Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 30.08.2022 – 16 O 8289/21
Titel:

Haftung von Audi für den entwickelten, hergestellten ud eingebauten 3,0-Liter-Motor (hier: Audi A 6 Avant)

Normenketten:
BGB § 31, § 249, § 826
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3, § 287
FZV § 5 Abs. 1
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2021, 41003; OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 43408; LG Bamberg BeckRS 2022, 29502; LG Kempten BeckRS 2022, 28679; OLG Bamberg BeckRS 2022, 28703 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1) sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist das Fahrzeug Gegenstand eines Rückrufs des Kraftfahrtbundesamtes, der sich auf die Motorsteuerung des Fahrzeugs bezieht, obliegt es der beklagten Herstellerin, im Einzelnen darzulegen, worauf konkret sich die Anordnung des Kraftfahrtbundesamts bezogen hat und in welchem Umfang welche Funktionsweise konkret beanstandet wurde. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Prüfstandmodus muss zwar nicht exakt den realen Fahrbetrieb abbilden, die Motorsteuerung muss aber jedenfalls im Wesentlichen identisch wie dort funktionieren; andernfalls ist von einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei dem Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem ganzen Fahrzeugtyp handelt sich um eine weitreichende unternehmerische Entscheidung, die von untergeordneten Mitarbeitern grundsätzlich nicht ohne Einbeziehung von Entscheidungsträgern getroffen wird. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, 3,0-Liter-Motor, Audi, Schadensersatz, sittenwidrig, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Rückruf, sekundäre Darlegungslast, Prüfstandmodus
Fundstelle:
BeckRS 2022, 30355

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 55.619,81 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.02.2022 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 Avant mit der Fahrgestellnummer … zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit 24.11.2021 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird vorurteilt, an den Kläger Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.147,83 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2021 zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 58.461,11 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte als Herstellerin Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fahrzeugs wegen dort angeblich verbauter unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend.
2
Die Klagepartei erwarb von einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Händler mit Kaufvertrag vom 01.06.2015 den streitgegenständlichen Pkw Audi A6 Avant, der mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten 3.0 Liter-Motor ausgestattet ist, als Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 62.500,00 EUR brutto. Das Fahrzeug hatte im Zeitpunkt des Kaufs eine Laufleistung von 35.000 km, im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 12.07.2022 eine Laufleistung von 64.172 km. Für das Fahrzeug wurde eine EG-Typengenehmigung für die Emissionsklasse Euro 5 ausgestellt.
3
Um den Ausstoß von Stickoxid zu optimieren, wird bei de Fahrzeug im Wege der sog. Abgasrückführung ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird außerhalb eines bestimmten Temperaturfensters zurückgefahren (sog. Thermofenster). Dessen konkrete Beschaffenheit ist zwischen den Parteien umstritten.
4
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt im Hinblick auf eine unzulässige Abschalteinrichtung betroffen. Auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes bietet die Beklagte ein Softwareupdate zur Aktualisierung der Motorsoftware der Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs an.
5
Die Klagepartei behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschaltvorrichtung, durch welche die einzuhaltenden Stickoxidwerte der maßgeblichen Euro 5-Norm lediglich auf dem Prüfstand, jedoch nicht im Realbetrieb eingehalten werden würden. Hierzu würden im Fahrzeug verschiedene Strategien zum Einsatz kommen, über deren Einsatz die Beklagte getäuscht habe.
6
Der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis vom Einsatz der Abschaltvorrichtungen gehabt. Das Fahrzeug sei zum Zeitpunkt des Kaufes weder genehmigungs - noch verkehrsfähig gewesen. Die Typengenehmigung sei objektiv falsch. Es drohe die Stilllegung des Fahrzeugs. Das von der Beklagten angebotene Update sei nicht geeignet, den Schaden zu beseitigen. Hätte die Klagepartei von der Manipulation Kenntnis gehabt, würde sie das Fahrzeug nicht erworben haben.
7
Die Klagepartei meint, dass das Fahrzeug über unzulässige Abschalteinrichtungen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO-EG 715/2007 verfüge. Es liege eine sittenwidrige Schädigung vor, so dass die Beklagte nach § 826 BGB hefte. Darüber hinaus ergebe sich eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 i.V.m.. § 27 EG-FGV, aus 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB sowie aus §§ 831 BGB und § 311 Abs. 2, 3 BGB.
8
Die Klagepartei beantragt zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 56.711,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 Avant mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit 24.11.2021 mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.147,83 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2021 zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
10
Die Beklagte behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über keine unzulässigen Abschaltvorrichtungen. Der Pkw verfüge auch nicht über die bei Motoren des Typs EA 189 bekannt gewordene Umschaltlogik. Ein SCR-Katalysator sei im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht verbaut.
11
Die Beklagte meint, die Klagepartei habe nicht substantiiert dargelegt, dass im streitgegenständlichen Pkw eine unzulässige Abschaltvorrichtung verbaut sei. Vielmehr erfolge diese Behauptung ohne greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein.
12
Das Gericht hat am 12.07.2022 mündlich zur Sache verhandelt und keinen Beweis erhoben.
13
Zur Ergänzung des Tatbestandes werden die parteilichen Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll vom 12.07.2022 sowie der übrige Akteninhalt in Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist weitgehend begründet.
I.
15
Die im Wege objektiver Klagehäufung (§ 260 ZPO) erhobene Klage ist zulässig.
16
Hinsichtlich des Feststellungsantrags in Ziffer 2) ist zwar festzuhalten, dass der Annahmeverzug grundsätzlich kein eigenständig feststellbares Rechtsverhältnis i.S.v.. § 256 Abs. 1 ZPO darstellt, sondern dieser als bloßer Teil eines einheitlichen Rechtsverhältnisses einzuordnen ist. Indes entspricht es allgemeiner Meinung, eine isolierte Feststellung des Annahmeverzugs aufgrund der zugrundeliegenden Praktikabilitätserwägungen (§§ 756, 765 ZPO) zuzulassen.
II.
17
Die Klage ist weitgehend begründet.
18
Es war zuletzt über die Klage in ihrer im Termin vom 12.07.2022 geänderten Form zu entscheiden.
19
Das Prozessverhalten der Klagepartei ist hierbei - mangels expliziter Äußerung auf Frage des Gerichts nach der Antragstellung - nach §§ 133, 157 BGB analog als Teilerledigterklärung auszulegen, also als Klageänderung des Inhalts, dass die zunächst zulässig und begründet erhobene Klage durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit entweder unzulässig oder unbegründet geworden ist.
20
Bleibt ein Prozessverhalten einer Partei unklar, so ist das Verhalten gem. §§ 133, 157 BGB analog aus dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Demgemäß darf die Auslegung auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. vom 01.08.2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 30; aus der Literatur hierzu Anders, in: Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl. 2022, Vor. § 128-703d Rn. 52).
21
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Verhalten der Klagepartei im Termin vom 12.07.2022 als Erledigterklärung auszulegen, da zwischen dem in der Klage zugrunde gelegten Wert und der im Termin bezifferten Nutzungsentschädigung ein relevantes Delta besteht und eine vernünftige und durchschnittlich verständige Prozesspartei eine entsprechende Erklärung abgegeben haben würde.
22
Der Klagepartei steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs abzüglich eines Nutzungsersatzes aus § 826 i.V.m.. § 249 BGB zu (1.). Weitergehende Anspruchsgrundlagen bestehen nicht, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war. Ein Anspruch auf Verzinsung besteht (3.). Der Feststellungsantrag ist begründet (4.). Der Erstattungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht.
23
1. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte aus § 826 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verwendung einer manipulierenden Motorsoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2020 - I-13 U 81/19 -, juris; LG Krefeld, Urteil vom 15. Januar 2020 - 2 O 470/18 -, juris Rn. 37 ff.; LG Dortmund, Urteil vom 15. Januar 2019 - 12 O 262/17 -, juris Rn. 76 ff.).
24
Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich einen Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. So liegt der Fall hier.
25
a) Die schädigende Handlung der Beklagten liegt in dem arglistigen Inverkehrbringen des mangelhaften Fahrzeugs unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Abschalteinrichtung zur Beeinflussung der Emissionswerte auf dem Prüfstand (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 15. Januar 2019 - 12 O 262/17 -, juris Rn. 79 ff.).
26
In das Fahrzeug der Klagepartei war zum Zeitpunkt des Verkaufs und der Auslieferung eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, wodurch es sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete.
27
Das Fahrzeug ist unstreitig Gegenstand eines Rückrufs des Kraftfahrtbundesamtes, der sich auf die Motorsteuerung des Fahrzeugs bezieht. Angesichts dieses Umstandes oblag es der Beklagten im Einzelnen darzulegen, worauf konkret sich die Anordnung des Kraftfahrtbundesamts bezogen hat und in welchem Umfang welche Funktionsweise konkret beanstandet wurde. Trotz entsprechenden ausdrücklichen Hinweises des Gerichts in der Terminsverfügung, hat die Beklagte hierzu nicht substantiiert vorgetragen. Im Rahmen der Klageerwiderung hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass die Beklagte in Abstimmung mit dem KBA zur Beseitigung der beanstandeten Softwarefunktionalität das Emissionsverhalten mittels eines Software-Updates anpasse. Dieses sei in Bezug auf das Fahrzeug des Typs Audi A7 auch bereits freigegeben. Dies reicht indes vor dem Hintergrund des Wechselspiels von Vortrag und Gegenvortrag nicht aus, um den substantiierten Vortrag der Klagepartei hinreichend qualifiziert zu bestreiten. Demnach wird die von der Klagepartei im Einzelnen dargelegte Manipulation in Form der Betriebsarten und der Prüfstanderkennung nicht hinreichend bestritten.
28
Legt man diese im Ergebnis unstreitigen Umstände zugrunde, ist von einer unzulässigen Abschalteinrichtung des Emissionskontrollsystems gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG auszugehen. Das streitgegenständliche Fahrzeug nutzt zwei unterschiedliche Betriebsmodi. Es erkennt anhand verschiedener Parameter, ob es sich auf dem Prüfstand befindet. Dann arbeitet die Abgasreinigung wirksam. Bei Fahrten auf der Straße werden den dagegen vor allem weniger Abgase in den Motor zurückgeführt und dadurch mehr Stickoxide ausgestoßen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll ist, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der Straße gegeben ist. Der Prüfstandmodus muss zwar nicht exakt den realen Fahrbetrieb abbilden, die Motorsteuerung muss aber jedenfalls im Wesentlichen identisch wie dort funktionieren (LG Mönchengladbach, Urteil vom 22. Februar 2019 - 11 O 197/18 -, juris Rn. 38; LG Krefeld, Urteil vom 15. Januar 2020 - 2 O 470/18 -, juris Rn. 70). Dies ist hier gerade nicht der Fall, so dass von einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen ist.
29
Aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung weist das Fahrzeug im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen erheblichen Mangel auf. Unerheblich ist hierbei, dass die Beklagte angibt, dass das Fahrzeug die Vorgaben der Euro-5-Norm erfüllen würde. Aus dem Umstand, dass das Kraftfahrtbundesamt die Nachbesserung für verpflichtend erklärt hat, kann ohne weiteres geschlussfolgert werden, dass das Fahrzeug ohne Update nicht zulassungsfähig ist, weil es den einschlägigen Abgasnormen nicht entspricht (LG Mönchengladbach, Urteil vom 22. Februar 2019 - 11 O 197/18 -, juris Rn. 42). Die Rückrufaktion der Beklagten ist nicht freiwillig erfolgt oder eine bloße Kulanzmaßnahme, sondern notwendig um den Anforderungen des Kraftfahrtbundesamtes zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu genügen. Den Fahrzeughaltern ist es nicht freigestellt, das Update durchführen zu lassen oder nicht. Da bei Fahrzeugen, die entgegen zwingender unionsrechtlicher Vorschriften installierte Abschalteinrichtungen aufweisen, zur Herstellung ihrer Vorschriftsmäßigkeit eine entsprechende Nachrüstung erforderlich ist, sieht sich der Halter eines solchen Fahrzeugs, einer drohenden Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesetzt, solange eine ordnungsgemäße Nachrüstung nicht durchgeführt worden ist. Aufgrund der gesetzeswidrigen Manipulation besteht zumindest die latente Gefahr, dass im Falle einer noch nicht erfolgten Nachrüstung die Betriebszulassung widerrufen wird. Diese Gefahr hat aus kaufrechtlicher Sicht zur Folge, dass bei den betroffenen Fahrzeugen die Eignung für die gewöhnliche Verwendung fehlt und damit ein Sachmangel vorliegt. Denn der Käufer eines solchen Fahrzeugs muss damit rechnen, es aufgrund behördlicher Anordnung nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr nutzen zu dürfen. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Fahrzeug derzeit eine entsprechende Zulassung entzogen wurde oder ob eine solche zunächst unterblieben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, juris Rn. 17 ff.; OLG Nürnberg, Urteil vom 24. April 2018 - 6 U 409/17 -, juris Rn. 38).
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b) Die schädigende Handlung der Beklagten erfolgte sittenwidrig und die Klagepartei ist auch vom Schutzbereich des § 826 BGB umfasst.
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aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender verstößt, wobei dies aufgrund einer umfassenden Würdigung von Inhalt, Zweck und Beweggründen des Handelns zu beurteilen ist. Diese Voraussetzungen sind nicht bei jedem Pflichtverstoß zu bejahen, sondern es muss eine besondere Verwerflichkeit hinzukommen, die im Falle einer Pflichtverletzung durch Unterlassung erfordert, dass das geforderte Handeln einem sittlichen Gebot entsprechen muss. Hierbei ist die Ersatzpflicht eines Schädigers - wie bei allen deliktsrechtlichen Ansprüchen - auf solche Schäden beschränkt, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen. Auf eine derartige Eingrenzung kann, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden. Ein Verhalten kann daher hinsichtlich bestimmter Personen und Schadensfolgen als sittlich anstößig zu qualifizieren sein, während diese Bewertung für andere ebenfalls adäquat verursachte Schadensfolgen ausscheidet Die Ersatzpflicht beschränkt sich auf diejenigen Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen.
32
Geht man von diesen Grundsätzen aus, haftet die Beklagte gegenüber der Klagepartei nach § 826 BGB. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt hier seitens der Beklagten dahingehend vor, als Kaufinteressenten durch eine bewusste Täuschung zum konkreten Kauf bewegt werden (allgemein LG Dortmund, Urteil vom 15. Januar 2019 - 12 O 262/17 -, juris Rn. 86 f.). Wer bewusst täuscht, um einen anderen zum Vertragsschluss zu bewegen, handelt in der Regel sittenwidrig (Sprau, in: Palandt, 79. Auflage 2020, § 826 BGB Rn. 20). Der Fahrzeughersteller täuscht die Erwerber der manipulierten Fahrzeuge vorsätzlich, wenn er die bewusst eingebaute unzulässige Abschalteinrichtung nicht offenlegt.
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Die unzulässige Abschalteinrichtung wurde von der Beklagten bewusst eingesetzt, eine fahrlässige Programmierung der Software scheidet aus. Dies ergibt sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Betriebsarten bereits aus dem Umstand, dass diese Funktion im praktischen Ergebnis einer Umschaltlogik entspricht, da bei Fahrten auf der Straße vor allem die Abgasrückführung zurückgefahren wird und dadurch mehr Stickoxide ausgestoßen werden.
34
Dem Fahrzeughersteller ist ohne weiteres ersichtlich, dass für die Kaufentscheidung eines verständigen Erwerbers der Umstand von zentraler Bedeutung ist, ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechendes Fahrzeug zu erwerben. Durch das vorsätzliche Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung hat der Fahrzeughersteller über diesen zentralen Umstand getäuscht. Das betrügerische Verhalten erweist sich auch als sittenwidrig. Denn Zweck der Xonstruktion war es, die Fahrzeuge für umweltbewusste Käufer interessant zu machen, dadurch eine größere Anzahl von Fahrzeugen zu verkaufen und höhere Gewinne zu generieren. Ein anderes Motiv für den bewussten Einsatz von unzulässigen Abschalteinrichtungen, die ansonsten keinerlei legitimen Zweck hatten, ist nicht ersichtlich und wurde von der insoweit sekundär darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten auch nicht aufgezeigt. Die Sittenwidrigkeit ist dahingehend begründet, dass die Beklagte einen unmittelbaren Vorteil aus der Täuschung zieht, da sie Fahrzeug kostengünstiger als ihr sonst möglich produzieren und damit ihren Gewinn erhöhen kann. Die Täuschung bezieht sich aus Sicht des Fahrzeugherstellers vor diesem Hintergrund gerade darauf, Kunden zum Kauf der Fahrzeuge zu bewegen. Zugleich musste den handelnden Personen auch bewusst sein, dass durch diese Vorgehensweise zumindest die Möglichkeit eines beträchtlichen Schadens für die Erwerber bestand. Denn es besteht zumindest die latente Gefahr, dass die Betriebszulassung aufgrund der Abschalteinrichtung entzogen wird. Diese mögliche Folge wurde offensichtlich von den handelnden Personen billigend in Kauf genommen, um weitere Gewinne erzielen zu können. Die Beklagte hat daher nicht nur gegen Vorschriften zum Umweltschutz verstoßen, sondern auch gegenüber Verbrauchern planmäßig das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung verschleiert, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, und so aus Gewinnstreben gegenüber den Erwerbern des Fahrzeugs sittenwidrig gehandelt. Ein solches Handeln verstößt ersichtlich gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und erfüllt damit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB.
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b) Die Beklagte hat durch Personen gehandelt, für deren sittenwidrige Schädigung sie gemäß § 31 BGB einzustehen hat. Ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten hat den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht.
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Zwar trifft hierfür grundsätzlich die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast. Allerdings ist es vorliegend der Beklagten ausnahmsweise zuzumuten, nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen, weil sie im Gegensatz zu dem außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehenden Kläger die wesentlichen Tatsachen kennt (BGH, Urteil vom 11.05.2021, Az. VI ZR 154/20; LG Dortmund, Urteil vom 15. Januar 2019 - 12 O 262/17 -, juris Rn. 89).
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Der Vorstand der Beklagten kann sich das Wissen verschaffen, wer die Entscheidung getroffen hat, die unzulässige Abschalteinrichtung zu entwickeln und einzusetzen. Die Klagepartei behauptet, Vorstandsmitglieder der Beklagten hätten hiervon Kenntnis gehabt. Dies ist nachvollziehbar und lebensnah. Bei dem Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem ganzen Fahrzeugtyp handelt sich um eine weitreichende unternehmerische Entscheidung, die von untergeordneten Mitarbeitern grundsätzlich nicht ohne Einbeziehung von Entscheidungsträgern getroffen wird. Auch ist im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben davon auszugehen, dass bei der Beklagten Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet waren. Hier muss davon ausgegangen werden, dass der Vorstand eines Fahrzeugherstellers sich hinreichende Kenntnis davon verschafft, ob der eingesetzte Motor den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. Der Vortrag der Klagepartei ist somit als hinreichend substantiiert anzusehen. Vor diesem Hintergrund oblag es der Beklagten im Einzelnen darzulegen, welche Entscheidungsträger wann und in welchem Umfang von dem Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis erlangten und aufgrund welcher Umstände sie gegebenenfalls davon hätten ausgehen können, dass es sich nicht um eine solche handelt. Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, so dass die betreffende Behauptung der Klagepartei, dass Vorstandsmitglieder Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung und diesen gebilligt hätten, als zugestanden im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO gilt.
38
Der Annahme einer sekundären Darlegungslast steht hierbei nicht entgegen, dass möglicherweise einzelnen Vertreter der Beklagten ein Schweigerecht im Hinblick auf die Gefahr einer Strafverfolgung zustehen könnte. Der Beklagten als eigenständige juristische Person steht ein solches Schweigerecht jedenfalls nicht zu (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2020 - I-13 U 81/19 -, juris, Rn. 45).
39
c) Der Klagepartei ist ferner durch das Handeln der betreffenden Personen der Beklagten ein kausaler Schaden entstanden.
40
Im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB liegt ein Schaden auch dann vor, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende „ungewollte“ Verpflichtung belastet ist, salbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (vgl. insgesamt BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, BGH NJW-RR 2015, 275, 276). Entscheidend und ausreichend ist, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist.
41
Diese Voraussetzungen liegen vor (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2020 - I-13 U 81/19 -, juris Rn. 26 ff.).
42
aa) Es steht außer Zweifel, dass unter normalen Umständen kein verständiger Autokäufer ein Kraftfahrzeug kauft, welches zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidenden gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und dessen Hersteller die behördlicherseits gleichwohl erteilte Typgenehmigung durch Manipulationen erschlichen hat. Denn es besteht zumindest die latente Gefahr, dass das Kraftfahrtbundesamt eine Betriebsuntersagung ausspricht, wodurch das Fahrzeug zur gewöhnlichen Verwendung überhaupt nicht mehr geeignet wäre. Dass der Käufer das Risiko bewusst eingegangen wäre, ist vorliegend nicht ersichtlich. Soweit das hypothetische Verhalten der Klagepartei bei Vertragsschluss nicht bereits als offenkundig angesehen werden kann, streitet nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest eine tatsächliche Vermutung im Sinne eines Anscheinsbeweises dafür, dass er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vgl. auch OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, juris Rn. 38). Die so begründete Vermutung wurde seitens der Beklagten noch nicht einmal im Ansatz erschüttert.
43
bb) Zudem besteht kein Zweifel daran, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Leistung für Zwecke der Klagepartei nicht voll brauchbar war. Dies ist bei einer ungewollt eingegangenen Verbindlichkeit als einschränkendes Korrektiv für die weite Fassung des Vermögensschadensbegriffs zu sehen. Die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung darf nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen werden, sondern auch die Verkehrsanschauung muss bei Berücksichtigung der Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansehen (BGH DNotZ 1998, 349, 354). Zumindest ex ante bestand die nicht nur theoretische Gefahr einer Betriebsuntersagung und Außerbetriebsetzung. Da hiermit der hauptsächliche Verwendungszweck (allgemeine Nutzung im Straßenverkehr) gefährdet ist, begründet bereits dies nach der Verkehrsanschauung eine Nachteiligkeit des Vertrags (vgl. OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, juris Rn. 32 f.).
44
cc) Auch die etwaige Möglichkeit der Durchführung eines Software-Updates beseitigt den Schaden nicht. Das Update kann den bereits entstandenen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB nicht im Nachhinein beseitigen, selbst wenn hierdurch die Mängel beseitigt sein sollten. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (ebenso OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, juris Rn. 34).
45
d) Die verantwortlichen verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten handelten auch vorsätzlich.
46
Für § 826 BGB ist zu fordern, dass der Täter Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände, des Schadenseintritts und der Kausalität hat. Hierbei reicht das Bewusstsein aus, dass die Schädigung im Bereich des Möglichen liegt und das Schädigungsrisiko billigend in Kauf genommen wird (vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB Rn. 25 ff.).
47
Für die verantwortlichen Personen der Beklagten war ohne weiteres ersichtlich, dass aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung zumindest die latente Gefahr eines Widerrufs der Betriebszulassung bestand und dass die Kunden ihrer Kaufentscheidung zugrunde legen, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Zulassungsvorgaben entspricht. Auch war ihnen der Zweck des Einbaus der Abschalteinrichtung bewusst. Die betreffenden verfassungsmäßig berufenen Vertreter hatten daher Kenntnis von allen maßgeblichen haftungsbegründenden tatsächlichen Umständen und handelten vorsätzlich. Auch insoweit kommt eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zum Tragen, der diese nicht nachgekommen ist (vgl. auch OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, juris Rn. 46 ff.).
48
e) Nach §§ 249 ff. BGB kann die Klagepartei eine Rückgängigmachung der Folgen des Vertrags und damit eine Rückzahlung des von ihr aufgewendeten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs verlangen. Hierbei muss sich die Klagepartei nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18 - juris Rn. 112 ff.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04. März 2020 - 4 U 65/19 -, juris Rn. 50 ff.; OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, juris Rn. 63 ff.).
49
Dem steht nicht entgegen, dass das Fahrzeug von der Beklagten gesetzeswidrig manipuliert wurde und sie wegen sittenwidriger Schädigung haftet. Bei dem Schadensausgleich im Rahmen des § 826 BGB kommt es darauf an, den Schaden auszugleichen, welcher durch den Vertrag entstanden ist. Der Schaden ist bei der Klagepartei aber nicht in der vollen Höhe des Kaufpreises eingetreten, da diese dafür die Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs erlangte. Tatsächlich konnte die Klagepartei das Fahrzeug ohne Einschränkungen nutzen, so dass sie sich jedenfalls Aufwendungen für eine anderweitige Fortbewegungsmöglichkeit ersparte. Wäre eine Nutzungsentschädigung vorliegend nicht zu berücksichtigen, würde dies zu einer Besserstellung des Käufers führen und gegen das Bereicherungsverbot verstoßen. Im deutschen Recht ist lediglich ein Schadensausgleich, nicht jedoch ein Strafschadensersatz vorgesehen (vgl. insgesamt BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 64 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18 - juris Rn. 112 ff.).
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Auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis hat sich die Klagepartei daher eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen. Da der Wertersatz für die gezogenen Nutzungen auf den Zeitpunkt des Leistungsaustausches zu bemessen ist, ist er über die Laufleistung abstrakt zu bestimmen. Der Nutzungsersatz bestimmt sich nach der Formel:
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Bruttokaufpreis × gefahrene Kilometer: Restnutzungsdauer.
52
Entgegen der Ansicht der Klagepartei ist hierbei kein pauschaler Abschlag von 25 % auf den Kaufpreis vorzunehmen, da dies den Grundprinzipien des Deliktsrechts zuwiderliefe.
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Bei Übergabe hatte das streitgegenständliche Fahrzeug einen Kilometerstand von 35.000 km. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand 64.172 km. Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs gemäß § 287 ZPO auf 300.000 km (ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2020 - I-13 U 81/19 -, juris Rn. 50). Hinsichtlich der zu schätzenden Gesamtlaufleistung bedurfte es keiner Erholung eines Sachverständigengutachtens (BGH, Urteil vom 18.05.2021, Az. VI ZR 720/20; BGH, Urteil vom 27.04.2021, Az. VI ZR 812/20).
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Hiernach ergibt sich ein Nutzungsentschädigungs-Betrag von 6.880,19 EUR (62.500 EUR × 29.172 km: 265.000 km), so dass der Zahlungsanspruch beschränkt auf den tenorierten Betrag von 55.619,81 EUR besteht.
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2. Ob weitere Anspruchsgrundlagen durchgreifen kann offenbleiben, weil sich aus ihnen jedenfalls kein weitergehender Anspruch ergibt. Insofern war die Klage in Bezug auf die Hauptforderung im Übrigen abzuweisen.
56
3. Der tenorierte Zinsanspruch folgt aus § 291 i.V.m.. § 288 Abs. 1 BGB. Die Klage wurde am 07.02.2022 zugestellt, wobei die Verzinsung am Tag nach der Zustellung beginnt, § 187 Abs. 1 BGB analog.
57
4. Es war festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gem. §§ 298, 293 BGB in Annahmeverzug befand, da die Klagepartei die Rückabwicklung mit Schreiben vom 09.11.2021 ordnungsgemäß angeboten und die Beklagte das Angebot konkludent durch Verstreichenlassen der gesetzten Frist abgelehnt hat.
58
5. Die Klagepartei hat einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. § 826 i.V.m.. § 249 BGB.
59
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB sind - wie oben bereits dargestellt - gegeben. Eines gesonderten Zahlungsverzugs hat es hierbei aufgrund der deliktischen Natur der Anspruchsgrundlage nicht bedurft.
60
b) Zum ersatzfähigen Schaden i.S.v. § 249 BGB gehören grundsätzlich auch die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung, insbesondere aufgewendete Anwaltskosten, soweit diese im Einzelfall erforderlich und zweckmäßig war.
61
Die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei in vorliegender Sache ist unstreitig. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf BGH, Urt. vom 30.07.2020 - VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 Rn. 25 darauf abstellt, dass die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden sei, so verfängt dieser Einwand nicht. Im Gegensatz zum zitierten Fall, hat die Klagepartei in der Klageschrift zunächst das Anspruchsschreiben unter Vorlage desselben als Anlage K8 beschrieben, um sodann an anderer Stelle die Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten aus Kostensicht dazulegen. Die Klagepartei hat damit - anders als im zitierten Fall - das Vorgehen seiner Prozessbevollmächtigten konkret behauptet. Dies ist für die Substantiierung ausreichend.
62
c) Auch der Höhe nach besteht der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in der geltend gemachten Höhe.
63
d) Der tenorierte Zinsanspruch folgt aus § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB. Die Klage wurde am 07.02.2022 zugestellt, wobei die Verzinsung am Tag nach der Zustellung beginnt, § 187 Abs. 1 BGB analog.
III.
64
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
65
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
66
3. Der Streitwert war ohne Staffelung mit 58.461,11 Euro festzusetzen. Die als Nebenforderung eingeklagten Rechtsanwaltskosten wirken nicht streitwerterhöhend, § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO. Gleiches gilt für den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs, da die Frage des Annahmeverzugs nur ein rechtlich unselbstständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung darstellt und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch ist (BGH, Beschluss vom 13.10.2020 - VIII ZR 290/19, NJW 2020, 1517 Rn. 7 BGH, Beschluss vom 01.07.2021, Az. III ZR 253/20).