Inhalt

VG München, Beschluss v. 04.11.2022 – M 1 S 22.3439
Titel:

Beseitigungsanordnung für ein Nebengebäude im Vorgarten

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 31 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Je tiefer eine Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Weg der (Um-)planung möglich ist. Ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Rechtswidrige Zustände, die sich bei einer Vielzahl von Grundstücken ergeben, müssen nicht in jedem Fall flächendeckend bekämpft werden; die Bauaufsichtsbehörde darf sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe hat. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das besondere Vollzugsinteresse (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO) ist im Falle der Baubeseitigung grundsätzlich nicht mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch und im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 Abs. 1 und 2 VwGO grundsätzlich regelmäßig zu verneinen. Bei Beseitigungsanordnungen ist deshalb regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen. Selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung genügt in der Regel nicht, um deren sofortige Vollziehung zu begründen. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein besonderes öffentliches Interesse für die sofortige Beseitigung wird bei einfachen Anlagen (wie z. B. Feldstadel, Werbeanlagen etc.), die problemlos und ohne großen Aufwand, vor allem ohne Substanzverlust, ab- und ggf. später, sollte sich die Beseitigungsanordnung als rechtswidrig erweisen, wiederaufgebaut werden können, zu bejahen sein, weil durch die Beseitigung keine endgültigen, nicht wieder umkehrbaren Verhältnisse geschaffen werden. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtschutz, Beseitigungsanordnung, Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans, Besonderes Vollzugsinteresse (bejaht), Grundzüge der Planung, Ermessen, Gleichbehandlungsgebot, einfache Anlage
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.02.2023 – 1 CS 22.2482
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31441

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten um eine sofort vollziehbare Beseitigungsanordnung.
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Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks FlNr. 3230 Gem. …, das im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Nr. 5 E. …siedlung“ der Antragsgegnerin liegt. In dessen 1. Änderung vom 5. April 1995 ist Folgendes festgesetzt:
„5. Stellplätze, Garagen und sonstige Nebenanlagen
5.1 Stellplätze sind nach den geltenden Stellplatzrichtlinien der Stadt … auf dem jeweiligen Baugrundstück zu erstellen. Sie sind als oberirdische Stellplätze oder Garagen unmittelbar angrenzend an die Zufahrt mit Ausnahme der Vorgartenzone anzuordnen. Die Zufahrt zu Stellplätzen und Garagen ist bis max. 2,50 m Breite angrenzend an der seitlichen Grundstücksgrenze zulässig. Die Länge der Zufahrt ist bei Einzelhäusern bis zur Vorderkante des rückwärtigen Gebäudes, bei den winkelförmigen Doppelhäusern bist zur Hinterkante zulässig.
Alle befestigten Flächen insbesondere Stellplätze und Zufahrten sind auf ein Mindestmaß zu begrenzen und versickerungsfähig zu gestalten (Rasenpflaster, Rasengittersteine, wassergebundene Decke).
Nebengebäude wie z.B. Geräteschuppen, Gewächshäuser, Fahrradschuppen und Müllhäuschen sind bis insgesamt max. 10 qm Grundfläche pro Hauptgebäude zulässig und im Zusammenhang mit den Stellplätzen und Garagen an der Zufahrt anzuordnen.“
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Ferner setzt der Bebauungsplan bezüglich der zeichnerischen Festsetzung „Vorgartenzone“ Folgendes fest:
„6.2.1 Vorgärten Für die ausgewiesenen Vorgärten werden pro Grundstückszufahrt die Erhaltung oder Neupflanzung mindestens eines Laubbaumes festgesetzt. Zulässige Arten siehe Pflanzliste 6.3.2. Geschnittene Hecken sind bis zu einer Höhe von maximal 1,20 m zulässig. Freiwachsende Laubhecken sind bis zu einer Höhe von 2,0 m zulässig. Buntlaubige Laub- und Nadelgehölze sind unzulässig.“
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Im Rahmen einer Ortseinsicht stellte die Antragsgegnerin am 4. August 2021 fest, dass auf dem Grundstück in der Vorgartenzone ein Gebäude mit Maßen von 2,95 m x 3,85 m errichtet wurde. Mit Schreiben vom 15. November 2021 forderte die Antragsgegnerin die Antragsteller erstmals auf, das errichtete Gebäude zu beseitigen, weil es den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspreche. Dem begegneten die Antragsteller mit Schreiben vom … Januar 2022 und erklärten, dass es sich bei dem errichteten Gebäude mangels Dachs um eine Pergola handle, die genehmigungsfrei errichtet werden dürfe. Einer erneuten Beseitigungsaufforderung der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2022 kamen die Antragsteller ebenfalls nicht nach. 
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Mit Bescheid vom 1. Juni 2022, dem Bevollmächtigten der Antragsteller zugestellt am 10. Juni 2022, ordnete die Antragsgegnerin die Beseitigung des auf dem Grundstück errichteten Nebengebäudes bis spätestens 15. Juli 2022 (Nr. 1) und dessen sofortige Vollziehung (Nr. 3) an. Ferner wurde für den Fall der Nichterfüllung der Nr. 1 ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR angedroht (Nr. 2). Das Nebengebäude widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans. Es übersteige die maximal zulässige Quadratmeterzahl nach Nr. 5.1. Ferner befinde es sich unmittelbar in der Vorgartenzone. Derartige Nebengebäude dürften nach dem Bebauungsplan nur an der Zufahrt anzuordnen sein, die Vorgartenzone bleibe davon jedoch ausgenommen. Einem Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans könne ebenfalls nicht stattgegeben werden, weil die Grundzüge der Planung berührt würden. Das Plangebiet sei durch eine freigehaltene Vorgartenzone geprägt. Die sofortige Vollziehung der Beseitigungsanordnung habe angeordnet werden müssen, weil ein Hinauszögern vollendete Tatsachen schaffen würde und einen Anreiz für andere, gleichermaßen rechtswidrig zu verfahren, darstelle. Es habe bereits in der Vergangenheit vergleichbare Antragsbegehren gegeben, die abgelehnt worden seien.
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Dagegen ließen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten mit bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 8. Juli 2022 Klage erheben (Az. M 1 K 22.3437), über die noch nicht entschieden ist. Ferner beantragen sie mit gleichem Datum,
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die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Großen Kreisstadt …, Az. Amt … … … vom 01.06.2022 wiederherzustellen.
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Die Anordnung des Sofortvollzugs sei nicht hinreichend begründet. Die Begründung mache nicht deutlich, dass von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch gemacht werde. Die Interessenabwägung falle zu Gunsten der Antragsteller aus, weil der Bescheid rechtswidrig sei und die Antragsteller in ihren Rechten verletze. Der Bescheid vom 1. Juni 2022 sei bereits formell rechtswidrig, weil die Antragsteller zwar angehört, das Verfahren nach Art. 28 BayVwVfG jedoch nicht durchgeführt worden und die Ausführungen der Antragsteller im Bescheid nicht berücksichtigt bzw. gewürdigt worden seien. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Die bauliche Anlage sei verfahrensfrei. Es handle sich zudem nicht um ein Nebengebäude, das unter Nr. 5.1 des Bebauungsplans falle, weil es nicht überdeckt sei und damit kein Gebäude gemäß der Bayerischen Bauordnung darstelle. Die Anlage widerspreche selbst bei Annahme eines Nebengebäudes nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans. Sie sei unmittelbar an der Zufahrt und im Zusammenhang mit den Stellplätzen und der Garage errichtet worden. Die Festsetzungen in Nr. 5.1 und Nr. 6.2.1 enthielten kein Verbot, Nebengebäude innerhalb der Vorgartenzonen zu errichten. Ein Bauverbot ergebe sich auch nicht aus der Kombination der Festsetzungen zu Stellplätzen und Garagen und zu Nebengebäuden. Der gesamte Geltungsbereich enthalte kein Bauverbot; es seien auf zahlreichen Grundstücken im Umgriff - auch überdachte und überdeckte - bauliche Anlagen in der Vorgartenzone errichtet worden. Es finde sich zudem kein Ausschluss von Nebenanlagen im Sinne von § 23 Abs. 5 BauNVO. Die Festsetzungen bzgl. der Vorgartenzone seien aufgrund der Vielzahl errichteter Nebengebäude funktionslos geworden.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragsteller hätten mittlerweile einen Teil der Anlage entfernt, indem die Dachbedeckung abgenommen worden sei. Die sofortige Vollziehung sei hinreichend begründet worden. Die Begründung gehe auf den Einzelfall ein. Es sei die besondere Bedeutung des Siedlungscharakters mit der damit verbundenen Vorgartenzone hervorgehoben und auf die wiederkehrenden Versuche anderer Bauwerber, diese Vorgartenzone baulich zu nutzen, hingewiesen worden. Es handle sich auch nach Abnahme der ursprünglichen Dachabdeckung um ein Nebengebäude. Die Anlage weise weiterhin eine Tragkonstruktion für eine Dachdeckung auf und stelle sich von ihrer baulichen Ausprägung als Nebengebäude und nicht als Pergola dar. Es werde davon ausgegangen, dass das Gebäude zur Aufbewahrung von Müll und Fahrrädern genutzt werde, sodass es den beispielhaften Aufzählungen in Nr. 5.1 des Bebauungsplans entspreche. In der Vorgartenzone gebe es keine Bauraumfestsetzung. Die Festsetzung zur Zulässigkeit von Nebenanlagen ergebe sich aus der Vorgabe zur Situierung der Stellplätze und Garagen; dies sei nach Nr. 5.1 Satz 3 des Bebauungsplans gerade nicht in der Vorgartenzone zulässig. Die gestalterische Festsetzung in Nr. 6.2.1 bekräftige dies. Eine Gesamtschau ergebe den planerischen Willen der Antragsgegnerin zur Freihaltung der Vorgartenzone. Der Bebauungsplan sei nicht funktionslos. Das Gebiet sei eine ehemalige Reichsheimstättensiedlung. Ursprüngliche Zielsetzung sei gewesen, mit einer sparsamen Grunderschließung auszukommen und auf großen Grundstücken mit einer sehr kleinen Baustruktur die Möglichkeit zur eigenen Wohnnutzung, vor allem jedoch zur Eigenversorgung (gärtnerische Nutzung, Kleintierhaltung), zu schaffen. Im Zuge der 1. Änderung des Bebauungsplans habe diese besondere Siedlungsstruktur geschützt werden sollen. Die aufgeführten Beispiele für Nebengebäude im Umgriff seien insbesondere hinsichtlich der Größe nicht vergleichbar. Ferner seien die Anforderungen an die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans hoch. Das städtebauliche Ordnungsprinzip, gerade im Hinblick auf den Schutz des Vorgartenbereichs, gelte weiterhin.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte, auch im zugehörigen Hauptsacheverfahren M 1 K 22.3437, Bezug genommen.
II.
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Die zulässigen Anträge haben in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sind zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2022 ist entfallen, weil sie in Nr. 3 des Bescheids die sofortige Vollziehbarkeit der Beseitigung in Nr. 1 angeordnet hat.
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2. Die Anträge sind jedoch unbegründet.
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Das Gericht der Hauptsache kann gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die vorzunehmende, eigene Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Maßgeblich dafür sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt nach vorläufiger Betrachtung hingegen als voraussichtlich rechtmäßig, so ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Ausgehend davon ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende summarische Prüfung, dass die Klagen keine Erfolgsaussichten haben, da der angefochtene Verwaltungsakt - der Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2022 - voraussichtlich rechtmäßig ist.
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a) Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Es müssen also die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 55).
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Die Begründung der Antragsgegnerin unter II. (Seite 3) des Bescheids genügt diesen Anforderungen. Sie hat die Notwendigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs u.a. mit einer Anreizwirkung für andere Bauherren und der Schaffung eines Bezugsfalls begründet, weil es in der Vergangenheit bereits mehrfach vergleichbare Antragsbegehren gegeben habe. Ob die Begründung zutreffend ist, kann an dieser Stelle dahinstehen; auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung kommt es für die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs nicht an.
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b) Nach der im Verfahren des Eilrechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung haben die Klagen der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2022 voraussichtlich keinen Erfolg. Die Anordnung der Beseitigung des errichteten Nebengebäudes ist danach rechtmäßig. Das Zwangsgeld begegnet ebenfalls keinen Bedenken, sodass der Bescheid nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt das Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen.
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aa) Die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 des Bescheids ist rechtmäßig.
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(1) Die Anordnung erweist sich nach summarischer Prüfung als formell rechtmäßig, insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Anhörung der Antragsteller.
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Gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist einem Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Anhörung ist dabei formfrei; wie sie im Einzelnen erfolgen soll, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 44).
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Die Antragsteller wurden vor Erlass des Bescheids angehört. Die Antragsgegnerin gab ihnen mehrmals Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach der Ortseinsicht vom 4. August 2021 wurden die Antragsteller zunächst mit Schreiben vom 15. November 2021 aufgefordert, das Gebäude zu beseitigen. Nach weiterem Schriftwechsel wurden die Antragsteller mit Schreiben vom 31. Januar 2022 erneut zur Beseitigung aufgefordert; dies zudem mit dem Zusatz, dass im Falle der Nichtbefolgung eine Beseitigungsanordnung ergehe. Unter dem 6. Mai 2022 nahm schließlich der Bevollmächtigte der Antragsteller Stellung und legte seine Rechtsauffassung dar. Ob die dortigen Ausführungen im Bescheid berücksichtigt wurden, ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Anhörung. Eine Anhörung gemäß Art. 28 BayVwVfG fand somit statt.
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(2) Auch in materieller Hinsicht ist die Beseitigungsanordnung nicht zu beanstanden.
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Rechtsgrundlage der angefochtenen Anordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Eine Errichtung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist nach herrschender Meinung (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 146. EL 2022, Art. 76 Rn. 79 m.w.N.) gegeben, wenn für das Vorhaben weder die erforderliche Baugenehmigung vorliegt (formelle Illegalität), noch das Vorhaben genehmigungsfähig ist (materielle Illegalität).
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(a) Das streitgegenständliche Gebäude ist formell baurechtswidrig. Gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen grundsätzlich der Baugenehmigung. Unabhängig von der Frage der Verfahrensfreiheit der Anlage ist das Gebäude bereits deshalb formell baurechtswidrig, weil es den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht (s.u.) und damit einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB, Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO bedarf.
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(b) Die errichtete Anlage ist darüber hinaus auch materiell baurechtswidrig, weil sie den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht (aa) und eine Befreiung von den Festsetzungen nicht in Betracht kommt (bb).
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(aa) Das Gebäude widerspricht der Festsetzung Nr. 5.1 des Bebauungsplans „Nr. 5 E* …siedlung“ der Antragsgegnerin in der Fassung der 1. Änderung vom 5. April 1995, wonach gemäß dessen Nr. 5.1 Satz 3 Nebengebäude wie z.B. Geräteschuppen, Gewächshäuser, Fahrradschuppen und Müllhäuschen bis insgesamt max. 10 m² Grundfläche pro Hauptgebäude zulässig und im Zusammenhang mit den Stellplätzen und Garagen an der Zufahrt anzuordnen sind.
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(aaa) Bei der errichteten Anlage handelt es sich um ein Nebengebäude, das von der Festsetzung umfasst ist. Entgegen der Auffassung der Antragsteller kommt es dabei schon nicht auf die Definition des Art. 2 Abs. 2 BayBO an, wonach Gebäude selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen sind, die von Menschen betreten werden können. Die Festsetzung im Bebauungsplan hat seine Grundlage nicht im Bauordnungsrecht, für das die Definition gilt. Zudem definiert selbst Art. 2 Abs. 2 BayBO lediglich „Gebäude“ und nicht „Nebengebäude“. Entscheidend ist alleine, dass es sich bei der Anlage im Umkehrschluss zur Festsetzung, wie vorliegend, nicht um ein Hauptgebäude handelt. Dies ist hier der Fall, insbesondere spricht alles dafür, dass es als Geräteschuppen, Fahrradschuppen und/oder Müllhäuschen konzipiert ist und damit schon von der beispielhaften Aufzählung der Festsetzung umfasst ist. Auf die in den Akten befindlichen Lichtbilder (Bl. 34 ff. d. BA) wird Bezug genommen - insbesondere auf Bl. 37 sind ein im Gebäude befindliches Fahrrad und eine Mülltonne erkennbar.
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(bbb) Die Anlage widerspricht der Festsetzung in Nr. 5.1 Satz 3 des Bebauungsplans bereits deshalb, weil es mit Maßen von 2,95 m x 3,85 m ca. 11,4 m² - und damit mehr als die zulässigen 10 m² - misst.
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(ccc) Ob die Anlage der o.g. Festsetzung auch deshalb widerspricht, weil nach dem Bebauungsplan die Vorgartenzone vollständig von Bebauung freizuhalten ist, kann dahinstehen. Ohne dass es hierauf somit entscheidungserheblich ankäme, hat das Gericht jedoch Bedenken bezüglich einer derartigen Auslegung der Festsetzung.
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Nach Nr. 5.1 Satz 1 des Bebauungsplans sind Stellplätze oder Garagen unmittelbar angrenzend an die Zufahrt anzuordnen, dies jedoch mit Ausnahme der Vorgartenzone. Daraus folgt, dass die Vorgartenzone jedenfalls von Stellplätzen oder Garagen freizuhalten ist. Nach Satz 3 der Festsetzung sind Nebengebäude (…) im Zusammenhang mit den Stellplätzen und Garagen an der Zufahrt anzuordnen. Es erscheint zweifelhaft, ob damit auch ein Verbot von Nebengebäuden in der Vorgartenzone einhergeht. Auf ein solches lässt sich aus der Festsetzung nicht ohne weiteres schließen. Der Plangeber hat dies - anders als für Stellplätze und Garagen, Satz 1 - so nicht ausdrücklich geregelt. Die Nebengebäude sind vielmehr „an der Zufahrt“ anzuordnen. Die Einschränkung „mit Ausnahme der Vorgartenzone“ findet sich gerade nicht. Vielmehr bleibt fraglich, wo genau im Falle der Freihaltung der Vorgartenzone ein derartiges Nebengebäude nach dem Bebauungsplan zulässig wäre. In Betracht käme wohl nur eine Platzierung der Stellplätze und Garagen dergestalt hinter die Vorgartenzone, dass ein Nebengebäude noch im Zusammenhang mit den Stellplätzen und Garagen an der Zufahrt, gleichwohl außerhalb der Vorgartenzone, errichtet werden könnte.
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(ddd) Die Festsetzung Nr. 5.1 ist auch nicht nachträglich funktionslos geworden.
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Eine bauplanerische Festsetzung tritt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wegen Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (grundlegend BVerwG, U.v. 29.4.1977 - IV C 39/75 - juris). Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (BVerwG, U.v. 28.4.2004 - 4 C 10/03 - juris Rn. 15).
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Eine derartige Situation liegt hier nicht vor. Aus dem Plan gemessen hat das Plangebiet eine Länge und Breite von jeweils ca. 400 m. Nach dem aktuellen Lageplan umfasst es ca. 100 Flurstücke. Die vom Bevollmächtigten der Antragsteller vorgelegten Lichtbilder zu weiteren Nebenanlagen im Plangebiet beschränken sich auf 15 Nebenanlagen. Zudem können die dort befindlichen Nebenanlagen nicht ohne Weiteres mit der Nebenanlage der Antragsteller verglichen werden. So sind diese ausweislich der Lichtbilder größtenteils deutlich kleiner. Überdies ist die jeweilige Genehmigungssituation - insbesondere die Frage, ob für die übrigen Nebenanlagen womöglich eine Befreiung hinsichtlich der Größe erteilt worden ist - ungewiss. Insgesamt genügen diese wenigen und nicht eindeutig vergleichbar in Widerspruch zur Festsetzung Nr. 5.1 stehenden Fälle nicht, um angesichts der Größe des Plangebiets, der Gesamtlänge der Vorgartenzone und der Anzahl der von ihr betroffenen Grundstücke annehmen zu können, dass im Bebauungsplangebiet die tatsächliche Entwicklung einen Zustand erreicht hätte, der nach der vorgenannten strengen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einem in die Fortgeltung der Festsetzung Nr. 5.1 gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nehmen würde.
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(eee) Ob die Anlage gemäß § 23 Abs. 5 BauNVO zulässig ist, wonach bei fehlender Festsetzung im Bebauungsplan Nebenanlagen auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden können, kann somit ebenfalls dahinstehen.
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(bb) Die Anlage ist auch nicht deshalb materiell baurechtmäßig, weil eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt werden könnte. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung Nr. 5.1 liegen nicht vor. Nach § 31 Abs. 2 BauGB ist die Erteilung einer Befreiung ungeachtet weiterer Voraussetzungen nur zulässig, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Dies ist hier jedoch der Fall.
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(aaa) Das festgesetzte Höchstmaß von 10 m² für Nebengebäude stellt einen Grundzug der Planung dar. Mit den Grundzügen der Planung umschreibt das Gesetz die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu Grunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt (BVerwG, B.v. 19.5.2004 - 4 B 35/04 - juris). Hierzu gehören die Planungsüberlegungen, die für die Verwirklichung der Hauptziele der Planung sowie den mit den Festsetzungen insoweit verfolgten Interessenausgleich und damit für das Abwägungsergebnis maßgeblich sind (BayVGH, U.v. 30.3.2009 - 1 B 05.616 - BauR 2009, 1414).
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Davon ausgehend stellt das festgesetzte Höchstmaß von Nebengebäuden einen Grundzug der Planung dar. Die Festsetzung gilt für sämtliche im Plangebiet liegenden Grundstücke. Der Begründung des Bebauungsplans ist auch zu entnehmen, dass die Freihaltung der Vorgartenzone von übermäßig großen Nebengebäuden eine wichtige Zielvorstellung der Gemeinde war (vgl. Nrn. 5.1 und 6.2.1 der textlichen Festsetzung), um den Charakter als ehemalige Reichsheimstättensiedlung zu bewahren. Dafür spricht auch, dass die zulässigen Nebengebäude im Zusammenhang mit den Stellplätzen und Garagen an der Zufahrt anzuordnen sind, um eine Zerstreuung der versiegelten Flächen auf dem Grundstück zu vermeiden.
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(bbb) Eine Befreiung würde auch diesen Grundzug der Planung im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB berühren. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Weg der (Um-)planung möglich ist. Ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 2 B 14.2817 - juris).
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Daran gemessen würde eine Befreiung von der Festsetzung Nr. 5.1 des Bebauungsplans die Grundzüge der Planung berühren. Das streitgegenständliche Nebengebäude besitzt nach den Feststellungen in der Ortseinsicht Maße von 2,95 m x 3,85 m und damit ca. 11,4 m². Es überschreitet das festgesetzte Höchstmaß um ca. 15%. Insoweit handelt es sich nicht um eine bauliche Anlage, die das mit der Festsetzung verfolgte städtebauliche Ziel nicht nennenswert beeinträchtigt. Nach seiner Größe gehört das Gebäude ersichtlich zu denjenigen Nebenanlagen, die die Antragsgegnerin gerade nicht zulassen wollte und das für die übrigen im Plangebiet liegenden Grundstücke, auf denen ebenfalls Nebengebäude in der Vorgartenzone höchstens 10 m² messen dürfen, eine negative Vorbildwirkung hat.
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(c) Der Bescheid begegnet keinen Bedenken hinsichtlich der Ermessensausübung der Antragsgegnerin.
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Eine dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Ermessensausübung kommt in Betracht, wenn eine Behörde ihr Ermessen ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausübt. Rechtswidrige Zustände, die sich bei einer Vielzahl von Grundstücken ergeben, müssen indes nicht in jedem Fall flächendeckend bekämpft werden, vielmehr darf sich die Bauaufsichtsbehörde auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe hat (BayVGH, B.v. 8.1.2020 - 1 ZB 19.1540 - juris Rn. 7). Gemessen daran stellt sich das Handeln der Antragsgegnerin nicht als willkürlich dar. Sie hat dargelegt, dass die Folgen für die Grundzüge der Planung den Folgen für die Antragsteller überwögen. In der Vergangenheit seien ähnliche Begehren abgelehnt worden, um den Siedlungscharakter mitsamt der Vorgartenzone zu bewahren. Dies stellt, zusammen mit der im Bescheid dargelegten Erwägung, dass von dem Nebengebäude eine erhebliche Bezugsfallwirkung ausgehe, einen sachlichen Grund dar.
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c) Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung.
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Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist für die Anordnung des Sofortvollzugs ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich. Die Vollziehung des Verwaltungsakts muss wegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen besonders dringlich sein und keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dulden (BayVGH, B.v. 23.8.2012 - 15 CS 12.130 - juris Rn. 12). Eine baurechtliche Beseitigungsanordnung ist in aller Regel eine schwerwiegende Maßnahme, deren Vollzug dem Betroffenen Kosten verursacht und in der Regel nur mehr schwer rückgängig zu machende Zustände schafft. Ihr Gewicht wird durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstärkt, weil dadurch die Entscheidung in der Hauptsache im Kern vorweggenommen wird (BayVGH, B.v. 6.10.2000 - 2 CS 98.2373 - juris Rn. 16). Erforderlich ist deshalb ein besonderes Vollzugsinteresse, das im Falle der Baubeseitigung grundsätzlich nicht mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch ist und regelmäßig im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 Abs. 1 und 2 VwGO grundsätzlich zu verneinen sein wird (Decker in Simon/Busse, BayBO, 144. EL September 2021, BayBO, Art. 76 Rn. 332 ff.). Bei Beseitigungsanordnungen ist deshalb regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (BayVGH, B.v. 28.3.2007 - 1 CS 06.3006 - juris Rn. 27). Selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung genügt in der Regel nicht, um deren sofortige Vollziehung zu begründen (BayVGH, B.v. 30.1.2019 - 9 CS 18.2533 - juris Rn. 25).
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Von dem Grundsatz, dass der Sofortvollzug einer Beseitigungsanordnung die Hauptsache in unangemessener Weise vorwegnimmt, hat die Rechtsprechung jedoch Ausnahmen zugelassen. Ein besonderes öffentliches Interesse für die sofortige Beseitigung wird bei einfachen Anlagen (wie z. B. Feldstadel, Werbeanlagen etc.), die problemlos und ohne großen Aufwand, vor allem ohne Substanzverlust, ab- und ggf. später, sollte sich die Beseitigungsanordnung als rechtswidrig erweisen, wiederaufgebaut werden können, zu bejahen sein, weil durch die Beseitigung keine endgültigen, nicht wieder umkehrbaren Verhältnisse geschaffen werden. Damit läuft auch der effektive Rechtsschutz nicht leer (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 76 Rn. 343 m.w.N.). Vorliegend handelt es sich ausweislich der in den Behördenakten befindlichen Lichtbilder (Bl. 35 ff. d. BA) um einen in einfacher Bauweise errichteten Schuppen. Er besteht aus einem Metallgestell, dessen Streben durch Holzbretter verbunden sind. Das Welldach wurde laut den Angaben der Antragsgegnerin ohnehin bereits abgenommen. Diese Umstände lassen darauf schließen, dass der Aufwand des Rückbaus gering ist und die Baumaterialien im Wesentlichen wiederverwendet werden können. Die Anlage kann daher ohne größeren Substanzverlust beseitigt werden. Hinzu kommt, dass die Anlage aufgrund ihrer Größe von der Straße aus deutlich in Erscheinung tritt und vollständig einsehbar ist. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass in der Gegend um das Vorhaben immer wieder Schwarzbauten aufgenommen würden, die bauaufsichtlich weiterverfolgt werden müssen. Es besteht damit die konkrete Gefahr, dass das Vorhaben Nachahmer nach sich zieht (BayVGH, B.v. 19.3.2019 - 1 CS 18.2340 - juris Rn. 21), weil bei einem Abwarten bis zur Bestandskraft der Eindruck entstehen könnte, derartige Zustände würden - zumindest vorübergehend - von der Verwaltung hingenommen. Nach alledem setzt sich das öffentliche Interesse an der Entfernung gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Antragsteller am weiteren Bestand durch.
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d) Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des angegriffenen Bescheids begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken hinsichtlich ihrer Höhe von 2.000,00 EUR (aa) und der gesetzten Frist zur Beseitigung bis 15. Juli 2022 (bb), mithin innerhalb von ca. fünf Wochen ab Bescheidszugang.
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aa) Gemäß Art. 31 Abs. 2 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro, wobei das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen soll. Das wirtschaftliche Interesse ist gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 3 VwZVG nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen. Die Antragsgegnerin hat das Zwangsgeld unter Berücksichtigung mehrfacher Aufforderungen zur Beseitigung vor Bescheidserlass und des Umfangs der Baumaßnahme in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
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bb) Nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ist bei der Androhung der Vollstreckung für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Eine Frist ist angemessen und zumutbar, wenn sie einerseits das behördliche Interesse an der Dringlichkeit der Ausführung berücksichtigt und andererseits dem Betroffenen die nach der allgemeinen Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen (BayVGH, B.v. 1.4.2016 - 15 CS 15.2451 - juris Rn. 26 m.w.N.). Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Die Beseitigung der einfach gehaltenen baulichen Anlage erfordert nach allgemeiner Lebenserfahrung keinen besonderen Aufwand, der nicht innerhalb von ca. fünf Wochen zu bewältigen wäre.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, im Hinblick auf die Personenmehrheit auf Antragstellerseite zudem auf § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Es erscheint angemessen, den für die Hauptsache anzunehmenden Streitwert von 5.000,00 EUR im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.