Titel:
Ertfolglose Nachbarklage gegen Lagerhalle im Gewerbegebiet
Normenketten:
BauGB § 1 Abs. 7, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2
BauNVO § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 1
BImSchG § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1
BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 1b
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Verletzung von Nachbarrechten ist dann gegeben, wenn die Unbestimmtheit einer Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft oder wenn infolge der Unbestimmtheit nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben den geprüften nachbarschützenden Vorschriften entspricht bzw. in welchem Umfang der Nachbar durch das Vorhaben in seinen drittschützenden Rechten betroffen ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Beurteilung einer Lärmbelastung kommt der TA Lärm als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit diese für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung werden grundsätzlich generell und unabhängig davon, ob der Nachbar durch die gebietswidrige Nutzung unzumutbar oder auch nur tatsächlich spür- und nachweisbar beeinträchtigt wird, schon kraft bundesrechtlicher Vorgabe als drittschützend angesehen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ob der Plangeber eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden, denn ein Bebauungsplan dient zunächst öffentlichen Interessen, weshalb seine Festsetzungen in erster Linie aus städtebaulichen Gründen getroffen werden. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
baurechtliche Nachbarklage, Lager- und Abstellhalle im Gewerbegebiet, Bestimmtheit der Baugenehmigung, Rücksichtnahmegebot, Nachbarklage, drittschützende Normen, Baurecht, Bebauungsplan, Gewerbegebiet, Baugenehmigung, Befreiung, Baugrenze, Bestimmtheitsgebot, Lagerhalle, Abstellhalle, Nutzungsart
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31130
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich als Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nrn. …15, …3 und …3 der Gemarkung S* … gegen die der Beigeladenen mit Bescheid vom 30. Juni 2021 erteilte Baugenehmigung für die „Errichtung einer Lager- und Abstellhalle“ auf dem Grundstück Fl.Nr. …14 der Gemarkung S* …, I* B* … 22, 9* … S* … (Baugrundstück).
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1. Die Grundstücke der Klägerin Fl.Nrn. …15 und …3 grenzen in südöstlicher Richtung unmittelbar an das Baugrundstück an. Wiederum östlich davon befindet sich das Grundstück Fl.Nr. …3 der Gemarkung S* … mit dem Wohnhaus der Klägerin. Für diesen Bereich existiert kein Bebauungsplan. Das Baugrundstück, welches sich im Eigentum des Marktes S* … befindet, liegt dagegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „S* … …“ i.d.F. der 2. Änderung vom 28. Januar 2012, der an dieser Stelle ein beschränktes Gewerbegebiet (GEb3) ausweist. Entsprechend der Ausweisung von Geräuschkontingenten im Bebauungsplan sind hier Betriebe und Anlagen zulässig, deren Schallemissionen die Emissionskontingente LEK nach DIN 45691 von 57 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts nicht überschreiten. Darüber hinaus ist an der Grenze des Baugrundstücks am nordöstlich gelegenen Rand des Bebauungsplangebiets hin zu den Grundstücken Fl.Nrn. …15 und …3 die Errichtung eines Lärmschutzwalles mit einer Höhe von ca. 3,0 m vorgesehen. Der Bebauungsplan enthält im Rahmen der textlichen Erläuterung der Festsetzungen unter Ziffer 1.1.2 (a.E.) die Regelung, dass bei der Ermittlung der Schallemissionen die gemeindlich erbrachten Lärmschutzmaßnahmen nicht lärmmindernd angesetzt werden dürfen.
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Nachdem ein Antrag der Beigeladenen vom 13. Januar 2021 auf Erteilung eines Vorbescheids zurückgenommen worden war, beantragte die Beigeladene mit Bauantrag vom 1. März 2021, eingegangen beim Landratsamt Bad Kissingen am 19. April 2021, die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Lager- und Abstellhalle auf dem Baugrundstück Fl.Nr. …14. Laut Betriebsbeschreibung vom 17. Mai 2021 (ergänzt durch E-Mail vom 20. Mai 2021 und Schreiben vom 11. Juni 2021) soll die Halle als Lagerhalle für L* … aller Art dienen. Nach den vorgelegten Planunterlagen soll das Baugrundstück (4.055 m²) neu eingemessen und geteilt werden. Die Fläche für den Lärmschutzwall an der südöstlichen Grenze soll herausgenommen werden und im Eigentum der Gemeinde verbleiben; die restliche Gewerbefläche, die die Beigeladene zu erwerben beabsichtigt, beträgt sodann 3.270 m².
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Der Markt S* … hatte mit Beschluss vom 13. April 2021 das gemeindliche Einvernehmen erteilt.
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Mit Bescheid vom 30. Juni 2021 erteilte das Landratsamt Bad Kissingen der Beigeladenen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die Baugenehmigung für die „Errichtung einer Lager- und Abstellhalle“. Von den Festsetzungen des Bebauungsplans „S* … …“ wurde antragsgemäß eine Befreiung hinsichtlich der Überschreitung der südwestlichen und geringfügig der nordwestlichen Baugrenze erteilt.
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In den Bescheid sind als Nebenbestimmungen (vgl. Ziffer II. des Bescheidtenors) u.a. folgende „Auflagen“ aufgenommen worden:
1. Der Nachweis der Grundstücksteilung bzw. -neubildung (Herausnahme des Bereiches für den Lärmschutzwall) ist dem Landratsamt Bad Kissingen innerhalb von 4 Monaten ab Bestandskraft dieses Bescheids vorzulegen. […]
5. Die Betriebszeit ist auf den Zeitraum von 6:00 bis 22:00 Uhr zu beschränken.
6. Tätigkeiten in der Nachtzeit sind nicht zulässig.
7. Ins freie führende Fenster, Türen und Tore sind geschlossen zu halten.
8. Die im Gutachten der Fa. W* … vom 14.06.2021 (Berichtsnummer: …*) genannten Bauschalldämm-Maße sind einzuhalten.
9. Alle lärmerzeugenden Anlagenteile sind dem jeweils aktuellen Stand der Lärmschutztechnik entsprechend auszuführen und sorgfältig zu warten. […]
11. Die Aufnahme der Nutzung der Lager- und Abstellhalle darf erst dann erfolgen, wenn die gemäß Bebauungsplan „S* … …“ vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen (Lärmschutzwälle und -wände) fertiggestellt sind. […]
2. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2021, eingegangen per Fax bei Gericht am 16. Juli 2021, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,
Der Genehmigungsbescheid des Landratsamtes Bad Kissingen vom 30. Juni 2021, AZ: … zugestellt am 2. Juli 2021, wird aufgehoben.
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Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in deren Rechten. Der Bescheid sei bereits formal unwirksam. Die Auflagen unter Ziffern 1. und 11. lägen nicht im Verantwortungsbereich des Genehmigungsempfängers, sondern richteten sich auch bzw. alleine an einen Dritten, die Gemeinde S* …, welche mitwirken bzw. alleine tätig werden müsse. Die Gemeinde habe die Lärmschutzmaßnahmen allerdings trotz zwischenzeitlicher baulicher Umsetzung von im Plangebiet liegenden weiteren Nutzungen bis heute nicht begonnen und daher auch nicht beendet. Dennoch werde vorliegend eine Baugenehmigung erteilt und damit das Recht zu bauen eröffnet. Der vorrangige Weg, zunächst die Gemeinde zur Umsetzung der Lärmschutzmaßnahmen anzuhalten und dann eine Genehmigung zu erteilen, werde nicht eingehalten. Dies führe dazu, dass der Nachbarschutz umgangen werde. Ziffer 11. der Auflagen spreche zwar die Errichtung der Lärmschutzmaßnahmen an, gebe jedoch ein vorheriges Baurecht. Formal sei die Gemeinde, deren gemeindliches Einvernehmen aus den vorgenannten Gründen in dessen Rechtwirksamkeit in Frage zu stellen sei, im Hinblick auf die erteilten Auflagen nicht bzw. nicht unmittelbar beteiligt. Aus diesem Grund sei der Bescheid auch als unbestimmt anzusehen. Die Unbestimmtheit führe neben der ansonsten gegebenen materiellen Rechtswidrigkeit dann bereits zur formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, wenn dieser unverständlich und deshalb undurchführbar oder nicht erkennbar sei, wer durch ihn verpflichtet werden solle. Ferner sei aus dem Bescheid selbst nicht ersichtlich, welche Lärmschutzmaßnahmen mit dem Begriff „Lärmschutzwälle und -wände“ konkret gemeint seien. Auch sei der nachfolgende Unterhalt der Lärmschutzwälle nicht geregelt.
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Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Die bereits im Genehmigungsverfahren angesprochenen Probleme, u.a. die Verantwortlichkeiten für die Errichtung des Lärmschutzes, blieben ungelöst und würden in die Nebenbestimmungen der Baugenehmigung verlagert. Es könne jedoch nicht angenommen werden, dass durch die Aufnahme der Nebenbestimmungen die Einhaltung der vorgegebenen Rechtsnormen gesichert werde. Die Vorgaben der Bauleitplanung, bezogen auf die Errichtung der Lärmschutzmaßnahmen seien nicht eingehalten, was aber Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung sei. Die nachbarschützenden Rechtspositionen seien durch die verfahrensgegenständliche Baumaßnahme im Hinblick auf die Festlegungen der Bauleitplanung zu Art und Maß der baulichen Nutzung sowie im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme auch im Übrigen verletzt. Vorliegend gehe es um ein direktes Nebeneinanderliegen von Wohnbebauung und gewerblichen Nutzungen. Diesbezüglich werde auf die Einwendungen und die Schriftsätze zur Bauleitplanung selbst Bezug genommen. Daneben würden die weiteren Festsetzungen der Bauleitplanung nicht eingehalten. So solle die Baugrenze um erhebliche Werte an der Süd-West-Seite und an der Nord-West-Seite überschritten werden. Darüber hinaus seien die Bezeichnung des Bauvorhabens als „Lager- und Abstellhalle“ sowie die Betriebsbeschreibung missverständlich bzw. unbestimmt. Die sich in der Bauakte befindlichen immissionsschutzrechtlichen Begutachtungen seien auch in anderen Punkten widersprüchlich bzw. ungenau (z.B. Leerlaufbetrieb von KFZ, Öffnung bzw. Geschlossenhalten der Tore, Anzahl der Stellplätze). Nicht unerwähnt bleiben solle des Weiteren die sich aus der Dimensionierung des Bauvorhabens ergebende Veränderung der Lichtverhältnisse zum Nachteil der Klägerin, die zumindest in den Herbst- und Wintermonaten eine Verschattung des Anwesens der Klägerin herbeiführen könne. Aus all dem resultierten nachteilige Eingriffe zuungunsten der Klägerin und Rechtsverletzungen aufgrund der - ohnehin nicht genügenden - Planvorgaben und deren nicht gesicherter Umsetzung. Hervorgehoben sei hierbei das Gebot der Rücksichtnahme sowie der Grundrechtsschutz aus Art. 14 GG.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 2. September 2021 und vom 4. März 2022 verwiesen.
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3. Das Landratsamt Bad Kissingen beantragte für den Beklagten,
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Zur Begründung wurde vorgebracht, dass die Klage nicht begründet sei, weil die Klägerin durch die Baugenehmigung vom 30. Juni 2021 nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sei. Entgegen der Darstellung der Klägerin lägen die im streitgegenständlichen Bescheid genannten Nebenbestimmungen im Verantwortungsbereich des Genehmigungsempfängers. Auflage Nr. 11 regele, dass die Aufnahme der Nutzung der Lager- und Abstellhalle erst erfolgen dürfe, wenn die im Bebauungsplan „S* … …“ vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen fertiggestellt seien. Diese Auflage richte sich explizit an die Bauherrin und fordere eine Unterlassung, für die im Falle einer Nichtbefolgung auch Zwangsgeld angedroht und verhängt werden könne. Die Bauherrin habe mit Schreiben vom 4. Oktober 2021 ausdrücklich ihr Einverständnis mit der Auflage Nr. 11 erklärt. Bezüglich der Auflage Nr. 1 bleibe festzustellen, dass das Grundstück in seiner Gesamtheit noch im Eigentum des Marktes S* … stehe und die Vertragsverhandlungen zum Grundstückserwerb sich nur auf den nordwestlichen Teil des Grundstücks bezögen, wie im genehmigten Bauplan dargestellt. Auch hier habe es die Bauherrin beim Grundstückserwerb also selbst in der Hand, zur Erfüllung der Auflage Nr. 1 beizutragen. Hinsichtlich der Lärmsituation bleibe festzustellen, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans „S* … …“, der für das Baugrundstück (GEb3) reduzierte Emissionskontingente von 57 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts festsetze, unter Beachtung der in der Baugenehmigung festgelegten immissionsschutzrechtlichen Auflagen sicher eingehalten würden. Dies treffe unabhängig von der zusätzlichen gemeindlichen Lärmschutzmaßnahme (Lärmschutzwälle und -wände) zu. Der entsprechende Nachweis werde in dem von der Bauherrin vorgelegten Lärmschutzgutachten der Fa. W* … vom 14. Juni 2021 (Berichtsnummer: …*) erbracht. Das Lärmschutzgutachten sei für den „Worstcase“ erstellt worden und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der Betreiberangaben die tatsächlichen Geräuschemissionen geringer als berechnet sein würden, insbesondere auch weil die Abschirmwirkung der Halle nicht berücksichtigt worden sei. In Auflage Nr. 11 der Baugenehmigung sei festgelegt, dass die gemäß Bebauungsplan „S* … …“ vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen vor der Nutzungsaufnahme fertiggestellt sein müssten. Dies sei aus dem Bebauungsplan (Plandarstellung in Verbindung mit den textlichen Festsetzungen unter Ziffer 1.1.14) eindeutig zu erkennen. Insofern sei in der Baugenehmigung genau definiert, welche Lärmschutzwälle und Lärmschutzwände konkret gemeint seien. Da es sich um einen gemeindlichen Bebauungsplan handele, sei der Markt S* … zur Herstellung sowie zum Unterhalt des Lärmschutzwalls und der -wände verpflichtet. Die vom Vertreter der Klägerin angeführte Argumentation, dass das Vorhaben unzulässig sei, weil die festgelegten Lärmschutzmaßnahmen Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung seien, sei nicht zutreffend. Bezüglich des Baugenehmigungsverfahrens sei geregelt, dass die Einhaltung des für das Baugrundstück zulässigen Lärmkontingents auf dem Baugrundstück durch ein Lärmgutachten nachzuweisen sei (Ziff. 1.1.2 Bebauungsplan „S* … …, 2. Änd.“). Dieses sei im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens vorgelegt worden. Die Einhaltung der zulässigen Emissionen auf dem Baugrundstück sei nachgewiesen worden. Auf die zusätzlichen gemeindlichen Lärmschutzmaßnahmen (Lärmschutzwälle und -wände) komme es insoweit nicht an. Diese sollten einen zusätzlichen, über die Einhaltung der Lärmwerte hinausgehenden Schutz bieten. Insbesondere sollten sie auch der optischen Trennung von Gewerbe und Wohnen dienen. Dem Trennungsgrundsatz solle dadurch Rechnung getragen werden. Vor diesem Hintergrund sei es vertretbar, wenn der Lärmschutzwall parallel zum Bauvorhaben errichtet werde und die Nutzungsaufnahme von der Fertigstellung des Walles abhängig gemacht werde. Ungeachtet dessen habe der Markt S* … mehrfach versichert, dass die Maßnahme nun zügig umgesetzt werde. Im Übrigen halte das genehmigte Vorhaben die Festsetzungen des Bebauungsplans bis auf die Überschreitung der südwestlichen Baugrenze sowie geringfügig der nordwestlichen Baugrenze ein. Hierfür sei im Rahmen der Baugenehmigung eine Befreiung erteilt worden. Die im Bebauungsplan „S* … …“ betroffene Festsetzung, von der in der Baugenehmigung befreit worden sei, weise nach den erkennbaren Umständen keine nachbarschützende Tendenz auf. Weder aus den Festsetzungen des Bebauungsplans „S* … …“ selbst noch aus der Begründung einschließlich der Verfahrensakte zur Bauleitplanung ergäben sich Anhaltspunkte für eine nachbarschützende Wirkung der festgesetzten Baugrenzen. Im Übrigen werde die Baugrenze zu den Grundstücken der Klägerin hin gar nicht überschritten. Die nachbarlichen Interessen der Klägerin würden also insoweit nicht unzumutbar beeinträchtigt, da keine qualifizierte Störung vorliege. Insgesamt werde dem Nachbarschutz dahingehend Rechnung getragen, dass für die jeweiligen Teilbereiche des Bebauungsplangebiets Lärmemissionskontingente festgelegt worden seien, deren Einhaltung der Bauherr im Rahmen der Genehmigungsplanung nachweisen müsse. Das sei hier erfolgt. Das Gebot der Rücksichtnahme sei somit unter keinem Gesichtspunkt verletzt. Bauordnungsrechtlich sei festzustellen, dass die Abstandsflächen insbesondere zum Grundstück der Klägerin hin eingehalten seien.
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4. Die Beigeladene äußerte sich inhaltlich zum Klagevortrag nicht und stellte keinen Klageantrag.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Bad Kissingen vom 30. Juni 2021 ist unbegründet.
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Ein Nachbar hat nicht schon dann einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung, wenn diese objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr muss der Nachbar durch die Baugenehmigung in seinen eigenen Rechten verletzt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn Normen verletzt sind, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dienen, mithin drittschützenden Charakter haben (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2013 - 14 ZB 13.1193 - juris). Eine solche Verletzung der Klägerin in drittschützenden Rechten liegt hier nicht vor.
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1. Soweit der Klägerbevollmächtigte reklamiert, die Baugenehmigung verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg.
17
Eine Baugenehmigung kann Rechte des Nachbarn verletzen, wenn sie hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist und daher im Falle der Umsetzung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist. Ein Dritter kann sich dann auf eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit mit der Folge eines entsprechenden Abwehranspruchs berufen, soweit der Bestimmtheitsmangel eine Regelung betrifft, die ihre Grundlage in einer zum Prüfprogramm des konkreten bauaufsichtlichen Verfahrens gehörenden und gerade dem Schutz dieses Dritten dienenden materiell-rechtlichen Norm hat, und der Dritte infolge des Bestimmtheitsmangels auch insoweit qualifiziert und individualisiert betroffen ist, als er nicht feststellen kann, ob bzw. in welchem Maße eine Verletzung dieser drittschützenden Norm durch die Genehmigung möglich scheint (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris Rn. 16; B.v. 29.4.2015 - 2 ZB 14.1164 - juris Rn. 6). Eine Verletzung von Nachbarrechten ist also dann gegeben, wenn die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft oder wenn infolge der Unbestimmtheit einer Baugenehmigung nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben den geprüften nachbarschützenden Vorschriften entspricht bzw. in welchem Umfang der Nachbar durch das Vorhaben in seinen drittschützenden Rechten betroffen ist (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: 144. EL Sept. 2021, Art. 68 Rn. 255; BayVGH, B.v. 9.4.2019 - 9 CS 18.2200 - juris Rn. 23).
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Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes ist die Baugenehmigung des Landratsamts Bad Kissingen vom 30. Juni 2021 nicht zu unbestimmt. Insbesondere fehlt es nicht an inhaltlich so umfassenden und konkreten Bauantragsunterlagen, dass eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden könnte. Eine Baugenehmigung ist diesbezüglich nur dann aufzuheben, wenn wegen des Fehlens oder der Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt werden können und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205; U.v. 16.10.2013 - 15 B 12.1808 - beide juris).
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Vorliegend ist der Inhalt der Baugenehmigung durch Auslegung jedoch eindeutig zu bestimmen, insbesondere soweit der Umfang der genehmigten Nutzung der Lager- und Abstellhalle betroffen ist. Wie im streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid ausgeführt ist, liegen der Genehmigung die eingereichten und vom Landratsamt geprüften Bauvorlagen zugrunde. Daraus ergibt sich, dass die Betriebsbeschreibung sowie die immissionsschutzfachlichen Stellungnahmen und Gutachten den Umfang der Baugenehmigung bestimmen. Die Betriebsbeschreibung vom 17. Mai 2021 (Bl. 32 der Bauakte) erweist sich nach den Ergänzungen vom 20. Mai 2021 (Bl. 34 der Bauakte) und 11. Juni 2021 (Bl. 48 der Bauakte) als hinreichend konkret. Hieraus ergibt sich insbesondere die Art des Betriebs als Lagerhalle für Logistikware aller Art sowie die Anzahl der Anlieferungen durch LKW und Kleintransporter; ferner wird klargestellt, dass kein Leerlaufbetrieb von PKW und kein Nachtbetrieb erfolgt. Dementsprechend sind auch die die Lärmbelastung regulierenden und damit nachbarrechtsrelevanten Nebenbestimmungen im Bescheid vom 30. Juni 2021, die die Modalitäten des Betriebs betreffen, ausreichend bestimmt. Die Betriebszeit ist auf die Tagzeit von 6.00 bis 22.00 Uhr begrenzt; Tätigkeiten in der Nachtzeit sind untersagt (Auflagen Ziffern 5 und 6). Fenster, Türen und Tore der Halle, die ins Freie führen, sind geschlossen zu halten (Auflage Ziffer 7). Die Nutzungsaufnahme und damit die betriebliche Nutzung der Halle darf erst erfolgen, wenn die im Bebauungsplan „S* … …“ vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen fertiggestellt sind (Auflage Ziffer 11).
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Dabei ist die Auflage unter Ziffer 11 auch insoweit ausreichend konkret formuliert, als auf die „gemäß Bebauungsplan ‚S* … …‘ vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen (Lärmschutzwälle und -wände)“ verwiesen wird. Die Formulierung und folglich die Aussage dieser Nebenbestimmung ist eindeutig. Der Bebauungsplan „S* … …“ weist lediglich die im östlichen Bereich des Bebauungsplangebiets befindlichen Lärmschutzwälle und -wände aus, die sich zunächst in nord-südliche und sodann in ost-westliche Richtung (zwischen dem Bereich G* … und G***) erstrecken. Andere Lärmschutzmaßnahmen im Sinne von Schutzwänden bzw. Schutzwällen sind nicht vorgesehen. Dieser Bereich lässt sich anhand der zeichnerischen Festsetzungen im *-P* … und der zugehörigen Beschreibung zu den „Festsetzungen nach § 9 BauGB und Art. 81 BayBO“ unter Ziffern 1.1.14 und 1.2.3 des Bebauungsplans klar abgrenzen. Die Auflage unter Ziffer 11 des Bescheids ist dabei aufgrund des eindeutigen Hinweises auf den Bebauungsplan „S* … … so zu lesen, dass die Fertigstellung der Lärmschutzmaßnahmen in ihrer Gesamtheit in Bezug genommen wird. Ferner ergibt sich aus der Regelung unter Ziffer 1.2.3 im Bebauungsplan, dass sich der Lärmschutzwall auf einer öffentlichen Fläche befindet und somit dessen Erstellung und Unterhaltung nicht in die Zuständigkeit des jeweiligen privaten Grundstückseigentümers, sondern in die Zuständigkeit der Gemeinde fällt. Weitere Ausführungen im Bebauungsplan nehmen hierauf Bezug (vgl. etwa S. 12 der Begründung des Bebauungsplans: „die von der Gemeinde erbrachten Lärmschutzmaßnahmen“ oder S. 5 des Umweltberichts zum Bebauungsplan: „Da der gemeindliche Lärmschutzwall eine gemeindliche Maßnahme darstellt, …“).
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Im Ergebnis sieht die Kammer daher keine Bedenken gegen die Bestimmtheit der streitgegenständlichen Baugenehmigung.
22
2. Das Vorhaben der Beigeladenen ist bauplanungsrechtlich zulässig. Nach Überzeugung der Kammer ist ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1a BayBO) nicht gegeben.
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2.1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, da das Vorhaben im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „S* … …“ in der Fassung der 2. Änderung vom 28. Januar 2012 liegt.
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Nach diesem qualifizierten Bebauungsplan erweist sich das streitgegenständliche Vorhaben als allgemein zulässig nach § 30 Abs. 1 BauGB, denn es widerspricht nicht den Festsetzungen dieses Bebauungsplans über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen. Das Vorhaben weicht lediglich hinsichtlich der südwestlichen Baugrenze und geringfügig hinsichtlich der nordwestlichen Baugrenze von der Regelung des Bebauungsplans ab, wofür jeweils eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt wurde.
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2.2. Bezüglich der Art der baulichen Nutzung ist festzustellen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben auf Errichtung einer Lager- und Abstellhalle um ein nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO (Gewerbebetrieb aller Art; Lagerhaus) allgemein zulässiges Vorhaben handelt.
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Die angefochtene Baugenehmigung verstößt - entgegen der Ansicht der Klägerseite - auch nicht gegen das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Nach § 15 Abs. 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang und Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
27
Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22/75 - juris) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die der Klägerin aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihr als Nachbarin billigerweise noch zumutbar ist (vgl. Henkel in BeckOK BauNVO, Spannowsky/Hornmann/Kämper, 29. Ed., Stand: 15.4.2022, § 15 Rn. 34).
28
Das streitgegenständliche Bauvorhaben verletzt nach diesen Maßstäben das Rücksichtnahmegebot nicht. Die anhand des Rücksichtnahmegebots durchzuführende Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Klägerin dem Interesse der Beigeladenen an der Verwirklichung des Vorhabens keine überwiegenden eigenen Interessen entgegenzusetzen hat.
29
Zu beachten ist zunächst, dass im Rahmen des § 30 BauGB eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme über § 15 Abs. 1 BauNVO nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Denn i.d.R. ist eine sachgerechte Umsetzung des Rücksichtnahmegebots bereits in der den einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) enthalten. Eine Konfliktlösung im Baugenehmigungsverfahren über das Gebot der Rücksichtnahme setzt daher voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist. Je konkreter eine Festsetzung ist, desto geringer ist die Gestaltungsfreiheit für den Betroffenen und damit auch der Spielraum für die Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO. Nur soweit der Bebauungsplan selbst noch keine abschließende planerische Entscheidung enthält, ermöglicht das Rücksichtnahmegebot eine „Nachsteuerung“ im Baugenehmigungsverfahren. Festsetzungen eines Bebauungsplans können folglich über das Gebot der Rücksichtnahme nur ergänzt, nicht aber korrigiert werden (Decker in Jäde/Dirnberger, BauGB - BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 15 BauNVO Rn. 5 m.w.N. insb. zur Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts).
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2.2.1. Soweit - wie vorliegend - ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Lärmimmissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2019 - 15 ZB 17.2529 - juris Rn. 15 m.w.N.). Bei der Beurteilung einer Lärmbelastung kommt der TA Lärm als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit diese für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2019 - 15 CE 18.2652 - juris Rn. 26 m.w.N.). Für die Einhaltung der aus §§ 3, 22 BImSchG folgenden Verpflichtung, das Vorhaben so zu errichten und zu betreiben, dass von ihm keine das zulässige Maß überschreitenden schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, hat die Baugenehmigungsbehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu sorgen. Dabei können auch Auflagen in einer Baugenehmigung, die für den Betrieb der genehmigten Anlage die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte anordnen, ausreichend sicherstellen, dass die zugelassene Nutzung keine für die Nachbarschaft unzumutbaren und damit gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßenden Lärmimmissionen hervorruft (BayVGH, B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - juris Rn. 11).
31
Schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm sind vorliegend nicht zu erwarten. In der Genehmigungsplanung wurde nachgewiesen, dass die im Bebauungsplan festgelegten Geräuschkontingente durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Bauvorhabens eingehalten werden (vgl. Ziffer 1.1.2 der „Festsetzungen nach § 9 BauGB und Art. 81 BayBO“ im *-P* … „S* … *I“).
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Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist es der Beigeladenen gelungen, durch das Gutachten der Firma „W* … E* … G* … + C** …“ (im Folgenden: „…*) vom 14. Juni 2021 (Bl. 54 ff. der Bauakte) nachzuweisen, dass bei Betrachtung der streitgegenständlichen Nutzung des Baugrundstücks die für das Baugrundstück laut Bebauungsplan zulässigen Emissionen unterschritten werden und die Auflagen des Bebauungsplans zum Schallimmissionsschutz eingehalten werden (vgl. Bl. 58 der Bauakte; Rückseite). Die fachtechnische Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde am Landratsamt Bad Kissingen vom 10. Juni 2021 (Stand: 22.6.2021; vgl. Bl. 69 der Bauakte) bestätigt dieses Ergebnis und konstatiert, dass bei Einhaltung der im Einzelnen aufgeführten Maßgabenvorschläge aus immissionsschutzfachlicher Sicht keine Bedenken gegen die Errichtung der streitgegenständlichen Halle bestehen.
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Nach Ansicht der Kammer kann diesem Ergebnis gefolgt werden. Die abgestufte Prüfung der Lärmimmissionen im Bebauungsplan und im (nun nachfolgenden) Genehmigungsverfahren stellt sicher, dass am Wohnhaus der Klägerin die zulässigen Lärmimmissionswerte für ein Dorf- bzw. Mischgebiet nicht überschritten werden. Das ergibt sich aus Folgendem:
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Der Bebauungsplan „S* … …“ in der Fassung von Januar 2012 sieht die Einführung von Emissionskontingenten vor (im hier betroffenen Bereich G* … 57 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts). In der Genehmigungsplanung des konkreten Bauvorhabens ist sodann die Einhaltung der festgelegten Geräuschkontingente nachzuweisen (vgl. Ziffer 1.1.2 der „Festsetzungen nach § 9 BauGB und Art. 81 BayBO“ im *-P* … „S* … …“). Die Ermittlung der zulässigen Geräuschkontingente im Bebauungsplan wiederum beruht auf einem Gutachten der Firma W* … vom 5. Februar 2010, welches des Weiteren feststellt, dass mit den genannten Emissionskontingenten am zu schützenden MD-Gebiet die für die Bauleitplanung maßgebenden Orientierungswerte unter Berücksichtigung der Vorbelastung eingehalten werden. Dabei war das Anwesen der Klägerin Fl.Nr. …3 (M* … *) als maßgeblicher Immissionsort als nächstgelegene zu schützende Nutzung explizit in die Untersuchung einbezogen. Indem nun im konkreten Genehmigungsverfahren der Lager- und Abstellhalle gutachterlich der Nachweis erbracht wurde, dass die zulässigen Geräuschkontingente im Rahmen der Umsetzung des streitgegenständlichen Vorhabens eingehalten werden, und dies auch von der Fachbehörde bestätigt wurde, ist schlüssig dargelegt, dass am Wohnhaus der Klägerin eine Überschreitung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm ausgeschlossen ist. Eine weitergehende „Untersuchung“ der Problematik Lärm war daher nicht erforderlich. In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass etwa Prognoseberechnungen in Form von Gutachten nur dann im Rahmen einer Bauvorlage verlangt werden können, wenn die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen ernsthaft in Frage steht (BayVGH, B.v. 3.6.2016 - 15 BV 15.2441 - juris Rn. 20 ff.). Zwingend ist eine solche Anforderung im Umkehrschluss nicht. Die Genehmigungsbehörde kann vielmehr aufgrund einer plausiblen Einschätzung auf eine „tiefergehende“ Untersuchung im Sinne einer Prognoseberechnung verzichten. Eine solche plausible Einschätzung ist hier ungeachtet der vorliegenden Gutachten jedenfalls durch die Untere Immissionsschutzbehörde hinreichend erfolgt.
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Sichergestellt ist die Einhaltung der zulässigen Immissionswerte zusätzlich durch die Festlegung verschiedener Nebenbestimmungen im Bescheid vom 30. Juni 2021. Diese „Auflagen“ sind geeignet, unzumutbare Störungen der Klägerin durch Lärm auszuschließen; insbesondere sind die Auflagen realisierbar und kontrollierbar, soweit die Betriebszeit auf den Zeitraum von 6:00 bis 22:00 Uhr zu beschränken ist (Ziffer 5), Tätigkeiten in der Nachtzeit unzulässig sind (Ziffer 6), die ins Freie führenden Fenster, Türe und Tore geschlossen zu halten sind (Ziffer 7) und die im Gutachten Fa. W* … vom 14. Juni 2021 genannten Bauschalldämm-Maße einzuhalten sind (Ziffer 8).
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Soweit der Klägerbevollmächtigte in diesem Zusammenhang die Rechtmäßigkeit der Auflage Ziffer 11 im streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid (Nutzungsaufnahme erst nach Fertigstellung der im *-P* … vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen) anzweifelt, kann er damit nicht durchdringen. Die Frage, ob die Auflage Ziffer 11 im streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid (Nutzungsaufnahme erst nach Fertigstellung der im *-P* … vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen) zulässig bzw. erforderlich ist, um unzumutbare Beeinträchtigungen durch Lärm auszuschließen, muss vorliegend nicht entschieden werden. Der Bebauungsplan „S* … …“ regelt in Ziffer 1.1.2 in den „Festsetzungen nach § 9 BauGB und Art. 81 BayBO“ nämlich ausdrücklich, dass bei der Ermittlung der Schallemissionen die gemeindlich erbrachten Lärmschutzmaßnahmen nicht lärmmindernd angesetzt werden dürfen. Davon sind in Umsetzung der Vorgaben des Bebauungsplans auch die Stellungnahmen zu den Lärmemissionen und -immissionen im Verfahren ausgegangen. D.h. die vorhandenen Berechnungen in den gutachterlichen Stellungnahmen gelangen ungeachtet der Auflage in Ziffer 11 des Genehmigungsbescheids zu dem Ergebnis, dass die Lärmrichtwerte eingehalten sind. Demnach kommt es nicht entscheidungserheblich auf die Errichtung des Lärmschutzwalls an. Wie sich aus dem Umweltbericht zur 2. Bebauungsplanänderung „S* … …“ (vgl. dort S. 5) ergibt, ist davon auszugehen, dass der Lärmschutzwall bei der Ermittlung des Gewerbelärmaufkommens der einzelnen Ansiedler keine Berücksichtigung finden solle, da der Lärmschutzwall eine gemeindliche Baumaßnahme darstellt und durch den Wall nur eine geringfügige Reduzierung des Gewerbelärmaufkommens zu erwarten ist (vgl. Fa. W* …, Ergänzung der Schallimmissionsprognose vom 5.2.2010, Bericht vom 23.5.2011, S. 3).
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Im Ergebnis kann es daher im vorliegenden Verfahren einer Nachbarklage dahinstehen, ob die Auflage in Ziffer 11 des streitgegenständlichen Bescheids rechtmäßig ergangen ist. Der Grund ist - wie bereits dargelegt - zum einen darin zu sehen, dass die Lärmrichtwerte am Anwesen der Klägerin ungeachtet des Lärmschutzwalles und der Lärmschutzwand nachweislich eingehalten sind, zum anderen darin, dass sich die Klägerin nicht auf Rechtswidrigkeit der Regelung in der Auflage unter Ziffer 11 berufen kann, da diese sich für die Klägerin als lediglich begünstigend und nicht belastend darstellt und daher eine Rechtsbeeinträchtigung der Klägerin durch diese Nebenbestimmung ausscheidet. Allenfalls die Beigeladene als Bauherrin, der eine Nutzung der Halle erst nach Fertigstellung der Lärmschutzmaßnahmen durch die Gemeinde ermöglicht wird, hätte Anlass zu fragen, inwieweit die Nebenbestimmung in Ziffer 11 mit Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG und Art. 68 Abs. 1 BayBO vereinbart werden kann. Diese Frage steht jedoch nicht zur Klärung an.
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2.2.2. Der streitgegenständliche Genehmigungsbescheid für die Lager- und Abstellhalle enthält eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Überschreitung der südwestlichen und geringfügig der nordwestlichen Baugrenze. Infolge dieser Befreiungen lässt sich jedoch keine Rechtsverletzung der Klägerin erkennen.
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Hinsichtlich des Nachbarschutzes bei Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) muss unterschieden werden, ob die Festsetzung, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dient oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung führt jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung. Im zweiten Fall fehlt es an einer solchen Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift aufgrund unzutreffender Annahme der Befreiungsvoraussetzungen. Der Nachbarschutz richtet sich dann nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das aufgrund der gemäß § 31 Abs. 2 BauGB gebotenen „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 8.7.1998 - 4 B 64.98 - juris Rn. 5; U.v. 9.8.2018 - 4 C 7.17 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 21.5.2019 - 1 CS 19.474 - juris Rn. 4; B.v. 7.10.2019 - 1 CS 19.1499 - juris Rn. 16; B.v. 3.3.2020 - 9 CS 19.1514 - juris Rn. 14).
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Ob und inwieweit eine Norm des Bauplanungsrechts betroffenen Nachbarn Abwehrrechte einräumt, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. Dies gilt auch für die Festsetzungen eines Bebauungsplans, die gemäß § 10 Abs. 1 BauGB normativen Charakter haben (OVG Hamburg, U.v. 14.7.2008 - 2 Bf 277/03 - juris Rn. 22 m.w.N.). Während Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung grundsätzlich generell und unabhängig davon, ob der Nachbar durch die gebietswidrige Nutzung unzumutbar oder auch nur tatsächlich spür- und nachweisbar beeinträchtigt wird, schon kraft bundesrechtlicher Vorgabe als drittschützend angesehen werden (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39.13 - juris Rn. 3 m.w.N.; U.v. 16.9.1993 - 4 C 28.91 - juris Rn. 12), wobei als wesentlich hierfür das wechselseitige Austauschverhältnis durch Regelung und Ausgleich der verschiedenen Nutzungen aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplans angesehen wird, folgt aus Art. 14 GG kein Gebot, Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO) drittschutzfreundlich auszulegen. Ob der Plangeber eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden (BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28.91 - juris Rn. 11; U.v. 9.8.2018 - 4 C 7.17 - juris Rn. 17). Dabei dient ein Bebauungsplan mit Rücksicht auf seine städtebauliche Ordnungsfunktion für das Plangebiet zunächst öffentlichen Interessen (OVG Hamburg, U.v. 17.1.2002 - 2 Bf 359/98 - juris Rn. 46), weshalb seine Festsetzungen in erster Linie aus städtebaulichen Gründen getroffen werden. Dasselbe gilt für Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche i.S. von § 23 BauNVO (BVerwG, B.v. 19.10.1995 - 4 B 215.95 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 7.10.2019 - 1 CS 19.1499 - juris Rn. 17; B.v. 5.8.2019 - 9 ZB 16.1276 - juris Rn. 5 m.w.N.), zur Bauweise (BVerwG, U.v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290) sowie für weitere Festsetzungen, die nicht die Art der baulichen Nutzung betreffen.
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Die Frage der drittschützenden Wirkung solcher Regelungen hängt vielmehr in erster Linie von der Auslegung des Bebauungsplans und damit vom Willen der planenden Gemeinde ab. Ob die in einem Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen nachbarschützend sind, richtet sich nach dem mit der Festsetzung verfolgten Zweck. Der Zweck bauplanerischer Festsetzungen ist durch Auslegung des Bebauungsplans im Einzelfall zu ermitteln. Dabei lassen sich gewisse Gruppen von Festsetzungen bilden, die nach ihrer Rechtsnatur und ihrem objektiven Sinngehalt im Regelfall mit nachbarschützender Wirkung angereichert sind oder andererseits regelmäßig keinen Nachbarschutz entfalten (vgl. dazu etwa VGH BW, B.v. 11.1.1995 - 3 S 3096/94 - BauR 1995, 512). Bei Baugrenzen ist nach deren Lage und Anordnung zur Umgebung und zu den Nachbargrundstücken zu differenzieren. Während vordere (straßenseitige) Baugrenzen im Regelfall nur einen öffentlich-städtebaulichen Gehalt haben, können seitliche und hintere Baugrenzen nach Eigenart und Typik im Regelfall auch dem Schutz der ihnen jeweils gegenüberliegenden Wohngrundstücke dienen (Sicherung einer Ruhe- und Erholungszone) (VGH BW, B.v. 9.3.1995 - 3 S 3321/94 - NVwZ-RR 1995,489; Blechschmidt in Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand 143. EL August 2021, § 23 BauNVO Rn. 56). Danach hat hier eine nachbarschützende Wirkung der seitlichen Baugrenze zugunsten der Klägerin schon von vorneherein auszuscheiden, da deren Wohngrundstück gerade nicht dieser seitlichen Baugrenze gegenüberliegt, sondern der hinteren Baugrenze, die aber durch das Bauvorhaben eingehalten wird. Darüber hinaus hat die Festsetzung über die seitliche Baugrenze des Baugrundstücks nach allen erkennbaren Umständen keine nachbarschützende Wirkung. Denn aus dem Bebauungsplan selbst ergibt sich nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass die Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen bzw. den seitlichen Baugrenzen aus nachbarschützenden Gründen aufgenommen worden wären.
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Auch das Gebot der Rücksichtnahme wird durch die Überschreitung der Baugrenze insbesondere in süd-westliche Richtung wie auch aus sonstigen Gründen nicht verletzt.
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Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von - wie hier - nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans die Rechte des Nachbarn verletzen kann, ist im Rahmen der Würdigung nachbarlicher Belange nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO entwickelt hat (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris). Wird von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt, so hat der Nachbar über die das Rücksichtnahmegebot konkretisierende „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - juris). Drittschutz im Falle einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht vielmehr nur dann, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.
44
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen in seinen Auswirkungen auf die Grundstücke der Klägerin im Ergebnis nicht als rücksichtslos, zumal das Grundstück Fl.Nr. …3 mit dem Wohnhaus der Klägerin nicht direkt an das Baugrundstück anschließt. Die Abweichung von der Festsetzung des Bebauungsplans überschreitet nicht die Schwelle des der Klägerin im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses noch Zumutbaren. Mit der Überschreitung der Baugrenze Richtung Süd-West durch das streitgegenständliche Vorhaben ist keine so erhebliche Belastung bzw. Einschränkung von Nutzungsmöglichkeiten für die Grundstücke der Klägerin verbunden, dass sie durch die erteilte Baugenehmigung in ihren geschützten Rechten verletzt wäre. Die vorgelegten Planunterlagen geben keine Hinweise darauf, dass das Wohngrundstück der Klägerin irgendwelche Einbußen an Belichtung, Belüftung und Besonnung erfahren wird. Die Abweichung von der maßgeblichen Festsetzung des Bebauungsplans wirkt sich nicht nachteilig auf das klägerische Nachbargrundstück aus, zumal vorliegend durch das Vorhaben der Beigeladenen zwar die Baugrenze Richtung Norden und Süd-Westen überschritten wird, aber gerade nicht in Richtung Osten zum Grundstück der Klägerin. Hier wird die im Bebauungsplan festgesetzte Baugrenze vielmehr eingehalten.
45
Schließlich kann nicht die Rede davon sein, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen eine erdrückende oder einmauernde Wirkung hervorruft.
46
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (auch) dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris; B.v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u.a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung.
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Dass das Bauvorhaben der Beigeladenen der Klägerin gegenüber eine erdrückende bzw. einmauernde Wirkung entfalten würde, hat von vornherein auszuscheiden. Eine solche Wirkung der Lagerhalle, die in diesem Bereich hin zu den klägerischen Grundstücken eine Höhe von ca. 9,30 m aufweisen soll, auf das Wohnhaus der Klägerin scheidet offensichtlich aus. Für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes ist kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als das betroffene Gebäude (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris). Zudem liegen zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück Fl.Nr. …3 mit dem Wohnhaus der Klägerin der Lärmschutzwall sowie die Grundstücke Fl.Nrn. …15 und …3, so dass nicht von einem unmittelbaren Nebeneinander von Lagerhalle und Wohnhaus auszugehen ist.
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3. Das Vorhaben verstößt des Weiteren nicht gegen dem Nachbarschutz dienende Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 BayBO, insbesondere nicht gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1b BayBO).
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4. Da weitere, die Klägerin schützende und im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO zu prüfende Normen, die verletzt sein könnten, nicht ersichtlich sind, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und sich dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO nicht ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.