Titel:
Disziplinarrecht - Entfernung aus dem Beamtenverhältnis inner- und außerdienstliche Dienstvergehen
Normenketten:
BayDG Art. 11, Art. 14
StGB § 20, § 21, § 263 Abs. 1, § 267 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Beamter, der als Sachbearbeiter im Amt eines Regierungshauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 8) in der Bezügestelle "Beihilfe des Landesamtes für Finanzen" bei der Beihilfestelle (5 Fälle) und seiner privaten Krankenversicherung (4 Fälle) durch inner- und außerdienstlichen Betrug in neun Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung einen Gesamtschaden von über 7.500 Euro zu seinen eigenen Gunsten verursacht, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. (Rn. 27 und 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den Strafrahmen zurückzugreifen. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier: § 263 Abs. 1 StGB und § 267 Abs. 1 StGB jeweils bis zu fünf Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Bei innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem ausgeurteilten Strafmaß keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung für die Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme zu. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört, weil dieser als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und ist es dem Dienstherrn nicht zumutbar, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig, gegebenenfalls in einer anderen Behörde oder sogar Laufbahn eingesetzt werden kann, im Rahmen der Disziplinarklage nicht nachgegangen werden. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarrecht, Regierungshauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8), Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Beihilfebetrug (fünf Fälle, Gesamtschaden: 5.540, 40 Euro), Betrug zu Lasten der privaten Krankenversicherung (vier Fälle, Gesamtschaden: 1.642, 06 Euro), Urkundenfälschung inner- und außerdienstliches Dienstvergehen, verminderte Schuldfähigkeit (verneint)
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 28.06.2021 – RN 10A DK 20.987
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31576
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
1
Der 1973 geborene Beklagte war bis zu dem mit Bescheid vom 24. August 2016 ausgesprochenen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als Sachbearbeiter im Amt eines Regierungshauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 8) in der Bezügestelle Beihilfe des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle R., Bearbeitungsstelle S., tätig. Er ist in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei volljährige, nicht mehr unterhaltsberechtigte Töchter.
2
Das mit Beschluss vom 2. Januar 2012 durch das Amtsgericht Straubing - Insolvenzgericht - über das Vermögen des Beklagten eröffnete Verbraucherinsolvenzverfahren wurde durch Restschuldbefreiung vom 25. Januar 2018 abgeschlossen. Seine Ehefrau bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente von monatlich 274,30 Euro.
3
Bislang trat der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung.
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Aufgrund der Schriftbilder von vorgelegten Beihilferechnungen entstand bei der zuständigen Sachbearbeiterin im Juli 2016 der Verdacht, dass durch den Beklagten gefälschte Rechnungen zur Beihilfe eingereicht worden sind. Daraufhin erstattete der Dienstherr am 15. Juli 2016 gegen ihn Strafanzeige. Am 15. November 2016 leitete das Landesamt für Finanzen gegen ihn ein Disziplinarverfahren ein und setzte das Verfahren gleichzeitig bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen aus.
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Mit dem seit dem 21. Februar 2018 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 31. Januar 2018 wurde der Beklagte wegen des versuchten Betrugs sowie des Betrugs in neun Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung gemäß § 263 Abs. 1, § 267 Abs. 1, § 52, § 53 StGB zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt. Das Urteil enthält folgende tatsächlichen Feststellungen:
6
„1. Mit den nachfolgenden Anträgen beantragte der Angeklagte beim Landesamt für Finanzen, Dienststelle Landshut, Bezügestelle Beihilfe die Gewährung von Beihilfe und reichte die nachfolgend dargestellten Rechnungen ein. Tatsächlich hatte der Angeklagte die betreffenden Behandlungen nicht in Anspruch genommen, sondern jeweils eine fremde Rechnung, die er als Sachbearbeiter der Beihilfestelle erhalten hatte, verfälscht und unbefugt seine eigenen Daten eingetragen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner Angaben wurde dem Angeklagten Beihilfe in entsprechender Höhe zugesprochen und in der Folge auf sein Privatkonto überwiesen.
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Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
Antrag vom 4.7.2013
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Rechnungssteller Bezirksklinikum R.
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vom 14.5.2013
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Betrag
872,60
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Zahlung
436,30
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5.1.2016
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Universitätsklinik R. RadioLog S.
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13.11.2015
11.12.2015
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3.498,17
804,39
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2.151,29
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25.4.2016
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Dr. K. S.
Dr. M. D.
Dr. M. N.
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2.2.2016
16.2.2016
21.3.2016
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732,79
204,44
1.907,10
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1.422,17
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2.6.2016
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L. H.
Dr. S. A.
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4.5.2016
11.5.2016
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543,00
1.613,49
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987,64
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16.6.2016
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L. H.
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15.6.2016
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1.086,00
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543,00
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13.7.2016
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L. H.
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13.7.2016
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831,00
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415,00 (nicht ausbezahlt)
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9
Der Gesamtschaden zum Nachteil des Landesamtes für Finanzen beläuft sich auf 5.955,40 €.
10
2. Mit den nachfolgenden Leistungsanträgen beantragte der Angeklagte bei seiner privaten Krankenversicherung, der … Krankenversicherung in … die Übernahme von Behandlungskosten und reichte die nachfolgend dargestellten Rechnungen ein. Tatsächlich hatte der Angeklagte die betreffenden Behandlungen nicht in Anspruch genommen, sondern jeweils eine fremde Rechnung, die er in seiner Funktion als Sachbearbeiter der Beihilfestelle erhalten hatte, verfälscht und unbefugt seine eigenen Daten eingetragen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner Angaben wurde dem Angeklagten durch die … Krankenversicherung jeweils die Kostenübernahme in entsprechender Höhe zugesprochen und in der Folge auch auf sein Privatkonto überwiesen. Um diesen Betrag, auf denen der Angeklagte, wie er wusste, keinen Anspruch hatte, wurde der Leistungsträger geschädigt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
Leistungsabrechnung
31.7.2013
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Rechnungssteller Bezirksklinikum R.
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Vom
14.5.2013
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Betrag
872,60
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Erstattung
261,78
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17.5.2016
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Dr. B. D.
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16.2.2016
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204,44
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61,33
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13.6.2016
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Dr. S. A.
L. H.
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11.5.2016
4.5.2016
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1.613,49
543,00
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884,55
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22.6.2016
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L. H.
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15.6.2016
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1.086,00
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434,40
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12
Der Gesamtschaden zum Nachteil der … Krankenversicherung beläuft sich auf 1.642,06 €.“
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Im Strafverfahren und behördlichen Disziplinarverfahren räumte der Beklagte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vollumfänglich ein.
14
Nach Fortsetzung des Disziplinarverfahrens mit Schreiben vom 2. März 2018 gab der Beklagte an, sich zum Tatzeitpunkt in einer psychischen Ausnahmesituation befunden zu haben.
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Vom 13. bis 29. Juli 2016 hielt sich der Beamte zu Behandlungen im Bezirksklinikum M. auf. Dort wurde eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10: F32.2) diagnostiziert (Disziplinarakte S. 256 ff.). Mit fachärztlicher Bestätigung vom 29. März 2018 bescheinigte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S., dass sich der Beklagte seit September 2016 in seiner fachärztlichen Behandlung befinde und eine längerdauernde Erkrankung aus dem psychiatrischen Fachgebiet bestehe; seit dem 19. September 2016 sei er durchgängig arbeitsunfähig.
16
Im Laufe des Verfahrens wurde der Beklagte amtsärztlich untersucht sowie ein medizinisches Sachverständigengutachten hinsichtlich seines gesundheitlichen Zustandes vom Kläger in Auftrag gegeben und erstellt. In seinem Gutachten vom 7. Oktober 2019 kam der bestellte Sachverständige, Leitender Oberarzt des Bezirkskrankenhauses S., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. zu dem Ergebnis, dass bei dem Beklagten in den Tatzeiträumen am ehesten eine reaktive mittelgradig depressive Episode vorgelegen habe. Aufgrund der schwierigen privaten Situation mit einem chronischen Partnerschaftskonflikt habe sich zunehmend eine Überforderungssituation beim Beklagten eingestellt. Die schweren chronischen Erkrankungen der Ehefrau, deren Erwerbslosigkeit und Rückzug aus der Partnerschaft sowie die mangelnde Fähigkeit des Beklagten zu Distanzierung und der Wunsch nach Harmonie habe mit hoher Wahrscheinlichkeit im Lauf der Zeit zu entsprechenden depressiven Symptomen geführt, welche im Juli 2016 in Anbetracht der realisierten konkreten Möglichkeit der Entdeckung seiner Manipulationen zu einer schweren depressiven Episode mit Suizidgedanken kulminiert seien. Aus gutachterlicher Sicht sei es unwahrscheinlich, dass der Beklagte über längere Zeiträume eine schwere depressive Episode gehabt habe, da es ihm in diesem Zustand nicht dauerhaft möglich gewesen wäre, seiner anspruchsvollen Tätigkeit gewissenhaft und konzentriert nachzugehen. Noch am Tag der stationären Einweisung in das Bezirkskrankenhaus M. (13.7.2016) habe der Beklagte eine (letzte) Rechnung manipuliert und diese (erfolglos) eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt habe damit noch genügend Antrieb und Konzentrationsvermögen vorgelegen. Zusammengefasst sei festzustellen, dass in den Deliktzeiträumen eine depressive Störung mit deutlichen Schwankungen vorgelegen habe. Dabei sei allenfalls der Ausbildungsgrad einer leichten bis mittelgradigen Episode mit Ausnahme des Aufnahmezeitpunkts in der Klinik M. zu sehen. Im Entlassungsbericht der Klinik seien ausführlich Symptome einer schweren depressiven Episode bei Aufnahme geschildert worden, welche sich jedoch rasch wieder besserten. Weitere Erkrankungen aus dem psychiatrischen Fachgebiet könnten bei dem Beklagten nicht festgestellt werden. Möglicherweise liege zusätzlich eine gewisse Persönlichkeitsakzentuierung im Sinne einer dependenten Persönlichkeit vor. Ein Hinweis hierfür wären das abhängige Verhältnis zu seiner Ehefrau und die defizitäre Beziehungsgestaltung. Die vermuteten Persönlichkeitszüge erreichten jedoch sicherlich keinen Ausprägungsgrad, der einer forensisch relevanten Persönlichkeitsstörung entsprechen würde.
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Die mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Tatzeiträumen vorgelegene leicht- bis mittelgradigen reaktive Depression sei der persönlich prekären Situation des Beklagten geschuldet gewesen. Diese erfülle jedoch kein Eingangsmerkmal des § 20 StGB. Affektive Störungen würden unter dem Eingangsmerkmal krankhafte seelische Störungen subsumiert. Das Störungsbild beim Beklagten habe mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Ausprägungsgrad, welcher einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB entsprochen hätte. Allenfalls könne am Tag der Aufnahme in der Klinik M. (13.7.2016) eine krankhafte seelische Störung diskutiert werden. Wahrscheinlicher aber habe sich die Situation an dem besagten Tag erst am Abend so zugespitzt, dass der Beklagte über Suizid nachgedacht und einen Suizidversuch schließlich abgebrochen habe. Eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung zu den Tatzeitpunkten sei auszuschließen. Eine schwere andere seelische bzw. schwachsinnige Abartigkeit oder Schwachsinn ebenfalls.
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Am 1. April 2020 enthob das Landesamt für Steuern den Beklagten vorläufig des Dienstes. Eine Kürzung der monatlichen Dienstbezüge erfolgte aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten nicht.
19
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2021 wurde gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
20
Dagegen legte der Beklagte am 2. August 2021 Berufung ein. Die für seine Entlastung zu wertenden Gesichtspunkte seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Bis zu den vorgeworfenen Taten habe der Beklagte ein völlig tadelloses und einwandfreies dienstliche Verhalten an den Tag gelegt. Zum Zeitpunkt der Dienstvergehen habe er sich in einer besonderen finanziellen Notlage befunden. Seine finanzielle Situation habe sich sowohl durch die Restschuldbefreiung als auch die Einkommenssituation der Ehefrau erheblich verbessert, die nunmehr eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhalte. Er habe zudem sowohl den Schaden der privaten Krankenversicherung als auch den Schaden des Dienstherrn durch Ratenzahlungen im Zeitraum vom März 2018 bis Februar 2019 vollständig wieder gut gemacht. Bereits zuvor sei er bestrebt gewesen, den Schaden des Dienstherrn auszugleichen. Dies sei nur deshalb misslungen, weil weder eine Bank noch Verwandte oder Freunde bereit gewesen seien, ihm Geld zu leihen. Sowohl 2013 als auch zwischen Januar bis Juli 2016 habe er sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Seine Taten zeigten persönlichkeitsfremdes Verhalten. Während der Tatzeiträume hätten psychiatrisch erkennbare, relevante, persönlichkeitsfremde Störungsmuster vorgelegen. Bereits vor Entdeckung der Taten habe er sich psychologischen Rat eingeholt und die eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet, sodass eine erneute Begehung im Dienstverhältnis nicht mehr zu befürchten sei. Bereits während seiner stationären Heilbehandlung im Bezirksklinikum M. (13. bis 29.7.2016) - und damit vor Entdeckung der Tat - habe er sich glaubhaft dazu entschieden, seinen Vorgesetzten über das Dienstvergehen zu informieren. Bei ihm habe ein starkes Abhängigkeitsverhältnis innerhalb der Beziehung zu seiner Ehefrau vorgelegen. Dies ergebe sich auch aus dem eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten, wonach der Beklagte von seiner Ehefrau regelmäßig zu Geldzahlungen gedrängt worden sei. Lediglich um seine Ehe nicht zu gefährden, habe er diesem Drängen nachgegeben und sich letztlich zu den Taten hinreißen lassen. Dieser Abhängigkeit habe er sich zwischenzeitlich entzogen. Eine entsprechende Therapie sei bei dem ihn behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. erfolgt.
21
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 13. September 2021,
22
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2021, die Disziplinarklage, den Beklagten als Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, abzuweisen.
23
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
25
Die in der Berufungsbegründung vorgetragenen Einwände habe das Verwaltungsgericht im Wesentlichen bereits berücksichtigt. Das bisher tadellose Verhalten des Beklagten sei nach der Rechtsprechung lediglich neutral in die Abwägung einzustellen. Der Milderungsgrund einer ausweglosen, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage komme nicht in Betracht, da der Beklagte die Betrugshandlungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg begangen habe und dem Dienstherrn ein erheblicher Schaden entstanden sei. Den Schaden habe der Beklagte erst nach Aufdeckung der Taten beglichen, was eine Anerkennung als Milderungsgrund ausschließe. Dabei entlaste den Beklagten nur wenig, dass er zwar bemüht, aber finanziell zunächst nicht in der Lage gewesen sei, den Schaden wieder gut zu machen. Der Beklagte habe sich nicht bereits vor Entdeckung der Taten zu deren Offenbarung entschieden. Bereits im Juli 2016 sei bei der zuständigen Sachbearbeiterin ein entsprechender Tatverdacht entstanden, woraufhin der Dienstherr am 15. Juli 2016 Anzeige erstattet habe. Darüber hinaus genüge nicht alleine die Entscheidung, dem Dienstherrn die Taten mitzuteilen. Vielmehr sei die tatsächliche Offenbarung erforderlich. Die psychische Ausnahmesituation des Beklagten sei ebenfalls vom Verwaltungsgericht ausführlich berücksichtigt worden. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens liege keine eingeschränkte und schon gar keine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vor. Ungeachtet dessen habe es sich bei den Straftaten um eine Verletzung leicht einsehbarer Pflichten von grundlegender Bedeutung und nicht um ein einmaliges Fehlverhalten (Augenblickstat) gehandelt. Auch mit dem Abhängigkeitsverhältnis des Beklagten zu seiner Ehefrau habe sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 16) auseinandergesetzt. Zwar seien im Rahmen des Persönlichkeitsbildes des Beamten die persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, jedoch käme eine solche Konfliktsituation nur dann als Ursache des Fehlverhaltens des Beamten in Betracht, wenn es sich, wie auch bei der ausweglosen, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, um ein vorübergehendes, zeitlich begrenztes Verhalten gehandelt habe, was nicht der Fall sei.
26
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
27
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
28
Der Beklagte hat ein inner- und außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1, 2 BeamtStG begangen (1.), das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt (2.). Die Berufung war daher zurückzuweisen.
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1. Der Senat legt seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, der Gegenstand der Disziplinarklage ist. Er beruht auf den für den Senat nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG bindenden Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts Straubing vom 31. Januar 2018 und wurde vom Beklagten vollumfänglich eingeräumt.
30
Danach hat sich der Beklagte wegen des versuchten Betrugs sowie des Betrugs in neun Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung gemäß § 263 Abs. 1, § 267 Abs. 1, § 52, § 53 StGB strafbar gemacht. Durch Vorspiegelung falscher Tatsachen mittels gefälschter Rechnungen gegenüber der für ihn zuständigen Beihilfestelle und seiner privaten Krankenversicherung hat er Zahlungen erhalten, auf die er keinen Anspruch hatte. Mit seinem Verhalten hat der Beklagte gegen die Pflicht zur Achtung der Gesetze (§ 263 Abs. 1, § 267 Abs. 1 StGB), die Pflicht zu uneigennütziger Amtsausübung (§ 34 Satz 2 BeamtStG in der bis 6.7.2021 geltenden Fassung - a.F.) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) verstoßen.
31
Mit seinem Verhalten zu Lasten der Beihilfe hat der Beklagte ein einheitliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen. Diese Dienstpflichtverletzungen sind innerdienstlich, weil das pflichtwidrige Verhalten in das Amt und die damit verbundenen dienstlichen Pflichten des Beklagten eingebunden war (BVerwG, U.v. 15.11.2018 - 2 C 60.17 - juris Rn. 19). Beihilfeleistungen stehen nicht jedermann zu. Vielmehr sind sie an den Status als Beamter des Freistaates Bayern geknüpft. Daneben waren die gegenüber der privaten Krankenkasse begangenen Straftaten nicht in gleicher Weise in das Amt des Beamten eingebunden, sondern bei funktionaler Betrachtung (siehe BVerwG, B.v. 19.8.2019 - 2 B 72.18 - juris) außerdienstlicher Natur (BayVGH, U.v. 15.7.2009 - 16a D 07.2101 - juris Rn. 103), auch wenn die Fälschung und anschließende Verwendung fremder ärztlicher Rechnungen, dadurch ermöglicht worden ist, dass der Beklagte sie in seiner Funktion als Sachbearbeiter der Beihilfestelle erhalten hatte.
32
2. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12 m.w.N.).
33
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
34
2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. zu Vorstehendem BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12-16).
35
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den Strafrahmen zurück (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2018 - 2 B 5.18 - juris Rn. 18; U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 19; B.v. 5.7.2016 - 2 B 2.16 - juris Rn. 14). Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es gemäß § 263 Abs. 1 StGB und § 267 Abs. 1 StGB jeweils bis zu fünf Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20). Bei innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem ausgeurteilten Strafmaß (hier eine Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 30 Euro) dabei keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung für die Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Rn. 15 f.).
36
In Fällen des innerdienstlichen Betrugs zum Nachteil des Dienstherrn ist der Beamte in der Regel aus dem Dienst zu entfernen, wenn im Einzelfall Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauen endgültig verloren. Je gravierender die Erschwerungsgründe in ihrer Gesamtheit zu Buche schlagen, desto gewichtiger müssen die Milderungsgründe sein, um davon ausgehen zu können, dass noch ein Rest an Vertrauen zu dem Beamten vorhanden ist (BVerwG, B.v. 6.5.2015 - 2 B 19.14 - juris Rn. 11).
37
2.2 Gemessen daran ist hier die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten.
38
Die Beihilfestellen sind bei ihren Entscheidungen im Bereich der beamtenrechtlichen Krankenfürsorge auf die Ehrlichkeit ihrer Bediensteten angewiesen. Deshalb lässt sich die Verwaltung, wie auch im vorliegenden Fall, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Antragsangaben ausdrücklich versichern. Ein Beamter, der seinem Dienstherrn unter Verletzung der Wahrheitspflicht um des eigenen materiellen Vorteils willen in betrügerischer Weise schädigt, belastet deshalb das zwischen ihm und seinem Dienstherrn bestehende Vertrauensverhältnis schwer und nachhaltig.
39
Erschwerend ist der hohe Schaden von 5.540,40 Euro (ohne die versuchte Betrugstat v. 13.7.2016 über 415,00 Euro), den er seinem Dienstherrn durch sein pflichtwidriges Verhalten zugefügt hat, sowie der weitere Schaden in Höhe von 1.642,06 Euro zu Lasten der privaten Krankenversicherung zu berücksichtigen. Zu Lasten des Beamten ist ferner zu werten, dass sich sein Fehlverhalten nicht nur auf einen Beihilfeantrag beschränkte. Vielmehr hat er insgesamt fünf Beihilfeanträge gestellt, ohne dass diesen entsprechende ärztliche Leistungen zugrunde lagen. Sein Vorgehen erstreckte sich dabei auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren, gerechnet ab dem Beihilfeantrag vom 4. Juli 2013. Aufgrund des zwischen den einzelnen Tathandlungen liegenden Zeitraums hätte er ausreichend Gelegenheit gehabt, sich über sein Fehlverhalten Gedanken zu machen und von erneuten Pflichtverstößen abzusehen. Diese Gelegenheit hat er nicht genutzt.
40
Erschwerend fällt besonders ins Gewicht, dass er über lange Jahre als Beihilfesachbearbeiter tätig war und allein aus Gründen des Eigennutzes das getan hat, was er bei anderen Antragstellern verhindern sollte. Denn zu seinen Aufgaben gehörte es auch, die vorgelegten Arztrechnungen zu überprüfen und erhöhte oder doppelt berechnete Leistungen von einer Beihilfeerstattung auszunehmen (BVerwG, U.v. 11.11.1998 - 1 D 29.97 - juris Rn. 40). Zudem handelt es sich bei der Pflicht, Eigentum und Vermögen des Dienstherrn nicht zu schädigen, um die Verletzung von leicht einsehbaren Kernpflichten und selbstverständlichen Grundpflichten eines Beamten.
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Erschwerend wirkt zudem, dass der Beklagte seine dienstliche Stellung missbräuchlich ausnutzte, indem er die im Rahmen seiner dienstlichen Sachbearbeitung zugänglichen Rechnungen manipulierte und zur Begehung seiner eigenen Betrugstaten nutzte.
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3. Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht durchgreifend zugute. Die im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau für den Beamten sprechenden Entlastungsgründe haben allesamt kein derartiges Gewicht, dass von der Verhängung der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte.
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3.1 Zwar ist zu Gunsten des Beklagten festzustellen, dass er strafrechtlich und disziplinarisch nicht vorbelastet ist und seine Tätigkeit ohne wesentliche Beanstandungen ausgeübt hat. Bei der Schwere des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen er sich als Beamter untragbar gemacht hat, können jedoch weder diese Gesichtspunkte noch die dienstlichen Leistungen zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Diese Umstände stellen das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte (BayVGH, U.v. 29.7.2015 - 16b D 14.1328 - juris Rn. 40; BVerwG, B.v. 5.4.2013 - 2 B 79.11 - juris Rn. 27).
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3.2 Der Milderungsgrund einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage greift im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ein, weil es sich hier nicht um ein vorübergehendes, zeitlich und zahlenmäßig eng begrenztes Fehlverhalten gehandelt hat. Wiederholte Zugriffs- oder zugriffsähnliche Handlungen über einen längeren Zeitraum erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2002 - 1 D 5.02 - juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 3.5.2017 - 16a D 15.2087 - juris Rn. 54). Ferner hat der Beamte schon nicht dargetan, dass er sich seinerzeit in einer „existenzbedrohenden“ Notlage befunden hätte. Eine solche folgt angesichts der Einkommensverhältnisse des Beklagten nicht schon daraus, dass über sein Vermögen während des Tatzeitraums ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet war. In der mündlichen Verhandlung vor dem Strafgericht führte der Beklagte zu seinem Tatmotiv aus (Protokoll S. 2, Strafakte S. 335), dass der Zeitraum von Mai bis Juni 2016 „die schlimmste Zeit“ gewesen sei. Seine Ehefrau habe während ihrer Schmerztherapie in einer Klinik in Si. 1.600,00 Euro benötigt. Dort habe sie einen „Kaufrausch“ entwickelt, was zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung geführt habe (vgl. eigene Einlassung im Sachverständigengutachten S. 16 ff.). Zudem habe er „dann eine Rechnung vom Auto bekommen“. Er habe sich aber kein neues Auto kaufen können, weil er kein Geld gehabt habe (Protokoll S. 3; Strafakte S. 336). Ungeachtet dessen, dass mangels substantiierter Ausführungen des Beklagten im Unklaren bleibt, für welche konkreten Aufwendungen er die betrügerisch erlangte Geldsumme in Höhe von insgesamt 7.182,46 Euro verwendet hat, lässt sich vor dem Hintergrund seiner unbelegten Einlassungen weder erkennen, dass die wirtschaftliche Existenz des Beamten und seiner Familie „auf dem Spiele gestanden“, noch, dass er sich in dem Tatzeitraum in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befunden hätte.
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3.3 Der Beklagte kann sich ferner nicht mit Erfolg auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des §§ 20, 21 StGB als durchschlagenden Milderungsgrund berufen. Nach der Überzeugungsgewissheit des Senats handelte der Beklagte nicht aufgrund einer krankhaften oder anderen seelischen Störung gemäß §§ 20, 21 StGB im Zustand erheblich eingeschränkter Steuerungs- und damit verminderter Schuldfähigkeit. Es bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte während der hier für das Disziplinarverfahren relevanten Tatzeiträume aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, sein pflichtwidriges Verhalten zu erkennen.
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Dies folgt aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Leitenden Oberarzt des Bezirkskrankenhauses S. Dr. Sch. Der Sachverständige ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 7. Oktober 2019 zu dem Ergebnis gelangt, dass für das Vorliegen der forensischen Eingangskriterien im Sinne des § 20 bzw. § 21 StGB in dem Zeitraum der in Rede stehenden Taten keine Hinweise vorliegen. Aus gutachterlicher Sicht sei es unwahrscheinlich, dass der Beklagte über längere Zeiträume eine schwere depressive Episode gehabt habe, da es ihm in diesem Zustand nicht dauerhaft möglich gewesen wäre, seiner anspruchsvollen Tätigkeit gewissenhaft und konzentriert nachzugehen. Der Beklagte sei durchgängig arbeitsfähig und nicht krankgeschrieben gewesen. Er habe sich in seiner Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt gefühlt. Das von ihm verlangte Arbeitspensum an zu bearbeitenden Fällen habe er laut eigenen Angaben teilweise übererfüllen können. Die von ihm verrichtete Tätigkeit hätte aus gutachterlicher Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein relativ hohes Konzentrationsvermögen verlangt. Die von dem Beklagten erbrachte Arbeitsleistung sei vom Arbeitgeber niemals bemängelt oder gerügt worden. Das Fälschen der Rechnungen bzw. deren Briefköpfe sei zwar teilweise etwas dilettantisch, jedoch sei auch hierzu eine Konzentrationsleistung notwendig gewesen. Der Beklagte sei dabei durchaus planhaft vorgegangen. Es sei ihm auch möglich gewesen, nach 2013 eine „3-jährige Pause“ einzulegen, in der er keine manipulierten Rechnungen eingereicht habe. Vielmehr sei es ihm möglich gewesen, „bedarfsgerecht“ bei besonders drängenden finanziellen Engpässen, Geld über die manipulierten Rechnungen zu generieren. Zusammengefasst sei festzustellen, dass in den Deliktzeiträumen eine depressive Störung mit deutlichen Schwankungen vorgelegen habe. Aus gutachterlicher Sicht erreichten die Symptome allenfalls den Ausprägungsgrad einer leichten bis mittelgradigen Episode mit Ausnahme des Aufnahmezeitpunktes in der Klinik (Gutachten S. 20 f.).
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Ob am Tag der Aufnahme in der Klinik M. (13.7.2016) eine krankhafte seelische Störung „diskutiert“ werden könne, so dass diese Tat „eventuell“ im Zustand der verminderten Steuerungsfähigkeit begangen worden sein „könnte“ (Gutachten S. 25), kann letztlich dahinstehen. Denn selbst wenn „in dubio pro reo“ am 13. Juli 2016 das Eingangsmerkmal einer verminderten Schuldfähigkeit beim Beklagten vorgelegen haben sollte, beträfe dies allein die am 13. Juli 2016 im Versuchsstadium steckengebliebene Betrugstat. Diese Versuchsstraftat ist allerdings angesichts der Vielzahl der vollendeten Betrugstaten und Urkundenfälschungen für die auszusprechende Disziplinarmaßnahme nicht von entscheidender Bedeutung.
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Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Ehefrau vorgelegen habe und er sich nur auf ihr Drängen zu den Taten habe hinreißen lassen, führte der Sachverständige aus (Gutachten S. 22), dass möglicherweise eine gewisse Persönlichkeitsakzentuierung im Sinne einer dependenten Persönlichkeit vorliege. Die vermuteten Persönlichkeitszüge erreichten jedoch sicherlich keinen Ausprägungsgrad, der einer forensisch relevanten Persönlichkeitsstörung entsprechen würde.
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3.4 Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer sog. anerkannter Milderungsgründe, wie eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat, bestehen nicht. Die Pflichtverletzungen an unterschiedlichen Tagen über einen Zeitraum von über drei Jahren schließen die Annahme einer persönlichkeitsfremden Tat aus. Von einem durch Spontaneität und Kopflosigkeit bestimmten Verhalten als Charakteristika der persönlichkeitsfremden Augenblickstat kann angesichts der mehrfachen „Entgleisungen“ des Beklagten nicht ausgegangen werden (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.2016 - 2 WD 19.15 - juris Rn. 55).
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Zu Gunsten des Beklagten ist zwar grundsätzlich sein positives Nachtatverhalten zu berücksichtigen. Er hat sich einsichtig und kooperativ gegenüber den Ermittlungsbehörden gezeigt. Demgegenüber stellt jedoch die erst nach Entdeckung der Tat erfolgte Einräumung der Straftaten sowie die letztlich vorgenommene Wiedergutmachung des Schadens durch Erstattung des Betrages, wozu der Beamte ohnehin zivil- und beamtenrechtlich verpflichtet ist, keinen beachtlichen Milderungsgrund dar (BayVGH, B.v. 31.7.2017 - 16a DS 16.2489 - juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 29.8.2001- 1 D 8.00 - juris Rn. 69; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2021, MatR/II, Rn. 324d). Sein Einwand, er habe sich bereits während seiner stationären Heilbehandlung im Bezirksklinikum M. (13. bis 29.7.2016) - und damit vor Entdeckung der Tat - glaubhaft dazu entschieden, seinen Vorgesetzten über das Dienstvergehen zu informieren, ist nicht geeignet, die Taten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Zum einen entstand bereits im Juli 2016 bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Betrugsverdacht gegenüber dem Beklagten, woraufhin der Dienstherr am 15. Juli 2016 Anzeige erstattete. Zum anderen genügt der bloße Entschluss zur Offenbarung nicht den Anforderungen des Milderungsgrundes. Denn dieser liegt nur vor, wenn der Beamte das Dienstvergehen vor seiner Aufdeckung aus eigenem Antrieb ohne Furcht vor konkreter Entdeckung vorbehaltlos und vollständig, nicht nur hypothetisch, sondern tatsächlich offenlegt.
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Eine durchgreifende Berücksichtigung der offenbar auf eigene Initiative begonnenen Einholung eines psychologischen Rates vor Aufdeckung der Tat und der nachträglichen therapeutischen Aufarbeitung scheidet aus, wenn - wie hier - auf diese Weise der vollständige Vertrauens- und Autoritätsverlust nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BVerwG, B.v. 25.5.2012 - 2 B 133.11 - juris Rn. 17). Der aufgrund des schweren Dienstvergehens erlittene Vertrauensverlust des Beamten ist ungeachtet einer positiv verlaufenden Therapie nicht mehr reparabel. Die allein zur eigenen Bereicherung begangenen Straftaten haben das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten dauerhaft zerstört.
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4. Angesichts des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung des Beklagten - verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn - wie hier - das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und es dem Dienstherrn nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig, gegebenenfalls in einer anderen Behörde oder sogar Laufbahn eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2017 - 16a D 15.2267 - juris Rn. 192). Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 24.5.2017 - 16a D 15.2267 - juris Rn. 193).
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5. Nach alldem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG zurückzuweisen. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).