Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 22.07.2022 – AN 5 E 22.01477
Titel:

Versagung des Aufenthaltstitels zur Familienzusammenführung

Normenketten:
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1, § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 60a Abs. 2 S. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Leitsatz:
Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen der Familienzusammenführung sind grundsätzlich vom Ausland aus verfolgen.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
kein Anspruch auf Familiennachzug nach § 32 Abs. 1 AufenthG, wenn nicht beide sorgeberechtigten Eltern einen Aufenthaltstitel haben, keine Einreise mit dem erforderlichen Visum i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, kein Anspruch auf Duldung aus Art. 6 Abs. 1 GG, keine Unzumutbarkeit der Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Herkunftsland im Einzelfall, Nordmazedonien, Aufenthaltserlaubnis, Familienzusammenführung, Visum, Schulabschluss
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 25.10.2022 – 19 CE 22.1815
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31575

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn vorläufig nicht abzuschieben.
2
Der am … 2008 geborene Antragsteller ist nordmazedonischer Staatsangehöriger. Er reiste nach den Angaben seiner Eltern am 20. Juli 2020 gemeinsam mit seiner Mutter und der am … 2006 geborenen Schwester (Antragstellerinnen in den Verfahren AN 5 E 22.01475 und AN 5 E 22.01479) in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er zog zu seinem Vater, einem nordmazedonischen Staatsangehörigen, mit dem seine Mutter seit … verheiratet ist. Der Vater lebt seit 21. Januar 2019 im Bundesgebiet und war zuletzt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 3 AufenthG a.F. in Verbindung mit § 26 Abs. 2 BeschV mit Geltungsdauer bis 12. Juni 2020. Nach Aktenlage ist über einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Vaters noch nicht entschieden worden. Der Antragsteller ist derzeit lediglich im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung mit Ausstellungsdatum 24. Mai 2022 (Ausreisefrist bis 22. Juni 2022).
3
Sowohl der Antragsteller als auch seine Schwester besuchen in … seit 19. Februar 2021 eine Mittelschule.
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Am 28. Juni 2021 beantragten die Eltern des Antragstellers bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
5
Mit Schreiben vom 26. Juli 2021 wurde der Antragsteller über seine Eltern zur beabsichtigten Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, zur Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und zum Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes angehört.
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Mit Bescheid vom 25. Mai 2022 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung eines Aufenthaltstitels ab (Ziffer I), forderte den Antragsteller dazu auf, das Bundesgebiet zu verlassen (Ziffer II), drohte anderenfalls die Abschiebung insbesondere nach Nordmazedonien an (Ziffer III), und erließ für den Fall einer Abschiebung ein auf zwei Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer IV).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller erfülle die Voraussetzungen der §§ 2, 5, 27, 29 und 32 AufenthG für einen Kindernachzug nicht. Es sei davon auszugehen, dass beide Eltern das Sorgerecht innehätten, weswegen nach § 32 Abs. 1 AufenthG auch beide Eltern im Besitz eines Aufenthaltstitels sein müssten. Die Mutter des Antragstellers habe aber keinen Aufenthaltstitel. Es bestehe ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wegen einer - aufgrund des von Anfang an geplanten dauerhaften Aufenthaltes - unerlaubten Einreise des Antragstellers. Er sei nicht im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit dem nach Art. 18 SDÜ, § 6 Abs. 3 AufenthG erforderlichen Visum eingereist. Es liege ein geradezu klassischer Fall der Umgehung der Einreisevorschriften vor. Die Dauer des Visumverfahrens rechtfertige kein Absehen von dessen Durchführung, da kein atypischer Sachverhalt vorliege. Selbst wenn ein Ermessen eröffnet wäre, müsse dieses zu Ungunsten des Antragstellers ausgeübt werden. Sonstige Umstände, die für einen Aufenthalt sprechen würden, seien nicht vorgetragen. Auch der Gesetzeszweck des AufenthG, die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen, sei zu beachten. Seit seiner unerlaubten Einreise sei der Antragsteller vollziehbar ausreispflichtig. Die Abschiebung werde nach § 59 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG angedroht. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde nach § 11 Abs. 1 AufenthG erlassen und nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG unter Abwägung aller bekannten für und gegen den Antragsteller sprechenden Umstände in Ausübung des eingeräumten Ermessens auf zwei Jahre nach erfolgter Abschiebung befristet. Dabei seien die persönlichen, insbesondere die angegebenen familiären Interessen zu berücksichtigen.
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Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2022 hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben mit dem Antrag, die Bescheide der Antragsgegnerin vom 24.05.2022, dem Antragsteller, seiner Mutter und seiner Schwester zugegangen am 26.05.2022, Az. …, aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die begehrte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Außerdem hat er beantragt:
Der Beklagten wird untersagt, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen die Kläger zu ergreifen.
9
Zur Begründung hat der Bevollmächtigte ausgeführt, dem Antragsteller, seiner Mutter und seiner Schwester stehe eine Aufenthaltserlaubnis zu, die ohne vorherige Ausreise und Einholung eines Visums erteilt werden könne. Gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG könne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden. Darüber müsse die Ausländerbehörde noch entscheiden. Unter Berücksichtigung des Alters der Kinder und der familiären Situation stehe bei einer Abwägung das Ausweisungsinteresse nicht entgegen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG könne vom Visumerfordernis abgesehen werden, weil nach § 30 AufenthG ein Anspruch der Mutter auf die Aufenthaltserlaubnis bestehe. Das Einfordern des Sprachnachweises als Nachzugsvoraussetzung für die Mutter des Antragstellers beeinträchtige Art. 6 Abs. 1 GG, da diese vier Versuche gemacht habe, im Ausland ein Visum zu erreichen und dabei auch mehrfach versucht habe, den Sprachnachweis zu erbringen. Dies sei ihr bisher knapp nicht gelungen. Der Spracherwerb sei nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG hier entbehrlich. Im Übrigen habe die Mutter des Antragstellers in der letzten Prüfung den Nachweis erbracht, dass sie zumindest im Sprechen überdurchschnittlich sei und lediglich im Schreiben den Anforderungen noch nicht genüge. Eine Beendigung des Aufenthaltes der Kinder widerspreche dem Kindeswohl, weil sie vor Abschluss des Jahres aus ihrer Klasse herausgerissen würden. Außerdem müssten sie den Vater verlassen, der seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe, wo er legal lebe und arbeite. Eine kurzfristige Ausreise zum Zwecke der Nachholung des Visums sei nicht realistisch, weil die Mutter des Antragstellers das Visum mangels Deutschkenntnissen nicht erhalten würde. Dem Erfordernis des Art. 6 GG sei im Bescheid nicht hinreichend Rechnung getragen worden, weil keine Duldungen in Aussicht gestellt worden seien.
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Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2022 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers verschiedene Zeugnisse und Schulbesuchsbescheinigungen der Schule des Antragstellers und seiner Schwester übersandt.
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Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2022 ist die Antragsgegnerin der Klage entgegengetreten und hat beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen. Weiter hat sie beantragt,
Der Antrag wird als unbegründet abgelehnt.
12
Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Verweis auf die gelebte familiäre Lebensgemeinschaft sei unzureichend. Im Übrigen werde auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Es sei offensichtlich, dass eine Ermessensentscheidung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zuungunsten des Antragstellers ausfallen müsse. Ein Rechtsanspruch auf Nachzug zum Vater, der selbst nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels sei, bestehe auch wegen der fehlenden Einreise mit nationalem Visum und weil nicht beide personensorgeberechtigten Elternteile im Besitz eines Aufenthaltstitels seien, nicht. Dem Antragsteller sei die Durchführung des Visumverfahrens zumutbar und die Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft im Herkunftsland möglich.
13
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte sowie auf die Gerichts- und Behördenakten in den Verfahren der Mutter und der Schwester des Antragstellers (AN 5 E 22.01475 und AN 5 E 22.01479) verwiesen.
II.
14
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin untersagt wird, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller zu vollziehen, ist zulässig, aber unbegründet.
15
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
16
Zwar ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die im Bescheid vom 24. Mai 2022 angedrohte Abschiebung und die dem Antragsteller ausgestellte Grenzübertrittsbescheinigung von einem Anordnungsgrund auszugehen. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wurde jedoch nicht glaubhaft gemacht. Nach dieser Norm ist die Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
17
Der Antragsteller ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er den gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Er darf zwar als nordmazedonische Staatsangehörige nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 4 und Anhang II der VO (EU) 2018/1806 für einen Kurzaufenthalt von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Art. 20 Abs. 1 SDÜ) visumfrei einreisen. Da er aber bereits am 20. Juli 2020 einreiste, hat er jedenfalls diesen Zeitraum überschritten. Die Ausreisepflicht ist vorliegend gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auch vollziehbar.
18
Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die die Abschiebung i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmöglich machen würden, wurden jedoch nicht substantiiert dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Weder begründet der noch nicht rechtskräftig entschiedene Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ein Abschiebungshindernis, noch hat der Antragsteller einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG glaubhaft gemacht.
19
Nach der gesetzgeberischen Konzeption muss der Ausländer Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich vom Ausland aus verfolgen (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2019 - 19 CE 18.1597 - juris Rn. 14). Nur unter den in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen besteht ein vorläufiges Bleiberecht. Es widerspräche dieser Systematik, darüber hinaus „Vorwirkungen“ der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens stets eine Duldung vorzusehen (vgl. OVG NRW, B.v. 2.5.2006 - 18 B 437/06 - juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 26.11.2018 - 19 C 18.54 - juris Rn. 24).
20
Vorliegend hat der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgelöst, da sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Beantragung am 28. Juni 2021 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Zwar kann sich im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise ein Anspruch auf Duldung ergeben, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Verfahrens aufrechtzuerhalten (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 - 1 C 34.18 - juris Rn. 30). Ein solcher, aus Art. 19 Abs. 4 GG erwachsender Duldungsanspruch setzt aber voraus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anspruchsnorm im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung tatsächlich vorliegen und durch eine Abschiebung rechtsvernichtend in diese Position eingegriffen würde.
21
Bezüglich § 32 Abs. 1 AufenthG scheidet ein Anspruch auf Verfahrensduldung aufgrund des Ausnahmecharakters schon deswegen aus, weil ein etwaiger Titelerteilungsanspruch nicht von einem noch bestehenden Aufenthalt im Bundesgebiet abhängig ist und damit durch eine etwaige Abschiebung nicht im obigen Sinne rechtsvernichtend in die Rechte des Antragstellers eingegriffen würde.
22
Im Übrigen ist auch ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG nicht glaubhaft gemacht worden. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 AufenthG liegen nicht vor, da weder beide Elternteile noch ein allein sorgeberechtigter Elternteil (jeweils) einen der dort genannten Aufenthaltstitel besitzt. Die Mutter des Antragstellers ist nicht im Besitz eines in § 32 Abs. 1 AufenthG aufgeführten Aufenthaltstitels und hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Insoweit wird auf die Gründe des am heutigen Tag erlassenen Beschlusses im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Mutter (Az. AN 5 E 22.01475) verwiesen. Für den Antragsteller selbst sind außerdem auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG - nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage - nicht gegeben. Jedenfalls die Voraussetzung der Einreise mit dem für die beantragte Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Visum aus § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist nicht erfüllt. Selbst wenn von diesem Erfordernis nach § 5 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abgesehen werden könnte - was bereits aufgrund des Fehlens der besonderen Erteilungsvoraussetzungen hypothetisch bleiben muss - sind die hilfsweise von der Antragsgegnerin im Bescheid angeführten Ermessenserwägungen (insb. S. 5 des Bescheides) nicht zu beanstanden.
23
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG glaubhaft gemacht.
24
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich zwar aus Art. 6 GG aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, einen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet gewährt Art. 6 GG aber grundsätzlich nicht. Die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 45). Es ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu würdigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16). Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor, wenn die Lebensgemeinschaft zumutbar auch im gemeinsamen Herkunftsland geführt werden kann, da Art. 6 Abs. 1 GG nicht das Recht gewährleistet, die familiäre Lebensgemeinschaft in Deutschland zu führen, wenn dies auch in einem anderen Land zumutbar möglich ist (BayVGH, B.v. 10.1.2022 - 19 CE 21.2652 - juris Rn. 19).
25
Vorliegend ist bereits nicht ersichtlich, dass es dem Antragsteller und seiner Familie, insbesondere seinem Vater, nicht zumutbar wäre, die Lebensgemeinschaft in Nordmazedonien fortzuführen. Der Vater des Antragstellers ist - wie die Schwester und die Mutter des Antragstellers - nordmazedonischer Staatsangehöriger und lebt erst seit Januar 2019 im Bundesgebiet (zur grundsätzlichen Zumutbarkeit für sich legal in Deutschland aufhaltende Ausländer, ausreisepflichtige Familienangehörige in das Heimatland zu begleiten, vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 24.2.2010 - 2 M 2/10 - juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 1 C 15.12 - juris Rn. 16). Er war bislang auch nur im Besitz von befristeten Aufenthaltserlaubnissen und hat daher auch kein berechtigtes Vertrauen auf einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet. Dass sein derzeitiger Aufenthalt verlängert werden kann, ist - insbesondere da eine Lebensunterhaltssicherung für die gesamte Bedarfsgemeinschaft einschließlich des Antragstellers nicht glaubhaft gemacht wurde bzw. ersichtlich ist - nach Aktenlage nicht sicher. Hinzu kommt, dass der Vater des Antragstellers sich Anfang 2019 bewusst dafür entschieden hatte, seine Familie in Nordmazedonien zu verlassen, ohne zu wissen, ob und wann ein Nachzug der Familie erfolgen können wird. Der Antragsteller und seine Schwester waren zu diesem Zeitpunkt bereits zehn und zwölf Jahre alt. Die Familie lebte aufgrund des freiwilligen Entschlusses des Vaters des Antragstellers, das Heimatland zu verlassen, von Januar 2019 bis Juli 2020, also ca. eineinhalb Jahre, getrennt. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG in der Gesamtschau nicht als unverhältnismäßig, den Antragsteller - und auch seine übrigen Familienmitglieder - auf die Möglichkeit der Herstellung der Lebensgemeinschaft im Herkunftsland oder auf das Visumverfahren zum Familiennachzug zu verweisen, auch dann, wenn Letzteres aus Sicht des Antragstellers - nach seinem Vortrag ohnehin nur in Bezug auf die Mutter - mit unsicheren Erfolgsaussichten verbunden sein sollte.
26
Auch vermittelt der Schulbesuch des Antragstellers - anders als von seinem Bevollmächtigten geltend gemacht - keinen tatsächlichen Duldungsgrund. Zwar kann einem Ausländer eine Duldung aus dringenden persönlichen Gründen erteilt werden, worunter wohl auch ein unmittelbar bevorstehender schulischer Abschluss fällt (BayVGH, B.v. 26.11.2018 - 19 C 18.54 - juris Rn. 27). Dass ein Schulabschluss beim Antragsteller unmittelbar bevorstünde, wurde aber von ihm nicht geltend gemacht und ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Zeugnissen und Bescheinigungen.
27
Nach alldem ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
28
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG.