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VG München, Urteil v. 11.10.2022 – M 1 K 20.6732
Titel:

Baueinstellungsverfügung, Außenbereich, Feldstadel, Baugenehmigungspflicht des Gesamtbauvorhaben

Normenkette:
BayBO Art. 75 S. 1
Schlagworte:
Baueinstellungsverfügung, Außenbereich, Feldstadel, Baugenehmigungspflicht des Gesamtbauvorhaben
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31439

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen eine Baueinstellung, die der Beklagte wegen der Errichtung eines Feldstadels im Außenbereich verfügt hat.
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Der Kläger führt einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb. Zu seinen bewirtschafteten Flächen gehört das Außenbereichsgrundstück FlNr. 1295 Gem. … (Vorhabengrundstück).
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Der Kläger beantragte unter dem ... Oktober 2019 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau einer landwirtschaftlichen Berge-/Maschinenhalle und einer Grüngutlagerfläche mit Sickerwasserbehälter auf dem Vorhabengrundstück. Hierzu nahm das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten E. (AELF) unter dem 8. Mai 2020 ablehnend Stellung. Bei der in der Halle beabsichtigten Weiterverarbeitung von nur 8 ha eigenem Getreide und 20 ha zugekauftem Getreide liege keine Privilegierung vor. Bei dem geplanten neuen Betriebszweig der Herstellung von Biodünger liege zwar eine zumindest überwiegende Verarbeitung oder Veredelung selbsterzeugter Produkte vor. Jedoch sei das Vorhaben nicht äußerlich erkennbar dem landwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet. Mit Schreiben vom ... Juni 2020 nahm der Kläger den Bauantrag zurück.
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Mit Schreiben vom … Mai 2020 zeigte der Kläger der Gemeinde die Errichtung einer nach seiner Auffassung verfahrensfreien Grüngutlagerfläche mit Sickerwasserbehälter auf dem Vorhabengrundstück an. Ausweislich der Planunterlagen vom 20. Mai 2020 soll eine befestigte Fläche in einer Größe von 30 m auf 40 m, eine angeböschte Betonmauer von 2 m Höhe und 40 m Länge, ein Sickerwasserbehälter von 49 m³, eine geschotterte Hoffläche sowie eine Waage errichtet werden. Mit Bescheid vom 10. Juli 2020 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Kläger die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an. Hiergegen hat der Kläger Klage (M 1 K 20.3424) erhoben.
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Bei einer Baukontrolle am 23. November 2020 stellte das Landratsamt fest, dass auf dem Vorhabengrundstück eine Bodenplatte errichtet wird. Nach Auskunft des Klägers werde eine Halle von 100 m² und einer Dachfläche von 140 m² errichtet werden. Die Bauarbeiten wurden mündlich eingestellt.
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Mit Bescheid vom 24. November 2020 ordnete das Landratsamt die sofortige Einstellung der Bauarbeiten zur Errichtung eines Feldstadels auf dem Vorhabengrundstück an (Nr. 1) und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 EUR an (Nr. 2). Neben einer Kostenentscheidung zulasten des Klägers (Nr. 3) wurde der Sofortvollzug angeordnet (Nr. 4). Am 23. November 2020 habe das Landratsamt festgestellt, dass Bauarbeiten zur Errichtung eines Feldstadels begonnen worden seien. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sei das Vorhaben genehmigungspflichtig; ob eine Verfahrensfreiheit vorliege, sei nicht abschließend geklärt. Fraglich sei, ob das Vorhaben dem Betrieb des Klägers diene. Es sei höchst zweifelhaft, warum der Kläger an dieser Stelle ein Gebäude benötige und auf welche Weise das dem Betrieb diene. Bereits in der Vergangenheit habe der Kläger an dieser Stelle den Neubau einer Grüngutlagerfläche zur Weiterentwicklung seines Betriebes beantragt. Die Planungen seien mehrfach abgeändert worden, trotzdem habe keine Dienlichkeit festgestellt werden können. Der Bescheid wurde dem Kläger am 25. November 2020 zugestellt.
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Mit Schreiben vom … November an das Landratsamt wandte sich der Kläger gegen die Baueinstellung und berief sich hierbei auf die Verfahrensfreiheit des Bauvorhabens. Der Feldstadel sei zur Lagerung von frischem Strauchgut und Hackschnitzel gedacht, anschließend erfolge hieraus die Aufbereitung von Dünger auf der daneben liegenden Stelle. Am Stadel solle auch der Umsetzer, der zur Düngeraufbereitung benötigt werde und der keine Straßenzulassung habe, untergebracht. Ferner würden Maschinen dort gelagert sowie Heu, das von dort direkt weiterverkauft werde. Somit sei an der Hofstelle mehr Platz zur Getreidelagerung.
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Der Kläger hat am … Dezember 2020 Klage erheben lassen und beantragt,
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Der Bescheid vom 24. November 2020 wird aufgehoben.
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Der Zweck der Feldscheune sei es, dort anfallende Erntegüter wie Hackschnitzel, Heu oder Stroh sowie Maschinen zu lagern, die etwa keine Straßenzulassung hätten und nur am Feld eingesetzt würden. Das Gebäude werde ca. 800 m von der Hofstelle entfernt errichtet; an diesem Feld befinde sich ¾ der gesamten Eigentumsfläche, also 15 ha. Außerdem sei es durch das hohe Verkehrsaufkommen risikoreich, diese Einlagerungen an der Hofstelle durchzuführen. Die Scheune habe keine Fenster und Türen, es sei auch kein Wasser und Stromanschluss vorhanden. Es werde auf Rechtsprechung Bezug genommen, wonach für einen Nebenerwerbsbetrieb eine Hütte zum Unterstellen benötigter Geräte in unmittelbarer Nähe der zu bearbeitenden Flächen für zulässig erachtet worden sei.
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Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Bei Inanspruchnahme der Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nummer 1 Buchst. c BayBO müsse das Gebäude auch dem Betrieb dienlich sein. Diesbezüglich bestehe nach wie vor erheblicher Klärungsbedarf. Es gebe widersprüchliche Aussagen zu dessen geplanter Nutzung. Neben den Angaben des Klägers zur geplanten Nutzung führe das AELF auch die Lagerung von Hühnermist an. In einer neuerlichen Stellungnahme vom 28. September 2022 gebe das AELF an, dass der Stadel hauptsächlich zum Unterstellen des Kompostwenders ohne Straßenzulassung verwendet werden solle. Es sei fraglich, ob ein vernünftiger Landwirt einen Stadel abseits der Hofstelle errichten würde. Die nicht am Standort benötigten Maschinen oder auch Lagergut würden sinnvollerweise bei der Hofstelle untergebracht, wo auch noch Platz sei. Allein für die Unterbringung des Kompostwenders sei die Größe des Vorhabens unplausibel. Solange die Klagepartei nicht die geplante Nutzung geklärt habe, könne dies nicht abschließend beurteilt werden.
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Die Anfechtungsklage Az. M 1 K 20.3424 gegen den Baueinstellungsbescheid vom 10. Juli 2020 hat die Kammer mit Urteil vom 11. Oktober 2022 abgewiesen.
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Zu Inhalt und Verlauf der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2022 wird auf die Niederschrift, zu dem Vortrag im Übrigen und den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Baueinstellungsbescheid vom 24. November 2022, mit dem die mündlich ergangene Baueinstellung bestätigt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage für die Baueinstellungsverfügung ist Art. 75 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.
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1. Mit dem Feldstadel wird eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet. Die Einstellung von Bauarbeiten kann grundsätzlich bei jedem sowohl materiellen als auch formellen Verstoß gegen Vorschriften verfügt werden, die vom Anwendungsbereich des Art. 75 BayBO erfasst werden. Hier ist jedenfalls von formeller Illegalität auszugehen, weil das Vorhaben einer Baugenehmigung bedarf, die nicht vorliegt.
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a) Der Feldstadel ist nicht verfahrensfrei zulässig; insbesondere ist der Tatbestand des
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Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO nicht einschlägig.
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Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO sind freistehende Gebäude ohne Feuerungsanlagen verfahrensfrei zulässig, wenn sie einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, nur eingeschossig und nicht unterkellert sind, höchstens 100 m² Bruttogrundfläche und höchstens 140 m² überdachte Fläche haben und nur zu Unterbringung von Sachen oder zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt sind.
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Zwar entspricht die vom Kläger vorgetragene beabsichtigte Größe dem Tatbestand. Jedoch ist der Stadel nicht isoliert zu betrachten. Er ist Bestandteil eines Gesamtbauvorhabens, das baugenehmigungspflichtig ist und daher auch den Stadel einschließt.
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aa) Die Genehmigungsfrage ist immer einheitlich für die gesamte bauliche Maßnahme zu stellen. Eine Aufspaltung einer einheitlichen Baumaßnahme in einen genehmigungspflichtigen und einen genehmigungsfreien Teil ist somit unzulässig. Ist auch nur ein (kleiner) Teil einer Baumaßnahme genehmigungspflichtig, so zieht das die Genehmigungspflicht für die gesamte Maßnahme nach sich (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 146. EL Mai 2022, Art. 55 Rn. 33m.w.N.). Um ein Gesamtbauvorhaben handelt es sich, wenn die einzelnen Baumaßnahmen räumlich, zeitlich und funktional miteinander verbunden sind (BayVGH, B.v. 12.12.2018 - 1 ZB 17.936 - juris Rn. 3).
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bb) Der hier streitgegenständliche Stadel ist Teil des Vorhabens der Errichtung einer sogenannten Grüngutlagerfläche mit Sickersaftbehälter, Betonmauer und Waage.
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Der Konnex der Baumaßnahmen ist zum einen räumlich gegeben, als beide Vorhaben auf demselben Grundstück, und zwar nebeneinander angeordnet (vgl. S. 13 des vom Kläger in Auftrag gegebenen und vorgelegten Gutachtens von Dr. B.. … vom 8. April 2022), errichtet werden sollen. Der zeitliche Zusammenhang liegt vor, als der Kläger innerhalb weniger Wochen mit beiden Baumaßnahmen begann. Schließlich sind die Vorhaben auch funktional miteinander verknüpft, als der Kläger den streitgegenständlichen Stadel zumindest auch für den Betrieb der Grüngutlagerfläche nutzen möchte. In dem Stadel sollen unter anderem Erntegut und Hackschnitzel gelagert werden, die auf der benachbarten Anlage zu Dünger weiterverarbeitet werden sollen. Ferner soll der Umwender zur Bewirtschaftung der Grüngutlagerfläche dort gelagert werden. Im Übrigen hat der Kläger selbst mit seinem ersten Bauantrag, den er schließlich zurücknahm, einen Zusammenhang der einzelnen Baumaßnahmen untereinander hergestellt, als er die Genehmigung für die Errichtung einer Grüngutlagerfläche und den Neubau einer landwirtschaftlichen Berge-/Maschinenhalle beantragte.
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Somit ist der Feldstadel in seiner Genehmigungsfrage nicht isoliert, sondern zusammen mit den übrigen Baumaßnahmen beurteilt werden.
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cc) Der Feldstadel ist als Teil des Gesamtbauvorhabens genehmigungspflichtig.
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Bezüglich des Vorhabens der Errichtung der Grüngutlagerfläche mit Sickersaftbehälter, Betonmauer und Waage hat die Kammer die Genehmigungspflicht bejaht. Hierzu wird auf die Begründung des Urteils im Verfahren Az. M 1 K 20.3424 (dort Rn. 22 ff.) vom 11. Oktober 2022 Bezug genommen. Dies zieht auch die Genehmigungspflicht des Feldstadels nach sich.
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dd) Daher kommt es auch nicht maßgeblich darauf an, ob die übrigen Voraussetzungen von Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO vorliegen, namentlich, ob das Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers dient.
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2. Die Anordnung erging auch ansonsten rechtmäßig, insbesondere weist der Bescheid keine Ermessensfehler auf. Bei Bauarbeiten ohne notwendige Genehmigung ist von einem intendierten Ermessen auszugehen (vgl. BayVGH B.v. 16.9.2013 -14 CS 13.1383 - juris Rn. 8), also vom regelhaften Erlass einer Baueinstellung bei Erfüllung des Tatbestands. Dabei stellt eine Baueinstellung in der Regel nur eine vorläufige Maßnahme dar und bleibt von ihrer Eingriffsintensität her hinter der Beseitigungsanordnung oder der Nutzungsuntersagung zurück. Ihr steht auch nicht entgegen, dass dem Bauherrn wirtschaftliche Nachteile entstehen. Dem Bauherrn ist es vielmehr zuzumuten, mit der Fortsetzung der Bauarbeiten zuzuwarten, bis die baurechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens festgestellt ist.
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3. Gegen die Zwangsgeldandrohung und die Kostenentscheidung im angefochtenen Bescheid hat die Klagepartei keine spezifischen Einwände erhoben; sie begegnen im Übrigen auch keinen rechtlichen Bedenken.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 ZPO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.