen und wurde folglich auch kein Beweisantrag gestellt.
38
Wie bereits ausgeführt, stellen sich die von Klägerseite benannten Tatsachen (Lebensunterhaltssicherung und Medikamentenbeschaffung im Heimatland; psychische Belastungen aufgrund des Lebens im Heimatland) schon nicht als entscheidungserheblich dar. Ein dahingehender Aufklärungsbedarf bestand nicht.
39
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur dann verletzt, wenn die angefochtene Entscheidung auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO), oder wenn das erkennende Gericht das (entscheidungserhebliche) tatsächliche oder rechtliche Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen hat. Indessen besteht eine Vermutung dafür, dass sich das Gericht den aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Pflichten bewusst gewesen und ihnen nachgekommen ist, namentlich das entscheidungserhebliche Vorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Zur Widerlegung dieser Vermutung bedarf es der Darlegung und des Vorliegens besonderer Umstände des Einzelfalls. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden, vielmehr ist der Anspruch auf rechtliches Gehör nur verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfG, B.v. 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris; NdsOVG, B.v. vom 22.3.2010 - 5 LA 32/09 - juris, jeweils m.w.N.; SächsOVG, B.v. 18.2.2010 - 2 B 586/09 - juris; BayVGH, B.v. 10.3.2010 - 2 CS 10.222 - juris). Art. 103 Abs. 1 GG normiert keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts; vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen (vgl. BayVGH, B. v. 17.12.2021 - 19 ZB 21.2450 - juris Rn. 10).
40
Vorliegend konnte sich die Klägerin insbesondere bzw. spätestens nach Erlass des Gerichtsbescheides vom 7. April 2022 zu dem zugrundeliegenden Prozessstoff umfassend äußern. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat nach Erlass des Gerichtsbescheides Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, zu der von Klägerseite trotz ordnungsgemäßer Ladung jedoch niemand erschienen ist. Die Klägerin hätte damit im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit gehabt, den aus ihrer Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt anzusprechen und auch die aus ihrer Sicht gebotenen Beweisanträge zu stellen. Dass das Verwaltungsgericht den zugrundeliegenden Prozessstoff, zu dem insbesondere die aktuellen ärztlichen Stellungnahmen des Dr. P. gehörten und zu dem sich die Klägerin umfassend äußern konnte, in einer Weise würdigt, die nicht den subjektiven Erwartungen der Klägerin entspricht oder von ihr für unrichtig gehalten wird, verletzt nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör.
41
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
42
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).