Titel:
rechtmäßige Ausweisung eines iranischen Staatsangehörigen nach Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Normenketten:
VwGO § 6 Abs. 1 Nr. 1
AsylG § 42 S. 1
AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 3, § 53 Abs. 1
Leitsatz:
Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Iranischer Staatsangehöriger, Betäubungsmitteldelikte, Betäubungsmittelabhängigkeit, zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, Therapie, Maßregelvollzug
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 20.06.2022 – AN 11 K 20.2224
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31581
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
2
Der am ... September 1982 geborene, am 9. Juli 2015 in das Bundesgebiet eingereiste und im Asylverfahren erfolglose (Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4.1.2017; verwaltungsgerichtlicher Einstellungsbeschluss vom 26.6.2019 <AN 1 K 17.30220> wegen Nichtbetreibens des Verfahrens) Kläger, iranischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Juni 2022, durch das seine Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 16. September 2020 abgewiesen worden ist. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte den Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Nr. I des Bescheids), ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet (Nr. II des Bescheids) und dieses auf die Dauer von 7 ½ Jahren ab Verlassen des Bundesgebiets befristet (Nr. III des Bescheids).
3
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht (insbesondere unter Verweis auf seine Ausführungen in den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 23.5.2022) ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei zu dem für die rechtliche Beurteilung der Ausweisungs- und Befristungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht rechtswidrig und verletze den Kläger auch nicht in seinen Rechten. Zudem habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Verkürzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 7,5 Jahren oder eine diesbezügliche ermessensfehlerfreie Neuverbescheidung. Im Hinblick auf die Ausführungen der Klägerbevollmächtigten im Nachgang zum ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss und in der mündlichen Verhandlung sei ergänzend anzumerken, dass dies die von der Kammer getroffene Prognose zur Wiederholungsgefahr im Rahmen der spezialpräventiven Begründung der Ausweisungsentscheidung nicht zu erschüttern vermöge. Der Kläger habe seine nunmehr länger als zwei Jahre andauernde Drogentherapie noch nicht abgeschlossen, sodass er sich weiterhin im Maßregelvollzug nach § 64 StGB befinde. Da die Maßnahme trotz eines Überschreitens des eigentlich vorgesehenen Zeitrahmens von zwei Jahren noch andauere und dem Kläger seitens der Strafgerichte bislang nicht die Strafaussetzung der Reststrafe zur Bewährung gewährt worden sei, sei wohl sogar aus strafrechtlicher Sicht noch von einem Andauern der Wiederholungsgefahr auszugehen. Die grundsätzlich auf einen ausgedehnteren Prognosezeitraum angelegte ausländerrechtliche Prognoseentscheidung werde so jedenfalls nicht erschüttert. Unabhängig von der Frage, ob von dem Kläger noch eine Wiederholungsgefahr ausgehe, sei die Ausweisung auch auf generalpräventive Gründe gestützt worden. Zu diesen sei klägerseits nicht weiter vorgetragen worden, sodass insoweit nochmals - unter Verweis auf die Ausführungen im Prozesskostenhilfebeschluss - darauf hingewiesen werde, dass alleine diese die Ausweisungsentscheidung des Beklagten zu tragen vermögen. Etwaige gesetzlich normierte oder sonstige Bleibeinteressen des Klägers seien nicht vorgetragen worden und auch die im Wege des Ermessens durch den Beklagten vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf die Dauer von 7,5 Jahren begegne keinen Bedenken.
4
Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, deren Beurteilung sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs richtet (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10. 12 - juris Rn. 12), sodass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 - 10 ZB 15.1804 - juris Rn. 7), liegen nicht vor.
5
Zur Begründung seines Zulassungsantrags lässt der Kläger vortragen, die Sache weise besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf. Der Rechtsstreit sei auf den Einzelrichter übertragen worden. Eine Übertragung auf den Einzelrichter dürfe nur vorgenommen werden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise. Es könne also die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Einzelrichters auch mit der Begründung beantragt werden, die Sache weise besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, was vorliegend der Fall ist. Eine Abschiebung stelle zumal ins Heimatland einen erheblichen Einschnitt in das Leben des Klägers dar, gerade vor dem Hintergrund, dass dieser aufgrund berechtigt geltend gemachter Fluchtgründe, die auch weiterhin bestünden, aus dem Heimatland geflohen sei. Dem Kläger drohe auch bei Rückkehr ins Heimatland weiterhin Verfolgung, er sei mithin mit dem Leben bedroht, was hier bereits eine besondere tatsächliche Schwierigkeit aufgrund der Bedeutung des Rechtsstreits belege, da hier die Gefährdung eines Menschenlebens auf dem Spiel stehe, sodass bereits vor diesem Hintergrund eine tatsächliche Schwierigkeit gegeben sei, die hier die Zulassung der Berufung rechtfertige. Darüber hinaus seien hier aber auch rechtliche Schwierigkeiten gegeben, da der angegriffene Bescheid rechtswidrig sei, nachdem der Beklagte diesen allein auf die Straffälligkeit des Klägers gestützt habe. Es müsse jedoch stets eine individuelle Gefahrenprognose vorgenommen werden, wie das gesamte Verhalten des Klägers zu berücksichtigen sei, insbesondere, dass sich der Kläger geständig und einsichtsfähig gezeigt habe, sich nunmehr in Therapie befinde und hier im Rahmen der Eingliederung und Integration in Deutschland sehr gute Fortschritte gemacht habe. Dies sei vorliegend jedoch nicht „gegeben“, nachdem die Abwägung im Bescheid des Beklagten lediglich rudimentär stattgefunden habe. So sei im Rahmen der Abwägung insbesondere nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger lediglich aufgrund seines Suchtverhaltens strafrechtlich gehandelt habe und ansonsten nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Aus diesem Grund sei auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot von 7,5 Jahren unverhältnismäßig. Gerade mit diesem Umstand, dass hier eine umfassende Gefahrenprognose vorzunehmen sei, setze sich indes auch das erstinstanzliche Gericht mit seinem Urteil nicht auseinander. Insbesondere würden an keiner Stelle auf die Eingliederungsmaßnahmen des Klägers eingegangen sowie auch auf den Umstand, dass die Straftaten lediglich aufgrund des Suchtverhaltens erfolgt seien. Auch werde seitens des erstinstanzlichen Gerichts nicht hinreichend gewürdigt, dass der Kläger, wie seitens des Bezirksklinikums bestätigt werde, sehr gute Fortschritte mache und auch sich durch Aufnahme einer Arbeit in der Einrichtung engagiere. Gemäß den obigen Ausführungen, wonach das erstinstanzliche Gericht und die zuvor dargestellten Aspekte in seinem Urteil nicht näher würdige, bestünden auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, sodass auch vor diesem Hintergrund die Berufung zuzulassen sei.
6
Diese Rügen greifen nicht durch.
7
1. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor.
8
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (BayVGH, B.v. 10.4.2017 - 15 ZB 16.673 - juris Rn. 42 m.w.N.).
9
Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Ob besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen, ist unter Würdigung der aufklärenden Tätigkeit des Verwaltungsgerichts zu beurteilen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 33). Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische, aber sorgfältige, die Sache überblickende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Die Offenheit des Ergebnisses charakterisiert die besondere rechtliche Schwierigkeit und rechtfertigt - insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts - die Durchführung des Berufungsverfahrens (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 16, 25, 27). Dabei ist der unmittelbare sachliche Zusammenhang des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Blick zu nehmen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 25). Schwierigkeiten solcher Art liegen vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund des Zulassungsvorbringens bei summarischer Prüfung als offen erscheint und sich die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen nicht schon ohne Weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden lassen.
10
Für die Darlegung der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten genügt dabei nicht die allgemeine Behauptung eines überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrads. Vielmehr ist erforderlich, dass sich die Kläger mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, hinsichtlich welcher aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten ergeben sollen (BayVGH, B.v. 2.5.2011 - 8 ZB 10.2312 - juris Rn. 21 m.w.N.).
11
Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt die Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache nicht.
12
1.1 Soweit der Kläger meint, die Rechtssache weise besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, weil die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Einzelrichters auch mit der Begründung beantragt werden könne, die Sache weise besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, verkennt er, dass über die Klage nicht von einem Einzelrichter, sondern von der insoweit zuständigen Kammer entschieden worden ist. Für den Fall, dass der Kläger beabsichtigt haben sollte, auszuführen, dass eine Übertragung auf den Einzelrichter nicht stattgefunden habe und die Kammer deshalb davon ausgegangen sei, dass die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), griffe diese Rüge ebenfalls nicht durch. Aus der Nichtübertragung einer Angelegenheit durch die Kammer auf den Einzelrichter kann nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden. Zum einen ist die Übertragung auf den Einzelrichter nicht zwingend vorgeschrieben und der Entscheidung der Kammer vorbehalten. Zum anderen hat die Frage des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO keine bindende Wirkung für das höhere Gericht (BayVGH, B.v. 26.11.2014 - 10 ZB 12.1926 - juris Rn. 17).
13
1.2 Die Auffassung des Klägers, eine tatsächliche Schwierigkeit sei vor dem Hintergrund gegeben, dass dem Kläger auch bei Rückkehr ins Heimatland weiterhin Verfolgung drohe und er mit dem Leben bedroht sei (was eine besondere tatsächliche Schwierigkeit aufgrund der Bedeutung des Rechtsstreits belege, da die Gefährdung eines Menschenlebens auf dem Spiel stehe), trifft nicht zu.
14
Der Beklagte weist insoweit zurecht darauf hin, dass aufgrund des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens des Klägers der Beklagte gem. § 42 Satz 1 AsylG an die (negative) Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Bescheid vom 4. Januar 2017 bzgl. zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote gebunden ist. Folglich weist die Rechtssache insoweit keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf.
15
1.3 Der Kläger dringt auch mit seinem Vortrag, auch rechtliche Schwierigkeiten seien gegeben, da der angegriffene Bescheid wegen des Fehlens einer individuellen Gefahrenprognose, des alleinigen Abstellens auf die Straffälligkeit des Klägers sowie der Nichtberücksichtigung des Geständnisses des Klägers, seiner gezeigten Einsichtsfähigkeit, der derzeit durchgeführten Therapie, des Umstands, dass er im Rahmen der Eingliederung und Integration in Deutschland sehr gute Fortschritte gemacht habe und des Umstands, dass die Straffälligkeit lediglich aus seinem Suchtverhalten resultiere, ebenso nicht durch wie mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht setze sich mit dem Umstand, dass hier eine umfassende Gefahrenprognose vorzunehmen sei, nicht auseinander, an keiner Stelle im Urteil werde auf die Eingliederungsmaßnahmen und den Umstand eingegangen, dass die Straftat lediglich aufgrund des Suchtverhaltens erfolgt sei, und es werde nicht hinreichend gewürdigt, dass der Kläger, wie seitens des Bezirksklinikums bestätigt werde, sehr gute Fortschritte mache und auch sich durch Aufnahme einer Arbeit in der Einrichtung engagiere.
16
Aus dem die Wiederholungsgefahr und Abwägungsentscheidung betreffenden Vorbringen lässt sich bereits nicht die Rüge entnehmen, dass die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet. Darüber hinaus erlaubt die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung hier die Prognose, dass diese zurückzuweisen wäre. Da die vom Kläger vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht bestehen (siehe sogleich), ist die Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtlich nicht besonders schwierig. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Ausweisungsverfügung sind durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Die Frage, ob die Delinquenz des Klägers unter Würdigung aller ihn betreffenden Umstände dessen Ausweisung rechtfertigt, kann aufgrund der dem Senat vorgelegten behördlichen und gerichtlichen Akten beantwortet werden. Die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen bereitet in rechtlicher Hinsicht mithin nicht das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten. Die vom Kläger vorgebrachten Rügen betreffen Konstellationen, die in einer Vielzahl von Ausweisungsverfahren zu bearbeiten sind und ohne Zulassung einer Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geklärt werden können.
17
2. Die Berufung des Klägers ist nicht aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
18
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 - 2 BvR 657/19 - juris Rn. 33). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr sogleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris Rn. 9).
19
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung nicht.
20
2.1 Mit seinem Zulassungsvorbringen hat der Kläger die verwaltungsgerichtliche Auffassung, der Aufenthalt des Klägers gefährde nach § 53 Abs. 1 AufenthG die öffentliche Sicherheit und Ordnung, nicht ernstlich im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen.
21
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 22.02.2017 - 1 C 3/16 - juris Rn. 18; U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris Rn. 8 m.w.N.).
22
2.1.1 Der Kläger hat bereits die (insoweit nicht zu beanstandenden) selbstständig die Entscheidung tragenden verwaltungsgerichtlichen Ausführungen zur generalpräventiven Ausweisung (weshalb der Aufenthalt des Klägers die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet) nicht angegriffen, sodass schon generalpräventive Gründe die Ausweisungen tragen.
23
2.1.2 Darüber hinaus teilt der Senat (auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens) die Auffassung des Verwaltungsgerichts bezüglich der weiterhin vom Kläger ausgehenden Wiederholungsgefahr (wobei das Verwaltungsgericht entgegen der klägerischen Auffassung keineswegs allein auf die Straffälligkeit des Klägers abgestellt, sondern eine individuelle Gefahrenprognose angestellt hat). Insoweit verweist der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil und im die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 23.5.2022 (auf die im Urteil verwiesen wird).
24
Der am 9. Juli 2015 in das Bundesgebiet eingereiste Kläger ist hier wiederholt und erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Bereits kurz nach seiner Einreise im Bundesgebiet wurde der Kläger am 30. Januar 2018 wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Heroin) zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt. Bereits wenig später folgte am 18. Februar 2020 die der Ausweisung zugrundeliegende Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet. Der Verurteilung lag im Wesentlichen zu Grunde, dass sich zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2018, spätestens aber Mitte April 2018, eine nicht näher bekannte Anzahl von Tätern zusammenschloss, um im Rahmen einer andauernden, professionellen Geschäftsbeziehung Heroin in erheblichen Mengen von bislang nicht näher bekannten Lieferquellen anzukaufen, dieses nach N. zu bringen oder verbringen zu lassen, dort in unterschiedliche verkaufsfertige Einzelmengen abzupacken und in Erdbunkern einzulagern, um die Betäubungsmittel anschließend gewinnbringend im Stadtgebiet N. weiterzuverkaufen. Der Verkauf der Betäubungsmittel an die Endabnehmer sollte dem gemeinsamen Plan nach durch eine Vielzahl von Läufern erfolgen. Im Verlauf des Jahres 2018 trat auch der Kläger, zumindest zeitweise, der oben beschriebenen Gruppierung bei, um durch den fortgesetzten Verkauf von Heroin Gewinn zu erzielen, sich hierdurch eine dauerhafte, nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen und dadurch den Lebensunterhalt zu finanzieren. Der Kläger war dabei für die Gruppierung als Läufer tätig und verkaufte das Heroin an Endabnehmer weiter. Die Läufertätigkeit des Klägers begann spätestens ab September 2018. Dabei übernahm der Kläger von einem anderen Bandenmitglied bei neun Gelegenheiten insgesamt 58 Gramm Heroin, die er gewinnbringend im Anschluss zu einem Preis von mindestens 55,00 EUR pro Gramm in den Stadtgebieten N. und A. weiterverkaufte. Zu Gunsten des Klägers hat die Strafkammer dabei gewertet, dass der Kläger zumindest eingeräumt hat, überhaupt beim anderweitig Verfolgten (…) Heroin bezogen zu haben, dass er selbst betäubungsmittelabhängig ist und die Tat zur Finanzierung seines Betäubungsmittelkonsums begangen hat und dass er sich - soweit er hiernach befragt wurde - mit der form- und ersatzlosen Einziehung nahezu sämtlicher bei ihm sichergestellter Gegenstände einverstanden erklärt hat. Weiterhin zu Gunsten des Klägers hat die Strafkammer berücksichtigt, dass bei zwei Taten der Grenzwert zur nicht geringen Menge jeweils genau erreicht war und damit keine erhebliche Überschreitung vorlag und dass die Mengen auch in den übrigen Fällen vergleichsweise gering waren. Die Strafkammer hat auch gesehen, dass die Rolle des Klägers als Läufer im Gesamtgefüge in allen Fällen jeweils von eher untergeordneter Natur war. Letztlich war auch die mittlerweile nicht unerhebliche Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Er ist als Ausländer mit beschränkten Sprachkenntnissen zudem besonders haftempfindlich. Zu seinen Lasten war zu werten, dass der Kläger bereits eine einschlägige Vorstrafe aufweist und eine hohe Rückfallgeschwindigkeit vorliegt. Der Kläger wurde am 30. Januar 2018 wegen Handel mit Heroin zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Die erste im Strafurteil vom 18. Februar 2020 abgeurteilte Tat beging der Angeklagte bereits am 29. September 2018. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet, da der Kläger einen Hang zum Konsum von Rauschmitteln im Übermaß habe. Die vorliegenden Taten gingen auch auf den Hang des Klägers zurück, da dieser sich hierdurch seinen eigenen Konsum habe sichern wollen. Die Strafkammer schließe sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen dahingehend an, dass bei dem Kläger bei unbehandeltem Fortbestehen der Abhängigkeitserkrankung die begründete Wahrscheinlichkeit für die Begehung neuerlicher, vergleichbarer Taten bestehe. Auch eine hinreichende Aussicht auf Therapieerfolg wurde (entgegen der Einschätzung des Sachverständigen) angenommen, da der Kläger im Rahmen der Hauptverhandlung seinen Therapiewillen zum Ausdruck gebracht habe und zumindest über rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge, die er parallel zu seiner Therapie verbessern könne. Auch sei der Kläger nicht vollziehbar ausreisepflichtig, weshalb die weitere Bleibeperspektive unbekannt sei.
25
Wesentlicher Hintergrund der Delinquenz des Klägers war seine Suchtmittelabhängigkeit. Während seiner Zeit im Iran, wo er im Alter von 16 Jahren die Tätigkeit des Teppichflickens begann und daran anknüpfend bis 2001 bei verschiedenen Teppichhändlern beschäftigt war, konsumierte der Kläger keine Rauschmittel. Nach seiner Flucht in die Türkei (wegen Desertation nach 18 Monaten Militärdienst) begann er, Opium zu rauchen, und konsumierte über etwa vier Jahre hinweg täglich ca. ein halbes Gramm. Als er im Jahr 2006 die Türkei in Richtung Griechenland verließ (wegen einer fehlenden Aufenthaltserlaubnis), verspürte er Entzugserscheinungen, die er während der Reise mit Tramadol behandelte. In Griechenland konsumierte der Kläger zunächst weiterhin Opium. Erstmals im Jahr 2008 konsumierte er Heroin. Aufgrund der als deutlich intensiver empfundenen Rauschwirkung ersetzte der Kläger ab diesem Zeitpunkt das Opium durch Heroin, welches er zunächst schnupfte oder inhalierte, später jedoch auch spritzte. Er konsumierte noch in Griechenland zusätzlich gelegentlich Crystal. Auch nach seinem Umzug nach Italien im Jahr 2014 (für lediglich ein halbes Jahr) nahm der Kläger weiter Heroin, etwa eine Plombe zu je 0,2 Gramm täglich. Nach seiner Ankunft in Deutschland setzte er zunächst seinen intravenösen Heroinkonsum fort, stellte seinen Konsum aber relativ schnell auf das Rauchen auf Aluminiumfolie um. Er verbrauchte weiterhin ca. eine Plombe am Tag. Vereinzelt kam es zu einem zusätzlichen Konsum von Crystal. Bei einem ausbleibenden Konsum verspürte der Kläger Entzugserscheinungen in Form von Schüttelfrost, Schmerzen und Durchfall.
26
Die durch die Delinquenz indizierte Gefährlichkeit des Klägers ist bislang nicht beseitigt.
27
Der aufgrund Haftbefehls vom 14. November 2018 am 19. November 2018 festgenommene Kläger, der sich seit demselben Tag in Untersuchungshaft (unterbrochen in der Zeit vom 5.8.2019 bis zum 13.08.2019 zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 30.1.2018) und danach in Strafhaft befunden hat, befindet sich weiterhin in dem seit 27. Mai 2020 begonnenen Maßregelvollzug. Er kann bislang keinen erfolgreichen Abschluss der Therapie vorweisen. So trägt er im Rahmen des Zulassungsvorbringens selbst nicht vor, dass seine Therapie mittlerweile erfolgreich abgeschlossen ist, sondern, dass er „sehr gute Fortschritte“ mache (mit am 30. Mai 2022 bei Gericht eingegangenem erstinstanzlichem Schriftsatz des Klägers wurde mitgeteilt, dass er sich weiterhin in Therapie befinde, im Rahmen der Arbeitstherapie in der klinikeigenen Küche beschäftigt worden sei und während der Therapie regelmäßig den Deutschunterricht besuche). Eine Mitteilung der Entziehungsanstalt über den erfolgreichen Abschluss der Therapie ist weder vorgelegt worden noch dem Senat anderweitig zur Kenntnis gelangt. Weitergehende Feststellungen waren insoweit nicht zu treffen. Von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr kann daher schon aus diesem Grund nicht ausgegangen werden.
28
Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (siehe z.B. BayVGH, B.v. 29.5.2018 - 10 ZB 17.1739 - juris Rn. 9; B.v. 16.2.2018 - 10 ZB 17.2063 - juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 7.2.2018 - 10 ZB 17.1386 - juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 3.2.2015 - 10 B 14.1613 - juris Rn. 32 m.w.N.), da die Erfolgschancen einer Therapie im Allgemeinen bereits deutlich unter 50% liegen (die Katamnesedaten zum Entlassungsjahrgang 2011 - Drogeneinrichtungen - Stand: August 2013 des Bundesverbandes für Stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. - Teil 1 - lassen auf eine Misserfolgsquote nach einem Jahr von 70% und mehr schließen; nach Klos/Görgen - Rückfallprophylaxe bei Drogenabhängigkeit, 2009, S. 25 ff. - sind Rückfälle eher die Regel als die Ausnahme; vgl. in-soweit auch Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, § 35 Rn. 47: „be-scheidene Erfolge“). Solange sich der Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (BayVGH, B.v. 13.10.2017 - 10 ZB 17.1469 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 6.5.2015 - 10 ZB 15.231 - juris Rn. 11).
29
Der Senat verkennt insoweit nicht (wie auch das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner - entgegen der Auffassung des Klägers - umfassenden Gefahrenprognose), dass ein positiver Bericht der Entziehungsanstalt vom 15. Oktober 2020 über den Therapieverlauf im Maßregelvollzug vorliegt (entgegen der klägerischen Auffassung hat das Verwaltungsgericht den Umstand der laufenden Therapie ebenso berücksichtigt wie den vorgelegten Bericht der Entziehungsanstalt). Bei der Einschätzung des Gewichts von Therapieberichten ist aber zu berücksichtigen, dass - wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 2. Mai 2017 (19 CS 16.2466 - juris, insbesondere Rn. 48) im Einzelnen dargelegt und belegt hat - zu einer effektiven Drogenbehandlung ein enges Vertrauensverhältnis erforderlich ist, der Therapeut kein verlängerter Arm des Staates ist und Therapieberichte keine objektive Bewertung oder gar Begutachtung darstellen, weswegen Therapiestellungnahmen als einseitige Stellungnahmen zu bewerten sind und die Therapieeinrichtung regelmäßig dann eine günstige Prognose abgibt, wenn sie - wie vorliegend - nicht vom Klienten durch einen erheblichen Verstoß gegen ihre Regeln zu einem disziplinarischen Therapieabbruch genötigt worden ist. Allerdings wird in der Stellungnahme auch ausgeführt, dass der Kläger „von der Therapie im Maßregelvollzug gut zu profitieren scheint“, insgesamt „ein hoher Unterstützungs- und Behandlungsbedarf festzustellen“ sei, zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Weiterbehandlung jedoch noch notwendig erscheine und bei weiterhin positiven Therapieverlauf und erfolgreicher Erprobung in weitergehenden Vollzugslockerungen „derzeit voraussichtlich von einer günstigen Legalprognose ausgegangen werden“ könne. Das Abwarten eines erfolgreichen Therapieverlaufs ist insoweit nicht angezeigt (zumal die vom im strafgerichtlichen Verfahren beigezogenen Sachverständigen prognostizierte Therapiedauer von 18 Monaten sowie die von der Strafkammer angenommene Dauer von 24 Monaten bereits erheblich überschritten ist), da künftige Entwicklungen nichts über die aktuell vom Kläger ausgehende Gefährdung aussagen (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2015 - 1 B 39/15 - juris Rn. 10). Ein strafvollstreckungsrechtlicher Beschluss im Hinblick auf die Aussetzung der Vollstreckung der weiteren Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ist ebenfalls schon nicht ergangen. Selbst im Falle eines (in Kürze ergehenden) strafvollstreckungsrechtlichen Aussetzungsbeschlusses (dieser würde zwar ein wesentliches Indiz darstellen, eine Bindung des Senats an die strafvollstreckungsgerichtlichen Prognosen betreffend die Straf- und Maßregelaussetzung zur Bewährung bestünde aber nicht) ist zu erwarten, dass der Kläger zunächst noch einem engmaschigen Kontroll- und Nachsorgekonzept aus Konsumverboten, Kontrollmaßnahmen, Resozialisierungsgeboten und Meldepflichten unterliegen wird.
30
Soweit im Rahmen der Zulassungsbegründung vorgetragen wird, das Verwaltungsgericht sei nicht auf den Umstand eingegangen, die Straftaten seien lediglich aufgrund des Suchtverhaltens erfolgt, greift die Rüge (unabhängig davon, dass dem Verwaltungsgericht dieser Umstand bewusst war) deshalb nicht durch, weil die Betäubungsmittelabhängigkeit des Klägers, zu dessen Gunsten die Strafkammer gewertet hat, dass er „zumindest eingeräumt hat, überhaupt beim anderweitig Verfolgten (…) Heroin bezogen zu haben“ (dies zeugt entgegen der klägerischen Auffassung nicht davon, dass der Kläger umfassend „geständig und einsichtsfähig“ gewesen ist), bislang schon nicht erfolgreich behandelt worden ist, diese maßgeblich für das Verhalten des Klägers ist und im Rahmen der Wiederholungsgefahr auf den Gesundheitszustand des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist.
31
Die Auffassung des Klägers, das Verwaltungsgericht gehe im Urteil an keiner Stelle auf seine Eingliederungsmaßnahmen ein und es habe nicht hinreichend gewürdigt, dass er, wie seitens des Bezirksklinikums bestätigt, sehr gute Fortschritte mache und auch sich durch Aufnahme einer Arbeit in der Einrichtung engagiere, ist verfehlt. Die Ausführungen im Urteil (UA S. 6, 7) zeigen, dass der Kammer der Verlauf des Maßregelvollzugs bekannt war und er diesen in seine Entscheidung eingestellt hat. Das Verwaltungsgericht musste (trotz der Fortschritte des Klägers im Rahmen seiner Therapie) zurecht von einer weiterhin bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit beim Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ausgehen. Diese besteht weiterhin fort.
32
2.2 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das öffentliche Interesse an der Ausweisung (besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 1b AufenthG) überwiege das Bleibeinteresse des Klägers (ein vertyptes Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG ist weder vorgetragen noch ersichtlich), ist auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nicht zu beanstanden.
33
2.3 Die Dauer der Einreise- und Aufenthaltsverbotsfrist von siebeneinhalb Jahren ab Verlassen des Bundesgebiets begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
34
Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F.). Wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, darf die Frist fünf Jahre übersteigen und soll zehn Jahre nicht überschreiten (§ 11 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 AufenthG n.F.). Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG n.F.). Dies hat zur Folge, dass das Gericht die Länge der Frist grundsätzlich nur in dem durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Rahmen überprüfen darf. Eine Fristverkürzung durch das Gericht selbst kommt also nur in Betracht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. In allen anderen Fällen ist zwar die Entscheidung der Verwaltungsbehörde aufzuheben, jedoch muss das Gericht der Verwaltungsbehörde erneut Gelegenheit geben, ihr Ermessen rechtsfehlerfrei auszuüben (BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - juris Rn. 47; BayVGH, U.v. 12.7.2016 - 10 BV 14.1818 - juris Rn. 59 m.w.N.).
35
Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, wie lange also die Gefahr besteht, dass der Ausländer weitere Straftaten oder andere Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung begehen wird, wobei die Umstände des Einzelfalles anhand des Gewichts des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen sind. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 1 C 14.12 - juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 25.8.2015 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - juris Rn. 50; BayVGH, U.v. 12.7.2016 - 10 BV 14.1818 - juris Rn. 67).
36
Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Bewertung der Befristungsentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Senats (BVerwG, U.v. 25.3.2015 - 1 C 18.14, BVerwGE 151, 361 Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, U.v. 12.7.2016 - 10 BV 14.1818 - juris Rn. 61).
37
Dem Kläger, dem im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. Januar 2017 die Abschiebung insbesondere in den Iran angedroht worden ist, steht im Rahmen der behördlichen Fristbestimmung grundsätzlich ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens zu. Der Beklagte hat diesen Anspruch aber durch eine fehlerfreie Ermessensausübung im Bescheid vom 16. September 2020 erfüllt. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass er auch unter Berücksichtigung der seit dem Erlass des Bescheids - mangels entgegenstehender Anhaltspunkte - anzunehmenden Straffreiheit des Klägers an seiner Fristbestimmung festhält. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der Fristbestimmung sind vorliegend insbesondere im Hinblick auf die erheblichen Straftaten des Klägers und der weiterhin bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit (folglich dringt der Kläger mit seiner Auffassung, das Einreise- und Aufenthaltsverbot sei unverhältnismäßig, weil beklagtenseits bei der Abwägung nicht berücksichtigt worden sei, dass er strafrechtlich lediglich aufgrund seines Suchtverhaltens gehandelt habe und ansonsten nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, nicht durch) nicht ersichtlich. Von der Abschiebung geht zudem in jedem Fall eine siebeneinhalbjährige Abschreckungswirkung aus. Da Ermessensfehler nicht ersichtlich sind, hat der kinderlose und unverheiratete Kläger somit keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
38
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
39
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).