Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.10.2022 – 12 CE 22.1860
Titel:

Gewährung einer Jugendhilfemaßnahme beinhaltet keinen Drittschutz

Normenketten:
VwGO § 58 Abs. 2, § 146 Abs. 4, § 147 Abs. 1
SGB VIII § 27, § 33
Leitsatz:
Die Gewähr einer Jugendhilfemaßnahme (hier: Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege) erfolgt allein im Interesse des Hilfebedürftigen und entfaltet gegenüber dem tatsächlichen Leistungserbringer keinen Drittschutz; dass mit der Beendigung einer Jugendhilfemaßnahme und Bewilligung einer neuen der bisherige Leistungserbringer seinen durch den Schuldbeitritt des Jugendhilfeträgers bewirkten Anspruch auf Kostentragung gegenüber letzterem verliert, stellt sich mithin als typischer Rechtsreflex dar, der keine Klage- bzw. Antragsbefugnis gegenüber dem jugendhilferechtlichen Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheid vermittelt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewährung von Vollzeitpflege beinhaltet keinen Drittschutz, Privater Leistungserbringer, Fehlende Antragsbefugnis, Jugendhilfemaßnahme, Vollzeitpflege, Drittschutz, privater Leistungserbringer, Antragsbefugnis
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 27.07.2022 – RN 4 E 22.917
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31544

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1
Der Antragsteller verfolgt im Beschwerdeverfahren sein Begehren weiter, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm für die Unterbringung des Kindes R. N. in der „Pflegestelle“ bei Frau B. A. Kosten in Höhe von 124,96 € täglich seit dem 9. August 2021 zu zahlen.
I.
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1. Der Antragsteller, ein gemeinnütziger Verein, erbringt als privater Jugendhilfeträger für öffentliche Jugendhilfeträger wie den Antragsgegner Betreuungsleistungen für Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien im Zuge einer vorübergehenden Unterbringung außerhalb der eigenen Familie. Die jeweiligen Pflegeeltern erhalten vom Antragsteller neben einer entsprechenden fachlichen Betreuung für ihre Betreuungsleistung eine Vergütung. Demgegenüber rechnet der Antragsteller die erbrachten Pflegeleistungen unmittelbar mit den jeweiligen Jugendämtern ab.
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2. Das am ... 2019 geborene Kind R. N. wurde am 6. September 2019 im Rahmen einer Inobhutnahme des Jugendamts der Landeshauptstadt M. über den Antragsteller in einer Kurzzeitpflegestelle bei Frau B. A. untergebracht. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2019 gewährte der Antragsgegner für R. ab dem 14. November 2019 Hilfe zur Erziehung in Form der Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung des Antragstellers und bestimmte zugleich die Kostenbeitragspflicht der Eltern für diese Maßnahme. Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 5. Dezember 2020 wurde der allein sorgeberechtigten Mutter von R. das Sorgerecht entzogen und das Landratsamt M. am I. - Amt für Jugend und Familie - zum Amtsvormund bestimmt. Nachdem in der Folge beabsichtigt war, R. einer Dauerpflegestelle zuzuweisen, stellte die Pflegemutter Frau A. beim Amtsgericht Mühldorf am Inn einen Antrag auf Erlass einer Verbleibensanordnung. Im Zuge dieses Verfahrens wurde zwischen den Beteiligten vereinbart, dass R. nicht nur vorübergehend, sondern - auch unabhängig von der Trägerschaft des Antragstellers - auf Dauer bei Frau A. bleiben solle. Das familiengerichtliche Verfahren hatte sich daraufhin erledigt.
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In der Folge teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 13. August 2021 Frau A. mit, dass es angesichts des beabsichtigten dauerhaften Verbleibs von R. bei ihr - unabhängig von der Trägerschaft des Antragsgegners - geboten sei, dass sie R. in ihre gesetzliche Krankenversicherung über die kostenfreie Familienversicherung aufnehme. Die anfangs befristete Pflege über den Antragsteller habe sich nunmehr in ein Dauerpflegeverhältnis gewandelt. Auf Bitte von Frau A. wandte sich der Antragsgegner mit weiterem Schreiben vom 27. August 2021 zugleich an den Antragsteller und teilte ihm mit, dass angesichts der Bereitschaft von Frau A., R. dauerhaft in Pflege zu nehmen, der Tatbestand eines (anfangs) befristet angelegten Pflegeverhältnisses bei Frau A. nicht mehr erfüllt sei.
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3. Am 17. September 2021 beantragte das Landratsamt M. am I. als Amtsvormund von R. beim Antragsgegner die Weitergewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege in Dauerpflegschaft bei Frau A.. Daraufhin erließ der Antragsgegner am 16. September 2021 einen Änderungsbescheid, wonach für R. N. ab dem 9. August 2021 weiterhin Hilfe zur Erziehung durch Übernahme der Kosten nunmehr für die Unterbringung in Vollzeitpflege in der Dauerpflegestelle bei Frau A. gewährt werde. Die Höhe der übernommenen Kosten bestimme sich nach den Empfehlungen des für den Wohnsitz der Pflegestelle örtlich zuständigen Jugendamts. Die Kostenübernahme für die Unterbringung in einer Pflegestelle des Antragstellers ende mit Ablauf des 8. August 2021.
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Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 22. Oktober 2021 Widerspruch ein. Dieser sei als sog. Drittwiderspruch zulässig, da mit dem Änderungsbescheid vom 16. September 2021 durch die Aufhebung der Kostenübernahme für die Pflegestelle des Antragstellers in dessen Rechte eingegriffen würde.
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4. Weiter ließ der Antragsteller am 4. Februar 2022 beim Verwaltungsgericht München Untätigkeitsklage „zum Sozialgericht“ erheben, da über seinen Widerspruch bislang nicht entschieden sei. Das Verwaltungsgericht München verwies diese Klage mit Beschluss vom 3. März 2022 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Regensburg. Inzwischen hatte das Jugendamt des Antragsgegners den Bescheid vom 16. September 2021 mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 2022 dahingehend abgeändert, dass die irrtümlich angegebene fehlerhafte Rechtsgrundlage nunmehr in dem Sinne berichtigt wurde, dass die Jugendhilfemaßnahme sich auf §§ 27 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 33 SGB VIII gründe.
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5. Mit Schriftsatz vom 17. März 2022 beanspruchte der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutzes. Frau A. sei im Rahmen eines Honorarvertrags seit Anfang 2019 für ihn als Pflegemutter tätig und wolle R. ausschließlich im Rahmen der von ihm betriebenen Pflegestelle betreuen. Nur für den Fall, dass sich der Antragsteller auflöse, würde sie die Pflege von R. selbst weiterführen. R. habe sich in befristeter Pflege bei Frau A. befunden. Es sei insoweit nicht nachvollziehbar, welche Umstände nunmehr den Wechsel in eine Dauerpflegestelle geböten. Die leibliche Mutter habe im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Antragsteller zum Ausdruck gebracht, dass sie R. wieder zu sich nehmen wolle. Ihr Zustand stabilisiere sich zunehmend. Insofern sei die zeitlich befristete Unterbringung von R. in der Pflegestelle des Antragstellers gerechtfertigt. Der Dreijahreszeitraum, auf den Vollzeitpflege üblicherweise befristet werde, sei gegenwärtig noch nicht ausgeschöpft. Es wäre auch möglich, diese Maßnahme zu verlängern. Die Pflegemutter, Frau A., sei ihrerseits nicht bereit, die Pflege von R. dauerhaft über das Jugendamt M. zu erbringen. Seit Ergehen des Änderungsbescheids seien die Pflegeleistungen von Frau A. weiterhin vom Antragsteller beglichen und dem Antragsgegner in Rechnung gestellt worden. Diese finanzielle Regelung könne der Antragsteller nicht länger tragen. Daher bedürfe es einer vorläufigen Weitergewährung der Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten der Pflegestelle des Antragstellers, bis über seinen Widerspruch entschieden sei. Der Wechsel des Leistungserbringers sei im vorliegenden Fall weder angebracht gewesen noch ordnungsgemäß vollzogen worden. Ohne Beteiligung der Betroffenen sei es nicht gerechtfertigt, die Leistungen „umzuschlüsseln“, schon gar nicht rückwirkend.
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In diesem Zusammenhang legte der Antragsteller ein Schreiben von Frau A. vom 9. März 2022 vor, indem diese bestätigte, dass sie R. ausschließlich in Zusammenarbeit mit dem Antragsteller als Pflegemutter betreue.
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6. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2022 wies die Regierung von Niederbayern den Widerspruch des Antragstellers zurück. Dieser sei unzulässig, da der Antragsteller nicht geltend machen könne, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Zwischen ihm und dem Antragsgegner bestehe kein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis. Ein solches liege allein zwischen dem Jugendamt des Antragsgegners und dem Personensorgeberechtigten von R. nach §§ 27, 33 SGB VIII vor. Die genannten, für die Hilfegewährung maßgeblichen Rechtsvorschriften seien nicht drittschützend, da sich ihr Schutzzweck allein auf Kinder und Jugendliche und deren Personensorgeberechtigte erstrecke, nicht jedoch auf Dritte oder Institutionen außerhalb der Herkunftsfamilie. Auch gegen diesen Widerspruchsbescheid ließ der Antragsteller am 12. Juli 2022 Klage erheben.
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7. Mit Beschluss vom 27. Juli 2022 lehnte das Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Antrag sei nach § 122 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller sich gegen den Änderungsbescheid vom 16. September 2021 wende und erreichen wolle, dass er vom Antragsgegner weiterhin Aufwendungsersatz für die Unterbringung eines Kindes erhalte, sodass er weiterhin selbst als Leistungserbringer tätig sei. Er begehre mithin die Aufrechterhaltung des Zustands vor Erlass des Änderungsbescheids am 16. September 2021 und des damit verbundenen Schuldbeitritts.
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Dem Antragsteller fehle hierfür jedoch die erforderliche Antragsbefugnis. Damit diese gegeben sei, müsse er geltend machen können, durch ein behördliches Handeln oder Unterlassen in eigenen Rechten verletzt oder gefährdet zu sein. Eine derartige Rechtsbeeinträchtigung müsste nach seinem Vortrag möglich erscheinen. Sei offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass eigene Rechte des Antragstellers verletzt oder in ihrer Verwirklichung gefährdet sein könnten, fehle es an der Antragsbefugnis. Die bloße Behauptung einer etwaigen Rechtsverletzung reiche nicht aus.
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Unter Heranziehung dieser Grundsätze sei durch die mit Änderungsbescheid vom 16. September 2021 erfolgte Beendigung der Kostenübernahme für eine Pflegestelle des Antragstellers keine Rechtsverletzung des Antragstellers verbunden. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs komme Pflegeeltern regelmäßig keine verwaltungsgerichtliche Klagebefugnis auf bzw. gegen jugendhilferechtliche Maßnahmen zu. Ausgehend hiervon könne der Antragsteller vom Antragsgegner nicht verlangen, dass er selbst Leistungserbringer bleibe. Insbesondere bestehe keine öffentlich-rechtliche Pflicht des Antragsgegners nach §§ 27, 33 SGB VIII zur Leistungserfüllung gegenüber dem Antragsteller. Hilfe zur Erziehung stehe nach § 27 Abs. 1 SGB VIII allein dem Personensorgeberechtigten zu. Dadurch entstehe allein zwischen dem Antragsgegner als öffentlichem Jugendhilfeträger und dem Inhaber der Personensorge ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis. Daher betreffe die Beendigung der vom Antragsteller durchgeführten Hilfe nur den Personensorgeberechtigten in einer ihm zustehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsposition.
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Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Dezember 2019 für R. zunächst Hilfe zur Erziehung durch Kostenübernahme für die Unterbringung in einer Pflegestelle des Antragstellers bewilligt habe. Nach dem sog. jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis bestehe zwischen dem leistungsberechtigten Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer - im vorliegenden Fall dem Antragsteller - regelmäßig ein privatrechtlicher Vertrag, dem der Jugendhilfeträger durch Bewilligung der Kostenübernahme als weiterer Schuldner beitrete. Durch diesen Schuldbeitritt mittels privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts erwerbe der Leistungserbringer zugleich einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Jugendhilfeträger. Eine Verpflichtung zur Übernahme des Entgelts für die gewährte Hilfe bestehe daher grundsätzlich nicht gegenüber dem Einrichtungsträger, sondern gegenüber dem Leistungsberechtigten. Ein Zahlungsanspruch des Einrichtungsträgers entstehe vielmehr erst dann, wenn der Jugendhilfeträger eine einzelfallbezogene Hilfeleistung in einer vom Hilfeempfänger gewählten Einrichtung gewähre, der Hilfeempfänger mit dem Einrichtungsträger einen privatrechtlichen Betreuungsvertrag schließe und der Jugendhilfeträger durch den Bewilligungsbescheid dieser privatrechtlichen Schuld beitrete. An letzterer Voraussetzung fehle es vorliegend. Zwar sei im Bescheid vom 4. Dezember 2019 der Schuldbeitritt des Antragsgegners zum (konkludent) geschlossenen privatrechtlichen Vertrag zwischen dem Antragsteller als Leistungserbringer und dem Leistungsberechtigten enthalten. Dieser sei mit der Beendigung der Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer Pflegestelle des Antragstellers im Änderungsbescheid vom 16. September 2021 aber gerade aufgehoben worden. Ohne eine Kostenübernahme durch den Bewilligungsbescheid besitze der Leistungserbringer keinen Vergütungsanspruch gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Da auch nach dem weiteren Vortrag des Antragstellers weder zivil- noch öffentlich-rechtliche Verträge zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner bestünden, könne sich auch hieraus kein Anspruch ergeben. Mangels Antragsbefugnis des Antragstellers sei der Antrag daher abzuweisen gewesen.
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Dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss war weiterhin eine Rechtsbehelfsbelehrungbeigegeben, die lediglich auf die Frist zur Beschwerdeeinlegung nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO, nicht hingegen auf die Monatsfrist zur Begründung der Beschwerde in Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO hinwies. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 1. August 2022 zugestellt.
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8. Die hiergegen am 11. August eingelegte Beschwerde begründeten die Bevollmächtigten des Antragstellers mit weiterem Schriftsatz vom 21. September 2022.
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Der Antragsteller erbringe auch nach Ergehen des Änderungsbescheids vom 16. September 2021 tatsächlich für den Hilfeempfänger weiterhin diejenigen Leistungen, wie sie mit Bescheid vom 4. Dezember 2019 bewilligt worden waren. Diese Leistungen stelle der Antragsteller dem Antragsgegner monatlich in Rechnung, erhalte vom Antragsgegner jedoch hierfür keine Entschädigung. Wegen der sich aus dieser Situation ergebenden finanziellen Belastungen sei der vorliegende Eilantrag gestellt worden.
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Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass dem Antragsteller keine Antragsbefugnis zukomme. Im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen dem Jugendhilfeträger, dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer liege im Verhältnis von Hilfeempfänger und Leistungserbringer regelmäßig ein privatrechtlicher Vertrag vor, dem der Jugendhilfeträger durch Bewilligung der Kostenübernahme lediglich beitrete. Vorliegend liege der Fall indes so, dass ein privatrechtlicher Vertrag zwischen der Pflegemutter Frau A. und dem Vormund von R. als Hilfeempfänger nicht zustande kommen könne, weil es die Pflegestelle „Frau A.“ faktisch nicht gebe. Da Frau A. mehrfach geäußert habe, dass sie - solange sich der Antragsteller nicht aufgelöst habe - nicht als eigenständige Pflegestelle auftrete, bestehe ein vom Verwaltungsgericht unterstelltes privatrechtliches Pflegeverhältnis mit Frau A. nicht. Der Antragsteller habe dem Antragsgegner weiter ein Angebot unterbreitet, dass die Betreuung von R. im Rahmen einer Dauerpflegestelle bei Frau A. über ihn und zu seinen Konditionen beinhaltet habe. Dieses Angebot habe der Antragsgegner indes nicht angenommen und es habe auch nicht dem Antrag des Vormunds von R. entsprochen. Mittelbar habe der Antragsgegner die Übernahme der Kosten für die Fortführung des Pflegeverhältnisses in der Pflegestelle des Antragstellers mit dem Änderungsbescheid vom 16. September 2021 abgelehnt. Für das jugendhilferechtliche Dreiecksverhältnis fehle es daher vorliegend an der zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungserbringer.
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Durch die Beendigung der Leistungsgewährung gegenüber dem Antragsteller, der auch direkt mit dem Antragsgegner abgerechnet hatte, sei in dessen Rechte eingegriffen worden. Denn mit dem Bescheid vom 4. Dezember 2019 (gemeint wohl 16. September 2021) habe der Antragsgegner den Schuldbeitritt zu dem bis dahin noch bestehenden konkludent abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrag zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten aufgehoben.
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Unzutreffend sei weiterhin die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass sich mangels zivilwie öffentlich-rechtlicher Verträge kein Anspruch des Antragstellers ergeben könne. Vielmehr erbringe der Antragsteller weiterhin die für R. erforderlichen Hilfen ohne Einschränkungen. Insoweit würden sich daher Ansprüche des Antragstellers mindestens aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben. Durch die Gewährung der Leistung erbringe der Antragsteller in fremdes Geschäft. Hierfür seien ihm Kosten entstanden, die mit einem Tagessatz pro Kalendertag von 119,52 € zu bemessen seien. Mithin liege sowohl ein Anordnungsanspruch wie auch ein Anordnungsgrund vor.
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9. Der Antragsgegner hat sich zum Beschwerdevorbringen des Antragstellers nicht geäußert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde (1.) ist unbegründet, da dem Antragsteller auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens im Beschwerdeverfahren keine Antragsbefugnis zukommt (2.).
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1. Der Antragsteller hat seine Beschwerde fristgemäß begründet, obwohl die Beschwerdebegründung erst am 21. September 2022 und damit nicht innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist. Vorliegend galt indes für die Beschwerdebegründung nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Jahresfrist, da dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg eine unrichtige bzw. unvollständige Rechtsbehelfsbelehrungbeigegeben war. Erfordert die Einlegung eines Rechtsbehelfs in einem zweistufigen Verfahren die Wahrung zweier unterschiedlicher Fristen, muss - auch bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten - in der Rechtsbehelfsbelehrungüber beide Fristen zutreffend belehrt werden (Kimmel in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2022, § 58 Rn. 16, Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 58 Rn. 9; Buchheister in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 58 Rn. 8a). Enthält die Rechtsbehelfsbelehrungeines verwaltungsgerichtlichen Beschlusses im Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes daher - wie vorliegend - lediglich einen Hinweis auf die Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO, ist sie unvollständig und damit zugleich unrichtig, sodass stattdessen die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eingreift. Letztere hat der Antragsteller vorliegend gewahrt. Einer Entscheidung über den gleichwohl auf den richterlichen Hinweis vom 23. September 2022 hin gestellten Wiedereinsetzungsantrag bedarf es daher nicht.
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2. Die Beschwerde erweist sich indes der Sache nach als unbegründet. Der Antragsteller besitzt für seinen vorläufigen Rechtsschutzantrag, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, nicht die erforderliche Antragsbefugnis. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses.
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2.1 Auch aus der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, in welchen „eigenen Rechten“ der Antragsteller durch den Bescheid vom 16. September 2021 verletzt sein soll. Im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis gestaltet sich regelmäßig allein das Rechtsverhältnis zwischen dem Jugendamt und dem Personensorgeberechtigten öffentlich-rechtlich. Die Gewähr einer Jugendhilfemaßnahme wie im vorliegend Fall der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) erfolgt allein im Interesse des Hilfebedürftigen und entfaltet gegenüber dem tatsächlichen Leistungserbringer keinen Drittschutz. Dass mit der Beendigung einer Jugendhilfemaßnahme und Bewilligung einer neuen der bisherige Leistungserbringer seinen durch den Schuldbeitritt des Jugendhilfeträgers bewirkten Anspruch auf Kostentragung gegenüber letzterem verliert, stellt sich mithin als typischer Rechtsreflex dar. Dieser vermittelt keine Klage- bzw. Antragsbefugnis gegenüber dem jugendhilferechtlichen Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheid. Insbesondere steht, wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat (BayVGH, B.v. 21.1.2014 - 12 ZB 12.2766 = BeckRS 2014, 46226 Rn. 18), Pflegeeltern kein „Recht am Pflegekind“ zu, aus dem sich eine verwaltungsrechtliche Klagebefugnis gegenüber jugendhilferechtlichen Maßnahmen ableiten ließe.
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2.2 Soweit der Antragsteller im Rahmen der Beschwerdebegründung dahingehend argumentiert, zwischen der Pflegemutter Frau A. und dem Pflegekind R. sei es nicht einmal zu einer konkludent abgeschlossenen privatrechtlichen Vereinbarung über die Erbringung von Pflegeleistungen gekommen, da Frau A. nur bereit sei, über den Antragsteller und eingebettet in dessen Betreuung Pflegeleistungen zu erbringen, kann er damit ebenfalls keine Antragsbefugnis begründen. Denn zum einen erweist sich die Äußerung von Frau A., sie sei nur bereit, über den Antragsteller die Pflege von R. zu übernehmen, als „protestatio facto contraria“, da sie auch nach Ergehen des Änderungsbescheids vom 16. September 2021 weiterhin als Pflegemutter für R. tätig ist. Ein derartiger Widerspruch zum eigenen Handeln ist privatrechtlich regelmäßig unbeachtlich. Darüber hinaus käme es für den Fall, dass die Betreuung von R. an einem (privatrechtlichen) Mangel litte, wiederum nur dem Personensorgeberechtigten - hier dem Amtsvormund - zu, derartige Defizite gegenüber dem Jugendamt zu rügen und beispielsweise die Bestellung einer geeigneten Pflegemutter zu bewirken.
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2.3 Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht auf Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag berufen. Denn bei dem „fremden Geschäft“, das er über die von ihm auf Honorarbasis beschäftigte Frau A. geführt haben will - nämlich die Betreuung von R. N. im Rahmen eines Pflegeverhältnisses - handelt es sich nach den Grundsätzen des jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses nicht um ein öffentlich-rechtliches, sondern um ein privatrechtliches. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag wären daher vom Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. Eine Klagebefugnis gegen den Änderungsbescheid vom 16. September 2021 erwächst hieraus nicht.
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Die Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.
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3. Der Antragsteller trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben.
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Dieser Beschluss ist nach § 1552 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.