Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 10.06.2022 – AN 17 K 21.01496
Titel:

Erfolglose Klage auf Genehmigung für Umnutzung von Räumen in Wohnnutzung im Gewerbegebiet

Normenketten:
BayBO Art. 55, Art 58, Art. 68 Abs. 1
BauGB § 30 Abs. 1, § 34
BauNVO § 8 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1
GO Art. 26 Abs. 2 S. 1 Hs 1
Leitsätze:
1. Eine Nutzungsänderungsgenehmigung genügt nicht, wenn in einem ursprünglich freigestellten Gebäude eine Nutzung aufgenommen werden soll, die der Freistellung nicht unterliegt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine funktionale Zuordnung einer Wohnung zu einem Gewerbebetrieb ist dann gegeben, wenn und soweit Aufsichts- und Bereitschaftspersonal wegen der Art des Betriebs oder zur Wartung von Betriebseinrichtungen oder aus Sicherheitsgründen ständig erreichbar sein muss und deswegen das Wohnen solcher Personen nahe dem Betrieb erforderlich ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Richtiger Prüfungsgegenstand im Baugenehmigungsverfahren bei (Nutzungs-)Änderungsantrag eines Teils eines im Genehmigungsfreistellungsverfahrens errichteten Gebäudes, Ausfertigungsfehler des Bebauungsplans bei Unterzeichnung der Verfahrensvermerke auf dem Bebauungsplan nach der Bekanntmachung des Bebauungsplans und bei bloßer Unterzeichnung des Protokolls bzw. des Beschlussbuchauszugs zum Satzungsbeschluss, aber nicht des Bebauungsplans selbst, BetriebBetriebsleiter- und Hausmeisterwohnung im Gewerbegebiet (keine funktionale Zuordnung zu einem Gewerbebetrieb bei einer zweiten und dritten Wohnung)sleiter- und Hausmeisterwohnung im Gewerbegebiet (keine funktionale Zuordnung zu einem Gewerbebetrieb bei einer zweiten und dritten Wohnung), Verpflichtungsklage, Baurecht, faktisches Gewerbegebiet, Nutzungsänderung, Genehmigungsfreistellungsverfahren, Betriebsleiterwohnung, Hausmeisterwohnung, gemeindliches Einvernehmen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31058

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt eine Baugenehmigung für die Umnutzung von Räumen in einem Gewerbegebiet in Wohnnutzung.
2
Der Kläger ist nach seinen Angaben Gründer und alleiniger Geschäftsführer von fünf Firmen an den Standorten … und … rund um den Geschäftsgegenstand Motorentechnik, insbesondere der im August 2020 gegründeten …, die ihren Sitz in … im Gemeindegebiet der Beigeladenen hat. Er ist Eigentümer des Vorhabengrundstücks FlNr. 494/15 der Gemarkung … (… H.12A) und des südlich angrenzenden Grundstück FlNr. 493 (…H. 8).
3
Das Vorhabengrundstück FlNr. 494/15 liegt im Gebiet des Bebauungsplans Nr. … „I. H. “, das Grundstück FlNr. 493 in südlich angrenzenden Bebauungsplangebiet „H.III“. Der Bebauungsplan „H.III“ setzt ein Gewerbegebiet fest, der Bebauungsplan Nr. … „…H.“ für den Bereich, in dem sich die FlNr. 494/15 befindet, ein eingeschränktes Gewerbegebiet (mit Verweis auf die Festsetzung 11.3). Unter „Nr. 11 Lärmschutz“ des Bebauungsplans Nr. … „…H.“ ist festgelegt:
„11.1 Im gekennzeichneten Bereich entlang der B** sind Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter nicht zulässig.
11.2 Aufenthaltsräume im gekennzeichneten Bereich sind auf der schallabgewandten Seite anzuordnen.
11.3 Im westlich gelegenen eingeschränkten Gewerbegebiet ist der flächenbezogene Schalleistungspegel auf nachts 50 dB(A) pro m² zu reduzieren. Im übrigen Gebiet beträgt er 55 db(A) pro m² nachts.“
4
Die Verfahrensvermerke zum Bebauungsplan geben keine Auskunft zum Beschluss des Bebauungsplans durch den Gemeinderat der Beigeladenen. Eine Bekanntgabe im Mitteilungsblatt der Gemeinde … ist dort handschriftlich für den 1. April 1998 angegebenen. Die Unterzeichnung der Verfahrensvermerke B bis G durch den ersten Bürgermeister erfolgte jeweils unter dem Datum „04.06.1998“.
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Für das Vorhabengrundstück reichte der Kläger im April 2016 einen Bauantrag für ein zweigeschossiges, langgezogenes Gebäude (Grundfläche 374 m²) zur Unterbringung von acht LKW und einen PKW im Erdgeschoss und Nutzräume im Obergeschoss über den Garagen (streitgegenständliches Gebäude, „Bau 1“) bei der Beigeladenen ein. Im westlichen Teil des Obergeschosses ist in den Plänen eine ca. 100 m² große Hausmeisterwohnung mit Terrasse eingezeichnet. Östlich dieser Wohnung sind im Obergeschoss drei weitere Räume - von West nach Ost - mit den Bezeichnungen „Archiv“, „Museum“ und „Lager“ verzeichnet. Die Beigeladene teilte dem Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2016 mit, dass das Vorhaben dem Genehmigungsfreistellungsverfahren unterfalle. Eine Baubeginnsanzeige erfolgte am 15. August 2016, die Nutzungsaufnahmeanzeige zum 1. Dezember 2019.
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Mit Bescheid vom 8. Juli 2019 genehmigte das Landratsamt … dem Kläger im vereinfachten Genehmigungsverfahren auf dem Vorhabengrundstück, südlich des streitgegenständlichen Gebäudes, ein weiteres Gebäude ähnlichen Zuschnitts für Lagerräume und Garagen im Erdgeschoss und Büroräume im Obergeschoss.
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Für das südlich gelegene Grundstück FlNr. 493 (.H.28) erhielt der Kläger am 11. September 2020 die Baugenehmigung für ein weiteres langgezogenes zweigeschossiges Gebäude („Halle“, ca. 562 m²) für Lager, Werkstatt, Büro und Wohnung mit Garage und Terrasse. Hierzu teilte der Kläger dem Landratsamt am 30. Juni 2020 mit, dass er nach aktuellem Stand als Betriebsinhaber die Wohnung selbst bewohnen werde. In einer Betriebsbeschreibung vom 26. Juli 2020 gibt der Kläger in diesem Zusammenhang an, auf dem Grundstück FlNr. 493 einen Internetverkauf mit mechanischen Werkzeugen und Motorenteilen mit den Betriebszeiten 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr zu betreiben.
8
Am 11. Dezember 2020 reichte der Kläger für den Bau 1 einen Nutzungsänderungsantrag bei der Beigeladenen ein für die „Umwandlung eines geplanten Museums in eine Hausmeisterwohnung“. Nach dem eingereichten Plan soll das ehemalige Archiv teilweise der ursprünglichen Hausmeisterwohnung zugeordnet werden, die in den Plänen nunmehr als Betriebsleiterwohnung bezeichnet wird. Der Rest des Archivs und ein Teil des Museums sollen zu einer neuen Hausmeisterwohnung mit 68,05 m² umgebaut und umfunktioniert werden, das Lager im Osten soll vergrößert werden. Die Beigeladene versagte mit Gemeinderatsbeschluss vom 14. Januar 2021 einstimmig das gemeindliche Einvernehmen.
9
Mit Schreiben vom 9. Februar 2021 forderte das Landratsamt …, das die beiden Grundstücke als einheitliches Firmengelände bewertete, den Kläger zur Darlegung auf, warum eine dritte Wohnung für das Firmengelände benötigt werde. Hierzu führte der Kläger mit Schreiben vom 14. März 2021 aus, dass ab April 2021 ein weiterer Betriebsleiter für die Firma hinzukomme, weil durch die betriebliche Entwicklung die Arbeit mit dem jetzigen Stammpersonal nicht mehr ordentlich zu bewältigen sei. Die im Oktober errichtete Halle mit einer Hausmeister-/Betriebsleiterwohnung habe zur Auslagerung eines weiteren Betriebs nach … dienen sollen. Inzwischen sei eine neue Entwicklung eingetreten, nämlich die Verlagerung des sechsten Betriebs, den er selbst leite, ins europäische Ausland. Die Halle solle jetzt vermietet werden. Ob der zukünftige Mieter die Wohnung als solche nutzen werde, sei derzeit nicht absehbar. Der Betrieb der Motorteilinstandsetzung und ein Teil des Lagers verblieben in … Die Betriebsleiterwohnung sei für seinen Schwiegersohn, der Betriebsleiter sei, bestimmt. Die Anforderungen an einen Onlinehandel verlangten ein Arbeiten auch an Sonn- und Feiertagen und außerhalb der üblichen Arbeitszeiten. Mit der Betriebsleiterwohnung könnten Emails bequem von der Wohnung aus bearbeitet werden. Auch für ihn selbst, der dann aus dem Ausland agiere, sei es wichtig, zu allen Zeiten die Informationen von den Betriebsleitern zu bekommen. Das gehe nur mit einem Betriebsleiter vor Ort, zukünftig mit zwei Betriebsleitern, einen für jeden Standort. Er selbst wohne von jeher da, wo er arbeite. Für seinen Bau- und Hausmeister sei die Hausmeisterwohnung bestimmt. Seit 2016 fänden in … ständig Bauarbeiten statt. Der Hausmeister habe daran maßgeblichen Anteil, müsse ständig vor Ort sein und sei später für die Pflege des Anwesens zuständig. Ein Hausmeister vor Ort diene auch dem Einbruch- und Diebstahlschutz. Auch allgemein-politische Erwägungen wie CO2-Einsparung und weniger Landverbrauch sprächen für die Verknüpfung von Wohn- und Arbeitsstätte.
10
Nach der Mitteilung durch das Landratsamt …, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei, wendete sich der Kläger unter Darlegung seiner Situation mit Schreiben vom 25. April 2021 an den Landrat. In diesem Schreiben ist unter anderem ausgeführt, dass er auf den beiden Grundstücken Garagen und Lagerräume für den Eigenbedarf und zur Vermietung errichtet habe. Um Kundenanfragen zeitnah beantworten zu können, sei es oftmals nötig, Lagerbestände zu prüfen oder Produktabmessungen vor Ort vorzunehmen. Ohne die beantragte Genehmigung müsse er den Betrieb wieder verlegen. Als Kompromiss sei er bereit, auf die Betriebsleiterwohnung in der neuen Halle zu verzichten, die er ursprünglich selbst habe beziehen wollen.
11
In einem weiteren Schreiben vom 29. April 2021 an das Landratsamt … bezog sich der Kläger auf die Festsetzung im Bebauungsplan Nr. … „…H.“, dass Wohnungen im Bereich der Bundesstraße … nicht zulässig seien, woraus sich im Umkehrschluss ergebe, dass sein Vorhaben, das nicht im Bereich der B** liege, zulässig sei. Auch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO seien Wohnungen im Gewerbegebiet für Betriebsinhaber und -leiter, wenn sie in Grundfläche und Baumasse untergeordnet seien, zulässig. Als Kompromiss könne bei antragsgemäßer Genehmigung für die Betriebsleiterwohnung eine Nutzungsänderung in Büro- und Konferenzräume für die FlNr. 493 eingereicht werden.
12
Mit Schreiben vom 18. Mai 2021 wies das Landratsamt darauf hin, dass die ursprüngliche Behandlung im Freistellungsverfahren im Jahr 2016 nicht zutreffend gewesen sei, sondern bereits damals ein Baugenehmigungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Zu einem Bestandsschutz sei es damit nicht kommen.
13
Mit Bescheid vom 16. Juli 2021 lehnt das Landratsamt … den Bauantrag ab, weil das Vorhaben dem Bebauungsplan Nr. … „…H.“ widerspreche. In einem Gewerbegebiet könnten Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonal nur ausnahmsweise zugelassen werden. Tatbestandlich vorgesetzt sei neben der untergeordneten Wohnfläche und der räumlichen Zuordnung der Wohnung zum Gewerbebetrieb, was anerkannt werde, auch die funktionale Zuordnung der Wohnung zum Betrieb. Betriebswohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonal unterlägen dabei strengeren Anforderungen als Wohnungen für den Betriebsinhaber oder -leiter. Die abgegebene Begründung zur Notwendigkeit der beiden Wohnungen rechtfertige die Baugenehmigung nicht, da Erledigungen außerhalb der Dienstzeiten nicht unbedingt notwendig seien und jedenfalls eine Person vor Ort ausreichend sei. Bestandsschutz liege mangels Einschlägigkeit des Genehmigungsfreistellungsverfahrens nicht vor.
14
Mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 16. August 2021 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger Klage. Über sein Vorbringen im Behördenverfahren hinaus verwies er darauf, dass er zukünftig 20 verschiedene Mieter für seine Halle und Garagen habe und eine ständige Aufsichtsperson vor Ort notwendig sei, z.B. für die Kontrolle der Mülltrennung, bei Unwetter und zur Einbruchsprävention. Ebenso sei die Anwesenheit eines Betriebsleiters notwendig aufgrund seines sehr speziellen, einzigartigen Betrieb mit 20.000 bis 25.000 verschiedenen und sehr seltenen Produkten und sehr anspruchsvollen Kunden, die weltweit per Internet und auch telefonisch bestellten. Wenn ein Artikel verkauft werde, müsse umgehend der Bestand geprüft und nachgeordert werden. Dies könne bis zu 50 Mal am Tag vorkommen. Vielen Bestellungen gingen Fragen zum Produkt und zur Verfügbarkeit voraus, die auch samstags, sonn- und feiertags beantwortet würden. Die Fragen ließen sich zum Teil nur durch das Auspacken und Vermessen von Produkten beantworten. Die positive Geschäftsentwicklung seines Unternehmens hänge damit auch von der Hausmeister- und Betriebsleiterwohnung ab, noch mehr für die Zeit ab seinem Auslandsaufenthalt.
15
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 29. September 2021,
die Klage abzuweisen und verwies im Wesentlichen auf seine bisherigen Ausführungen. Es erschließe sich nach wie vor nicht, warum ein Hausmeister nachts und am Wochenende anwesend sein müsse und nicht im Bedarfsfall anreisen könne. Mangels Vorliegens von Bebauungsplankonformität hätten die Voraussetzungen für ein Freistellungsverfahren nicht vorgelegen.
16
Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2022 verwies der Kläger darauf, dass es sich bei den Grundstücken FlNr. 494/15 (H.12A) und FlNr. 493 (H.28) um zwei getrennte Einheiten handle und keine Grundstücksvereinigung vorgenommen worden sei. Das grundsätzliche Wohnungsverbot im Gewerbegebiet diene dem (Lärm-)Schutz der dort Wohnenden, er könne aber Einverständnis- bzw. Verzichtserklärungen seines Betriebsleiters und Hausmeisters auf den Lärmschutz vorlegen. Auf sein Angebot, auf die Betriebsleiterwohnung auf der FlNr. 493 zu verzichten bzw. einen Nutzungsänderungsantrag zu stellen, sei nie eingegangen worden. Erst die Umnutzung zu beantragen, sei ihm zu gefährlich.
17
Auf gerichtliche Anfrage teilte der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Juni 2022 unter Vorlage der entsprechenden Nachweise mit, dass der Bebauungsplan Nr. … „…H.“ vom Gemeinderat der Beigeladenen am 19. März 1998 beschlossen worden sei und im gemeindlichen Mitteilungsblatt vom 1. April 1998 veröffentlicht worden sei. Die erst am 4. Juni 1998 erfolgte Ausfertigung führe zwar zur Unwirksam des Bebauungsplans, an den das Landratsamt aber mangels Normverwerfungskompetenz gleichwohl gebunden sei. Auch unter Anwendung von §34 BauGB könne die Baugenehmigung nicht erteilt werden, da das Vorhaben in einem faktischen Gewerbegebiet liege und sich in die Umgebung nicht einfüge.
18
In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2022 beantragte der Kläger,
den Bescheid des Landratsamt … vom 16. Juli 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Baugenehmigung entsprechend seines am 11. Dezember 2020 bei der Beigeladenen eingegangenen Bauantrags zu genehmigen, hilfsweise über den Bauantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
19
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen
die Klageabweisung.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die bezogenen Bauakten, auch zu den weiteren Gebäuden auf den FlNr. 494/15 und 493 und die Gerichtsakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

21
Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen. Auch die hilfsweise begehrte Verbescheidung hat in der Sache keinen Erfolg.
22
1. Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens und damit der Verpflichtungsklage ist das Obergeschoss des nördlichen Gebäudes auf der FlNr. 494/15 (Bau 1). Für die Nutzung als Betriebsleiterwohnung, Hausmeisterwohnung und Lager bedarf es richtigerweise einer baurechtlichen Änderungsgenehmigung. Der Nutzungsänderungsantrag des Klägers kann in diesem Sinn ausgelegt werden. Obwohl das Gebäude im Genehmigungsfreistellungsverfahren nach Art. 58 BayBO zwischen 2016 und 2019 errichtet worden ist (im Obergeschoss als Wohnung, Archiv, Museum und - kleineres - Lager) ist nicht lediglich eine Nutzungsänderungsgenehmigung, sondern eine Genehmigung für eine bauliche Änderung erforderlich. Zum einen sind Änderungen an der Bausubstanz (z.B. Zwischenwände) vorgesehen, zum anderen genügt eine Nutzungsänderung nicht, wenn in einem ursprünglich freigestellten Gebäude eine Nutzung aufgenommen werden soll, die der Freistellung nicht unterliegt (Busse/Kraus/Taft, 146. EL Mai 2022, BayBO Art. 58 Rn. 12 und 15). In diesem Fall ist nach Art. 55 BayBO eine Genehmigung für eine bauliche Änderung erforderlich. Betrifft die Änderung nur einen Gebäudeteil, wie hier nur das Obergeschoss, kann sich die Änderungsgenehmigung auf diesen Teil beschränken und ist nicht eine Nachgenehmigung der Gesamtanlage notwendig, wobei aber bauliche Fragen aufgeworfen sein können, die über den unmittelbaren Änderungsbereich hinausgehen (Busse/Kraus/Taft, Art. 58 Rn. 15 für den Fall des Einzugs eines Sonderbaus in einen Teil eines freigestellten Gebäudes). Vorliegend bedarf es einer Änderungsgenehmigung auch deshalb, weil das Freistellungsverfahren im Jahr 2016 schon für die ursprüngliche Nutzung nicht zur Anwendung hätte kommen dürfen und damit ein baurechtswidriger Zustand vorliegt. Das Freistellungsverfahren greift nur ein, wenn die Errichtung einer baulichen Anlage u.a. den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht, Art. 58 Abs. 1 Nr. 2 BayBO. Ein Widerspruch liegt aber bereits vor, wenn die Genehmigung nur unter Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung nach §31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB möglich ist (Busse/Kraus/Taft, Art. 58 Rn. 36). Da der Bebauungsplan Nr. … „…H.“ ein Gewerbegebiet festlegt und in einem Gewerbegebiet Betriebsleiterwohnungen gerade nicht generell, sondern nur ausnahmsweise zulässig sind, § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. §§ 1 Abs. 3 Satz 2, 8 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, hätte das Freistellungsverfahren richtigerweise nicht zur Anwendung kommen dürfen, selbst dann nicht, wenn der Bebauungsplan Nr. … „…H.“ wirksam sein sollte (vgl. hierzu aber auch Ausführungen unter 2. a).
23
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der so erforderlichen baurechtlichen Änderungsgenehmigung. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 16. Juli 2021 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
24
Voraussetzung der Baugenehmigung ist nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nachdem es sich bei dem Vorhaben des Klägers nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, ist das vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO einschlägig. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO ist insbesondere die bauplanungs-rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach den §§ 29 bis 38 BauGB zu prüfen. Diese ist hier nicht gegeben.
25
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich vorliegend nach § 34 BauGB. Der Bebauungsplan Nr. … „…H.“ ist aufgrund eines formalen Fehlers unwirksam (a), weshalb das Vorhaben nicht an diesem zu messen ist (vgl. § 30 Abs. 1 BauGB), sondern - da es unstreitig und unzweifelhaft in einem im Zusammenhang bebauten Gebiet liegt - an § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB. Eindeutig und zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist, dass das Vorhaben faktisch in einem Gewerbegebiet liegt. In diesem sind gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 BauNVO von seiner Art her Betriebsleiter- und Hausmeisterwohnungen nicht allgemein zulässig, sondern nur ausnahmsweise. Eine solche Ausnahme greift hier aber nicht (b).
26
a) Der Bebauungsplan Nr. … „…H.“ leidet nach Auffassung des Gerichts an einem Ausfertigungsfehler und ist deshalb nichtig. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GO ist eine Satzung, und um eine solche handelt es sich nach § 10 Abs. 1 BauGB bei einem Bebauungpsplan, vor der Bekanntmachung auszufertigen (BayVGH, B.v. 6.7.2009 - 15 ZB 08.170 - juris Rn. 12; U.v. 4.4.2003 - 1 N 01.2240 - juris Rn. 16). Durch die Ausfertigung, d.h. die eigenhändige Unterschrift des ersten Bürgermeisters unter die Satzung, wird diese als Originalurkunde hergestellt und der Bürgermeister bezeugt mit seiner Unterschrift, dass die Satzung, so wie er sie unterzeichnet, vom Gemeinderat beschlossen worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2009 - 15 ZB 08.170 - juris Rn. 12; U.v. 4.4.2003 - 1 N 01.2240 - juris Rn. 16). Die Ausfertigung hat damit zwingend vor der Bekanntmachung nach § 11 Abs. 3 BauGB stattzufinden. Dies ist hier jedoch nicht erfolgt, jedenfalls konnte weder der Beklagte noch die Beigeladene die vorherige Ausfertigung nachweisen.
27
Die Verfahrensvermerke auf dem Bebauungsplan selbst weisen die Unterschrift des ersten Bürgermeisters mit dem Datum „04.06.1998“ auf. Falls man in einer dieser Unterschriften inhaltlich überhaupt eine Ausfertigung sehen kann, was zumindest zweifelhaft ist, erfolgte sie auf jeden Fall nach der Bekanntmachung vom 1. April 1998. Auf dem vom Beklagten vorgelegten Beschlussbuchauszug der beigeladenen Gemeinde hat der erste Bürgermeister mit Datum vom 25. März 1998 zwar bestätigt, dass der Gemeinderat am 19. März 1998 den „Bebauungsplan Nr. … für das Gewerbegebiet …H.“ als Satzung beschlossen hat, die Satzung selbst wurde aber nicht unterzeichnet. Sie lag - soweit für das Gericht erkennbar - dem Beschlussbuchauszug und der Sitzungsniederschrift auch nicht an. Der Identitätsfunktion der Ausfertigung ist damit nicht genügt (BayVGH, U.v. 4.4.2003 - 1 N 01.2240 -juris Rn. 14 ff.; s. auch U.v. 20.10.2009 -1 N 06.1545 - juris Rn. 30; U.v. 28.4.2017 - 15 N 15.967 - juris Rn. 35). Mangels einer Unterschrift unter (irgend-)einem Teil der Satzung ist eine ausreichende Ausfertigung auch nicht nach der Rechtsprechung zur „gedanklichen Schnur“ (vgl. BayVGH, U.v. 28.4.2017 - 15 N 15.967 - juris Rn. 36 m.w.N.) begründbar.
28
Letztlich kann es jedoch dahinstehen, ob der Bebauungsplan Nr. … „…H.“ aus diesem formalen Grund rechtswidrig und damit unwirksam ist. Auch wenn man von seiner Geltung ausginge, hatte der Kläger nach diesem keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Die folgenden Ausführungen zu § 8 BauNVO (siehe b) gelten dann über § 30 Abs. 1 BauGB und §1 Abs. 3 Satz 1 BauNVO anstatt über § 34 Abs. 2 BauGB in gleicher Weise.
29
Aus der Festsetzung eines „eingeschränkten Gewerbegebiets“ würde die Zulässigkeit der Wohnnutzung nicht folgen. Die Einschränkung bezieht sich, wie der Bebauungsplan durch die Festsetzung unter Nr. 11.3 und durch die ausdrückliche Bezugnahme unter A auf Pkt 11.3 klarmacht, auf den dort herabgesetzten maximal zulässigen Schallleistungspegel von 50 anstatt 55 dB(A). Eine Erweiterung der allgemein zulässigen Nutzungen über § 8 Abs. 2 BauNVO hinaus (vgl. zur Möglichkeit § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauNVO) ist damit nicht vorgenommen worden. Auch ist, wie der Kläger meint, ein Umkehrschluss aus der textlichen Festsetzung Nr. 11.1, dass im Bereich entlang der B … Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonal sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter nicht zulässig sind, nicht statthaft. Die Regelung Nr. 11.1 ist im Zusammenhang mit § 8 Abs. 3 BauNVO zu sehen, wonach derartige Wohnungen im Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässig sind. Regelungsgehalt der Ziffer 11.1 ist, dass derartige Wohnungen in dem Bereich entlang der B 13 gänzlich ausgeschlossen werden, was der Rechtsgrundlage des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO entspricht, nicht aber dass in anderen Bereichen Wohnnutzung allgemein zugelassen wird.
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b) Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich, was die allein in Streit stehende Art der baulichen Nutzung anbelangt, folglich nach § 34 Abs. 2 BauG i.V.m. § 8 BauNVO. Nach § 8 Abs. 1 BauNVO dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Wohnnutzung ist in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig, da diese nicht in dem Katalog des § 8 Abs. 2 BauNVO enthalten ist. Allerdings können nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter ausnahmsweise zugelassen werden. Dies erfordert nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO aber, dass sie dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind. Eine solche Zuordnung muss nach allgemeiner Meinung personell und räumlich-funktional gegeben sein (EZBK/Söfker, 146. EL April 2022, BauNVO § 8 Rn. 35, 36).
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Da es sich beim streitgegenständlichen Bauantrag vom 11. Dezember 2021 um einen einheitlichen Bauantrag des Klägers für zwei Wohnungen und ein Lager handelt, der in seiner Gesamtheit geprüft werden muss und - ohne entsprechende Erklärung des Bauherrn - nicht in Teilbauvorhaben zerlegt werden kann, scheidet die Erteilung der Baugenehmigung schon dann aus, wenn auch nur eine der begehrten Teilnutzungen nicht genehmigungsfähig ist. Dies ist hier der Fall, da jedenfalls zwei (weitere) Wohneinheiten dem Betrieb des Klägers funktional nicht zugeordnet werden können.
32
Eine funktionale Zuordnung einer Wohnung zu einem Gewerbebetrieb ist dann gegeben, wenn und soweit Aufsichts- und Bereitschaftspersonal wegen der Art des Betriebs oder zur Wartung von Betriebseinrichtungen oder aus Sicherheitsgründen ständig erreichbar sein muss und deswegen das Wohnen solcher Personen nahe dem Betrieb erforderlich ist. Für Betriebsleiter und Betriebsinhaber können wegen ihrer engen Bindungen an ihren Betrieb Wohnungen auf oder nahe dem Betriebsgrundstück auch dann zulässig sein, wenn der Betrieb ihre ständige Einsatzbereitschaft zwar nicht zwingend erfordert; ihr Wohnen auf dem Betriebsgrundstück muss mit Rücksicht auf Art und Größe des Betriebes aus betrieblichen Gründen aber objektiv sinnvoll sein (BVerwG U.v. 16.3.1984 -4 C 50/80 - juris Rn. 17; B.v. 22.6.1999 - 4 B 46.99 -juris, BayVGH B.v. 1.3.1996 - 2 CS 95.981 - juris). Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn vernünftige, auf den konkreten Betrieb bezogene Gründe für eine Betriebsleiterwohnung vorliegen. Eine allgemeingültige Aussage, wann dies anzunehmen ist, lässt sich nicht treffen, vielmehr sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheidend (BVerwG B.v. 22.6.1999 - 4 B 46/99 - juris Rn. 6). Bei dieser Gesamtbetrachtung ist schließlich zu berücksichtigen, dass nicht jeder - wenn auch nachvollziehbare - Wunsch eines Gewerbetreibenden nach einer Betriebsleiterwohnung die Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertigen kann. Dies würde dem Ausnahmecharakter der Vorschrift widersprechen, da ansonsten nahezu jedes Gewerbe die Errichtung einer Betriebsleiterwohnung aufgrund der damit verbundenen allgemeinen Vorteile begehren könnte. Der Verordnungsgeber hat sich für das Gewerbegebiet aber bewusst gegen eine generelle Wohnnutzung durch Betriebsinhaber entschieden. Aufgrund dieser Grundentscheidung ist zu fordern, dass der Gewerbetreibende ein Betriebskonzept präsentiert, welches eine Ausnahmesituation zu begründen vermag. Durchschnittserwägungen, wie sie bei jedem Betriebskonzept vorkommen können, können eine Anwendung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO nicht eröffnen (VG Ansbach, U.v. 19.9.2018 - AN 17 K 17.00331; U.v. 18.4.2019 - AN 17 K 18.00758; VG Augsburg U.v 18.2.2008 - Au 5 K 06.163 - juris Rn. 25).
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Gemessen hieran vermag das Gericht einen Ausnahmefall hier nicht zu erkennen. Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 11. September 2020 bereits eine Betriebsleiterwohnung auf dem Grundstück FlNr. 493 genehmigt. Bei dem gewerblichen Tätigwerden des Klägers bzw. der Firmen, die der Kläger gegründet hat und für die er als Geschäftsführer tätig ist, auf den Grundstücken FlNrn. 494/15 und 493 handelt es sich um einen einheitlichen Betrieb i.S.v § 8 BauNVO. Das gesamte gewerbliche Tätigwerden dort dreht sich um den Geschäftsgegenstand Motorentechnik, die beiden Grundstücke sind als einheitliches Betriebsgrundstück mit Verbindungswegen und ohne erkennbare Abgrenzung angelegt (vgl. Luftbilder aus dem BayernAtlas), der Kläger nennt die ständigen Bautätigkeiten auf dem Gelände selbst als Grund für die die Notwendigkeit eines Hausmeisters. Klare Abgrenzungen zwischen den einzelnen Firmen sind nicht deutlich geworden und ergeben sich auch nicht aus dem vorgelegten Image-Prospekt oder dem Internetauftritt. In die Beurteilung der funktionalen Zuordnung ist die genehmigte Betriebswohnung auf der FlNr. 493 somit miteinzubeziehen. Das Bedürfnis nach einem Betriebsleiter vor Ort kann durch diese Wohnung abgedeckt werden. Dass die Art oder die Größe des Gewerbebetriebs einen weiteren Mitarbeiter, gar einen weiteren Betriebsleiter vor Ort erfordert, ist nicht ersichtlich. Warencheck, -Ausmessung und -Nachbestellung und die Bearbeitung von Kundennachrichten außerhalb der Öffnungszeiten bzw. außerhalb der normalen Geschäftszeiten können durch eine Person erledigt werden. Etwas anders gibt der Kläger selbst nicht an. Nach seinen Ausführungen fallen diese Aufgaben seinem Schwiegersohn als Betriebsleiter zu. Seine eigene Anwesenheit vor Ort braucht es daneben nicht, so dass die existierende und genehmigte Betriebsleiterwohnung in der „Halle“ auf der FlNr. 493 ausreicht. Dass der Kläger für diese Wohnung inzwischen andere Pläne hat, sie eventuell vermieten will, ist unerheblich, solange die Wohnung als Betriebswohnung für den Betrieb des Klägers genehmigt und nicht durch eine genehmigte Nutzungsänderung aufgegeben ist und auf sie damit ohne Weiteres und jederzeit zurückgegriffen werden kann. Dies gilt umso mehr, als der Kläger seine Planungen im Laufe des Verfahrens bereits mehrfach geändert hat bzw. sich nicht festgelegen will, wie es mit dieser Wohnung weitergehen soll.
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Neben einem vor Ort wohnenden Betriebsleiter besteht auch kein nachvollziehbarer Bedarf mehr für einen zusätzlich dort wohnenden Hausmeister. Der insoweit angeführte Diebstahls- und Einbruchschutz stellt zum einen Aspekt dar, der für alle Gewerbegrundstücke gleichermaßen zutrifft und somit eine funktionale Zuordnung grundsätzlich nicht begründen kann (vgl. OVG Lüneburg B.v. 24.3.2003 - 1 LA 47/02 - juris Rn.16), zum anderen ist dieser Schutz bereits durch einen vor Ort lebenden Betriebsleiter gewährleistet. Die weiter ins Feld geführte Außenbereichspflege und die Betreuung von Bautätigkeiten erfordern keine Anwesenheit außerhalb der üblichen Arbeitszeit und sind von daher nicht geeignet, eine funktionale Zuordnung zu begründen. Die Grundstückspflege stellt zudem ebenfalls keine betriebsspezifische Notwendigkeit dar, sondern gilt für jeden Gewerbebetrieb in ähnlicher Weise. Bei Bautätigkeiten handelt es sich naturgemäß um vorübergehende und dem eigentlichen Betrieb vorausgehende Tätigkeiten, die ein dauerhaftes Wohnen auf dem Betriebsgrundstück ebenfalls nicht rechtfertigen. Dass weitere Bautätigkeiten, die dem Betrieb zugeordnet sind, anstehen, ist überdies nur vollkommen substantiiert vorgetragen. Die allgemein mit dem Wohnen und Arbeiten „unter einem Dach“ verbundenen betriebs- und volkswirtschaftlichen Vorteile wie kurze Wege und Zeitersparnis, günstige Wohnkosten und Energieersparnis rechtfertigen ein Wohnen im Gewerbegebiet ebenfalls nicht (VG Augsburg U.v. 18.2.2008 - Au 5 K 06.163 - juris Rn. 27, VG Ansbach, U.v. 19.9.2018 - AN 17 K 17.00331; U.v. 18.4.2019. - AN 17 K 18.00758).
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Aus dem 2016 durchlaufenden Genehmigungsfreistellungsverfahren, mit dem dem Kläger grünes Licht für eine Betriebsleiterwohnung in dem streitgegenständlichen Gebäude geben wurde, folgt kein Anspruch auf Fortsetzung der Wohnnutzung in diesem Gebäude. Zum einen begründet ein Genehmigungsfreistellungsverfahren keinen formellen Bestandsschutz (Busse/Kraus/Taft, Art. 58 Rn. 154, 155) und besteht mangels Übereinstimmung des ursprünglichen Vorhabens mit materiellem Baurecht auch sonst kein Bestandsschutz (Busse/Kraus/Taft, Art. 58 Rn. 155), zum anderen beansprucht der Kläger mit seinem Bauantrag zwei zusätzliche Wohnungen und ist der Bauantrag - wie oben dargelegt - als Gesamtvorhaben zu prüfen und kann dieses nur insgesamt genehmigt oder insgesamt abgelehnt werden.
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3. Nachdem die Baugenehmigung bereits an den tatbestandlichen Voraussetzung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO scheitert, war eine Ermessenausübung durch die Bauaufsichtsbehörde nicht mehr erforderlich. Mangels Eröffnung einer Ermessensentscheidung scheitert damit auch der Hilfsantrag auf Neuverbescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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4. Die Kostenentscheidung der nach alledem erfolglosen Klage beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO abzuweisen, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.