Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 11.08.2022 – Au 4 E 22.1513
Titel:

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen eine rechtskräftige Abmarkung

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
AbmG Art. 1 Abs. 1, Abs. 3, Art. 17 Abs. 2, Art. 21 Abs. 2 S. 2
Leitsätze:
1. Einem Antragsteller fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich aus einem Abmarkungsprotokoll ergibt, dass sämtliche damals ins Grundbuch eingetragenen Eigentümer des streitigen Grundstücks das Protokoll unterschrieben und somit die Abmarkung anerkannt haben. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es nicht Aufgabe der Katasterverwaltung über außerhalb des förmlichen Verfahrens betreffend die Feststellung der Grenzen entstandene Verschiebungen der Eigentumsgrenzen und daraus resultierende Streitigkeiten zwischen den Eigentümern zu entscheiden, sondern vielmehr Aufgabe der Zivilgerichtsbarkeit. (Rn. 20)  (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erlass einer einstweiligen Anordnung, Anordnungsgrund, Rechtsschutzbedürfnis, Einspruch, Abmarkung, Abmarkungsprotokoll, Abmarkungsbescheid, Gemarkung, Eigentümer, Grundbuch, Erbengemeinschaft, Nachlass, Liegenschaftskataster, Katasterverwaltung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 24.10.2022 – 19 CE 22.2173
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31502

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen Abmarkungshandlungen des Antragsgegners.
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Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. A. Im Jahr 1997 wurden Teilflächen aus dem (damaligen) Grundstück Fl.Nr. A der Gemarkung * herausgemessen. Dabei entstand das Grundstück Fl.Nr. A/1 und eine Teilfläche wurde dem Grundstück Fl.Nr. B/7 zugemessen. Die Ergebnisse der Vermessung und die vorgenommenen Abmarkungen wurden in einem Abmarkungsprotokoll festgehalten und mit der Unterschrift von … (wohl der Vater des Antragstellers) anerkannt.
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Im Jahr 2021 wurde eine weitere Teilfläche (jetzt Fl.Nr. A/2) aus dem Grundstück Fl.Nr. A/1 herausgemessen. Dem Antragsteller wurde die Abmarkung mit Abmarkungsbescheid vom 6. August 2021 bekanntgegeben.
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Bei einer Vermessung am 20. Juni 2022 wurden aufgrund des Antrages der Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. B/7 die beantragten Grenzpunkte überprüft. Alle Grenzpunkte waren vorhanden, drei der vorgefundenen Grenzsteine an der Grundstücksgrenze zum Grundstück Fl.Nr. A wurden aufgerichtet. Das Abmarkungsprotokoll wurde vom Antragsteller nicht unterschrieben. Ihm wurde mit Schreiben vom 22. Juni 2022 eine Abmarkungsnachricht über die Aufrichtung der schiefstehenden Grenzsteine zugesandt.
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Der Antragsteller erhob am 20. Juli 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 4 K 22.1512), über die noch nicht entschieden ist. Zugleich hat er „vorläufigen Rechtsschutz zu Abmarkierungen, Eigentumsübertragungen und jeglichen Änderungen bzgl. Grundstück A + A/1 + A/2“ verlangt.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich das gesamte (ehemalige) Grundstück Fl.Nr. A der Gemarkung * bis auf eine Privatentnahme von 500 m² im Sonderbetriebsvermögen seiner * befinde. Nach dem Tod seines Großvaters 1993 sei dieses Grundstück fälschlicherweise dessen Nachlass zugeordnet worden. Die Angaben im Nachlassverzeichnis hätten zu unrichtigen Bewertungen des Nachlassgerichts und deshalb zu unrichtigen Eigentumsverhältnissen geführt. Die Erbengemeinschaft hätte sich nur auf die privatisierten 500 m² beziehen dürfen. Laut Aussage des * des Amtes für * seien schon im Jahr 1997 Abmarkungen, Zerlegungen und Verschmelzungen aus Fl.Nr. A zu A/1 und B/7 mit Grenzsteinsetzungen erfolgt, die aus Sicht des Antragstellers zu Unrecht vorgenommen worden seien. Der erneute Antrag zur Abmarkung sei am 9. Juni 2022 gestellt worden, obwohl die Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. B/7 Kenntnis vom Einspruch des Antragstellers beim Amtsgericht * gehabt hätte und bis zum heutigen Zeitpunkt keinerlei Belege einer steuerlichen Entnahme von Betriebsvermögen bzw. einer Nutzungsänderung habe vorlegen können.
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Der Antragsgegner trat dem Antrag mit Schriftsatz vom 8. August 2022 entgegen. Für ihn ist (sinngemäß) beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Vermessung und Abmarkung im Jahr 1997 sei im Abmarkungsprotokoll durch Unterschrift anerkannt worden. Gegen den Abmarkungsbescheid vom 6. August 2021 habe der Antragsteller kein Rechtsmittel eingelegt. Der Antragsteller sei beim Vermessungstermin am 20. Juni 2022 zeitweise anwesend gewesen. Das Abmarkungsprotokoll habe er nicht unterschrieben, weshalb er mit Schreiben vom 22. Juni 2022 die Abmarkungsnachricht zur Bekanntgabe der Aufrichtung der schiefstehenden Grenzsteine erhalten habe. Nach Art. 17 Abs. 2 AbmG werde ein Abmarkungsbescheid beim Aufrichten von schiefstehenden Grenzzeichen nicht erteilt. Bei einer Abmarkungsnachricht handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt, denn sowohl die Abmarkungsart als auch die amtliche Lage der Grenzpunkte blieben unverändert. Der Nachweis über die Entstehung bzw. Änderung der Grundstücke Fl.Nrn. A, B/7, A/1 und A/2 und deren Abmarkungen seien einwandfrei und in den Katasterunterlagen lückenlos dokumentiert. Zudem seien Rechtsmittel gegen die hierfür erlassenen Verwaltungsakte verjährt. Aus den Katasterunterlagen sei nicht zu entnehmen, dass eine 500 m² große Fläche aus dem Grundstück Fl.Nr. A herausgemessen worden sei. Eventuelle Erbauseinandersetzungen hätten keinerlei Auswirkungen auf die am 20. Juni 2022 durchgeführten Vermessungen. Diese seien möglich gewesen, da die Katasterunterlagen exakt in Übereinstimmung mit dem Grundbuch vorliegen würden. Bestehe trotz nachgewiesenen Grenzen zwischen den Eigentümern Uneinigkeit bei den Eigentumsverhältnissen bzw. seien Grenzverläufe strittig, so sei dies der Klärung durch die Zivilgerichte vorbehalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
12
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Eine einstweilige Anordnung kann auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder eine drohende Gefahr zu verhindern oder aus sonstigen Gründen geboten ist (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Eine derartige Anordnung setzt voraus, dass ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) besteht und sich der Antragsteller auf einen Anordnungsanspruch berufen kann. Das Vorliegen beider Voraussetzungen ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). In der Regel darf im Anordnungsverfahren die Hauptsache nicht vorweggenommen werden, weil dieses Verfahren nur zur vorläufigen Sicherung der Ansprüche des Antragstellers dient und nicht zu deren Befriedigung. Das Gericht kann daher dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend nur vorläufige Regelungen treffen.
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Der Antrag ist bereits unzulässig, da ein Anordnungsgrund nicht geltend gemacht wurde. Die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Dringlichkeit der Sache liegt in aller Regel nur dann vor, wenn es dem Antragsteller im Verfahren gem. § 123 VwGO unter Berücksichtigung seiner Interessen nicht zumutbar ist, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (BayVGH, B.v. 16.4.2019 - 15 CE 18.2652 - juris Rn. 23 m.w.N.). Diese Dringlichkeit muss schlüssig dargelegt werden. Hierzu hat der Antragsteller nichts vorgetragen.
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2. Dessen ungeachtet wäre der Antrag jedenfalls unbegründet, weil weder ein Anord nungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurden.
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a) Es ist nicht ersichtlich, dass es dem Antragsteller nicht zugemutet werden könnte, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, sodass es an einem Anordnungsgrund fehlt.
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b) Darüber hinaus liegt auch kein Anordnungsanspruch vor.
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aa) Soweit sich der Antragsteller gegen die Abmarkung aus dem Jahr 1997 wendet, kann er hiergegen nicht gerichtlich vorgehen. Aus dem Abmarkungsprotokoll vom 24. Oktober 1997 ergibt sich, dass sämtliche damals ins Grundbuch eingetragene Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. A das Protokoll unterschrieben und somit die Abmarkung anerkannt haben. Damit fehlt dem Antragsteller diesbezüglich das Rechtsschutzbedürfnis (BayVGH, B.v. 9.7.2021 - 19 ZB 20.846 - juris Rn. 22).
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bb) Auch gegen die Abmarkung am 5. August 2021, die dem Antragsteller durch den Abmarkungsbescheid vom 6. August 2021 bekanntgegeben wurde, hat die Klage im Hauptsachverfahren voraussichtlich keinen Erfolg, da sie wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig ist. Gem. § 74 Abs. 1 VwGO muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden. Die erst am 20. Juli 2022 beim Verwaltungsgericht erhobene Klage war daher verspätet.
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cc) Unabhängig von der Frage, ob und ggf. inwiefern sich der Antragsteller gegen die Abmarkungsnachricht bzw. die diesen zugrundeliegenden Abmarkungshandlungen gerichtlich zur Wehr setzen kann, hat der Antragsteller insofern nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass diese Akte fehlerhaft erfolgt sind und er dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Auch die Antragserwiderung des Antragsgegners lässt einen solchen Schluss nicht zu. Zweifel an der Richtigkeit ergeben sich daher für das Gericht nicht.
20
dd) Sofern es dem Antragsteller um die Eigentumsverhältnisse und Grund stückszerlegungen im Übrigen geht, fallen solche Streitigkeiten, insbesondere solche über den Verlauf der Eigentumsgrenze, in die Zuständigkeit der Zivilgerichte (vgl. Art. 21 Abs. 2 Satz 2 AbmG). Es ist nicht Aufgabe der Katasterbehörden, im Rahmen der Katasterführung die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse zu klären. Für die Übernahme von Grenzen in das Liegenschaftskataster sind nicht die materiellen Eigentumsverhältnisse maßgeblich, wie sie sich etwa aufgrund von Gutglaubenserwerb oder Ersitzung verändern können, sondern allein die Grenzen, die verbindlich festgestellt worden sind. Nur diese Grenzen werden nachgewiesen (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 3 AbmG). Da es nicht Aufgabe der Katasterverwaltung ist, über außerhalb des förmlichen Verfahrens betreffend die Feststellung der Grenzen entstandene Verschiebungen der Eigentumsgrenzen und daraus resultierende Streitigkeiten zwischen den Eigentümern zu entscheiden, sondern vielmehr Aufgabe der Zivilgerichtsbarkeit (siehe hierzu auch VG Augsburg, B.v. 21.9.2021 - Au 4 K 21.1806, Au 4 E 21.1807 - Rn. 2), hat die Katasterverwaltung die festgestellten Grenzen solange nachzuweisen, bis diese Feststellung durch eine andere ersetzt wird (BayVGH, B.v. 9.7.2021 - 19 ZB 20.846 - juris Rn. 34).
21
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
22
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.