Titel:
Keine Corona-Verdienstausfallentschädigung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung
Normenkette:
IfSG § 30 Abs. 1 S. 2, § 56 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsatz:
Ist ursächlich für den Verdienstausfall eine Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, nicht aber die behördlich angeordnete Absonderung wegen Corona, besteht kein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung gem. § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verdienstausfallentschädigung, Anordnung der Absonderung (Isolation), An Coronavirus erkrankter Selbständiger, Selbsteinschätzung des Antragstellers maßgebend, Arbeitsunfähigkeit (bejaht)
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 14.11.2023 – 20 B 23.1456
VGH München, Urteil vom 09.01.2025 – 20 B 23.1456
Fundstelle:
BeckRS 2022, 30200
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt mit seiner Klage eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 5.294,00 EUR infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung.
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Der Kläger wurde am Montag, den 9. August 2021, positiv auf das Coronavirus getestet. Mit Schreiben vom 10. August 2021 ordnete das zuständige Landratsamt gegenüber dem Kläger deshalb die häusliche Isolation für den Zeitraum vom 10. August 2021 bis einschließlich 20. August 2021 an. Zu diesem Zeitpunkt betrieb der Kläger neben seiner Praxis für Naturheilkunde auch ein Corona-Testzentrum.
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Mit Schreiben vom 20. August 2021 beantragte der Kläger beim Beklagten eine Entschädigung für seinen Verdienstausfall infolge der behördlich angeordneten Absonderung nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG).
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Mit Schreiben vom 25. Oktober 2021 bat der Beklagte den Kläger um Übersendung einer Selbsteinschätzung zum beantragten Verdienstausfall. Dabei wurde der Kläger vorsorglich darauf hingewiesen, dass falsche oder unvollständige Angaben strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben können.
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Am 2. November 2021 übersandte der Kläger dem Beklagten eine schriftliche Selbsteinschätzung und führte im Wesentlichen aus, dass seine Praxis während der Isolation zu 100% geschlossen gewesen sei. Seine Coronainfektion sei mit massiven Symptomen einhergegangen. Er sei erkrankt in Quarantäne gewesen. Auch sonstige mit dem Betrieb verbundene administrative Tätigkeiten hätten während der Quarantäne wegen der akuten Erkrankung nicht ausgeführt werden können.
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Mit Bescheid der Regierung von ... vom 8. November 2021 wurde der Antrag des Klägers auf Gewährung einer Verdienstausfallentschädigung abgelehnt.
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 IfSG lägen im Fall des Klägers nicht vor. Entgegen seiner Angaben im Antrag gehe aus dem Schreiben vom 2. November 2021 hervor, dass der Kläger während der angeordneten Quarantäne arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Wegen der Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachkommen können. Die Quarantäne sei daher nicht ursächlich für den Verdienstausfall gewesen. Eine Entschädigung nach § 56 IfSG sei daher nicht zu leisten.
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Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und zuletzt beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, an den Kläger eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 5.294,00 EUR zu bezahlen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger habe seiner beruflichen Tätigkeit allein wegen der angeordneten Quarantäne nicht nachgehen können. Die Beschreibung von „massiven Symptomen“ in der Selbsteinschätzung des Klägers vom 2. November 2021 sei missverständlich, da der Kläger damit lediglich zum Ausdruck habe bringen wollen, dass er Erkältungssymptome gehabt habe. Zum Zeitpunkt des positiven Tests am 9. August 2021 seien diese aber bereits derart abgeklungen gewesen, dass der Kläger wieder arbeitsfähig gewesen sei. Es habe sich um eine „normale“ Erkältung gehandelt. Als Selbständiger wäre der Kläger ohne die Absonderungsanordnung ab dem 9. August 2021 deshalb trotz der nur noch geringsten Symptome in jedem Fall wieder zur Arbeit gegangen. In diesem Fall hätte er keinen Verdienstausfall erlitten. Während des Quarantänezeitraums sei der Kläger daher gerade nicht arbeitsunfähig erkrankt.
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Die Regierung von ... ist der Klage für den Beklagten mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 entgegengetreten und beantragt,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, im Fall des Klägers liege kein kausaler Verdienstausfall infolge der Absonderungsanordnung vor. Es sei davon auszugehen, dass die vom Kläger am 2. November 2021 übermittelte Selbstauskunft wahrheitsgemäß erfolgt sei, sodass dem Kläger durch die Quarantäne kein Verdienst entgangen sei. In der Selbstauskunft weise der Kläger ausdrücklich und wiederholt auf seine „Coronainfektion mit massiven Symptomen“ hin. Auch in Bezug auf die genannten administrativen Tätigkeiten habe der Kläger an seine akute Erkrankung erinnert, die solche Tätigkeiten selbst ohne Quarantäne unmöglich gemacht habe. Es sei davon auszugehen, dass die Selbsteinschätzung gerade im Hinblick auf den vorsorglichen Hinweis zu etwaigen strafrechtlichen Folgen wahrheitsgemäß erstellt worden sei. Die in der Klagebegründung nachträglich vorgebrachten Ausführungen könnten die ursprünglichen Ausführungen in der Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 nicht entkräften. Es sei daher davon auszugehen, dass es dem Kläger während der angeordneten Quarantäne aufgrund der Symptomatik unmöglich gewesen sei, seiner Arbeitsleistung nachzukommen. Die Quarantäne sei daher nicht ursächlich für den geltend gemachten Verdienstausfall. Ein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG bestehe daher nicht.
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Die mündliche Verhandlung fand am 27. Juni 2022 statt. Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte dabei über die Tatsache, dass der Kläger im Zeitraum der Isolation weder arbeitsunfähig war, noch Symptome einer Erkrankung zeigte, im Wege der Zeugenvernehmung Beweis zu erheben. Diesen Antrag lehnte das Gericht durch förmlichen Beschluss ab. Für den weiteren Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der beantragten Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG, sodass sich der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 8. November 2021 als rechtmäßig erweist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Für die Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten zeitgebundenen Anspruchs, der sich auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, ist maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der behördlichen Isolationsanordnung abzustellen (vgl. hierzu VG Bayreuth, U.v. 21.6.2021 - B 7 K 21.110 - juris Rn. 22).
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Damit ist der vorliegenden Entscheidung über den Anspruch des Klägers auf Verdienstausfallentschädigung für den Zeitraum vom 10. August 2021 bis einschließlich 20. August 2021 die am 31. März 2021 in Kraft getretene Änderung des § 56 Abs. 1 IfSG zugrunde zu legen. Nach dessen § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG sind nunmehr auch „sonstige Kranke“, die nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG abgesondert werden, den Anspruchsberechtigten aus § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG gleichgestellt.
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Damit können - entgegen der vom Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung zunächst geäußerten vorläufigen Rechtsauffassung und der in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, 11. Auflage, Stand: 1.4.2022, § 56 Rn. 27, 27.1; Kümper in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 9 ff.) - auch Kranke im Sinne des § 2 Nr. 4 IfSG zum berechtigten Personenkreis einer Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG gehören. Ein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung kommt bei Erkrankten aber nur dann in Betracht, wenn der geltend gemachte Verdienstausfall kausal auf die infektionsschutzrechtliche Absonderung zurückzuführen ist (vgl. Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, 11. Aufl., Stand 1. April 2022, § 56 Rn. 38). Dies ist nur dann der Fall, wenn der zum Zeitpunkt der Absonderung Erkrankte trotz der sich zeigenden Symptome objektiv arbeitsfähig war und ohne die angeordnete Absonderung seiner Erwerbstätigkeit hätte nachgehen können.
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2. Im Fall des Klägers sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Der Beklagte ist nach Ansicht der Kammer zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im Zeitraum der ihm gegenüber angeordneten Isolation arbeitsunfähig krank war und damit im Ergebnis keinen Anspruch auf die beantragte Verdienstausfallentschädigung hat.
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a) Auf Basis der Angaben des Klägers in dessen Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 ist davon auszugehen, dass er im Zeitraum der Isolation arbeitsunfähig war und deshalb bereits aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen ist, seiner üblichen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
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Der Kläger führt in seiner Selbsteinschätzung aus, dass er eine Coronainfektion mit massiven Symptomen gehabt habe und er deshalb erkrankt in Quarantäne gewesen sei. Auch an weiteren Stellen der Selbsteinschätzung verweist der Kläger auf die Erkrankung und schildert wiederholt, dass sowohl er als auch seine Ehefrau „erkrankt in Quarantäne“ waren. Im Zusammenhang mit der Schilderung von administrativen Tätigkeiten erinnert der Kläger nochmals an die akute Erkrankung, die „selbst ohne Quarantäne solche Tätigkeiten unmöglich“ gemacht habe.
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Diese Aussage kann nach Auffassung des Gerichts nur dahingehend verstanden werden, dass es dem Kläger aufgrund der geschilderten massiven Symptome und damit bereits aufgrund der akuten Erkrankung am Coronavirus nicht möglich war, seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ursächlich für den Verdienstausfall des Klägers war danach die Erkrankung, nicht aber die in der Folge behördlich angeordnete Absonderung, sodass dem Kläger im Ergebnis kein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung gem. § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG zusteht.
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Im Hinblick auf den im Anhörungsschreiben des Beklagten vom 25. Oktober 2021 enthaltenen Hinweis auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen im Fall von Falschangaben ist auch davon auszugehen, dass die Darstellung des Klägers in dessen Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 der Wahrheit entspricht.
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b) Für die Beurteilung der Frage der Arbeits(un) fähigkeit des Klägers ist nach Auffassung der Kammer maßgeblich auf dessen Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 abzustellen. Zwar hat der Kläger im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hiervon abweichende Angaben gemacht und sich dabei entgegen der Angaben im Verwaltungsverfahren als im Zeitraum der Isolation als arbeitsfähig beschrieben, doch hält das Gericht diese Angaben nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung für unglaubhaft (§ 108 Abs. 1 VwGO).
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In der Klagebegründung vom 15. Februar 2022 führte der Bevollmächtigte des Klägers aus, dass der Kläger seiner Erwerbstätigkeit allein aufgrund der Quarantäne nicht mehr habe nachgehen können. Die geschilderten massiven Symptome hätten lediglich bis zum 8. August 2021 angedauert. Ab dem 9. August 2021 seien diese aber bereits derart abgeklungen, dass der Kläger wieder arbeitsfähig gewesen sei. Es habe sich dann nur noch um eine „normale“ Erkältungskrankheit gehandelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte der Kläger sodann - wiederum in Widerspruch mit den gesamten bisherigen Angaben - aus, dass er bereits ab Montag, den 9. August 2021, keinerlei Symptome mehr gezeigt habe.
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Die sich hieraus ergebenden Widersprüche, sowie die deutliche Herabstufung der Erkrankung von (zeitlich nicht eingegrenzten) „massiven Symptomen“ in der Selbsteinschätzung vom 2. November 2021, über „leichte Erkältungssymptome“ in der Klagebegründung vom 15. Februar 2022 hin zur in der mündlichen Verhandlung behaupteten völligen Symptomfreiheit konnten auch nicht durch die Erklärungsversuche des Klägers ausgeräumt werden. Die Widersprüche lassen sich aus Sicht des Gerichts letztlich nur damit erklären, dass durch eine abweichende Darstellung des Krankheitsverlaufs und die nachträgliche Behauptung der Arbeitsfähigkeit im Zeitraum der Isolation die Tatsachengrundlage für einen Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung geschaffen werden sollte.
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Der Erklärungsversuch des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2022, wonach er im Zeitpunkt der Abfassung seiner Selbsteinschätzung am 2. November 2021 verärgert gewesen sei, weil der Beklagte im Schreiben vom 25. Oktober 2021 unter Nr. 1 mit der Selbsteinschätzung auch eine Stellungnahme zum Impfstatus des Klägers angefordert hatte, überzeugt nicht. Die Verärgerung des Klägers über eine seiner Ansicht nach unangebrachte Frage erklärt zwar, weshalb der Kläger auf diese Frage in seiner Selbsteinschätzung nicht eingegangen ist. Sie erklärt darüber hinaus jedoch nicht, weshalb der Kläger deshalb in seiner Selbsteinschätzung unrichtige Tatsachen in Bezug auf die Erkrankung bzw. die Einschätzung seiner Arbeits(un) fähigkeit gemacht haben sollte. Dies gilt umso mehr, als im Schreiben des Beklagten vom 25. Oktober 2021 der Hinweis auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen enthalten war. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, weshalb die vom Kläger geschilderte Verärgerung eine unrichtige Tatsachenschilderung zur Folge haben sollte.
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Auch die Tatsache, dass der Kläger sich selbst nicht als „Schriftmensch“ beschreibt und in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass er mangels juristischem Fachwissen nicht wusste, auf welche Angaben es ankomme, kann an dieser Bewertung nichts ändern. Denn mit Schreiben vom 25. Oktober 2021 war der Kläger lediglich zur Schilderung von Tatsachen aufgefordert worden, sodass es für die Abfassung der vom Beklagten angeforderten Selbsteinschätzung in keiner Weise auf die Kenntnis der rechtlichen Hintergründe ankam. Die diesbezügliche Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung impliziert nun aber vielmehr, dass er im Nachhinein bei Kenntnis der Rechtslage in der Selbsteinschätzung gegebenenfalls andere Angaben gemacht hätte, belegt hingegen jedoch nicht, dass die Angaben in der Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 fehlerhaft erfolgt sind.
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Auch der vom Kläger weiter vorgetragene Umstand, dass er auch früher selbst bei schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen stets zur Arbeit erschienen sei, kann die Angaben in der Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 nach Ansicht der Kammer nicht entkräften. Denn aus dem Verhalten des Klägers bei Krankheiten/gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Vergangenheit lässt sich nicht ohne Weiteres auf das zukünftige Verhalten des Klägers bei anderen Krankheiten, insbesondere anlässlich einer hochansteckenden Viruserkrankung, schließen. Denn damit ist nicht gesagt, dass der Kläger bei jeglicher Krankheit wie eben beispielsweise auch den von ihm geschilderten massiven Symptomen nicht doch - wie ursprünglich in der Selbsteinschätzung geschildert - arbeitsunfähig war.
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Letztlich verbleibt bei der Kammer insgesamt der Eindruck, dass die nunmehr im gerichtlichen Verfahren veränderte Darstellung der Umstände der Erkrankung während des Zeitraums der behördlichen Absonderungsanordnung allein dem Ziel dient, eine Tatsachenbasis zu schaffen, die einen Anspruch auf eine Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG begründet.
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Der Kläger muss sich deshalb letztlich an den von ihm vor Erlass des ablehnenden Bescheids vom 8. November 2021 gemachten Angaben in der Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 festhalten lassen.
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c) Im Ergebnis war auch der vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisantrag, gerichtet auf die Einvernahme zweier Zeuginnen, abzulehnen. Von der Vernehmung der Zeugen hat das Gericht abgesehen, weil nicht ersichtlich ist, inwieweit hierdurch bessere Erkenntnisse über die Frage der Arbeits(un) fähigkeit des Klägers hätten gewonnen werden können. Dabei ist bereits fraglich, inwieweit die unter Beweis gestellten Tatsachen überhaupt dem Grunde nach dem Zeugenbeweis zugänglich sind. Denn die genannten Zeugen wären lediglich in der Lage, ohne jegliche Sach- bzw. Fachkunde ihren persönlichen, subjektiven Eindruck des Klägers und dessen Gesundheitszustands während der Isolation zu beschreiben. Eine auf objektive Kriterien gestützte Bewertung der Frage der Arbeitsfähigkeit des Klägers ist den angebotenen Zeugen hingegen mangels entsprechender Sachkunde gerade nicht möglich.
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Jedenfalls aber stellt die Darstellung der Eigenwahrnehmung des Klägers in der Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 gegenüber der Fremdwahrnehmung der angebotenen Zeugen im Hinblick auf die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit stets das klar sachnähere Beweismittel dar. Hinzu kommt, dass den Aussagen der Ehefrau und der Mitarbeiterin des Klägers aufgrund des bestehenden Näheverhältnisses und der Tatsache, dass der Zeitraum der Isolation des Klägers bereits fast ein Jahr zurückliegt auch generell nur ein verminderter Beweiswert zukommen kann.
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Es ist daher nicht erkennbar, dass die Aussagen der angebotenen Zeugen bessere Erkenntnisse zur Arbeitsfähigkeit des Klägers, die seine eigenen Angaben in der Selbsteinschätzung vom 2. November 2021 entkräften könnten, ergeben, sodass der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag im Ergebnis abzulehnen war.
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3. Auch scheidet nach Ansicht der Kammer eine Auslegung oder entsprechende Anwendung des § 56 Abs. 1 IfSG dahingehend, dass ein Anspruch des Klägers auf Verdienstausfallentschädigung besteht, weil er als Selbständiger im Gegensatz zu anderen arbeitsunfähigen Kranken keine Leistungen im Krankheitsfall erhält, aus. Denn als Billigkeitsanspruch ist § 56 Abs. 1 IfSG eng auszulegen. Eine Pflicht zur Ausweitung der Entschädigungstatbestände besteht daher von Verfassung wegen nicht (Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, 11. Aufl., Stand: 1.4.2022, § 56 Rn. 2). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es keine gesetzliche Verpflichtung für Selbständige zum Abschluss einer Krankentagegeldversicherung gibt. Dies begründet keinen Anspruch auf eine staatliche Billigkeitsleistung. Die Entscheidung, keine entsprechende Versicherung oder aber eine erst nach längerer Krankheit greifende Versicherung abzuschließen, ist ausschließlich der Risikosphäre des Selbständigen zuzuordnen. Wird keine oder eine (noch) nicht greifende Versicherung abgeschlossen, wird zugleich bewusst die Entscheidung getroffen im Fall einer Erkrankung die zu einer Arbeitsunfähigkeit führt, keine entsprechenden Leistungen zu erhalten. Wenn der Selbständige dieses Risiko wirtschaftlich mit einkalkuliert, muss er es sich auch dahingehend entgegenhalten lassen, dass es billig ist, ihm die Entschädigung zu verwehren (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.1.2022 - W 8 K 21.1139 - juris Rn. 22).
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4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).