Titel:
Vorläufiger Rechtsschutz gegen Ausschluss von der Kindertagesstätte
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1
BayGO Art. 21
BayKiBiG Art. 11 Abs. 2
AVBayKiBiG § 3
SGB VIII § 24 Abs. 3
Leitsätze:
1. Der Abschluss der Betreuungsverträge, mit denen die Nutzungsmodalitäten der als öffentliche Einrichtung geführten Kindertageseinrichtung geregelt wird, lassen das durch die vorangegangene Zulassungsentscheidung begründete öffentlich-rechtliche Benutzungsrecht unberührt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zusammenarbeit mit den Eltern gehört zu den Kernaufgaben einer Kindertageseinrichtung. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausschluss aus Kindertageseinrichtung, Bildungs- und Erziehungspartnerschaft, Kindertagesstätte, Betreuung, Ausschluss, Gesundheitszustand der Kinder, Hygienekonzept, Eltern, Zusammenarbeit, Betreuungsperson, Vertrauensverhältnis, Störung, Widerruf, öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis, privat-rechtlicher Benutzungsvertrag
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.10.2022 – 4 CS 22.2054
Fundstelle:
BeckRS 2022, 30464
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
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Die Antragsteller begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. August 2022 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügten Ausschluss der Antragsteller von der Kindertagesstätte „…“ mit Wirkung zum 1. September 2022.
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Die Antragstellerin zu 1) ist seit 1. September 2019, der Antragsteller zu 2) seit 1. Sep tember 2020 jeweils auf der Grundlage eines zwischen ihrer Mutter und der Kindertageseinrichtung geschlossenen Bildungs- und Betreuungsvertrages in der Kindertagesstätte untergebracht.
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Mit Schreiben vom 15. Juni 2022 teilte die Verwaltungsgemeinschaft O* … der Mut ter der Antragsteller mit, dass die Antragsgegnerin den Bildungs- und Betreuungsvertrag für die Antragsteller jeweils zum 31. Juli 2022 kündige. Die Kündigung wurde auf § 1 Abs. 4 des Bildungs- und Betreuungsvertrages gestützt und damit begründet, dass die Mutter der Antragsteller wiederholt die bestehenden Corona-Hausregeln der Kindertagesstätte G* … (Hygiene- und Schutzkonzept und Leitfaden im Krankheitsfall) missachtet habe. Das Hygiene- und Schutzkonzept werde von der Mutter der Antragsteller in Frage gestellt, missachtet oder sei erst nach Aufforderung oder aus Güte befolgt worden. Die Mutter der Antragsteller sei trotz geführter Gespräche nicht zur partnerschaftlichen, respektvollen und vertrauensvollen Zusammenarbeit bereit. Auch die Einstellung der Mutter der Antragsteller und deren Infragestellen des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Kita mache eine Zusammenarbeit nicht möglich. Mit Beschluss der Kammer vom 27. Juli 2022 (Az. M 17 E 22.3429) wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern die Benutzung der Kindertageseinrichtung bis zur vollziehbaren Beendigung des nach wie vor fortbestehenden Benutzungsverhältnisses über den 31. Juli 2022 hinaus zu gestatten.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. August 2022 schloss die Antragsgegne rin die Antragsteller mit Wirkung zum 1. September 2022 vom Besuch der Kindertagesstätte „…“ in G* … aus (Nr. 1 und Nr. 2). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nr. 3). Gebühren und Auslagen wurden nicht erhoben (Nr. 4).
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Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, dass durch das persönliche Verhalten und die Missachtung und Infragestellung der Corona Hausregeln der Kindertagesstätte (Hygiene- und Schutzkonzept und Leitfaden im Krankheitsfall) der Mutter der Antragsteller das Vertrauensverhältnis zwischen der Mutter der Antragsteller und dem pädagogischen Personal der Kindertagesstätte in erheblichem Maße gestört sei. Die Mutter der Antragsteller habe den Antragsteller zu 2) am 21. Oktober 2021, am 8. November 2021 und am 9. Dezember 2021 in die Kindertagesstätte gebracht, obwohl er Krankheitssymptome aufgewiesen habe. Am 30. Mai 2022 habe sie beide Antragsteller mit Erkältungssymptomen in die Kindertagesstätte gebracht, was gegen das Hygiene- und Schutzkonzept der Einrichtung vom 4. Mai 2022 verstoßen habe. Hierdurch habe sie die Unversehrtheit der anderen Kinder und des Personals erheblich gefährdet. Durch einen respektlosen Umgangston der Mutter der Antragsteller und deren permanentes Infragestellen von Regelungen sei das Vertrauensverhältnis zum Kindergartenpersonal irreparabel erschüttert. Die Zusammenarbeit mit der Mutter der Antragsteller erscheine nicht mehr möglich, da zum einen eine respektvolle Kommunikation die Voraussetzung für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Bildung, Erziehung und Betreuung der Antragsteller sei und zum anderen Regelungen zu Krankheitsfällen wiederholt in Abrede gestellt worden seien. Ein Elterngespräch unter Beteiligung des Ersten Bürgermeisters, der Kindergartenleitung und der Kindergartenbeauftragten, das am 15. Dezember 2021 stattgefunden habe, sowie eine Abmahnung vom 24. März 2022 hätten keine Besserung gebracht. Die fortwährenden Diskussionen über die bestehenden Regelungen würden erheblichen Aufwand des Personals erfordern, der sonst der pädagogischen Betreuung der Kinder zugutekommen würde. Das Betreuungsverhältnis sei nicht nur zerrüttet, sondern zwischenzeitlich auch gescheitert. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Die Beendigung des Betreuungsverhältnisses sei die einzige Möglichkeit, um das Personal der Kindertageseinrichtung vor weiteren Angriffen zu schützen und die durch diese Umstände gefährdete Betreuungsarbeit in der Kindertageseinrichtung nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Im Rahmen der Ermessensausübung sei berücksichtigt worden, dass es für die Antragsteller eine nicht unerhebliche Belastung darstelle, aus der bestehenden Gruppengemeinschaft genommen zu werden und sich in einer anderen Einrichtung wieder eingewöhnen zu müssen und dass es für die Mutter der Antragsteller einen erhöhten Betreuungsaufwand darstelle, wenn die Antragsteller aus der Einrichtung ausgeschlossen werden. Dem Schutz des Kindergartenpersonals, dem Schutz und der Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Kindern und der Gewährleistung des geregelten Betriebsablaufs werde jedoch ein höherer Stellenwert eingeräumt. Versuche, eine Befriedung herbeizuführen, seien gescheitert. Die Antragsgegnerin gehe davon aus, dass wohnortnah alternative Betreuungsplätze verfügbar seien. Da zum 1. September 2022 ein neues Betreuungsjahr beginne, sei der Ausschluss zweckmäßigerweise zu diesem Datum ausgesprochen worden, da die Integration der Antragsteller in einer neuen Einrichtung zu Beginn des Betreuungsjahres einfacher möglich sei.
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Die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller erhob am *. September 2022 Klage ge gen den Bescheid vom 29. August 2022, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen M 17 K 22.4283 geführt wird. Gleichzeitig beantragte sie,
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die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die formellen und materiellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht vorlägen. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formelhaft und würde auf beliebige Fallgestaltungen passen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei auch materiell rechtsfehlerhaft, da keine über das Erlassinteresse hinausgehende besondere Eilbedürftigkeit ersichtlich sei. Der Antragsgegnerin gehe es nur darum, die Antragsteller schnellstmöglich nicht mehr betreuen zu müssen. Der Betreuungsanspruch der Antragsteller aus § 24 Abs. 3 SGB VIII sei unbedingt und stehe nicht einmal unter einem Kapazitätsvorbehalt. Im Rahmen der Abwägung müsse das Suspensivinteresse das öffentlich Interesse am Vollzug überwiegen. Die Mutter der Antragsteller, die allein erziehungsberechtigt sei, sei berufstätig. Für die Antragsteller, die feste Freundschaften in der Einrichtung hätten, sei ein geregelter Ablauf und die Beibehaltung des gewohnten sozialen Umfelds äußerst wichtig. Die Antragstellerin zu 1) sei in besonderem Maße betroffen, da sie nächstes Jahr eigeschult werde und sich deshalb innerhalb eines Jahres zweimal in ein neues soziales Umfeld eingliedern müsse. Das Kindeswohl müsse bei der Abwägung besonderes Gewicht erhalten. Die Vorwürfe der Antragsgegnerin seien nicht zutreffend und würden bestritten. Selbst bei Wahrunterstellung der Vorwürfe läge keine solch dringende Gefährdung anderer vor, dass es nicht zumutbar wäre, die Kinder noch während des Rechtsbehelfsverfahrens zu betreuen. Kinder in diesem Alter würden in jeder Einrichtung ständig krank werden, sodass in jeder Kindertageseinrichtung immer eine Ansteckungsgefahr bestehe. Die Vorwürfe, die die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 12. August 2022 erhoben habe, seien unberechtigt und zum Großteil höchst streitig. Die Antragsgegnerin trage die Beweislast für die Vorwürfe; die Vorwürfe seien in den Behördenakten nicht in einer dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechenden Form dokumentiert. Bloße Meinungsverschiedenheiten oder Diskussionen würden den Ausschuss nicht rechtfertigen. Es habe zudem keine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden, da sich das Anhörungsschreiben nicht auf alle Verwürfe erstreckt habe, welche im streitgegenständlichen Bescheid enthalten seien. Es sei nicht gegen KiTa- oder sonstige Corona-Regelungen verstoßen worden und die Antragsteller hätten die Einrichtung auch nicht in erkranktem Zustand besucht, sodass die behauptete Gefährdung anderer Personen zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe. Dass der Leitfaden zum Krankheitsfall nicht unterschrieben worden sei, beruhe auf einem bloßen Versehen. Es liege keine wirksame Rechtsgrundlage für den Ausschluss vor, da die von der Antragsgegnerin zugrunde gelegte Fassung der Kindergartenordnung vom 17. Februar 2022 nicht in die Verträge der Antragsteller eingebunden worden sei; diesen Verträgen habe die Kindergartenordnung vom 3. Juni 2019 zugrundgelegen, die die Spiegelstriche 4 und 6 nicht enthalten habe. Der Ausschluss könne deshalb nicht auf die Gründe „Gefährdung anderer“ und „Verstoß gegen Regelungen nach dem Ausspruch einer Abmahnung“ gestützt werden. Auch inhaltlich seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Spiegelstriche 4 und 6 nicht erfüllt. Es könne der Mutter der Antragsteller nicht zum Nachteil gereichen, dass sie die Hygieneregelung mit der Einrichtungsleitung diskutiert habe. Bei den Regelungen habe es sich nur um Empfehlungen des Rahmen-Hygieneplans gehandelt, den die Kita ausgehängt habe. Diese seien nicht unumstößlich gewesen und seien von der Erziehungsberechtigten nach bestem Gewissen und Verständnis ausgelegt worden. Sofern sich die Antragsgegnerin im Bescheid auf Nachfragen oder E-Mails beziehe, die Arbeit machen, sei dies nicht in der Abmahnung thematisiert worden; die Abmahnung habe sich nur darauf bezogen, dass die Mutter der Antragsteller gegen Corona-Regeln verstoße, was nicht der Fall gewesen sei. Eine Gefährdung anderer Kinder habe nicht vorgelegen. Auch gegen Regelungen der Kindertageseinrichtung sei nicht wiederholt und trotz Abmahnung verstoßen worden. Die Abmahnung sei unsubstantiiert gewesen und habe sich nicht mit den Gründen aus dem streitgegenständlichen Ausschlussbescheid gedeckt. Die Kindergartenordnung sehe keine Frist für einen Ausschluss vor. Die Frist von zwei Tagen sei unangemessen, weil sie den Antragstellern keine Gelegenheit gebe, eine andere Betreuungsmöglichkeit zu finden. Der Ausschluss sei zudem unverhältnismäßig, da er das Kindeswohl außer Acht lasse. Dass Kinder krank werden und abgeholt werden müsse, sei Kindergartenalltag. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein Corona-Verstoß oder ein Verstoß gegen den Rahmenhygieneplan vorgelegen.
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Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 6. September 2022,
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den Antrag abzulehnen.
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Am 7. September 2022 wurden die Behördenakten vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 22.4283 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Für den Antrag ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es handelt sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art. Bei der von der Antragsgegnerin betriebenen Kindertageseinrichtung handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung im Sinne von Art. 21 BayGO (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2012 - 12 CE 12.2170). Bei der Zulassung zu einer solchen Einrichtung besitzt die Gemeinde keine Wahlfreiheit zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Unabhängig von der Rechtsnatur des Benutzungsverhältnisses unterliegen die Zulassung zur Einrichtung und der Ausschluss von der öffentlichen Einrichtung als Kehrseite der Zulassung stets der Beurteilung durch das öffentliche Recht (vgl. BayVGH, B.v. 10.10. 2012 - 12 CE 12.2170 - juris Rn. 35f.; BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, NVwZ 1991, 59; VGH Kassel, B.v. 28.9.1976 - V N 3/75 -, NJW 1977, 452; B.v. 16.8.1978 - II TG 58/78 -, NJW 1979, 886 [887]).
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2. Der Antrag ist zulässig.
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Der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids gerichtete Antrag ist statthaft. Wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Ausschlusses nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat die Klage der Antragsteller keine aufschiebende Wirkung.
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Soweit die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller auf den Betreuungsanspruch aus § 24 Abs. 3 des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) verweist, der einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung für Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt vorsieht, richtet sich dieser gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 2, § 85 Abs. 1, § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII), hier also nach § 69 Abs. 1 SGB i. V. m. Art. 15 Abs. 1 AGSG an den Landkreis § 69 Abs. 1 SGB VIII, Art. 15 Satz 1 AGSG. Vorliegend wäre diesbezüglich richtiger Antragsgegner der Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Ein entsprechender Antrag wurde nicht gestellt.
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3. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unbegründet.
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3.1. Die Antragsgegnerin hat das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids vom 29. August 2022 unter Verweis auf die Fürsorgepflicht gegenüber den zur Betreuung anvertrauten Kindern und den eigenen Beschäftigten den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet. Notwendig ist eine - ggf. auch knapp gehaltene - auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts (vgl. zu den - nicht zu hoch anzusetzenden - Anforderungen im Einzelnen Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 43; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 37. EL 2019, § 80 Rn. 247 m.w.N). Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ist die Begründung in Nr. 4 des Bescheids nicht isoliert auszulegen, sondern im Kontext des gesamten Bescheids zu betrachten, aus dem sich ergibt, aus welchen Gründen die Behörde der Fürsorgepflicht gegenüber den zur Betreuung anvertrauten Kindern und den eigenen Beschäftigten vorliegend für schutzwürdig hält. Aus Ziffer 2 wird deutlich, dass die Antragsgegnerin die Fürsorgepflicht gegenüber ihrem pädagogischen Personal in zu befürchtenden weiteren fruchtlosen Diskussionen über die Einhaltung bestehender Regeln und Respektlosigkeiten für tangiert hält und die Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Kindern in einem geregelten ungestörten regelkonformen Betriebsablauf sowie dem Schutz vor Ansteckung durch Kinder, deren Eltern die Regeln nicht akzeptieren und ihre Kinder ggf. mit Krankheitssymptomen in die Kindertageseinrichtung schicken. Die Behörde kann sich zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auch auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen, wenn die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Die vorliegende Begründung des Sofortvollzugs genügt den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ob die Begründung inhaltlich richtig ist, ist keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs, sondern - im Folgenden - bei der summarischen Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu überprüfen.
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3.2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die auf schiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
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Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt die summari sche Prüfung, dass sich die Klage der Antragsteller gegen den Bescheid vom 29. August 2022 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als erfolglos erweist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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3.2.1. Der Bescheid erweist sich nach summarischer Prüfung als formell rechtmäßig.
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Die personensorgeberechtigte Mutter der Antragsteller ist mit Schreiben vom … Au gust 2022 vor Erlass des Widerrufsbescheids vom 29. August 2022 angehört worden. Die Anhörung bezog sich auf den beabsichtigten Erlass des Widerrufsbescheids aufgrund der Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Mutter der Antragsteller und dem pädagogischen Personal der Kindertagesstätte durch das persönliche Verhalten und die wiederholte Missachtung und Infragestellung der bestehenden CoronaHausregeln der Kindertagesstätte. Der Umstand, dass der in der Anhörung genannte Sachverhalt in Hinblick auf zwei in der Anhörung genannte Tage nach Stellungnahme der Antragsteller korrigiert wurde, ist unschädlich. Die Antragsgegnerin führt im Bescheid aus, dass auch die verbleibenden und nach Stellungnahme der Antragsteller berichtigten Sachverhalte in ihrer Gesamtheit zu der Entscheidung führten, die Zulassungen der Antragsteller zu widerrufen.
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3.2.2. Der Bescheid erweist sich nach summarischer Prüfung auch als materiell recht mäßig.
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Bei der Kindertagesstätte der Antragsgegnerin handelt es sich um eine öffentliche Ein richtung der Gemeinde. Gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO sind alle Gemeindeangehörigen nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen zu benutzen. Nach Ziff. 2 der Kindergartenordnung der Gemeinde S* … (Kindergartenordnung) kann jedes im Gebiet der Gemeinde S* … wohnende Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Beginn der Schulpflicht einen Kindertagesplatz erhalten.
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Die Antragsteller wurden vom Besuch der Kindertagesstätte ausgeschlossen, in der sie aufgrund des Bildungs- und Betreuungsvertrages vom 9. Januar 2019 und des Bildungs- und Betreuungsvertrages vom 23. Juni 2020/13. August 2020 betreut wurden. Der Ausschluss der Antragsteller von der Kindertageseinrichtung als öffentlicher Einrichtung der Antragsgegnerin durch den streitgegenständlichen Bescheid ist als Widerruf der am 9. Januar 2019 bzw. am 23. Juni 2020/13. August 2020 erfolgten Zulassung zu der öffentlichen Einrichtung zu qualifizieren.
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Nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungs akt widerrufen werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Vorliegend sind in Ziff. 14 der Kindergartenordnung in der im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids geltenden Fassung Gründe für den Ausschluss eines Kindes vom weiteren Besuch der Kindertageseinrichtung geregelt.
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Die Antragsgegnerin stützt den Ausschluss auf Ziff. 14.1 der Kindergartenordnung vom 1. März 2022.
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Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten war dem Widerruf nicht die im Zeitpunkt des Abschlusses des Bildungs- und Betreuungsvertrages vom 9. Januar 2019 bzw. des Bildungs- und Betreuungsvertrages vom 23. Juni 2020/13. August 2020 jeweils geltende Fassung der Kindergartenordnung zugrunde zu legen. Die Bildungs- und Betreuungsverträge regeln das Benutzungsverhältnis, während der streitgegenständliche Widerruf die Zulassung zu der öffentlichen Einrichtung betrifft. In § 3 Abs. 1 der Bildungs- und Betreuungsverträge vom 9. Januar 2019 und vom 23. Juni 2020/13. August 2020 ist geregelt, dass die Ordnung der Kindertageseinrichtung in ihrer jeweiligen Fassung verbindlicher Bestandteil des Vertrages ist. Nach § 3 Abs. 2 der Bildungs- und Betreuungsverträge vom 9. Januar 2019 und vom 23. Juni 2020/13. August 2020 gelten Änderungen der Ordnung als genehmigt, wenn Eltern nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Änderung schriftlich Widerspruch erheben.
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Dem auf Ziff. 14 der Kindergartenordnung beruhenden und für sofort vollziehbar er klärten Bescheid standen nicht die zwischen den Beteiligten geschlossenen Betreuungsverträge entgegen, die in § 1 Abs. 4 dem Einrichtungsträger ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (nur) mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende einräumen. Der Abschluss dieser Verträge, mit denen die Nutzungsmodalitäten der als öffentliche Einrichtung (Art. 21 GO) geführten Kindertageseinrichtung geregelt wurden, ließ das durch die vorangegangene Zulassungsentscheidung der Antragsgegnerin begründete öffentlichrechtliche Benutzungsrecht unberührt (vgl. BayVGH, U.v. 30.9.2020 - 4 B 20.1116 - juris Rn. 30 f. m.w.N.). Die durch die Aufnahme der Antragsteller in die Einrichtung entstandene Rechtsposition konnte daher nicht durch eine Kündigung des Vertrags, sondern nur durch eine hoheitliche Regelung in Gestalt eines (Widerrufs-)Verwaltungsakts entzogen werden (VG München, B.v. 27.7.2022 - M 17 E 22.3429; BayVGH, a.a.O., Rn. 31; B.v. 10.10.2012 - 12 CE 12.2170 - NJW 2013, 249 Rn. 42; VG Augsburg, B.v. 31.8.2016 - Au 3 K 16.819 - juris Rn. 46 jeweils m.w.N.). Mit der Bestimmung der Ziff. 14 der Kindergartenordnung über den nachträglichen Ausschluss von der Kindertageseinrichtung hat die Antragsgegnerin von der in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Rechtsvorschrift über den Katalog des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG hinaus zusätzliche Widerrufsgründe zu normieren (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 - 4 CS 17.2083 - BayVBl 2018, 820 Rn. 16 m.w.N.).
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Nach Ziff. 14.1 der Kindergartenordnung vom 1. März 2022 kann ein Kind vom weite ren Besuch der Kindertageseinrichtung ausgeschlossen werden, wenn die entsprechende Förderung des Kindes in der Gruppe sowie die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten nicht möglich erscheint (Satz 1, Spiegelstrich 3), durch den Besuch des Kindes die Unversehrtheit der anderen Kinder erheblich gefährdet ist (Satz 1, Spiegelstrich 4) oder wenn die Personensorgeberechtigten wiederholt und trotz Abmahnung gegen Regelungen der Kindertageseinrichtung verstoßen (Satz 1, Spiegelstrich 7). Bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Kindergartenordnung kann die Kündigung mit sofortiger Wirkung erfolgen.
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Die Antragsgegnerin stützt den Ausschluss auf Ziff. 14.1, Spiegelstrich 3, 4 und 7 der Kindergartenordnung.
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Nach summarischer Prüfung lagen nach Aktenlage zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 29. August 2022 die Voraussetzungen der Ziff. 14 Satz 1 Spiegelstrich 3 und 4 für einen Ausschluss vom weiteren Besuch der Kindertageseinrichtung und damit für einen Widerruf der Zulassungsentscheidung vor. Ob auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Ziff. 14 Satz 1 Spiegelstriche 7 vorlag, kann deshalb offenbleiben.
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Ausweislich des Akteninhalts gab es seit 21. Oktober 2021 Differenzen zwischen der Mutter der Antragsteller und der Leiterin der Kindertageseinrichtung sowie einzelnen pädagogischen Betreuungspersonen, die vor allem den Gesundheitszustand der Antragsteller an einzelnen Tagen, an denen sich diese in der Kindertagesstätte aufhielten, das Hygiene- & Schutzkonzept der Antragsgegnerin sowie den Umgangston der Mutter der Antragsteller im Zusammenhang mit einzelnen Äußerungen betrafen. Nach der in den (nicht paginierten) Behördenakten enthaltenen Aufzeichnungen des Kindergartenpersonals litt der Antragsteller zu 2) während seines Aufenthalts in der Kindertagesstätte am 21. Oktober 2021 an Fieber, am 8. November 2021 an Durchfall und am 9. Dezember 2021 an Erkältungssymptomen (laufende Nase und starker Husten). Am 9. Dezember 2021 legte die Mutter der Antragstellerin Widerspruch gegen die Heimschickung des Antragstellers zu 2 ein. Ein beim Antragsteller zu 2) durchgeführter Corona-Test sei negativ gewesen, Der Antragsteller zu 2) habe zu Hause keine Erkältungssymptome. Aus diesem Anlass fand am 15. Dezember 2021 ein Elterngespräch unter Beteiligung des Ersten Bürgermeisters, der Kindergartenleitung und der Kindergartenbeauftragten statt, bei dem u.a. seitens des Bürgermeisters und des Elternbeirates geäußert wurde, dass sich viele Eltern beschwert hätten, weil die Antragsteller öfter krank in den Kindergarten kämen. Die Mutter der Antragsteller wies im Rahmen dieses Gesprächs darauf hin, dass nach ihr vorliegenden Unterlagen die Kinder im Falle von Fieber, Erbrechen und Durchfall nicht 48 Stunden nach den letzten akut auftretenden Symptomen zu Hause bleiben müssten. Mit Schreiben vom 24. März 2022 mahnte die Antragsgegnerin wegen Missachtung der Regeln im Krankheitsfall und eines stellenweise respektlosen Umgangstons gegenüber dem Personal ab. Ebenfalls nach Aktenlage wandte sich die Mutter der Antragsteller mit E-Mail vom 12. Mai 2022 an die Fachaufsicht Kindertagesbetreuung des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen, weil sie sich durch das Hygiene- & Schutzkonzept der Kindertageseinrichtung vom 4. Mai 2022 überreglementiert fühlte und bat, darauf hinzuwirken, dass die Eltern nicht über die Maßen reguliert, reglementiert und fehlinformiert werden würden. Seitens des Landratsamt wurde ihr mit E-Mail vom 12. Mai 2022 geantwortet, dass für die Frage, ob ein Kind mit leichten Symptomen die Kita besuchen dürfe oder nicht, der individuelle Hygieneplan der Einrichtung entscheidend sei. Der Träger halte sich an die Empfehlung des Ministeriums und habe diese in ein für die Einrichtung entsprechendes Hygiene & Schutzkonzept umgesetzt. Eine Fehlinformation des Trägers sei nicht zu erkennen. Am 30. Mai 2022 litten die Antragsteller während ihres Aufenthalts in der Kindertagesstätte unter Erkältungssymptomen (vgl. E-Mail … L* … vom 30. Mai 2022); ein negativer Corona Test war nicht vorgelegt worden. Als für den nächsten Tag ein Corona-Test gefordert wurde, antwortete die Mutter der Antragsteller mit E-Mail vom 30. Mai 2022, dass sie weiterhin davon ausgehe, dass nach den derzeitigen (Kiga-)Corona-Regeln kein Test erforderlich sei. Sie bringe am nächsten Tag Testergebnisse mit, allerdings nur zur Güte. Mit E-Mail vom 31. Mai 2022 (7:52 Uhr) teilte sie mit, dass der Antragsteller zu 2) beim Einschlafen viel gehustet habe, in der Früh jedoch nur noch gelegentlich gehustet habe. Negative Corona-Tests der Antragsteller würden zur Güte vorgelegt, sie sei aber der Auffassung, dass Tests nach den HygieneSchutzkonzept nicht erforderlich seien.
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a) Ohne dass es auf den Wahrheitsgehalt aller wechselseitigen tatsächlichen Angaben zu den jeweiligen im Raum stehenden Äußerungen (vgl. hierzu auch die in den Behördenakten enthaltenen „Tür- und Angelvermerke“ des pädagogischen Personals) im Einzelnen ankommt, ist dem Akteninhalt, insbesondere dem per E-Mail erfolgten Schriftverkehr in einer Gesamtbetrachtung zu entnehmen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen der Mutter der Antragsteller und der Leiterin der Kindertageseinrichtung sowie einzelnen pädagogischen Betreuungspersonen der Kindertageseinrichtung nachhaltig gestört ist, sodass die weitere Zusammenarbeit nicht möglich erscheint. Aufgrund der wiederholten Infragestellung des jeweiligen Hygiene- & Schutzkonzepts der Kindertageseinrichtung, das diese im Übrigen aufgrund ihres Hausrechts auch abweichend von den allgemein geltenden Bestimmungen strenger gestalten kann, spricht vieles dafür, dass eine weitere zielführende Zusammenarbeit zwischen der Mutter der Antragsteller und dem Personal der Kindertageseinrichtung nicht mehr möglich ist. Selbst nach der klarstellenden E-Mail des Landratsamts kam es am 30./31. Mai 2022 wiederum zu Diskussionen der Mutter der Antragsteller mit dem pädagogischen Personal über das geltende Hygiene- und Schutzkonzept. Nach dem Leitfaden für den Krankheitsfall setzt sich das Personal der Kindertageseinrichtung mit den Erziehungsberechtigten in Verbindung, sobald ein Kind Anzeichen einer Erkrankung zeigt. Um divergierenden Auffassungen bezüglich des Vorliegens von Krankheitssymptomen bzw. deren Schweregrad vorzubeugen, legt der Leitfaden fest, dass die Leitung oder das pädagogische Personal entscheidet, ob gewährleistet werden kann, das Kind mit Krankheitssymptomen in der Kindertagesstätte zu betreuen.
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Die Zusammenarbeit mit den Eltern gehört zu den Kernaufgaben einer Kindertages einrichtung. Nach Art. 11 Abs. 2 BayKiBiG arbeiten Eltern und pädagogisches Personal partnerschaftlich bei der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder zusammen. Deshalb legt Art. 11 BayKiBiG für alle Kindertageseinrichtungen verbindliche Grundsätze für die Zusammenarbeit mit den Eltern fest. Das Ziel ist eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen den Eltern und dem pädagogischen Personal (vgl. Dunkl/Eirich, Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, PdK Bayern, Stand Oktober 2018, Erläuterungen zu Art. 11 Abs. 2).
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b) Zudem wurde durch den Besuch der Antragsteller die Unversehrtheit der anderen Kinder in der Kindertageseinrichtung erheblich gefährdet. Nach Aktenlage (von der Kindergartenleiterin und der stellvertretenden Leiterin unterschriebene Erklärung vom 6. September 2022, Anwesenheitsliste) wurde durch die Einrichtungsleiterin Frau … F* … am 8. November 2021 festgestellt, dass der Antragsteller zu 2) unter massivem dünnflüssigem Durchfall litt. Obwohl die Einrichtungsleiterin bei der Abholung darauf hingewiesen hatte, dass der Antragsteller zu 2) unter Durchfall leide und deshalb nach dem „Leitfaden für den Krankheitsfall“ der Einrichtung die Einrichtung erst zwei Tage nach Abklingen der Symptome wieder besuchen dürfe, wurde der Antragsteller zu 2) am nächsten Tag wieder in die Einrichtung gebracht, was eine potentielle Ansteckungsgefahr für andere Kinder in der Kindertageseinrichtung dargestellt hat und deren körperliche Unversehrtheit damit erheblich gefährdet hat. Weiterhin wurde der Antragsteller zu 2) nach krankheitsbedingter Abwesenheit vom 29. November 2021 bis 8. Dezember 2021 am 9. Dezember 2021 mit laufender Nase und starkem Husten in der Kindertageseinrichtung abgegeben (Aktenvermerk vom 6. September 2022, E-Mail der Mutter der Antragsteller vom 9. Dezember 2022). Auch am 30. Mai 2022 befanden sich die Antragsteller mit Husten und laufender Nase in der Kindertageseinrichtung (Aktenvermerk vom 6. September 2022, E-Mail-Verkehr vom 30./31. Mai 2022). Da Erkältungssymptome für andere Kinder eine potentielle Ansteckungsgefahr beinhalten, wurde auch an diesen Tagen die Gesundheit anderer Kinder gefährdet. Da die Antragsteller sich an mehreren Tagen krank in der Kindertagesstätte aufhielten und die Mutter der Antragsteller nach Aktenlage auch erkennen ließ, dass sie die Regelung, dass das Kind nach dem „Leitfaden für den Krankheitsfall“ die Einrichtung erst zwei Tage nach Abklingen der Symptome wieder besuchen dürfe, infrage stelle, konnte die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen, dass die Mutter der Antragstellerin den „Leitfaden für den Krankheitsfall“ künftig berücksichtigen werde.
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Die personensorgeberechtigte Mutter der Antragsteller ist mit Schreiben vom 12. August 2022 vor Erlass des Widerrufsbescheids vom 29. August 2022 angehört worden. Die Anhörung bezog sich auf den beabsichtigten Erlass des Widerrufsbescheids aufgrund der Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Mutter der Antragsteller und dem pädagogischen Personal der Kindertagesstätte durch das persönliche Verhalten und die wiederholte Missachtung und Infragestellung der bestehenden CoronaHausregeln der Kindertagesstätte. Der Umstand, dass der in der Anhörung genannte Sachverhalt in Hinblick auf zwei in der Anhörung genannte Tage nach Stellungnahme der Antragsteller korrigiert wurde, ist unschädlich. Die Antragsgegnerin führt im Bescheid aus, dass auch die verbleibenden und nach Stellungnahme der Antragsteller berichtigten Sachverhalte in ihrer Gesamtheit zu der Entscheidung führten, die Zulassungen der Antragsteller zu widerrufen.
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c) Die Jahresfrist des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 48 BayVwVfG wurde eingehalten.
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d) Der Widerruf des öffentlichrechtlichen Benutzungsverhältnisses nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG steht im Ermessen der Gemeinde.
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Die gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung durch die Beklagte ist auf das Vorliegen von Ermessensfehlern beschränkt, vgl. § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dies hat im Wesentlichen zur Folge, dass die Entscheidung lediglich daraufhin zu überprüfen ist, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, ob in diese Ermessensentscheidung alle maßgeblichen und keine unzulässigen Erwägungen Eingang gefunden haben und ob einzelne Belange entgegen ihrer objektiven Wertigkeit in die Abwägung eingestellt worden sind.
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Die von der Antragsgegnerin getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu bean standen; Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat die Entscheidung damit begründet, dass die Zusammenarbeit mit der Mutter der Antragsteller nicht mehr möglich erscheine, da Regelungen zu Krankheitsfällen wiederholt in Abrede gestellt worden seien sowie eine respektvolle Kommunikation die Voraussetzung für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder sei. Das Elterngespräch vom 15. Dezember 2021 sowie die Abmahnung vom 24. März 2022 hätten keine Besserung gebracht. Die fortwährenden Diskussionen über die bestehenden Regelungen würden erheblichen Aufwand des Personals erfordern, der sonst der pädagogischen Betreuung der Kinder zugutekommen würde. Das Betreuungsverhältnis sei nicht nur zerrüttet, sondern zwischenzeitlich auch gescheitert. Die Beendigung des Betreuungsverhältnisses sei die einzige Möglichkeit, um das Personal der Kindertageseinrichtung vor weiteren Angriffen zu schützen und die durch diese Umstände gefährdete Betreuungsarbeit in der Kindertageseinrichtung nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Im Rahmen der Ermessensausübung wurde berücksichtigt, dass es für die Antragsteller eine nicht unerhebliche Belastung darstelle, aus der bestehenden Gruppengemeinschaft genommen zu werden und sich in einer anderen Einrichtung wieder eingewöhnen zu müssen und dass es für die Mutter der Antragsteller einen erhöhten Betreuungsaufwand darstelle, wenn die Antragsteller aus der Einrichtung ausgeschlossen werden. Dem Schutz des Kindergartenpersonals, dem Schutz und der Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Kindern und der Gewährleistung des geregelten Betriebsablaufs werde jedoch ein höherer Stellenwert eingeräumt.
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Die Frist des Ausschlusses zum 1. September 2022 war zwar sehr kurz bemessen, ist aber vor dem Hintergrund, dass sich die Antragsgegnerin im Vorfeld des Ausschlusses der Antragssteller um eine anderweitige wohnortnahe Betreuungsmöglichkeit ab 1. September 2022 bemüht hat und im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen berücksichtigt hat, dass zum 1. September 2022 ein neues Betreuungsjahr beginnt, und die Integration der Antragsteller in einer neuen Einrichtung zu Beginn des Betreuungsjahres einfacher möglich ist, nicht zu beanstanden. Ausweislich der Akten hat die Antragsgegnerin der Mutter der Antragsteller nach Aktenlage mit E-Mail vom 29. August 2022 mitgeteilt, dass nach ihren Erkundigungen in der Kindertagesstätte „… …“ in E* … zwei freie Plätze vorhanden seien und die Antragsteller ab 1. September 2022 in dieser Einrichtung aufgenommen werden könnten.
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Die von Antragstellerseite zitierte Vorschrift des § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, wonach ein Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahrs bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung hat, richtet sich nicht an kreisangehörige Gemeinden, sondern an den nach Landesrecht sachlich und örtlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 2, § 85 Abs. 1, § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII), hier also nach § 69 Abs. 1 SGB i. V. m. Art. 15 Abs. 1 AGSG an den Landkreis. Die gesetzlich normierte unbedingte Bereitstellungs- und Gewährleistungspflicht (BVerfG, U.v. 21.11.2017 - 2 BvR 2177/16 - BVerfGE 147, 185 Rn. 134) trifft demnach nicht die Antragsgegnerin. Diese durfte vielmehr bei ihrer Ermessensentscheidung über den Ausschluss aus der gemeindlichen Kindertageseinrichtung davon ausgehen, dass den Antragstellern auf Antrag vom zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zeitnah ein bedarfsgerechter Betreuungsplatz - etwa bei einem freien Träger der Jugendhilfe, einer Nachbargemeinde oder einer Tagespflegeperson - vermittelt werden würde (BayVGH, B.v. 5.4.2022 - 4 CS 22.504). Wie oben ausgeführt, hat sich die Antragsgegnerin überobligatorisch, aber im Hinblick auf die Kürze der Frist geboten, um die Vermittlung einer alternativen Betreuungsmöglichkeit bemüht und eine solche auch gefunden.
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Die Antragsgegnerin muss sich auch nicht entgegenhalten lassen, nach dem letzten für die Entscheidung der Antragsgegnerin maßgeblichen Vorfall am 30./31. Mai 2022 zunächst untätig geblieben zu sein und zugewartet zu haben, um die Antragsteller dann mit Bescheid vom 29. August kurzfristig zum 1. September vom Besuch der Kindertageseinrichtung auszuschließen. Die Antragsgegnerin hat vielmehr bereits zum 15. Juni 2022 die Bildungs- und Betreuungsverträge der Antragsteller mit Wirkung zum 31. Juli 2022 gekündigt. Mit Beschluss der Kammer vom 27. Juli 2022 (M 17 E 22.3429) war die Antragsgegnerin verpflichtet worden, den Antragstellern die Benutzung der Kindertageseinrichtung bis zur vollziehbaren Beendigung des nach wie vor fortbestehenden Benutzungsverhältnisses über den 31. Juli 2022 hinaus zu gestatten.
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4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 188 Abs. 2 VwGO.