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LG Regensburg, Urteil v. 16.02.2022 – 5 KLs 504 Js 12296/21
Titel:

Handeltreiben mit Kokain und Beihilfe

Normenketten:
StGB § 64
BtMG §29a
Leitsätze:
1. Hat der Angeklagte dem Konsum von Kokain Vorrang gegenüber anderen Verhaltensweisen eingeräumt, die von ihm früher höher bewertet worden sind, liegt ein Abhängigkeitssyndrom nahe. (Rn. 83) (redaktioneller Leitsatz)
2. Liegt die tatsächliche Wirkstoffmenge nicht völlig außerhalb des nach den Umständen in Betracht kommenden Rahmens, ist in subjektiver Hinsicht davon auszugehen, dass es dem Angeklagten nicht auf die Details zur Wirkstoffmenge ankam und sich der Vorsatz auf die tatsächliche Menge bezog. (Rn. 106) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Betäubungsmitteldelikten kommt es für die Differenzierung von Täterschaft und Teilnahme darauf an, ob der Beteiligte einen hohen Grad an Eigeninteresse am Erfolg hat, in welchem Umfang er an der Tat beteiligt ist und Tatherrschaft oder doch wenigstens den Willen zur Tatherrschaft hat. (Rn. 108) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betäubungsmittel, Handeltreiben, Kokain, Wirkstoffgehalt, Unterbringung, Abhängigkeit, Entziehungsanstalt, Täterschaft, Teilnahme
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 09.08.2022 – 6 StR 268/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 30199

Tenor

1. Der Angeklagte B. ist schuldig des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
2. Der Angeklagte R. ist schuldig der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
3. Der Angeklagte B. wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten verurteilt.
4. Die Unterbringung des Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt wird angeordnet. Es wird bestimmt, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist.
5. Der Angeklagte R. wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verurteilt.
6. Dem Angeklagten R. wird für die Dauer von 3 Monaten verboten im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
7. Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe

I. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
1. Angeklagter B.
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Der Angeklagte B. wurde 1974 als elftes und letztes Kind seiner Eltern in D./Albanien geboren. Der Angeklagte hat 8 Schwestern und 2 Brüder. Der Vater des Angeklagten starb, als dieser etwa 7 Jahre alt war. Die Mutter verstarb, als der Angeklagte etwa 30 Jahre alt war.
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Mit sieben Jahren kam der Angeklagte in die Grundschule, die in Albanien 8 Jahre dauert. Nach diesen 8 Jahren wollte der Angeklagte eigentlich seine schulische Laufbahn mit dem Besuch einer weiterführenden Schule fortsetzen, floh aber im Jahr 1990 aufgrund der politischen Unruhen in Albanien als Einziger seiner Familie nach Italien und lebte dort in Tr.. Von dort holte er nach und nach andere Familienmitglieder nach Italien. Er erwarb eine italienische Aufenthaltsgenehmigung und arbeitete, nachdem er einen entsprechenden Kurs absolviert hatte, als Dachdecker. Auf diese Weise hatte er die Möglichkeit, den in Albanien verbliebenen Familienmitgliedern Geld zu schicken. Ab dem Jahr 2001 war die berufliche Situation des Angeklagten in Italien aufgrund der dortigen Wirtschaftskrise von Schwierigkeiten geprägt. Im Jahr 2001 heiratete der Angeklagte eine Frau, die er 1999 in einem Urlaub in Albanien kennengelernt hatte. Aus der Ehe entstammen ein 2003 geborener Sohn und eine 2009 geborene Tochter. Im Jahr 2016 erfolgte die Scheidung der Eheleute. Auch nach der Scheidung hatte der Angeklagte zunächst regelmäßigen Kontakt zu den Kindern, der im weiteren Verlauf von der geschiedenen Ehefrau jedoch aufgrund des Lebenswandels des Angeklagten, insbesondere dessen Drogenkonsums, unterbunden wurde. Im Jahr 2018 verließ der Angeklagte I. und ging nach Deutschland. Dort arbeitete er zunächst für 10 Monate bei einem Kosovo-Albaner in einer Metallbaufirma in D.. Nach dem Verlust dieser Arbeitsstelle kehrte er für einige Monate nach Italien zurück, kehrte aber im Jahr 2019, nachdem er in Italien keinen Fuß mehr fassen konnte, nach Deutschland zurück und arbeitete in Gelegenheitsjobs. Zwischendurch absolvierte er immer wieder Gelegenheitsjobs in Albanien oder Italien. Im Jahr 2019 lernte der Angeklagte auf dem Oktoberfest in München seine aktuelle Lebensgefährtin, die Zeugin V., kennen. Deshalb zog er 2019 nach R..
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Der Angeklagte begann im Alter von etwa 27 Jahren mit dem Konsum von Kokain, das er seither stets nasal konsumiert. Seitdem er 30 Jahre alt ist, konsumiert er so gut wie täglich Kokain. Dabei gibt er einen Konsum von bis zu 5 g/Tag an. Infolge dieses Betäubungsmittelmissbrauchs ist der Angeklagte betäubungsmittelabhängig.
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Der Angeklagte hatte in Deutschland einen Aufenthaltstitel, der allerdings abgelaufen ist.
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Das Bundeszentralregister enthält für den Angeklagten folgende Eintragungen:
1. 09.03.2019 AG Kelheim (D3405) -6 Cs 126 Js 22479/18 - Rechtskräftig seit 01.06.2019 Tatbezeichnung: Vorsätzl. Fahren ohne Fahrerlaubnis Datum der (letzten) Tat: 30.09.2018 Angewandte Vorschriften: StGB § 44, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1
40 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
1 Monat(e) Fahrverbot.
2. 30.04.2019 AG München (D2601) -1116 Cs 116 Js 123054/19 - Rechtskräftig seit 23.05.2019 Tatbezeichnung: Vorsätzl. unerl. Führen einer verbotenen Waffe Datum der (letzten) Tat: 08.02.2019 Angewandte Vorschriften: WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 1, § 54
40 Tagessätze zu je 30,00 EUR Geldstrafe.
Maßnahme nach: WaffG § 54.
3. 04.10.2019 AG München (D2601) -Cs 415 Js 129989/19 - Rechtskräftig seit 08.01.2020 Tatbezeichnung: Fahrl. Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzl. Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit fahrl. Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzl. Fahren ohne Fahrerlaubnis Datum der (letzten) Tat: 09.10.2018 Angewandte Vorschriften: StGB § 316 Abs. 1, § 316 Abs. 2, § 53, § 52, § 55, § 69,
§ 69 a, § 44, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1
130 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 07.01.2021.
1 Monat(e) Fahrverbot .
Aufrechterhaltene Nebenstrafe oder Maßnahme nach Gesamtstrafenbildung.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 30.04.2019+1116 Cs 116 Js
123054/19+D2601+AG München.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 09.03.2019+6 Cs 126 Js
22479/18+D3405+AG Kelheim.
2. Angeklagter R.
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Der Angeklagte R. wurde … 1970 in Pr./Kosovo als zweiter von drei Brüdern geboren. Seine Mutter arbeitete als Hausfrau, der Vater war Minenbauingenieur, er verstarb im Jahr 2004 an einem Herzinfarkt.
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Der Angeklagte wurde mit 7 Jahren eingeschult und besuchte, wie im K. üblich, die Grundschule für 8 Jahre. Anschließend besuchte er für 4 Schuljahre eine kaufmännische Schule, die er mit einem kaufmännischen Abschluss beendete. Mit 19 Jahren war der Angeklagte für ein Jahr in der jugoslawischen Armee. Nach seiner Rückkehr zur Familie war die Situation aufgrund des Krieges in Jugoslawien sehr schwierig. Der Vater des Angeklagten verlor damals seine Arbeit. Aufgrund des Krieges musste der Angeklagte private Schicksalsschläge hinnehmen. Er ging deshalb im Jahr 1992 als Asylbewerber nach Schweden. Da ihm kein Asyl gewährt wurde, kehrte er im Jahr 1993 in den Kosovo zurück, um sodann im Jahr 1994 nach Deutschland zu gehen. Dort wohnte er zunächst in Altenburg bei Leipzig, wo er seine spätere Frau kennenlernte, die zu dieser Zeit in Regensburg Psychologie studierte. Die beiden heirateten im Jahr 1996, aus der Ehe hat der Angeklagte eine im Jahr 1999 geborene Tochter. Im Jahr 2001 trennten sich der Angeklagte und seine Ehefrau, die Scheidung erfolgte im Jahr 2006. 2002 lernte der Angeklagte eine neue Partnerin, eine Pharmaziestudentin, kennen, mit der er bis 2012 liiert war. Im Jahr 2020 nahm der Angeklagte über Facebook Kontakt zu einer alten Freundin aus Schweden auf, mit der er aktuell wieder liiert ist.
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Beruflich war der Angeklagte zunächst bis etwa 2001/2002 zunächst bei einer Autoaufbereitungsfirma in K. tätig. Anschließend war er eine Zeit lang arbeitslos. Während der Beziehung mit der Pharmaziestudentin hatte der Angeklagte N2., zum Beispiel als Pizzafahrer. Nach dem Ende dieser Beziehung begann der Angeklagte bei BMW zu arbeiten, wo er bis 2019 über eine Leiharbeitsfirma angestellt war. Seitdem ist der Angeklagte arbeitslos und bezieht Hartz IV-Leistungen. Die Tochter des Angeklagten studiert Rechtswissenschaften an der Universität Passau.
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Bei dem Angeklagten ist seit ca. 11 Jahren eine Hepatitis B-Erkrankung bekannt.
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Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
II. Feststellungen zu den Taten
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1. Am 20.05.2021 suchten die Angeklagten kurze Zeit vor 16:45 Uhr das Wohnanwesen des anderweitig Verfolgten K. T. unter der Anschrift Auf der Platte in Ihrlerstein auf. Die Angeklagten fuhren mit einem von dem Angeklagten R. am 18.05.2021 angemieteten Mietwagen dorthin, wobei der Angeklagte R. das Fahrzeug führte und der Angeklagte B. der Beifahrer war. Der Angeklagte B. führte dabei eine Tüte mit 387 Gramm (netto) Metamphetamin mit sich, um dieses gewinnbringend an den anderweitig Verfolgten T. zu veräußern. Das Betäubungsmittel befand sich dabei in einem mit Paketklebeband verschlossenen durchsichtigen Plastikbeutel. Dieser befand sich in einer braunen Papiertüte, die sich wiederum in einer schwarz-rot-weißen Plastiktasche befand. Der Angeklagte R. kannte den Zweck der Fahrt. Das Mietfahrzeug hatte er zu diesem Zweck angemietet. Er hatte die Fahrt jedenfalls einige Tage vor dem 20.05.2021 mit dem Angeklagten B. verabredet und zudem die Menge an Betäubungsmitteln vor Antritt der Fahrt gesehen.
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Das in der Tüte befindliche Metamphetamin ist eine Mischung aus S-Metamphetamin-Hydrochlorid, Levmetamphetamin-Hydrochlorid und Dimethylsulfon. Der Gesamtwirkstoffgehalt an Metamphetaminbase und Levmetamphetaminbase betrug mindestens 72,4%, wobei der Anteil an S-Metamphetaminbase mindestens 89,5% betrug. Daraus ergibt sich eine Mindestwirkstoffmenge von 280,1 Gramm Metamphetaminbase und Levmetamphetaminbase, wobei eine Wirkstoffmenge von 250,6 Gramm S-Metamphetaminbase und eine Wirkstoffmenge an Levmetamphetaminbase von 29,5 Gramm vorliegt. Die Angeklagten nahmen zumindest billigend in Kauf, dass diese Wirkstoffmengen vorlagen.
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Die Angeklagten trafen den anderweitig Verfolgten T. in dessen Wohnanwesen nicht an, da dieser - was den Angeklagten nicht bekannt war - am selben Nachmittag vorläufig festgenommen worden war. Ebenfalls am selben Nachmittag war das gesamte Anwesen polizeilich mehrere Stunden lang nach Betäubungsmitteln durchsucht worden, wobei auch Drogenspürhunde zum Einsatz gekommen waren.
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Die Angeklagten verließen deshalb das Wohnanwesen des anderweitig Verfolgten T. wieder und entfernten sich in dem bereits erwähnten Mietwagen, wobei wiederum der Angeklagte R. fuhr und der Angeklagte B. Beifahrer war. Kurz nach Verlassen des Grundstücks sollten die Angeklagten auf Veranlassung der KPI (Z) Oberpfalz einer legendierten Kontrolle durch eine Streife der PI Kelheim unterzogen werden. Als die Angeklagten das Streifenfahrzeug wahrnahmen, beschleunigte der Angeklagte R. sein Fahrzeug abrupt und flüchtete in Richtung Kelheim, wobei er die innerorts geltende Geschwindigkeitsbeschränkung deutlich überschritt. Auf Höhe der Kreuzung Veilchenhang/E.straße warf der Angeklagte B. die Tüte mit den Betäubungsmitteln aus dem Fenster. Die Betäubungsmittel wurden kurze Zeit später an dieser Stelle durch einen Polizeibeamten sichergestellt. Die Flucht der Angeklagten endete nach kurzer Zeit.
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Der Angeklagte B. verfügte, wie beide Angeklagten wussten, nicht über die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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2. Der Angeklagte B. bewahrte am 20.05.2021 gegen 21:00 Uhr in der von ihm gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin D. V. genutzten Wohnung in der P. straße in Re. wissentlich und willentlich im Kühlschrank 918,5 Gramm (netto) Metamphetamin auf. Dieses Betäubungsmittel befand sich seit dem 19.05.2021 in der dortigen Wohnung. Das Metamphetamin war von dem Angeklagten B. jedenfalls nicht ausschließbar von demselben Lieferanten innerhalb eines einheitlichen Erwerbsvorgangs angeschafft worden wie das oben unter Ziffer II.1 näher bezeichnete Metamphetamin.
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Das Metamphetamin ist eine Mischung aus S-Metamphetamin-Hydrochlorid und Levmetamphetamin-Hydrochlorid. Der Gesamtwirkstoffgehalt an Metamphetaminbase und Levmetamphetaminbase betrug mindestens 74,1%, wobei der Anteil an S-Metamphetaminbase mindestens 3,7% betrug. Daraus ergibt sich eine Mindestwirkstoffmenge von 680,1 Gramm Metamphetaminbase und Levmetamphetaminbase, wobei eine Wirkstoffmenge von 25,1 Gramm S-Metamphetaminbase und eine Wirkstoffmenge an Levmetamphetaminbase von 655,5Gramm vorliegt. Der Angeklagte B. ging jedoch davon aus, dass bezüglich des Metamphetamins jedenfalls ein Wirkstoffgehalt von zumindest 20% S-Metamphetaminbase gegeben war.
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Der Angeklagte B. bewahrte in der genannten Wohnung zudem wissentlich und willentlich in einer Umhängetasche 81 hellgrüne Ecstasy-Tabletten auf. Diese Tabletten hatte der Angeklagte am 20.05.2021 jedenfalls seit ca. einem Monat in seinem Besitz.
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Die Tabletten haben einen Wirkstoffgehalt an MDMA-Base von mindestens 35,1%, woraus sich eine Mindestwirkstoffmenge von 11,2 Gramm MDMA-Base ergibt. Damit rechnete der Angeklagte B. auch.
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Auch insoweit verfügte der Angeklagte B., wie er wusste, nicht über die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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3. Die Betäubungsmittel unter Ziffer 1 und 2 waren jeweils zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt.
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Der Angeklagte B. war zu den Tatzeitpunkten kokainabhängig. Er war zu den Tatzeitpunkten in seiner Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt, in seiner Steuerungsfähigkeit war er jedenfalls nicht erheblich beeinträchtigt.
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Der Angeklagte B. verfügt in Deutschland über keinen Aufenthaltstitel.
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Der Angeklagte R. war zu den Tatzeitpunkten weder in seiner Einsichts- noch in seiner Steuerungsfähgigkeit beeinträchtigt.
III. Beweiswürdigung
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1. Die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen auf den von der Sachverständigen im Rahmen der Exploration erhobenen Daten, die diese im Rahmen ihrer Anhörung umfassend schilderte und die von den Angeklagten jeweils bestätigt wurden. Hinzu kommen die für jeden Angeklagten verlesenen Auskünfte aus dem Bundeszentralregister.
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2. Was die Taten anbelangt, haben sich beide Angeklagte zu wesentlichen Teilen des Anklagevorwurfs geständig eingelassen. Die Einlassungen wurden durch die weiteren Beweismittel größtenteils bestätigt, teilweise aber auch ergänzt bzw. widerlegt.
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a. Der Angeklagte B. räumte ein, dass die in Ihrlerstein sichergestellte Betäubungsmittelmenge zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch ihn bestimmt war. Allerdings sei kein Verkauf an den anderweitig Verfolgten K. T. geplant gewesen, diesem hätten die Angeklagten lediglich einen Freundschaftsbesuch abgestattet. Der Verkauf hingegen sollte nach den Angaben des Angeklagten an einen nicht näher benannten Abnehmer in Kelheim erfolgen. Dies hatte der Angeklagte bereits im Rahmen der Exploration durch die Sachverständige Dr. S. nach entsprechender Belehrung so angegeben, wie die Sachverständige, insoweit als Zeugin, bestätigte. Der Angeklagte B. gab weiter an, dass mit den Einkünften aus dem Verkauf des Betäubungsmittels vornehmlich sein eigener Kokainkonsum finanziert hätte werden sollen. Er gab zudem an, dass der Angeklagte R. lediglich der Fahrer gewesen sei und für den Fahrdienst kein Entgelt hätte erhalten sollen. Diesem habe er wider besseres Wissen vorgespiegelt, dass die Fahrt deshalb stattfinde, weil er, der Angeklagte B., ein Auto kaufen wolle. Die Rolle des Angeklagten R. als bloßer Fahrer hatte der Angeklagte B. bereits gegenüber der Sachverständigen im Rahmen der Exploration angegeben, wie diese bezeugte. Auf Nachfrage räumte der Angeklagte ein, dass es sich bei den in Ihrlerstein aus dem Fahrzeug geworfenen Betäubungsmitteln um jene gehandelt habe, die zum Weiterverkauf bestimmt gewesen seien. Er bestätigte, dass er das mitgeführte Betäubungsmittel an einer Stelle, an der keine Sicht für die Beamten im Polizeiauto bestand, aus dem Fahrzeug geworfen hatte.
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Bezüglich der in der P. straße in R. sichergestellten Betäubungsmittel gab der Angeklagte B. an, diese habe er vom selben Lieferanten bezogen wie die in Ihrlerstein sichergestellte Betäubungsmittelmenge. Auch die in der Puricellistaße sichergestellten Betäubungsmittel seien zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt gewesen.
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Soweit der Angeklagte sich geständig zeigte, wurde dies durch die vernommenen Zeugen bestätigt.
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Die Zeugen POM W., PHM P., POM F., POM R. und KHK Z. schilderten die Vorfälle von der Flucht der Angeklagten bis zu deren Anhaltung und vorläufiger Festnahme.
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Der Zeuge POM W. schilderte, dass er zum betreffenden Zeitpunkt mit seinem Kollegen, dem Zeugen POM F., im Schichtdienst tätig gewesen sei. Dabei seien sie von der KPI kontaktiert worden, um ein ihnen näher benanntes Fahrzeug zu kontrollieren, bei dessen Insassen der Verdacht bestanden habe, dass sie Betäubungsmittel mit sich führen würden. Sein Kollege und er hätten eine ihnen von der KPI genannte Adresse angefahren. Auf der Fahrt dorthin sei ihnen das von der KPI beschriebene Fahrzeug entgegengekommen. Er habe deshalb den Streifenwagen gewendet. Der Fahrer des anderen Fahrzeugs habe, als er dies bemerkt habe, stark beschleunigt und sei mit stark erhöhter Geschwindigkeit nach rechts in Richtung Kelheim abgebogen. Die Polizeibeamten hätten mit Martinshorn die Verfolgung aufgenommen. Ziemlich am Anfang der Verfolgung sei das verfolgte Fahrzeug einmal in einer 90°-Kurve nach rechts abgebogen, dabei habe man es aufgrund der Bebauung und des Bewuchses kurzzeitig aus den Augen verloren, dann aber schnell wieder Sichtkontakt gehabt. Die Geschwindigkeit während der Verfolgung innerorts habe geschätzte 80-100 km/h betragen. Die Entfernung zwischen den beiden Fahrzeugen habe zu Beginn der Verfolgung zwischen 25 und 50 m betragen und einen Abstand von 100 m nie überschritten. Letztlich habe das verfolgte Fahrzeug aufgrund anderer Fahrzeuge anhalten müssen. Im Fahrzeug hätten sich die beiden Angeklagten befunden. Der Angeklagte R. habe bei der Kontrolle der Papiere, u.a. auch den Mietvertrag für das Fahrzeug, vorgezeigt. Der Angeklagte R. sei auffällig nervös gewesen. Er habe sich nicht dazu geäußert, weshalb er vor dem Streifenwagen geflüchtet sei. Als Unterstützung bei der Kontrolle seien noch die Kollegen W. und Z. hinzugekommen. Der Zeuge W. gab an, er habe über Kollegen mitbekommen, dass bei einem späteren Abgehen der Fluchtstrecke eine Tüte mit Betäubungsmitteln gefunden worden sei. Der beschriebene Fundort habe genau an der Stelle gelegen, wo er und sein Kollege das flüchtende Fahrzeug kurzzeitig aus den Augen verloren gehabt hätten.
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Der Zeuge POM F. bestätigte, mit dem Kollegen POM W. auf Streife gewesen zu sein, als sie den Auftrag erhalten hätten, ein näher bezeichnetes Fahrzeug zu kontrollieren. Sie hätten sich zum M.weg begeben und dort auf das Fahrzeug gewartet. Als sie dort gestanden seien, sei ihnen das Fahrzeug im M.weg entgegengekommen. Als es sie passiert gehabt habe, hätten sie gewendet, worauf hin der Fahrer des anderen Fahrzeugs beschleunigt habe. Sie hätten die Verfolgung aufgenommen, während der sie das Fahrzeug einmal für einige Sekunden aus den Augen verloren hätten. Das verfolgte Fahrzeug habe schließlich aufgrund anderer Fahrzeuge anhalten müssen und sei einer Kontrolle unterzogen worden. Der Fahrer, der Angeklagte R., sei sehr nervös gewesen und kurz zusammengebrochen. Bezüglich des Zusammenbruchs gab der Zeuge an, er habe den Eindruck gehabt, der Zusammenbruch sei lediglich vorgespielt gewesen. Der Beifahrer, der Angeklagte B. sei durchgehend ruhig geblieben. Von den Kollegen in Zivil habe schließlich einer beim Abgehen der Fahrtstrecke einen Beutel mit Crystal Meth gefunden. Dies hätten sie erfahren, da sie mit den anderen Kollegen fortlaufend in telefonischem Kontakt gestanden hätten.
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Die Zeugen P., R. und Z. bestätigten die Kontrolle der beiden Angeklagten.
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Der Zeuge PHM P. gab an, er habe sich mit den Kollegen R. und Z. auf Streife befunden, als sie über Funk zur Unterstützung der Kollegen W. und F. hinzugerufen worden sein, da sich ein Fahrzeug einer Verkehrskontrolle entzogen habe. Als sie angekommen seien, seien beide Fahrzeuge, das Fahrzeug der Kollegen und das verfolgte Fahrzeug bereits gestanden.
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Der Zeuge POM R. bestätigte, dass seine Kollegen und er über Funk zu Hilfe gerufen worden seien, da sich ein Fahrzeug einer geplanten Kontrolle entzogen habe. Auch er gab an, dass das verfolgte Fahrzeug bereits gestanden sei, als sie hinzugekommen seien. Nach der Kontrolle des Fahrzeugs sei der Kollege Z. einen Teil der Fluchtstrecke abgegangen, habe aber nichts gefunden. Es sei von einem anderen Kollegen aber etwas gefunden worden, was der Zeuge R. später auf der Dienststelle erfahren habe.
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Der Zeuge KHK Z. schilderte, er sei mit den Kollegen R. und P. von einer Durchsuchung zurückgekehrt, als sie über Funk zur Unterstützung hinzugezogen worden seien, weil sich ein Fahrzeug einer Kontrolle durch Flucht entzogen habe. Als sie hinzugekommen seien, seien beide Insassen des verfolgten Fahrzeugs bereits aus dem Fahrzeug ausgestiegen gewesen. Das Fahrzeug sei dann durchsucht worden. Er sei einen Teil des Weges abgegangen, habe aber nichts gefunden. Es sei aber später etwas gefunden worden, wie ihm mitgeteilt worden sei. Er hätte es wohl selbst gefunden, wenn er nur ein bisschen weitergegangen wäre, so der Zeuge.
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Die Angaben der genannten Zeugen lassen sich mit der Einlassung des Angeklagten problemlos in Einklang bringen und stützen diese. Die geschilderte Flucht ist gerade vor dem Hintergrund der Einlassung plausibel, wonach der Angeklagte B. auf der Fahrt eine erhebliche Menge Betäubungsmittel mit sich führte. Ebenso wird durch die Schilderungen der Zeugen der Auffindeort des Betäubungsmittels an der Straße nachvollziehbar, was die Einlassung des Angeklagten B. stützt, die sichergestellte Betäubungsmittelmenge sei diejenige, die er aus dem Fahrzeug geworfen habe. Die Angaben lassen sich zudem problemlos mit der in Augenschein genommenen Luftbildaufnahmen des betreffenden Ortsteils von Ihrlerstein in Übereinstimmung bringen. Auf dieser sind u.a. die Straßen Auf der Platte und Veilchenhang zu sehen. In der Straße Auf der Platte ist das Wohnanwesen des anderweitig Verfolgten K. eingezeichnet, im M.weg der Kreuzungsbereich, an dem es zur Begegnung des Fahrzeugs der Angeklagten mit der Polizeistreife kam und im Kreuzungsbereich der Straßen M.weg und Veilchenhang der Auffindeort der Betäubungsmittel. Die letztgenannte Stelle ist anschließend auf einer gesonderten Luftbildaufnahme, die ebenfalls in Augenschein genommen wurde, noch einmal vergrößert zu sehen. Auf der ersten Aufnahme ist zudem der Ort, an dem die Angeklagten schließlich kontrolliert wurden, gekennzeichnet. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Abbildungen auf Bl. 130/131 Bezug genommen. Der Zeuge W. zeigte auf diesen Abbildungen die von ihm beschriebene Fahrtstrecke und die Stelle, an der die Flucht der Angeklagten schließlich endete. Das Fahrzeug der Angeklagten sei ihm und seinem Kollegen das erste Mal im M.weg aufgefallen, dort habe man dann gewendet und die Verfolgung aufgenommen. Die Angeklagten seien die erste Kurve stark nach rechts abgebogen und den Veilchenhang bergab gefahren und an der entsprechend gekennzeichneten Stelle zum Stehen gekommen. Er bestätigte zudem, dass der Sichtkontakt zum Fahrzeug der Angeklagten an der Stelle, die als Fundort der Betäubungsmittel eingezeichnet ist, aufgrund des Bewuchses und der Bebauung kurz abgerissen sei. Nach der Einmündung zur E.straße habe man wieder Sichtkontakt gehabt.
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Die Angaben der Zeugen waren in sich und im Verhältnis zueinander widerspruchsfrei. Sie deckten sich auch in eher unbedeutenden Details, wie dem Auffinden einer weiteren kleineren Menge Betäubungsmittel im durchsuchten Fahrzeug und dem kurzzeitigen Zusammenbruch des Angeklagten R.. Die Kammer hat daher keinerlei Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Zeugenangaben. Die Zeugen machten ihre Angaben ruhig und sachlich, sie gaben unumwunden zu, wenn sie etwas nicht mehr wussten und haben kein erkennbares Motiv, die Angeklagten wahrheitswidrig zu belasten. Deshalb hält die Kammer die Zeugen auch für glaubwürdig.
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Die Angaben der weiteren Zeugen stützen die Einlassung des Angeklagten B. zusätzlich.
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Der Zeuge POM M. machte Angaben zur Durchsuchung des Anwesens des anderweitig Verfolgten T. und zur Durchsuchung der Wohnungen der Angeklagten.
41
Er gab an, dass er bei der Durchsuchung des Anwesens des anderweitig Verfolgten T. in Ihrlerstein dabei gewesen sei. Dabei sei das gesamte Anwesen durchsucht worden, auch der Garten. Es seien auch Betäubungsmittelspürhunde zum Einsatz gekommen. Er gehe aufgrund der Dauer und des Umfangs der Durchsuchung davon aus, dass nach der Durchsuchung keine Betäubungsmittel mehr auf dem Grundstück gewesen seien. Nach Abschluss der Durchsuchung habe sich ergeben, dass die beiden Angeklagten auf dem Weg zu dem durchsuchten Anwesen gewesen seien. Als sie dort angetroffen seien, sei er allerdings bereits auf der Dienststelle gewesen.
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Er sei zudem im weiteren Verlauf des Tages kurz an der Wohnung des Angeklagten R. gewesen, allerdings nur vor der Tür. Seiner Erinnerung nach sei dort außer einem Joint nichts gefunden worden.
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Bei der Durchsuchung in der Wohnung des Angeklagten B. sei er wiederum selbst beteiligt gewesen. Dort in der P. straße sei das Crystal im Kühlschrank und die Ecstasy-Tabletten in einer Umhängetasche hinter der Wohnungstür gefunden worden. Bei der Durchsuchung sei die Lebensgefährtin des Angeklagten B., die Zeugin V., anwesend gewesen. Diese sei nach seiner Erinnerung durch die Kollegin G. belehrt worden. Er glaube, dass die Zeugin bereits vor Ort angegeben habe, dass die Betäubungsmittel dem Angeklagten B. gehören würden.
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Die Zeugin KHKin A. machte ebenfalls Angaben zur Durchsuchung beim anderweitig Verfolgten T..
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Sie gab an, dass die Durchsuchung relativ lange gedauert habe. Sie selbst habe das auf dem Anwesen befindliche Kosmetikstudio der Tochter des anderweitig Verfolgten durchsucht. Dort sei kein Hund mit dabei gewesen, bei der Durchsuchung des übrigen Anwesens aber schon.
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Die Zeugin gab zudem an, dass sie die Angeklagten an dem betreffenden Tag auf dem dortigen Grundstück gesehen habe. Man habe zuvor einen Anruf erhalten, dass die Angeklagten sich nähern würden. Diese Erkenntnisse stammten nach den Angaben der Zeuging G. aus einem anderen Ermittlungsverfahren. In diesem seien TKÜ-Maßnahmen durchgeführt worden, anhand derer sich nachvollziehen habe lassen, in welche Funkzellen die Mobiltelefone zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils eingeloggt gewesen seien. Die so ermittelten Daten hätten zu einem Bewegungsprofil geführt, das dafür gesprochen habe, dass sich die Angeklagten dem Anwesen des anderweitig Verfolgten T. nähern würden Die Zeugin A. gab an, sie habe sich deshalb dort mit Kollegen, nachdem die Durchsuchung des Anwesens des anderweitig Verfolgten T. bereits abgeschlossen gewesen sei, verdeckt aufgestellt. Die Angeklagten hätten vor dem Anwesen geparkt. Die Kollegin G. und sie seien an dem Anwesen vorbeigegangen. Dabei hätten sie die beiden Angeklagten auf einem Weg, der auf das Anwesen führe, zwischen den Gebäuden stehen sehen. Es habe den Eindruck gemacht, als hätten die beiden schon gemerkt, dass der anderweitig Verfolgte T. nicht zu Hause gewesen sei. Einer der Angeklagten - sie könne nicht mehr genau sagen wer - habe beim Verlassen des Grundstücks eine Plastiktüte oder -tasche bei sich getragen, die dem äußeren Erscheinungsbild nach derjenigen entsprochen habe, in der sich die später sichergestellten Betäubungsmittel befunden hätten. Die Zeugen gab ebenfalls an, dass die Angeklagten mit ihrem Fahrzeug geflüchtet sein, als sie gesehen hätten, wie die Polizeistreife gewendet habe. Sie selbst sei mit den Kollegen W. und G. hinter den beiden Fahrzeugen hergefahren.
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Bei der Durchsuchung der Wohnung in der P. straße sei sie ebenfalls dabei gewesen. Die Zeugin bestätigte, dass die Zeugin V. während der Durchsuchung in der Wohnung anwesend war. Sie gab an, die Zeugen V. habe sich mit der Durchsuchung einverstanden erklärt.
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Der Zeuge KHK W. schilderte, dass er ebenfalls bei der Durchsuchung des Anwesens des anderweitig Verfolgten T. dabei gewesen sei. Die Durchsuchung dort habe mehrere Stunden gedauert. Sie sei sehr intensiv gewesen, alle Gebäude und der Garten seien durchsucht worden, auch Hunde seien dabei gewesen. Als sie dort fertig gewesen seien, hätten sie die Information erhalten, dass die Angeklagten sich dem Anwesen nähern würden. Sie hätten sich dann zunächst am Ortseingang von Ihrlerstein aufgestellt, hätten die Angeklagten dort aber nicht feststellen können, weshalb sie zum Anwesen des anderweitig Verfolgten T. zurückgekehrt seien. Dort hätten sie dann gesehen, wie die beiden Angeklagten mit dem Fahrzeug vor dem dortigen Anwesen vorgefahren seien. Die Kolleginnen G. und A. seien ausgestiegen und hätten sich umgesehen. Er sei währenddessen im Fahrzeug verblieben. Dies habe vielleicht 3 Minuten gedauert. Dann seien die beiden Angeklagten wieder weggefahren. Er sei daraufhin mit dem Fahrzeug am Anwesen vorbeigefahren und habe die Kolleginnen aufgelesen. Vorab sei bereits eine Streife verständigt worden, die die Angeklagten hätte kontrollieren sollen. Als diese den Angeklagten im Begegnungsverkehr entgegengekommen sei und gewendet habe, seien die Angeklagten mit Vollgas abgehauen. Die Streife sei ihnen gefolgt, sie seien ebenfalls hinterher gefahren. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs selbst sei nichts Nennenswertes gefunden worden. Angesichts des Fluchtverhaltens sei ihnen dies verdächtig vorgekommen, weshalb sie noch einmal die Fluchtstrecke abgegangen seien. Dabei hätten sie eine Tüte gefunden, in der sich ca. 400 g Crystal befunden hätten. Diese Tüte habe er zuvor nicht gesehen, die Kollegin G. allerdings schon. Er habe die Angeklagten zwar zum Fahrzeug gehen sehen, habe aber nicht sehen können, ob sie etwas in den Händen gehalten hätten.
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Der Zeuge W. gab weiter an, bei der Durchsuchung der Wohnung in der P. straße dabei gewesen zu sein. Sie hätten dort die Zeugin V. angetroffen, die auch die Mieterin der Wohnung gewesen sei. Sie habe sich mit der Durchsuchung einverstanden erklärt, obwohl sich der Beschluss gegen den Angeklagten B. gerichtet habe. Im Kühlschrank sei, seiner Erinnerung nach durch den Kollegen W., eine Tüte Crystal gefunden worden, in einer Umhängetasche hinter der Wohnungstür Ecstasy. Er habe die Betäubungsmittel jeweils nicht gefunden, aber nach dem Auffinden in der Wohnung gesehen.
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Die Zeugin KHKin G., die das Verfahren auf Seiten der Polizei als Hauptsachbearbeiterin führte, machte umfassende Angaben zum Gang der Ermittlungen.
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Sie schilderte ebenfalls die Durchsuchung im Anwesen des anderweitig Verfolgten T. in Ih.. Die Durchsuchung sei intensiv geworden. Die Zeugin gehe davon aus, dass man die später sichergestellte Tüte, wenn sie da gewesen wäre, gefunden hätte, es sei denn sie wäre vergraben gewesen. Dies schließe sie aber aus, da die Angeklagten nur für sehr kurze Zeit auf dem Grundstück gewesen seien. Bei der Durchsuchung seien auch Drogenspürhunde zum Einsatz gekommen. Über die in dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Regensburg mit dem Az. 504 Js 20706/20 durchgeführten verdeckten Maßnahmen - durch ein Bewegungsbild, das sich durch das Einloggen der Mobiltelefone der Angeklagten in verschiedene Funkzellen ergeben habe - hätte sie Erkenntnisse zugeleitet bekommen, dass die Angeklagten sich mutmaßlich dem durchsuchten Anwesen nähern würden. Sie hätten daraufhin eine Streife verständigt, die eine legendierte Kontrolle durchführen hätte sollen. Sie selbst hätten sich in der Nähe des Anwesens positioniert und gesehen, wie die Angeklagten mit einem Mietfahrzeug der Firma S. dort angekommen seien. Die Kollegin A. und sie seien ausgestiegen und am Anwesen vorbeigegangen, während der Kollege W. im Auto geblieben sei. Als sie an dem Grundstück des anderweitig Verfolgten T. vorbeigegangen sein, hätten sie beide Angeklagte dort gesehen. Der Angeklagte B. habe eine schwarz-rot-weiße Plastiktasche zusammengefaltet vor der Brust getragen. Die Angeklagten hätten sich sodann wieder mit dem Fahrzeug entfernt, wobei sie grob in Richtung Kelheim gefahren seien. Sie hätten sich in angemessener Entfernung hinter dem Fahrzeug der Angeklagten befunden und dann gesehen, wie die verständigte Streife dem Fahrzeug der Angeklagten entgegengekommen sei. Als der Fahrer des anderen Fahrzeugs, der Angeklagte R., bemerkt habe, dass der Streifenwagen hinter seinem Fahrzeug wende, habe er massiv beschleunigt. Die Streife sei hinterher gefahren, die Zeugin mit den Kollegen ebenfalls in einigem Abstand. Die Flucht sei über eine Strecke von ca. 1 km gegangen, nach ca. der Hälfte habe man einmal nach rechts abbiegen müssen. Wieder ca. einen halben Kilometer später habe das verfolgte Fahrzeug aufgrund anderweitigen Verkehrs anhalten müssen. Im Fahrzeug der Angeklagten sei außer einer Plombe mit etwas Crystal nichts gefunden worden. Dies sei für sie nicht schlüssig gewesen und habe nicht zu der Flucht gepasst. Deshalb seien sie die Fluchtstrecke noch einmal zu Fuß abgegangen. Dabei hätten sie eine Plastiktasche mit der Aufschrift „T.-Zeitarbeit“ gefunden. In dieser habe sich eine Papiertüte befunden und in dieser wiederum eine mit Klebeband verschlossene Plastiktüte, in der sich Crystal befunden habe. Man habe die Papiertüte ihrer Erinnerung nach noch aufklappen müssen, bevor man das Betäubungsmittel gesehen habe. Die Tasche habe dem Aussehen nach derjenigen entsprochen, die sie zuvor in den Händen des Angeklagten B. gesehen gehabt habe. Es habe auch vom Auffindeort gepasst, da die Tasche an der erwähnten Kurve gefunden worden sei, wo die Sicht für das nachfahrende Fahrzeug auf das verfolgte Fahrzeug beeinträchtigt gewesen sei.
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Die Zeugin machte weiter Angaben zur Durchsuchung der Wohnungen der Angeklagten und den dortigen Sicherstellungen. Beim Angeklagten R. sei nichts Größeres gefunden worden. In der Wohnung des Angeklagten B. hingegen seien im Kühlschrank Crystal und in einer Umhängetasche hinter der Tür Ecstasytabletten und 3 Marihuanadolden aufgefunden worden. In der dortigen Wohnung sei die Zeugin V. angetroffen worden, die zunächst festgenommen worden sei. Ihrer Erinnerung nach sei die Zeugin V. zweimal vernommen worden. Dabei habe sie angegeben, dass die aufgefundenen Betäubungsmittel ihrem Lebensgefährten, dem Angeklagten B., gehören würden.
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Die Zeugin gab weiter an, dass man aus dem bereits erwähnten Verfahren Erkenntnisse gehabt habe, die darauf hingedeutet hätten, dass der Angeklagte B. schon häufiger Betäubungsmittel verkauft habe. Ein klarer Nachweis habe sich insoweit aber nicht ergeben. Der Angeklagte B. habe sich diesen Erkenntnissen zufolge neben dem Angeklagten R. zumindest eines weiteren Fahrers bedient.
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Eine Anfrage bei der Mietwagenfirma habe ergeben, dass das betreffende Mietfahrzeug von dem Angeklagten R. angemietet worden sei. Dieser habe bei insgesamt 3 Gelegenheiten Fahrzeuge angemietet. Ein Exemplar des Mietvertrags, der das konkrete Fahrzeug betraf, habe sich zudem in dem kontrollierten Fahrzeug befunden.
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Die Zeugin berichtete zudem über das Ergebnis der Auswertung der bei den Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone. Vom Angeklagten B. seien dabei zwei, vom Angeklagten R. eines sichergestellt worden. Auf den Telefonen des Angeklagten B. habe sich jeweils ein Kontakt unter dem Namen „Alte Care“ gefunden. Die betreffende Nummer habe dem anderweitig Verfolgten T. zugeordnet werden können. Sowohl auf einem der Handys des Angeklagten B. als auch auf einem Handy des Angeklagten R. sei ein Foto gespeichert gewesen, das den Angeklagten B. auf einem Motorrad in der Hofeinfahrt des anderweitig Verfolgten T. gezeigt habe.
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Zudem hätten sich Erkenntnisse über den Inhalt eines Chats zwischen dem Angeklagten B. und dem anderweitig Verfolgten T. ergeben. Der Chatinhalt sei in einer für ein Betäubungsmittelgeschäft typischen Weise konspirativ gewesen. Auf Vorhalt bestätigte die Zeugin, dass der anderweitig Verfolgte T. am 13.05.2021 um 23:43 Uhr eine Nachricht mit „?“ an den Angeklagten B. verschickt habe. Dieser habe daraufhin am 14.05.2021 in der Nacht und mitgeteilt, dass er den anderweitig Verfolgten T. übermorgen anrufen werde. Kurz danach habe er in einer Nachricht mitgeteilt, dass er ihn anrufen werde, sobald „dieses Auto“ ankomme. In einer dritten Nachricht habe er kurz darauf geschrieben, dass übermorgen sicher sei.
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Am Henkel der sichergestellten Plastiktasche habe sich bei der späteren Untersuchung DNA-Material gefunden, dass dem Angeklagten B. zugeordnet habe werden können. Hinsichtlich der im Kühlschrank in der P. straße sichergestellten Tüte seien Spuren gesichert worden, hinsichtlich derer der Angeklagte B. als Verursacher in Betracht komme.
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Die Zeugin schilderte weiter den Inhalt eines Gesprächs vom 24.05.2021 um 18.55 Uhr zwischen der Zeugin V. und deren Mutter, das im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung überwacht worden sei. Darin habe die Zeugin V. ihrer Mutter mitgeteilt, dass bei der Wohnungsdurchsuchung ein Hund eingesetzt worden sei. Weiter habe sie gesagt, der Hund habe „alles gefunden, auch die Stelle, wo es früher war“. Diese Angaben fanden durch die Verlesung des verschriftlichten Inhalts des Telefonats Bestätigung.
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Sie könne sich weiter erinnern, dass der Angeklagte B., wie sich aus der Telekommunikationsüberwachung ergeben habe, am 20.05.2021 um die Mittagszeit zweimal versucht habe, den anderweitig Verfolgten T. telefonisch zu erreichen. Der anderweitig Verfolgte T. habe versucht zurückzurufen, dieser Anruf sei aber nicht angenommen worden. Es habe dann noch zwei Anrufe durch den Angeklagten B. beim anderweitig Verfolgten T. gegeben, als sich die Angeklagten auf dem Grundstück in Ihrlerstein befunden hätten.
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Die Zeugin gab ferner an, dass sie bei der Beschuldigtenvernehmung des anderweitig Verfolgten T. dabei gewesen sei. Dieser habe angegeben, dass er die beiden Angeklagten gar nicht kenne und auch nicht wisse, was sie auf seinem Grundstück gewollt hätten. Beim anderweitig Verfolgten T. sei eine Einkaufstüte der Firma „N.“ sichergestellt worden. An dieser seien später DNA-Spuren nachgewiesen worden, hinsichtlich derer der Angeklagte B. zumindest als Verursacher in Betracht komme. Die bei der Durchsuchung im Anwesen des anderweitig Verfolgten T. aufgefundenen Betäubungsmittel hätten sich in Plastikdruckverschlussbeuteln befunden, die auf die gleiche Art und Weise mit schwarzem Filzstift beschriftet gewesen seien wie die sichergestellten Betäubungsmittel. Die Zeugin schilderte weiter, dass die polizeilichen Ermittlungen ergeben hätten, dass der Angeklagte B. schon mehrfach beim anderweitig Verfolgten T. gewesen sei, insoweit hätten sich aber keine klaren Nachweise für andere Lieferungen ergeben.
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Auch die Angaben dieser Zeugen lassen sich mit der Einlassung des Angeklagten B. in Einklang bringen und stützen diese. Sie stützen insbesondere das Geständnis des Angeklagten, er habe das in Ihrlerstein sichergestellte Betäubungsmittel bereits auf das Grundstück des anderweitig Verfolgten T. mitgebracht und später auf der Flucht aus dem Fahrzeug geworfen. Die Kammer ist von der Richtigkeit dieser Einlassung überzeugt, da auch die Zeugen angaben, bei der sehr gründlichen Durchsuchung des Anwesens des anderweitig Verfolgten T. sei eine solche Tasche gerade nicht aufgefunden worden.Dabei gingen die Zeugen erkennbar und mit nachvollziehbarer Begründung davon aus, dass dies der Fall hätte sein müssen, wäre die Tasche schon dort gewesen. Die Angaben zum Auffinden des Betäubungsmittels in Ihrlerstein passen ebenfalls zur Einlassung des Angeklagten.
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Dies gilt entsprechend für die in der P. straße in Regensburg sichergestellten Betäubungsmittel.
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Die Kammer hält die Zeugen A., W. und G. ebenfalls für glaubwürdig und ihre Aussagen für glaubhaft. Die Aussagen wiesen in sich, zueinander und auch im Verhältnis zu den Angaben der Zeugen W., F., P., R. und Z. keine Widersprüche auf, die an der Richtigkeit des Inhalts zweifeln ließen. Die Zeugen machten ihre Angaben ruhig und sachlich und detailliert, sie räumten aber unumwunden ein, wenn sie etwas nicht mehr genau sagen konnten.
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Die Angaben der Zeugen zum Ergebnis der Durchsuchung in der P. straße passen zu den insoweit in Augenschein genommenen Lichtbildern. Auf diesen ist insbesondere der geöffnete Kühlschrank in der Wohnung zu sehen, in dem sich die blaue Plastiktasche befindet. Der Zeuge W. bestätigte bei Inaugenscheinnahme der Bilder, dass es dabei um die Tasche handle, in der das Crystal aufgefunden worden sei. Weiter sind der Inhalt der im Kühlschrank aufgefundenen Tasche sowie der Inhalt der hinter der Wohnungstür befindlichen Tasche, in der sich nach den Angaben der Zeugen die Ecstasytabletten befanden, zu sehen. Schließlich zeigen die Aufnahmen noch einen in der Wohnung aufgefundenen Reisekoffer in geschlossenem und geöffnetem Zustand. Der Zeuge W. bestätigte insoweit jeweils, dass die Abbildungen mit der Auffindesituation übereinstimmen. Wegen der Einzelheiten der Abbildungen wird auf Bl. 148/158 Bezug genommen.
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Zu den Angaben in Bezug auf die sichergestellten Betäubungsmittel passen die in Augenschein genommenen Lichtbilder, auf denen diese zu sehen sind. Dabei ist zunächst das in Ihrlerstein aufgefundene Betäubungsmittel zu sehen, zunächst in der braunen Plastiktüte, sodann nur noch im durchsichtigten Druckverschlussbeutel. Eine Aufnahme zeigt diesen mit dem Inhalt auf einer Waage, die 388,45 Gramm anzeigt. Als nächstes ist das im Kühlschrank der P. straße aufgefundene Betäubungsmittel zu sehen, in einem durchsichtigen Druckverschlussbeutel. Auch insoweit findet sich ein Lichtbild vom Verwiegen, wobei die Waage 919,50 Gramm anzeigt. Zuletzt ist der durchsichtigte Druckverschlussbeutel mit den Ecstasytabletten zu sehen. Der gesamte Inhalt dieses Beutels, 81 Tabletten ist im Anschluss noch nebeneinander aufgereiht zu sehen, wobei zur Verdeutlichung des Maßstabs ein Lineal zu erkennen ist. Wegen der Einzelheiten der Abbildungen wird auf Bl. 205/209 Bezug genommen.
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Die Angaben der Zeugen zu den örtlichen Gegebenheiten am Anwesen des anderweitig Verfolgten T. in Ihrlerstein und zum Ergebnis der dortigen Durchsuchung werden durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder von diesem illustriert. Auf diesen ist das Anwesen zunächst in der Luftansicht zu sehen, wobei die einzelnen Gebäude durch entsprechende Markierungen näher gekennzeichnet sind. Anschließend sind die einzelnen auf dem Anwesen befindlichen Gebäude von innen zu sehen. Soweit bei der dortigen Durchsuchung Betäubungsmittel sichergestellt wurden, finden sich auch diese abgebildet. Dabei sind u.a. mit schwarzem Filzstift beschriftete durchsichtige Plastikdruckverschlussbeutel zu sehen. Wegen der Einzelheiten der Abbildungen wird auf Bl. 352/382 Bezug genommen.
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Die Angaben der Zeugin G. zu den DNA-Spuren am Henkel der in Ihrlerstein sichergestellten Plastiktasche bzw. der im Kühlschrank in der P. straße aufgefundenen Tüte werden jeweils durch das im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführte Gutachten des Instituts für Blutgruppenforschung vom 18.08.2021 bestätigt. Daraus geht hervor, dass sich an der in Ihrlerstein sichergestellten Plastiktasche mit der Aufschrift „TUJA-Zeitarbeit“ (Spur 1.2) ohne jeden vernünftigen Zweifel biologisches Material des Angeklagten B. findet. Weiter wird festgestellt, dass eine an dem in der TUJA-Tasche befindlichen Plastikbeutel gesicherte Spur (1.3) ohne vernünftigen Zweifel vom Angeklagten B. mitverursacht wurde. Entsprechendes wurde für eine an dem Druckverschlussbeutel, in dem sich die Ecstasytabletten befanden, gesicherte Spur (Spur 3.2) festgestellt. Die dazugehörigen Anträge auf Spurenuntersuchung vom 23.06.2021 und vom 07.07.2021 und 19.07.2021 wurden im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführt und belegen zusammen mit dem ebenfalls auf diese Art und Weise eingeführten Spurenberichten vom 07.07.2021 und 19.07.2021, dass es sich bei den ausgewerteten Gegenständen um die tatsächlich sichergestellten handelt und ein Abgleich mit den Angeklagten erfolgte.
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Die Angaben der Zeugin G. zur Anmietung des von den Angeklagten genutzten Fahrzeugs werden gestützt durch den Mietvertrag vom 18.05.2021, der ebenfalls im Selbstleseverfahren eingeführt wurde. Aus dessen Inhalt geht hervor, dass der Angeklagten R. am 18.05.2021 einen VW Passat bei der Firma S. zu einem Tagesgrundpreis von 85 Euro anmietete.
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Die Angaben der Zeugin G., der Angeklagte B. sei schon mehrfach beim anderweitig Verfolgten T. gewesen, finden eine Stütze in dem Telefonat vom 20.05.2021, 16.05 Uhr zwischen dem Angeklagten und der Zeugin V.. Der Inhalt dieses Telefonats wurde durch Verlesung eingeführt. Die Anruferin fragt in dem Telefonat den Anschlussinhaber, wo er sei. Daraufhin teilt dieser mit: „Ich gehe dorthin, wo wir zusammen waren“. Nach den übrigen Angaben der Zeugin G. befanden sich die Angeklagten zum Zeitpunkt des Telefonats gerade in der Anfahrt zum Anwesen des anderweitig Verfolgten T..
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Zu dem von der Zeugin G. erwähnten Telefonat zwischen der Zeugin V. und deren Mutter wurde der verschriftlichte Inhalt verlesen. Die Angerufene teilt darin der Anruferin u.a. mit: „Aber als der Hund war der war so groß, der hat alles gefunden. Der Hund hat auch die Stelle gefunden, wo das früher war“. Die Angerufene teilt u.a. weiter mit, dass Jari auf dem Weg zu einem Kunden verhaftet worden sei. Er habe ihr gesagt, dass sich in den Tüten Drogen befänden und er diese am nächsten Tag wegbringe.
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Dass die in der P. straße sichergestellten Betäubungsmittel durch den Angeklagten B. gelagert wurden, wie dieser einräumte, wird auch durch die Angaben der Zeugin KHMin B. bestätigt. Diese wurde als Vernehmungsbeamtin, die die Beschuldigtenvernehmung der Zeugin V. durchführte, vernommen. Sie bestätigte, die Vernehmung im Beisein eines Dolmetschers durchgeführt zu haben. Sie erklärte, die Zeugin V. habe angegeben, in einer Partnerschaft mit dem Angeklagten B. zu leben, mit ihm aber nicht verlobt zu sein. Die Zeugin V. habe weiter angegeben, die im Kühlschrank aufgefundene Betäubungsmittelmenge habe der Angeklagte B. zwei Tage vor der Vernehmung - mithin am 19.05.2021 - mit nach Hause gebracht und in den Kühlschrank gelegt, um sie dort für einen Tag zu lagern. Die Zeugin V. habe weiter angegeben, dass auch die Ecstasytabletten dem Angeklagten B. gehörten. Diese hätten allerdings bereits den Umzug aus der vorherigen Wohnung des Paares in der F2. straße in die P. straße mitgemacht. Der Umzug sei vor ca. einem Monat erfolgt.
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Die Kammer hat keine Zweifel, dass die Zeugin B. den Inhalt der Vernehmung den Tatsachen entsprechend wiedergab. Die Zeugin räumte ein, wenn sie etwas nicht mehr genau wusste. Die Kammer hält sie für glaubwürdig.
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Wie sogleich noch auszuführen sein wird, hat die Kammer auch keine Zweifel daran, dass die Zeugen V. bei ihrer Beschuldigtenvernehmung wahrheitsgemäße Angaben machte, soweit sie den Angeklagten B. belastete.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer über die Einlassung des Angeklagten B. hinaus davon überzeugt, dass dieser die in Ihrlerstein sichergestellte Betäubungsmittelmenge an den anderweitig Verfolgten T. veräußern wollte und es sich, soweit die Einlassung des Angeklagten dazu in Widerspruch steht, um eine Schutzbehauptung handelt, um den anderweitig Verfolgten T. nicht zu belasten.
75
Zunächst ist davon auszugehen, dass der Angeklagte B. und der anderweitig Verfolgte T. sich kennen. Dies ergibt sich soweit noch aus der eigenen Einlassung des Angeklagten, der angab, es habe sich bei dem Besuch in Ihrlerstein um einen Freundschaftsbesuch gehandelt. Die Bekanntschaft der beiden ergibt sich zudem aus den Angaben der Zeugin G. und den im Zusammenhang damit in Augenschein genommenen Lichtbildern. Dabei ging es insbesondere um ein Foto, das sowohl auf einem Mobiltelefon des Angeklagten B. wie auch auf einem Mobiltelefon des Angeklagten R. gespeichert war. Dieses Bild, das in Augenschein genommen wurde, zeigt den Angeklagten B. auf einem Motorrad. Nach den Angaben der Zeugin handelt es sich bei dem Motorrad eindeutig um ein Motorrad des anderweitig Verfolgten T.. Zudem sei das Bild eindeutig in dessen Grundstückszufahrt aufgenommen. Die Zeugin berichtete weiter über das Ergebnis der Auswertung der bei den Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone, insbesondere über den bereits erwähnten Chat zwischen dem Angeklagten B. und dem anderweitig Verfolgten T.. Nach diesen Angaben schrieb der anderweitig Verfolgte T. am 13.05.2021 um 23:43 Uhr eine Nachricht mit „?“ an den Angeklagten B., worauf dieser kurz darauf antwortete, dass sich der anderweitig Verfolgte T. „dieses Auto“ ansehen könne, sobald es da sei, wobei als Termin zweimal „übermorgen“ genannt wurde. Ferner machte die Zeugin Angaben zu Erkenntnissen, die auf eine Bekanntschaft zwischen dem Angeklagten B. und dem anderweitig Verfolgten T. hindeuteten. Ein weiteres klares Indiz dafür, dass die beiden sich kennen, ist der Umstand, dass, wie die Zeugin G. ebenfalls bekundete, die Telefonnummer des anderweitig Verfolgten T. im Mobiltelefon des Angeklagten B. gespeichert war.
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Des Weiteren haben die Zeuginnen G. und A., wie bereits ausgeführt, bestätigt, dass der Angeklagte B. die Tüte mit dem Betäubungsmittel mit sich trug, als er sich auf dem Grundstück des anderweitig Verfolgten T. befand. Die Zeuginnen konnten die Tüte zwar erst erkennen, als der Angeklagte das Grundstück bereits wieder verließ. Da sämtliche Zeugen, die an der Durchsuchung beteiligt waren, bestätigten, dass es sich um eine sehr gründliche Durchsuchung gehandelt habe und auszuschließen sei, dass sich eine solche Menge Betäubungsmittel im unmittelbaren Anschluss an die Durchsuchung auf dem Grundstück befunden habe, ist die Kammer überzeugt, dass der Angeklagte das Betäubungsmittel schon beim Betreten des Grundstücks mit sich führte, was die Angeklagten auch so einräumten. Die Einlassung des Angeklagten es habe sich um einen reinen Freundschaftsbesuch gehandelt, sind vor diesem Hintergrund wenig überzeugend. Bereits die Annahme, dass jemand, der eine ganz erhebliche Menge an Betäubungsmitteln mit sich führt, überhaupt noch auf dem Weg zu deren Verkauf Freundschaftsbesuche abstatten würde, anstatt auf dem schnellsten Weg zum Übergabeort zu fahren, mutet sehr ungewöhnlich an. Das Entdeckungsrisiko wird, ein solches Verhalten unterstellt, deutlich erhöht. Selbst wenn man einen solchen Freundschaftsbesuch annehmen wollte, wäre es darüber hinaus weiter äußerst ungewöhnlich, dass man als Besucher die Betäubungsmittel mit auf das Grundstück des Gastgebers nimmt. Dies gilt schon deshalb, weil das Mitsichführen der Tüte etwaige Nachfragen provoziert. Würden diese wahrheitsgemäß beantwortet, würde man einen zunächst Unbeteiligten zum Mitwisser des Delikts machen. Wollte man dies vermeiden, müsste man mit Ausreden operieren. Es wäre in jedem Fall der einfachere Weg, die Betäubungsmittel in diesem Fall im Fahrzeug zu belassen.
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Gegen den behaupteten Freundschaftsbesuch sprechen zudem die Angaben des anderweitig Verfolgten T. gegenüber der Polizei. Zwar machte der anderweitig Verfolgte im vorliegenden Verfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht nach § 55 ZPO Gebrauch. Allerdings gab die Zeugin G., die bei der Beschuldigtenvernehmung des anderweitig Verfolgten zugegen war, an, dieser habe ausgesagt, die im vorliegenden Verfahren Angeklagten gar nicht zu kennen. Legt man wiederum die Annahme des behaupteten Freundschaftsbesuchs zugrunde, ergibt diese Aussage keinen Sinn. Anders verhält es sich, wenn man davon ausgeht, dass der anderweitig Verfolgte T. eine Beteiligung an dem tatsächlich geplanten Betäubungsmittelgeschäft von sich weisen möchte, indem er bereits abstreitet, die hier Angeklagten überhaupt zu kennen.
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Erheblich für ein Betäubungsmittelgeschäft mit dem anderweitig Verfolgten T. spricht der von der Zeugin G. wiedergegebene Chatverlauf zwischen diesem und dem Angeklagten B.. Im Rahmen dieses Chats erkundigt sich der anderweitig Verfolgte T. beim Angeklagten B. nach Preis und Zustands eines Autos. Der Angeklagte gab indes selbst an, dass es sich bei dem Autokauf nur um einen Vorwand gegenüber dem Angeklagten R. gehandelt habe, um die tatsächliche Zwecksetzung der Fahrt zu verschleiern. Angesichts dessen ergibt der Austausch in Bezug auf einen Autokauf keinen Sinn. Hinzu kommt, dass der Angeklagte R. angab, ihm sei gesagt worden, der Angeklagte B. wolle ein Auto kaufen. Im Rahmen des Chats tritt jedoch der anderweitig Verfolgte T. als Kaufinteressent für das Auto auf. Auch unter diesem Gesichtspunkt ergibt der Nachrichtenaustausch keinen rechten Sinn. Er lässt sich jedoch zwanglos mit der Annahme eines geplanten Betäubungsmittelgeschäfts zwischen den Beteiligten in Einklang bringen, zumal die Zeugin G. angab, der Begriff „Auto“ werde im Betäubungsmittelmilieu häufiger zur Bezeichnung von Betäubungsmitteln verwendet.
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Die jeweilige Brutto- bzw. Nettomenge hinsichtlich der Betäubungsmittel ergibt sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern von der Verwiegung. Ihr Wirkstoffgehalt ergibt sich aus dem verlesenen Wirkstoffgutachten vom 27.09.2021.
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Der Umstand, dass die Ecstasytabletten zwar möglicherweise vom selben Lieferanten wie die im Übrigen sichergestellten Betäubungsmittel, nicht jedoch aus demselben Erwerbsvorgang stammen, steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der Angaben der Zeugin V. gegenüber der Polizei im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung fest. Zwar machte die Zeugin V. im Verfahren von ihrem Aussageverweigerungsrecht gem. § 55 StPO Gebrauch, allerdings konnte die Vernehmungsbeamtin, die Zeugin KHKin B., wie bereits ausgeführt, Angaben zum Inhalt der Vernehmung machen. Dabei gab sie an, die Zeugin V. habe angegeben, dass die in der P. straße aufgefundenen Betäubungsmittel ihrem Lebensgefährten, dem Angeklagten B., gehörten. Hinsichtlich des Crystal habe sie erklärt, dieses habe sich seit 19.05.2021 im Kühlschrank befunden. Bezüglich der Ecstasytabletten habe die Zeugin V. hingegen ausgesagt, diese seien schon seit dem Umzug aus der vorherigen Wohnung, der ca. einen Monat zuvor erfolgt sei, im Besitz des Angeklagten gewesen. Die Kammer verkennt nicht, dass die Aussage der Zeugin V. lediglich über die Vernehmungsbeamtin eingeführt wird und deshalb bei ihrer Bewertung entsprechende Sorgfalt und Vorsicht geboten sind. Auch nach diesem Maßstab hat die Kammer allerdings keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin bzw. der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Angaben der Zeugin im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung in wesentlichen Teilen mit der Einlassung des Angeklagten B. decken, der insoweit selbst den Erwerb sowohl von Crystal als auch von Ecstasy eingräumt hat. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Zeugin, die ihren Lebensgefährten im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung wahrheitsgemäß belastete, gerade allein hinsichtlich des Erwerbsvorgangs der Ecstasytabletten die Unwahrheit sagen sollte. Ein Motiv für falsche Angaben allein zu diesem Punkt drängt sich nicht auf.
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Die Feststellungen zur Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten B. beruhen auf den Angaben der Sachverständigen Dr. S..
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Diese gab ausführlich das ihr gegenüber vom Angeklagten B. im Rahmen der Exploration geschilderte Konsumverhalten wieder, wie es bereits bei den Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten festgehalten ist.
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Auf Grundlage dieser Angaben sei ein starkes Abhängigkeitssyndrom von Kokain bei gegenwärtiger Abstinenz, aber in beschützender Umgebung gem. ICD-10: F14.21 zu bejahen. Dabei räume die betroffene Person dem Konsum von Kokain Vorrang gegenüber anderen Verhaltensweisen ein, die von ihr früher höher bewertet worden seien. Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit sei der oft starke, gelegentlich übermächtige Wunsch, die betreffende Substanz zu konsumieren. Beim Angeklagten sei ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Kokain zu konsumieren zu bejahen. Nach den Angaben des Angeklagten, bestehe dieser übermächtige Wunsch bei ihm seit etwa knapp einem Jahr (die Exploration fand nach den Angaben der Sachverständigen am 03. und 08.09.2021 statt). Zusätzlich sei beim Angeklagten eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums festzustellen. Ein körperliches Entzugssymptom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums sei beim Angeklagten ebenfalls zu bejahen. Dabei sei zu beachten, dass bei Kokainabhängigen regelmäßig keine ausgeprägten körperlichen Entzugserscheinungen aufträten. Solche seien auch beim Angeklagten vordergründig nicht festzustellen, auch wenn dieser von gelegentlichen „Knochenschmerzen“ bei Abstinenz gesprochen habe. Der Angeklagte habe allerdings über psychische Entzugserscheinungen gesprochen, die sich so äußern würden, dass er sich bei Abstinenz sozial nicht mehr kompetent gefühlt habe, keine Lust mehr verspürt habe zu arbeiten und nur noch faul herumgelegen sei. Dabei handle es sich um typische Entzugserscheinungen für den Entzug von Kokain. Beim Angeklagten lasse sich weiter eine Toleranz nachweisen. Der Angeklagte habe davon berichtet, dass im Lauf der Zeit eine immer höhere Dosis von Kokain notwendig gewesen sei, um den gleichen Effekt zu erzielen. Als weiteres Kriterium sei beim Angeklagten eine fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums festzustellen. Der Angeklagte habe geschildert, das bei ihm häufig der erste Gedanke am Tag dahin gegangen sei, wie er sich sein Kokain beschaffen könne. Im Vergleich dazu seien Dinge wie Kleidung oder Essen für ihn nachrangig gewesen. Lediglich das Kriterium eines anhaltenden Substanzkonsums trotz des Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen lasse sich beim Angeklagten nicht bejahen. Damit seien jedoch von sechs Kriterien fünf beim Angeklagten erfüllt. Beim Angeklagten müsse von einem Hang, Kokain zu konsumieren ausgegangen werden.
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Hinsichtlich der Aufhebung oder Verminderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit sei mit dem Kokainkonsum das Eingangskriterium der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S. des § 20 StGB erfüllt. Auch der Symptomcharakter sei zu bejahen, da der Angeklagte angegeben habe, Crystal zu verkaufen, um den eigenen Kokainkonsum zu finanzieren. Von einer Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit sei aus sachverständiger Sicht nicht auszugehen. Bezüglich einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit ergebe sich jedoch ein Verdacht (zu den näheren Feststellungen der Sachverständigen im Zusammenhang mit einer möglichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit wird unten unter Ziff. V.1.a.bb noch ausgeführt), eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit sei indes sicher zu verneinen.
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Die Sachverständige sah die von ihr bezeugten Angaben des Angeklagten zu seiner Suchtbiographie im Wesentlichen als schlüssig und nachvollziehbar an. Auch die angegebenen Mengen seien grundsätzlich nachvollziehbar, da sich bei langjährigem Konsum eine Toleranz entwickle. Nicht recht nachvollziehbar sei lediglich die Frage, wie der Angeklagte den behaupteten Konsum finanziert habe - dieser habe angegeben, zuletzt 10 g Kokain täglich konsumiert zu haben, bei einem Einkaufspreis von 40 €/Gramm; beim Verkauf von Crystal, den er als Finanzierungsquelle für den eigenen Betäubungsmittelkonsum benannte, habe er das Gramm für 28 € eingekauft und für 30 € verkauft. In psychopathologischer Hinsicht hätten sich beim Angeklagten keine Auffälligkeiten gezeigt, weder für qualitative noch quantitative Bewusstseinsstörungen, noch für Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, noch für formale oder inhaltliche Denkstörungen, noch für pathologische Befürchtungen und Zwänge, noch für einen Wahn oder Sinnestäuschungen, noch für Ich-Störungen, noch für Störungen der Affektivität, des Antriebs oder der Psychomotorik, noch für zirkadiane Besonderheiten, noch für Suizidalität, sozialen Rückzug oder Selbstschädigung. Die Kammer teilt diese Einschätzung auf der Grundlage der gut nachvollziehbaren, in sich widerspruchsfreien und großer Sachkunde getragenen Ausführungen der Sachverständigen. So wie die Sachverständige hat auch die Kammer gewisse Vorbehalte angesichts der vom Angeklagten behaupteten Konsummengen, gerade auch mit Blick auf die Finanzierung des Konsums. Die Kammer hat jedoch ungeachtet dessen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Angeklagte B. zu den Tatzeitpunkten kokainabhängig war.
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Die Feststellungen zum ausländerrechtlichen Status des Angeklagten B. beruhen auf den Angaben des Zeugen R..
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Der Zeuge gab an, der Angeklagte B. sei albanischer Staatsangehöriger und erstmals im Februar 2016 gemeldet gewesen. Bei der Ausländerbehörde habe er im April 2016 vorgesprochen, wo ihm mitgeteilt worden sei, dass er kein Recht auf eine Aufenthaltsgenehmigung als albanischer Staatsangehöriger habe. Der Angeklagte habe sich daraufhin zunächst wieder abgemeldet und sei ausgereist, womöglich nach Italien, wo er nach den eigenen Angaben hergekommen wäre. Im Dezember 2016 sei der Angeklagte nach Deutschland zurückgekehrt und habe eine italienische Aufenthaltserlaubnis vorgewiesen. Entsprechend seinem Antrag sei ihm deshalb eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsaufnahme, die auf 2 Jahre befristet gewesen sei, erteilt worden. Anfang 2019 sei der Angeklagte wieder abgemeldet worden, da er unbekannten Aufenthalts gewesen sei. Im April 2019 habe er eine neue Aufenthaltserlaubnis beantragt, die ihm aber nicht erteilt worden sei. Nach Ablauf der befristeten Aufenthaltserlaubnis sei der Angeklagte deshalb vollziehbar ausreisepflichtig. Eine Ausweisung auf Grundlage des AufenthG sei, sollte sich der Tatvorwurf gegen den Angeklagten bestätigen, auch unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorschriften naheliegend. Der Angeklagte habe keinen Anspruch auf eine Duldung, da weder tatsächliche noch rechtliche Abschiebungshindernisse erkennbar seien. Ein albanischer Pass habe vorgelegen, selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, könne erfahrungsgemäß bei Albanern ein Passersatzpapier problemlos beschafft werden. Auf der Grundlage des § 38a AufenthG, der der Erteilung der vormaligen Aufenthaltserlaubnis zugrunde gelegen habe, sei derzeit nicht mehr mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Insoweit müssten auch andere Vorschriften berücksichtigt werden, insbesondere § 5 und § 11 Abs. 1 AufenthG. Die Verurteilung wegen einer Straftat wäre ein Ausweisungsgrund. Bei der Frage nach der Ausweisung sei eine Abwägung zu treffen zwischen den Gründen, die für die Ausweisung sprächen, und einem Bleiberecht des Ausländers. Letzteres sei vorliegend nicht als besonders hoch zu bewerten, da kein langjähriger Aufenthalt des Angeklagten im Bundesgebiet vorgelegen habe. Im Fall einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe werde es deshalb in jedem Fall zu einer Ausweisung kommen.
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Der Zeuge gab weiter an, dass er bei Kenntnis von der rechtskräftigen Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe das Ausweisungsverfahren betreiben würde, auch wenn der Angeklagte sich in Haft befinde. Die Ausweisung könne dann lediglich noch nicht vollzogen werden. Er werde dann versuchen mit der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf § 456a StPO Kontakt aufzunehmen, spätestens aber nach Ende der Haft die Ausweisung betreiben. Ein Ausweisungsverfahren sei derzeit noch nicht eingeleitet, da die Ausländerbehörde die hiesige Entscheidung abwarten würde. Für die Entscheidung der Ausländerbehörde bezüglich der Ausweisung sei eine Behandlung im Maßregelvollzug ohne Belang.
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Die Angaben des Zeugen waren detailliert, widerspruchsfrei und gut nachvollziehbar. Sie decken sich mit dem, was das Gericht selbst zur ausländerrechtlichen Rechtslage im vorliegenden Fall recherchieren konnte. Der Zeuge machte seine Angaben ruhig und sachlich und zeigte keinerlei Belastungseifer. Die Kammer legt daher die glaubhaften Ausführungen des glaubwürdigen Zeugen ihrer Entscheidung in vollem Umfang zu Grunde.
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b. Der Angeklagte R. räumte zunächst ein, den Angeklagten B. auf dessen Bitte gefahren zu haben. Dabei sei ihm gesagt worden, dass das Ziel der Fahrt der Ankauf eines Autos durch den Angeklagten B. sei. Ihm sei allerdings bekannt gewesen, dass der Angeklagte B. auf der Fahrt Betäubungsmittel mit sich geführt habe, da er vor Antritt der Fahrt gesehen habe, wie dieser eine kristalline Substanz in eine Tüte gesteckt habe. Er habe ein freundschaftliches Verhältnis zu seinem Mitangeklagten, für die Fahrt sei ihm nichts versprochen worden. Da er mit dem Angeklagten B. gelegentlich zum Essen gehe, habe er es für möglich gehalten, dass ihn dieser in der Folge zum Dank bei einer solchen Gelegenheit vielleicht einmal einladen würde. Hinsichtlich des Betäubungsmittels gab der Angeklagte R. zunächst an, keine Kenntnis davon gehabt zu haben, was der Angeklagte B. mit diesem habe machen wollen oder wo er dieses hergehabt habe. Insoweit ergänzte der Angeklagte seine Einlassung im Lauf der Hauptverhandlung und gab an, dass er es bei Fahrtantritt für möglich gehalten habe, dass der Angeklagte B. die Betäubungsmittel gewinnbringend weiterveräußern würde, und er, der Angeklagte R., sich damit abgefunden habe.
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Diese - jedenfalls im Hinblick auf eine Beihilfehandlung - geständige Einlassung des Angeklagten hält die Kammer für im Wesentlichen glaubhaft.
92
Was die äußeren Umstände der Tat angeht, wird das Geständnis durch die bereits im Zusammenhang mit dem Angeklagten B. erwähnten Zeugenaussagen und die verlesenen bzw. im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden bestätigt. Insbesondere die von den Zeugen detailliert geschilderte Flucht stützt die Angabe des Angeklagten, er habe gewusst, dass der Angeklagte B. in der Plastiktasche Betäubungsmitteln mit sich führte. Dieses Wissen stellt ein plausibles Motiv für die Flucht dar, das andernfalls nicht erkennbar wäre. Die Anmietung des Fahrzeugs durch den Angeklagten R. ergibt sich aus den oben bereits erwähnten Beweismitteln.
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Die Kammer folgt dem Angeklagten insoweit nicht, als dieser seine Beteiligung an der Fahrt als spontane, mehr oder weniger kurz vor Fahrtantritt getroffene Entscheidung darstellte. Vielmehr ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte R. zumindest einige Tage vor der Fahrt über deren tatsächlichen Hintergrund Bescheid wusste und diesen billigte.
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Gegen einen spontanen Entschluss zur Tat spricht zunächst die Anmietung des Mietfahrzeugs, die bereits am 18.05.2021 erfolgte. Geht man davon aus, dass der Angeklagte R. bis zum Antritt der Fahrt davon ausging, dass es sich um einen Autokauf handeln würde, macht die Anmietung bereits zu diesem Zeitpunkt wenig Sinn. Ohne weitere Anhaltspunkte ist nicht erkennbar, weshalb der Angeklagte R. für den Freundschaftsdienst einer relativ kurzen Fahrt von Regensburg nach Ihrlerstein Kosten für ein Mietfahrzeug für zwei weitere Tage auf sich nehmen sollte (entsprechende Erwägungen gelten für den Angeklagten B., sollte dieser für die diesbezüglichen Auslagen aufgekommen sein).
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Legt man mit den insoweit deckungsgleichen Einlassungen der Angeklagten weiter zugrunde, dass der Angeklagte B. den Angeklagten R. über das eigentliche Ziel der Fahrt bewusst im Unklaren lassen wollte, drängt sich weiter die Frage auf, wie es dazu kommen konnte, dass der Angeklagte R. seinen Angaben zufolge vor Antritt der Fahrt den Mitangeklagten dabei beobachten konnte, wie dieser das Betäubungsmittel verpackte. Wie die Zeuginnen G. und A. angaben, war das Betäubungsmittel mehrfach verpackt. Das Betäubungsmittel selbst befand sich in einem mit Paketklebeband verklebten durchsichtigen Druckverschlussbeutel. Dieser wiederum befand sich in einer braunen Papiertüte, die wiederum in der bereits erwähnten Plastiktasche verstaut war. Unter diesen Umständen ist es zunächst äußerst unwahrscheinlich, dass der Angeklagte R. einen Blick auf das Betäubungsmittel erhaschte, obwohl dies vom Angeklagten B. nicht gewollt war. Da er aber ausdrücklich angab er habe das Betäubungsmittel beim Einpacken gesehen, ließe sich dies noch erklären. Allerdings liefe ein solches Verhalten des Angeklagten B. dessen behauptetem Ziel, seinen Fahrer über die Hintergründe der Fahrt im Unklaren zu lassen, klar zuwider und macht daher keinen Sinn. Entsprechende Erwägungen lassen sich im Zusammenhang mit der Tatsache anstellen, dass der Angeklagte B. nicht nur das Betäubungsmittel, sondern auch den Angeklagten R. mit auf das Grundstück des anderweitig Verfolgten T. nahm. Da die Kammer überzeugt ist, dass der Angeklagte B. das Betäubungsmittel an den anderweitig Verfolgten T. veräußern wollte, widerspräche auch ein solches Verhalten dem Ziel des Verkäufers, den Fahrer in Unkenntnis über das Betäubungsmittelgeschäft zu lassen.
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Schließlich spricht das aus der TKÜ gegen den Angeklagten R. herrührende, im Rahmen der Hauptverhandlung verlesene Telefonat vom 15.05.2021 dafür, dass der Angeklagte R. bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingeweiht war. Bei dem überwachten Anschluss handelt es sich, wie sich aus der verlesenen Urkunde ergibt, um den Anschluss des Angeklagten R.. Der Anrufer nennt den Anschlussinhaber „Tosi“, was sich zwanglos mit einem Spitznamen für den Vornamen des Angeklagten R. (Fatos) erklären lässt. Der Partneranschluss ist zwar auf einen Wieslaw M. registriert. Aus dem verlesenen Bericht über die Auswertung der Mobiltelefone ergibt sich jedoch, dass es sich bei der Nummer des Partneranschlusses um diejenige handelt, die einem der beim Angeklagten B. sichergestellten Mobiltelefone zugeordnet werden kann. Nimmt man den Gesprächsinhalt hinzu, begründet dies in der Gesamtschau, insbesondere im Hinblick auf die 5 Tage später unternommene Fahrt der Angeklagten, die Überzeugung der Kammer, dass es sich hier um ein Telefonat zwischen den Angeklagten handelt. In dem Telefonat fragt der Anrufer die angerufene, von ihm als „Tosi“ bezeichnete Person, ob er bei ihm, dem Anrufer, vorbeikommen könne. Dieser wird vom Angerufenen bejaht, er könne in 5 Minuten da sein. Der Anrufer teilt noch mit, dass er beim Haus sei und „diesen T.“ anrufen müsse. Auch hier stellt sich wieder die Frage, weshalb der Angeklagte B. den Angeklagten R. zu einem beabsichtigten Telefonat mit dem anderweitig Verfolgten T. hinzuziehen sollte, wenn er diesen doch gerade über die Hintergründe der Fahrt im Unklaren lassen wollte. Das Telefonat und dessen Inhalt sprechen im Gegenteil klar dafür, dass der Angeklagte R. deutlich früher, als von ihm eingeräumt, über den eigentlichen Zweck der Fahrt Bescheid wusste.
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Aus dem von der Sachverständigen Dr. S. erstatteten Gutachten ergibt sich, dass beim Angeklagten R. keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass dieser aufgrund einer Abhängigkeit oder sonstigen Erkrankung in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt oder diese gar aufgehoben wäre.
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Die Sachverständige bezeugte, dass die Angaben des Angeklagten zu seinem Konsumverhalten, wie sie bei den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen festgehalten sind, auf dessen Angaben beruhen.
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Die Sachverständige gab an, dass der Angeklagte ihr gegenüber nachdrücklich beteuert habe, keine Betäubungsmittel zu konsumieren. Dies steht auch nicht im Widerspruch zum Ergebnis des im Selbstleseverfahren eingeführten Haargutachtens. Zwar wurden in der Haarprobe des Angeklagten 1,4 ng/mg Haar mit Amphetamin, 0,25 ng/mg Haar Kokain sowie Spuren von Benzoylecgonin festgestellt. Nach dem Gutachten lassen die Ergebnisse auf die Aufnahme mittelgroßer Mengen von Metamphetamin bzw. eines entsprechenden Medikaments schließen. Die Sachverständige berichtete allerdings von einer Studie, die gezeigt habe, dass bestimmte Haarpflegeprodukte zu falsch positiven Haaranalyseergebnissen insbesondere in Bezug auf Kokain und Metamphetamin führen könnten. Sie halte es für möglich, dass das Ergebnis des Haargutachtens mit der von ihr zitierten Studie in Einklang stehe. Auch sei das Ergebnis möglicherweise mit einem Kontakt mit Betäubungsmitteln über die Haut erklärbar. In psychopathologischer Hinsicht sei der Angeklagte völlig unauffällig gewesen. Auch in körperlicher und neurologischer Hinsicht sei bis auf ein leichtes Zittern der Hände grob orientierend nichts festzustellen gewesen.
100
Diagnostiziert werden könne auf dieser Grundlage lediglich ein Abhängigkeitssyndrom von Tabak. Ein Eingangskriterium für die Prüfung einer Aufhebung oder Verminderung der Schuldfähigkeit sei mithin nicht gegeben. Ebenso wenig lasse sich beim Angeklagten R. ein Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, bejahen.
101
Die Kammer macht sich die auch in diesem Punkt die widerspruchsfreien, nachvollziehbar begründeten und von großer Sachkunde getragenen Ausführungen der Sachverständigen zueigen und legt sie ihrer Entscheidung zugrunde.
IV. Rechtliche Würdigung
1. Tat wie unter Ziff. II.1, II.3 festgestellt
a. Angeklagter B.
102
Hinsichtlich der unter Ziff. II.1, II.3 festgestellten Tat hat sich der Angeklagte B. des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.
103
aa. Unter Handeltreiben ist jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, auch wenn diese sich nur als gelegentlich, einmalig oder ausschließlich vermittelnd darstellt (Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl. 2022, BtMG § 29 Rn. 225 m.w.N.).
104
Da der Angeklagte B. die Betäubungsmittel, wie ausgeführt, jeweils gewinnbringend weiterveräußern wollte, sind die Voraussetzungen des Handeltreibens in objektiver wie subjektiver Hinsicht erfüllt.
105
bb. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht die Gewichtsmenge eines Betäubungsmittels, sondern der jeweilige Wirkstoffgehalt (Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl. 2022, BtMG § 29a Rn. 47). Die nicht geringe Menge bei Metamphetamin ist bei 5 g Metamphetaminbase anzusetzen (BGHSt 53, 89 = NJW 2009, 863), so dass der Anteil an S-Metamphetaminbase an der in Ihrlerstein sichergestellte Menge das 50,12-fache der nicht geringen Menge darstellt. Das Levmetamphetamin ist praktisch nicht wirksam, so dass auch eine Grenzwertbestimmung nicht in Betracht kommt (Weber/Kornprobst/M./M., 6. Aufl. 2021, BtMG § 29a Rn. 142 m.w.N.).
106
In subjektiver Hinsicht war davon auszugehen, dass es dem Angeklagten nicht auf die Details zur Wirkstoffmenge ankam und sich der Vorsatz auf die tatsächliche streitbefangene Menge bezog, da diese nicht völlig außerhalb des nach den Umständen in Betracht kommenden Rahmens lag (vgl. MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, BtMG § 29a Rn. 75). Bei einem Wirkstoffgehalt von vorliegend mindestens 72,4% (wovon wiederum 89,5% auf die S-Metamphetaminbase entfallen, was bezogen auf die Rohmenge einem Anteil von 64,75% an S-Methamphetaminbase entspricht) lässt sich dies nicht bejahen. Ein Wirkstoffgehalt in dieser Größenordnung liegt im Bereich des erwartbaren Rahmens.
b. Angeklagter R.
107
aa. Beim Angeklagten R. liegt kein täterschaftliches Handeln, sondern eine Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor.
108
Für Mittäterschaft ist zu verlangen, dass jeder seinen Tatbeitrag als wesentlichen Teil der Tätigkeit des anderen verstehen und umgekehrt die Tätigkeit des anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen muss. Ob dies der Fall ist, ist nach den gesamten Umständen in wertender Betrachtung zu beurteilen. Kriterien für die Beurteilung sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Angeklagten abhängen (MüKo-StGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 25 Rn. 24). Bei Betäubungsmitteldelikten kommt es nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung darauf an, ob der Beteiligte einen entsprechend hohen Grad an Eigeninteresse am Erfolg hat, in welchem Umfang er an der Tat beteiligt ist, und darauf, ob er Tatherrschaft hat oder doch wenigstens den Willen zur Tatherrschaft (MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, aaO, § 25 Rn. 219).
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Legt man diese Kriterien zugrunde, ergibt sich, dass der Angeklagte R. die Tat des Angeklagten B. zwar wissentlich und willentlich gefördert hat, sich ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken im Sinne einer Mittäterschaft indes nicht nachweisen lässt.
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Dabei ist vor allem darauf abzustellen, dass keine Feststellungen dazu zu treffen waren, ob und inwieweit der Angeklagte R. von dem Geschäft, dass der Tat zugrunde liegt, profitieren sollte. Auf dieser Grundlage lässt sich der Grad des Eigeninteresses an der Tat schon nicht beurteilen, insbesondere lässt sich nicht feststellen, ob der Angeklagte R. am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt war bzw. sein sollte oder ob er sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hatte, weil eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten sollte. Hinzu kommt, dass sich im vorliegenden Verfahren keine wesentlichen Anhaltspunkte dafür feststellen ließen, dass der Angeklagte R. erhebliche, über die reine Fahrtätigkeit hinausgehende Tätigkeiten entfaltet hat. Zwar ist die Kammer davon überzeugt, dass die Angeklagten jedenfalls seit 14.05.2021 wegen der Planung der konkreten Fahrt in Kontakt zueinander standen. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Angeklagte R. hier einen Beitrag erbrachte, der über die Organisation und Durchführung der Fahrt an sich hinausging. Bloße Fahrerdienste reichen jedoch regelmäßig nicht (MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, aaO, § 25 Rn. 216 m.w.N.). Der Umstand, dass auch der Angeklagte R. am Zielort das Fahrzeug verließ und sich auf das Grundstück des anderweitig Verfolgten T. begab, besagt in dieser Hinsicht wenig, da es dafür verschiedene Ursachen geben kann. Zwingende Rückschlüsse auf einen gesteigerten Tatbeitrag des Angeklagten R. lassen sich daraus nicht ableiten. Das Geschäft wollte jedenfalls der Angeklagte B. selbst abwickeln, da er selbst auf der Fahrt dabei war und die Betäubungsmittel selbst auf das Grundstück des anderweitig Verfolgten T. verbrachte. Insgesamt konnten keine Anhaltspunkte festgestellt werden, die belegen würden, dass der Angeklagten R. gestaltenden Einfluss über eine reine Hilfstätigkeit hinaus gehabt hätte. Die Zeugin G. hat darüber hinaus angegeben, dass der Angeklagte B. auch andere Personen mit Fahrdiensten betraut hat, so dass allein die Leistung des Fahrdienstes nicht als entscheidender Beitrag für die Durchführung der Tat angesehen werden kann.
111
bb. Der Angeklagte R. handelte mit Wissen und Wollen sowohl, was die eigene Unterstützungshandlung angeht, als auch hinsichtlich der rechtswidrigen Haupttat.
112
Bezüglich letzterer ist insbesondere auch ein Vorsatz, was die Überschreitung der nicht geringen Menge anbelangt, zu bejahen. Der Angeklagte sah vor Antritt der Fahrt, wie er selbst angab, die Betäubungsmittelmenge. Bei dieser handelt es sich, wie die in Augenschein genommenen Lichtbilder ergeben haben, augenfällig um eine ganz erhebliche Rohmenge. Die Kammer ist daher überzeugt, dass der Angeklagte R. damit rechnete, dass die nicht geringe Menge hier deutlich überschritten war, und dies zumindest billigend in Kauf nahm.
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Was den Vorsatz bezüglich des Wirkstoffgehalts angeht, gelten die oben bezüglich des Angeklagten B. gemachten Ausführungen entsprechend. Mangels näherer Anhaltspunkte ist wiederum davon auszugehen, dass es dem Angeklagten nicht auf die Details zur Wirkstoffmenge ankam und sich der Vorsatz auf die tatsächliche streitbefangene Menge bezog, da diese nicht völlig außerhalb des nach den Umständen in Betracht kommenden Rahmens lag.
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2. Tat, wie unter Ziff. II.2, II.3 festgestellt Hinsichtlich der unter Ziff. II.2, II.3 festgestellten Tat hat sich der Angeklagte B. des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht.
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a. Was die im Wohnanwesen P. straße in Regensburg sichergestellten Betäubungsmittel betrifft, hat der Angeklagte B. eingeräumt, dass diese jeweils zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Somit sind in dieser Hinsicht jeweils die Voraussetzungen des Handeltreibens zu bejahen.
116
b. In subjektiver Hinsicht ist bei dem im Kühlschrank der Wohnung sichergestellten Betäubungsmittel (Crystal und Ecstasy) ein Vorsatz nicht lediglich bezüglich des Wirkstoffgehalts der tatsächlichen streitbefangenen Menge, sondern, wie der Anklage zugrunde gelegt, bezüglich eines Wirkstoffgehalts von mindestens 20% anzunehmen.
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Im Ausgangspunkt gilt wiederum, dass sich, sofern sich keine Anhaltspunkte in eine andere Richtung ergeben, der Vorsatz des Täters auf die tatsächliche streitbefangene Menge bezieht, wenn diese nicht völlig außerhalb des nach den Umständen in Betracht kommenden Rahmens liegt. Hinsichtlich des konkreten Betäubungsmittels verhält es sich allerdings so, dass der Wirkstoffgehalt des tatsächlich wirksamen Wirkstoffs äußerst gering ist. Dies liegt daran, dass zwar ein Wirkstoffgehalt an Metamphetaminbase von mindestens 74,1% festgestellt wurde, aber davon lediglich mindestens 3,7% auf das in erster Linie wirksame rechtsdrehende Enantiomer des Metamphetamins (S-Metamphetamin) entfallen. Die restlichen 96,3% macht das Levmetamphetamin, das linksdrehende Enantiomer des Metamphetamins, aus, dessen Wirksamkeit gegenüber der rechtsdrehenden Variante zumindest deutlich herabgesetzt ist weshalb eine Grenzwertbestimmung insoweit auch nicht möglich ist (s.o.). Es ist auf dem deutschen Drogenmarkt äußerst selten (vgl. Weber/Kornprobst/M./Weber, 6. Aufl. 2021, BtMG § 1 Rn. 479). Daraus folgt, dass es sich bei der im Kühlschrank sichergestellten Betäubungsmittelmenge um eine äußerst ungewöhnliche Wirkstoffkombination handelt. Dafür, dass der Angeklagte B. zu von dieser Wirkstoffkombination Kenntnis hatte, gibt es keine Anhaltspunkte. Er hat sich zwar grundsätzlich zu dem Betäubungsmittel geäußert, hinsichtlich des Wirkstoffgehalts aber auch auf ausdrückliche Nachfrage des Vorsitzenden unter Hinweis auf etwaige Folgen eines Teilschweigens (vgl. KK-StPO/Ott, 8. Aufl. 2019, StPO § 261 Rn. 163) aber keine Angaben gemacht. Die Kammer zieht daraus den Schluss, dass der Angeklagte keine Kenntnis von dem ungewöhnlich niedrigen Wirkstoffgehalt hatte, sondern zumindest von einem handelsüblichen Wirkstoffgehalt im unterdurchschnittlichen Bereich ausging. Nimmt der Täter irrtümlich an, die Qualität des Rauschgifts, mit dem er Handel treibt, sei gut, so macht er sich des Handeltreibens mit guter Qualität und damit gegebenenfalls mit einer nicht geringen Menge schuldig (Weber/Kornprobst/M./M., 6. Aufl. 2021, BtMG § 29a Rn. 193).
118
Legt man einen Wirkstoffgehalt von 20% zugrunde, so ergibt sich bezogen auf die Rohmenge von 918,5 Gramm eine Wirkstoffmenge von 183,7 g und somit das 36,74-fache der nicht geringen Menge.
119
c. Bei den streitbefangenen Ecstasy-Tabletten ist der relevante Wirkstoff MDMA. Der Grenzwert zur nicht geringen Menge beträgt 30 g MDMA-Base (Weber/Kornprobst/M./M., 6. Aufl. 2021, BtMG § 29a Rn. 117). Bei den festgestellten 11,2 Gramm an MDMA-Base handelt es sich somit um ein gutes Drittel (37,33%) der nicht geringen Menge. Daher ist diesbezüglich nur ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gegeben.
120
In subjektiver Hinsicht ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte wiederum davon auszugehen, dass der Angeklagte den genauen Wirkstoffgehalt nicht kannte, mit diesem aber rechnete und ihn billigend in Kauf nahm. Der Wirkstoffgehalt liegt nicht völlig außerhalb des insoweit üblichen Rahmens (vgl. Weber/Kornprobst/M./Weber, 6. Aufl. 2021, BtMG § 1 Rn. 356).
3. Konkurrenzen, Bewertungseinheit
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a. Die in Ihrlerstein sichergestellte Betäubungsmittelmenge von 387 Gramm (netto) Methamphetamin und die im Kühlschrank der P. straße sichergestellte Betäubungsmittelmenge von 918,5 Gramm (netto) sind zu einer sog. Bewertungseinheit zusammenzufassen, mit der Folge, dass insoweit nur eine Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gegeben ist.
122
Sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, werden vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalisierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden (Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl. 2022, BtMG § 29 Rn. 455). Maßgeblich für die Zusammenfassung verschiedener Einzelakte zu einer Bewertungseinheit ist allein der objektive Tatbestand (Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, aaO Rn. 457).
123
Der Zweifelsgrundsatz gebietet es zwar nicht, ohne konkrete Anhaltspunkte von einer Bewertungseinheit auszugehen (Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, aaO Rn. 460). Vorliegend sind aber Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es sich bezüglich der beiden genannten Betäubungsmittelmengen um einen einheitlichen Erwerbsvorgang handelte. Der Angeklagte gab an, dass er beide Mengen - ebenso wie das Ecstasy - vom selben Lieferanten erwarb. Legt man weiter mit den Angaben der Zeugin V. zugrunde, dass das Betäubungsmittel im Kühlschrank in der P. straße dort erst seit dem 19.05.2021, mithin dem Vortag der Fahrt nach Ihrlerstein, gelagert war, ergibt sich ein enger zeitlicher Zusammenhang. Unter zusätzlicher Berücksichtigung, dass es sich jedenfalls im Grundsatz bei beiden Mengen um Betäubungsmittel mit denselben Wirkstoffen handelt, erscheint ein einheitlicher Erwerbsvorgang durchaus plausibel. Der Umstand, dass die Wirkstoffgehalte, wie gezeigt, deutlich voneinander abweichen, steht der Annahme einer Bewertungseinheit nicht entgegen. Hierfür gibt es verschiedene denkbare Erklärungen. Es kann sich z.B. um ein Versehen gehandelt haben, das Päckchen mit der geringeren Wirkstoffmenge kann zu einem günstigeren Preis verkauft worden sein oder der Angeklagte kann vom Lieferanten reingelegt worden sein. Feststellungen dazu waren nicht möglich. Jedoch gibt es keinen festen Erfahrungssatz dahingehend, dass die Mengen, die von einem Lieferanten innerhalb desselben Erwerbsvorgangs angeschafft werden, stets einen identischen Wirkstoffgehalt aufweisen.
124
b. Was die Ecstasytabletten betrifft, die in der P. straße sichergestellt wurden, ist hingegen mit dem im Kühlschrank sichergestellten Betäubungsmittel keine Bewertungseinheit anzunehmen.
125
Der Angeklagte gab zwar auch insoweit an, die Tabletten würden vom selben Lieferanten stammen wie die anderen Betäubungsmittel. Allerdings ist weder davon auszugehen, dass das Ecstasy mit den anderen Betäubungsmitteln innerhalb eines Erwerbsvorgangs angeschafft wurde, noch davon, dass es gemeinsam mit den anderen Betäubungsmitteln innerhalb eines Gesamtgeschäfts veräußert werden sollte.
126
Dagegen spricht zunächst der Umstand, dass es sich bei dem Ecstasy im Vergleich zum Crystal um ein gänzlich verschiedenes Betäubungsmittel handelt, sodass der gemeinsame Verkauf nicht naheliegt. Darüber hinaus ist mit den Angaben der Zeugin V. davon auszugehen, dass sich das Ecstasy schon deutlich länger im Besitz des Angeklagten B. befand. Die Zeugin gab gegenüber der Polizei an, dass die Tabletten sich bereits vor dem Umzug des Paares in die P. straße, der am 21.05.2021 etwa einen Monat zurückgelegen habe, befunden hätten. Angesichts dieser Zäsur ist insoweit nicht von einer Bewertungseinheit auszugehen, auch wenn man den Erwerb aller Betäubungsmittel vom selben Lieferanten unterstellt. Mehrfache Einkäufe beim selben Lieferanten begründen ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die vorliegend nicht gegeben sind, keine Bewertungseinheit (BGH, Beschluss vom 14.01.2010 - 1 StR 587/09 = NStZ-RR 2011, 25, beck-online).
V. Strafzumessung
1. Strafe des Angeklagten B.
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a. Hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist der Strafrahmen § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtmG zu entnehmen und reicht daher von einem Jahr bis zu 15 Jahren, § 38 Abs. 1, 2 StGB.
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aa. Ein minder schwerer Fall ist vorliegend nicht gegeben. Ein solcher ist dann anzunehmen, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, welches die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheinen lässt (MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl. 2022, BtMG § 29a Rn. 124). Bei der Prüfung sind zunächst die nicht vertypten Milderungsgründe heranzuziehen, bevor gegebenenfalls auf etwaige gesetzlich vertypte Milderungsgründe zurückgegriffen wird (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 50 Rn. 4).
129
Bei den allgemeinen Milderungsgründe kann zugunsten des Täters berücksichtigt werden, dass er sich in weiten Teilen geständig zeigte, wobei er bereits im Rahmen seiner Exploration Teile der ihm vorgeworfenen Tat einräumte. Dies spricht für eine gewisse Schuldeinsicht. Zugunsten des Täters ist weiter seine eigene Betäubungsmittelabhängigkeit zu berücksichtigen. Diese liegt unter der Erheblichkeitsschwelle des § 21 StGB (dazu sogleich unter Ziff. V.1.a.bb) und ist daher im vorliegenden Zusammenhang zu berücksichtigen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass der Angeklagte nicht einschlägig vorbestraft ist. Die erlittene Untersuchungshaft kann grundsätzlich wegen der Regelung in § 51 StGB nicht zugunsten des Angeklagten ins Feld geführt werden, allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Haft in die Zeit der Corona-Pandemie fiel und damit mit besonderen Härten verbunden war, insbesondere was den Empfang von Besuchen betrifft.
130
Zulasten des Angeklagten war die Art des Betäubungsmittels zu berücksichtigen, da es sich vorliegend um Betäubungsmittel mit einem Wirkstoff von jedenfalls mittlerer Gefährlichkeit handelt. Ebenfalls nicht zugunsten, sondern vielmehr zulasten des Angeklagten spricht die Menge der Betäubungsmittel. Bezüglich der an dieser Stelle erörterten Tat liegt insgesamt das gut 86-fache der nicht geringen Menge vor. Zugunsten des Angeklagten ist dabei wiederum zu berücksichtigen, dass diese Menge letztlich nicht in den Verkehr gelangte, sondern sichergestellt wurde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund der polizeilichen Überwachung des Geschäfts die Wahrscheinlichkeit, dass das Betäubungsmittel in den Verkehr gelangen würde, von vornherein deutlich herabgesetzt war. Zulasten des Angeklagten ist schließlich seine Vorstrafe zu berücksichtigen, wenn diese, wie bereits ausgeführt, auch nicht einschlägig ist, sondern einen gänzlich anderen Deliktsbereich entstammt.
131
Wägt man diese Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gegeneinander ab, so ist nicht zu erkennen, dass die vorliegende Tat vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem für die Annahme eines minder schweren Falls relevanten Maß nach unten abweicht.
132
bb. Eine Strafrahmenmilderung gem. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ist nicht vorzunehmen.
133
Die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten erreicht nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 21 StGB. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten zwar den Verdacht geäußert, aufgrund der Kokainabhängigkeit des Angeklagten könne eine erheblich eingeschränkte Steuerungsfähigkeit vorliegen. Zwar hätten sich bei der Exploration keine Anhaltspunkte für eine drogenbedingte schwere Persönlichkeitsdepravation ergeben, auch habe der Angeklagte seinen Angaben zufolge lange Zeit eine Arbeitstätigkeit aufrechterhalten. Allerdings sei angesichts des langjährigen, nach den Angaben des Angeklagten sehr erheblichen Konsums von Kokain in der Zusammenschau nicht auszuschließen, dass der Angeklagte aufgrund seiner Abhängigkeit und des damit verbundenen Drucks der Beschaffungskriminalität, auch um den unangenehmen Folgen eines Entzugssyndroms zu entgehen, in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Täter in seiner Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen, eingeschränkt oder gar schuldunfähig gewesen wäre, hätten sich hingegen nicht gezeigt.
134
Auch wenn man dies zugrundelegt, vermag die Kammer keine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit erkennen.
135
Die Drogenabhängigkeit an sich begründet noch keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 21 Rn. 9 m.w.N.). Anders kann es sich verhalten, wenn eine langjährige „Drogenkarriere“ zu schweren Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und dadurch zu Beschaffungsdelikten getrieben wird. Dabei muss es sich nicht stets um akute körperliche Entzugserscheinungen handeln. Auch einem stark psychisch Abhängigen, der nicht unter körperlichen Entzugserscheinungen leidet, bleibt der Anwendungsbereich des § 21 StGB nicht stets verschlossen. (Schönke/Schröder, aaO). Entzugserscheinungen, die erst bevorstehen, können mitunter den Drang zur Beschaffungskriminalität übermächtig werden lassen, wenn die Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm (“grausamst“) erlitten hat und die er als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hemmungsvermögen erheblich vermindert (BGH, Urt. v. 17.04.2012 - 1 StR 15/12 = NStZ 2013, 53).
136
Körperliche Entzugserscheinungen konnte die Sachverständige beim Angeklagten nicht in nennenswertem Umfang feststellen. Der Angeklagte habe ihr gegenüber angegeben, bei Abstinenz von Kokain manchmal „Knochenschmerzen“ gehabt zu haben, die allerdings nicht sehr ausgeprägt gewesen seien. Dies reicht nicht aus, um auf Grundlage der oben angeführten Kriterien eine relevante Herabsetzung des Hemmungsvermögens zu bejahen.
137
Die Sachverständige führt zu psychischen Entzugserscheinungen des Angeklagten aus, dieser habe angegeben, keine Lust mehr verspürt zu haben, zu arbeiten, sich sozial nicht mehr kompetent gefühlt zu haben und nur noch faul herumgelegen zu sein, wenn ihm kein Kokain zur Verfügung gestanden habe. Auch wenn man dies zugrunde legt, ist die Grenze zur erheblichen Einschränkung des Steuerungsvermögens nicht erreicht. Die geschilderten Entzugserscheinungen mag der Angeklagte als unangenehm empfunden haben, es lässt sich indes nicht erkennen, dass er sie als grausam empfand und unter ihnen in einer Weise litt, die die Annahme eines relevant herabgesetzten Hemmungsvermögens rechtfertigen könnte.
138
cc. Innerhalb des gefundenen, nach dem Gesagten nicht gemilderten Strafrahmens ist für die unter Ziff. II.1 festgestellte Tat eine Einzelstrafe von 5 Jahren tat- und schuldangemessen.
139
Zugunsten des Angeklagten sind die Punkte zur berücksichtigen, wie sie bereits bei der Erörterung des minder schweren Falls angenommen wurden. Entsprechendes gilt für die Umstände, die zulasten des Angeklagten zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die nicht geringe Menge um ein Vielfaches überschritten wurde.
140
Die Kammer hält nach einer umfassenden Gesamtabwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren für tat- und schuldangemessen.
141
b. Was das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln mit den EcstasyTabletten betrifft, ergibt sich der relevante Strafrahmen aus § 29 Abs. 1 BtMG, wo Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vorgesehen sind.
142
aa. Eine Milderung des Strafrahmens nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ist nicht vorzunehmen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen, die hier entsprechend gelten.
143
bb. Bei der konkreten Strafzumessung sind die bereits genannten Gesichtspunkte zugunsten und zulasten des Angeklagten entsprechend heranzuziehen. Auch bei Ecstasy ist zu berücksichtigen, dass der darin enthaltene Wirkstoff (vorliegend MDMA) objektiv von jedenfalls mittlerer Gefährlichkeit ist.
144
Eine Geldstrafe kommt insbesondere aufgrund der Menge der für das Handeltreiben bestimmten Betäubungsmittel nicht in Betracht.
145
Bei der konkreten Bemessung der Freiheitsstrafe hält die Kammer unter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten für tat- und schuldangemessen.
146
c. Aus den vorstehend genannten Einzelstrafen ist unter nochmaliger Berücksichtigung und Abwägung der schon aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte und unter zusätzlicher Berücksichtigung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen den Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten zu bilden, §§ 53, 54 StGB.
2. Maßregel der Besserung und Sicherung beim Angeklagten B.
147
a. Als Maßregel der Besserung und Sicherung wird nach § 64 StGB neben der Strafe die Unterbringung des Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
148
Die Sachverständige Frau Dr. S., die den Angeklagten untersucht hat, ist aufgrund der von ihr festgestellten Befundtatsachen zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Angeklagten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine durch langjährige Übung erworbene intensive Neigung, mithin ein Hang i.S. des § 64 StGB besteht, Kokain im Übermaß zu sich zu nehmen. Sie hat weiter festgestellt, dass die Taten im vorliegenden Verfahren auf den Hang des Angeklagten zurückzuführen sind, weil sie, jedenfalls auch, der Finanzierung seines eigenen Betäubungsmittelkonsums dienten. Somit hat der Hang mit dazu beigetragen, dass der Angeklagte die Tat begangen hat. Aus Sicht der Sachverständigen besteht zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass der Angeklagte infolge seines Hangs, insbesondere zur Finanzierung seines Drogenkonsums, weitere rechtswidrige Taten begehen wird. Begründet hat die Sachverständige dies damit, dass beim Angeklagten bereits eine psychische Abhängigkeit von Kokain gegeben ist, die zu einem starken, gelegentlich übermächtigen Wunsch, diese Substanz zu konsumieren, führt. Dies gehe so weit, dass beim Angeklagten täglich der erste Gedanke dahingehe, wie er sich die tägliche Kokaindosis beschaffen könne, und andere Bedürfnisse demgegenüber nachrangig seien. Die Sachverständige kam weiter zu dem Ergebnis, dass beim Angeklagten begründete konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben seien, ihn durch die Behandlung in der Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen. Der Angeklagte habe sich therapiemotiviert gezeigt, er habe bislang auch noch keine entsprechende Therapie durchgeführt. Die Sachverständige ging zudem ausführlich darauf ein, dass aus ihrer Sicht die Tatsache, dass der Angeklagte nur über rudimentäre Deutschkenntnisse verfügt, einer erfolgreichen Therapie nicht im Wege steht. Es gebe mittlerweile Therapieangebote, die speziell auf einen solchen Personenkreis zugeschnitten seien und den Erwerb der für die Therapie erforderlichen Sprachkenntnisse in das Programm integrieren würden.
149
Die Kammer ist unter Würdigung sämtlicher Umstände in ihrer Gesamtheit und nach erfolgter eigenständiger Prüfung von der Richtigkeit des gewissenhaft erstellten, in sich widerspruchsfreien, im Einzelnen nachvollziehbaren Gutachtens der Sachverständigen davon überzeugt, das von dem Angeklagten infolge seines Hangs auch künftig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, vergleichbar mit den jetzt geahndeten. Sie ist weiter überzeugt, dass die begründete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder ihn zumindest über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und ihn dadurch von der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger, auf seinen Hang zurückgehender Taten abzuhalten. Diese Prognoseentscheidung ist auf der Grundlage einer sorgfältigen Gesamtwürdigung des Ist-Zustands des Angeklagten getroffen worden, unter Berücksichtigung seiner Person, seines bisherigen Lebensweges, seiner Lebensbedingungen, seinem Vorleben und der von ihm begangenen Taten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) ist gewahrt, da die Anlasstaten schwerwiegender Art sind und zumindest vergleichbare weitere Straftaten von dem Angeklagten drohen.
150
b. Hinsichtlich der Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel war zu bestimmen, dass die Strafe entgegen § 67 Abs. 1 StGB in vollem Umfang vor der Maßregel zu vollziehen ist, § 67 Abs. 2 S. 4 StGB.
151
Der Angeklagte ist gem. § 50 Abs. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, da er nach Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis seit Anfang 2019 nicht mehr über den erforderlichen Aufenthaltstitel verfügt. Die Ausreisepflicht ist gem. § 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vollziehbar. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest, aufgrund der in sich widerspruchsfreien und gut nachvollziehbaren Ausführungen des Zeugen R.. Dieser teilte insbesondere mit, dass im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Duldung erkennbar sei. Zudem seien die Voraussetzungen, auf deren Grundlage die vormalige Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG erteilt worden sei, nach der Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe keinesfalls mehr gegeben. Die Kammer schließt sich dieser Bewertung nach eigener kritischer Prüfung an.
152
Es ist weiter davon auszugehen, dass der Aufenthalt des Angeklagten im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird. Auch dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der glaubhaften Angaben des glaubwürdigen Zeugen R. fest. Dieser gab an, dass ein Ausweisungsverfahren bei einer Verurteilung im vorliegenden Verfahren nahe liege und von ihm eingeleitet würde, sobald er Kenntnis von der rechtskräftigen Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe habe. Die Ausländerbehörde würde dann auch Kontakt zur Staatsanwaltschaft im Hinblick auf § 456a StPO aufnehmen. Auch diese Bewertung macht sich die Kammer nach eigener Prüfung zu eigen.
153
Ein etwaiger Wechsel in der ausländerrechtlichen Zuständigkeit würde an Grundlage dieser Prognose im Grundsatz nichts ändern. Die Erfolgsaussichten einer Klage oder eines möglichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO sind in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen (Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl. 2019, StGB § 67 Rn. 20).
154
Die Regelung des § 67 Abs. 2 S. 4 StGB ist als Soll-Regelung konzipiert. Die Kammer sieht vorliegend im Rahmen ihrer Ermessensausübung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, von der in der Vorschrift vorgesehenen Reihenfolge abzuweichen. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Zustand des Angeklagten seine therapeutische Betreuung zur Abwehr unmittelbarer gesundheitlicher Gefahren notwendig erscheinen lässt. Der Angeklagte befand sich während der gesamten Hauptverhandlung in einem augenscheinlich stabilen gesundheitlichen Zustand. Es ist nichts über gesundheitliche Beschwerden des Angeklagten infolge einer Kokainabstinenz während der Untersuchungshaft bekannt. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die von der Sachverständigen festgestellten psychischen Entzugserscheinungen zum jetzigen Zeitpunkt noch in einem gewissen Umfang gegeben sind, gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass diese ein Maß erreichen, das eine therapeutische Betreuung zur Abwehr unmittelbarer gesundheitlicher Gefahren erfordert. Von nennenswerten körperlichen Entzugserscheinungen ist nach den Feststellungen der Sachverständigen gerade nicht auszugehen.
3. Strafe des Angeklagten R.
155
Der Strafrahmen ist im ersten Schritt § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen und sieht Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vor.
156
a. Ein minder schwerer Fall i.S. des § 29a Abs. 2 BtmG ist auch beim Angeklagten R. nicht gegeben.
157
Hinsichtlich der allgemeinen Gründe ist in der Gesamtabwägung zugunsten des Angeklagten zunächst seine geständige Einlassung zu bewerten. Diese ist, gerade was den subjektiven Teil anbelangt, als durchaus werthaltig anzusehen. Weiter spricht für den Angeklagten, dass er nicht vorbestraft ist. Ebenfalls zu seinen Gunsten ist zu berücksichtigen, dass das Betäubungsmittel sichergestellt wurde. Auch beim Angeklagten R. ist mildernd die besondere Härte der Untersuchungshaft während der Pandemiezeit zu sehen.
158
Zu seinen Lasten ist die deutliche Überschreitung der nicht geringen Menge bei dem Betäubungsmittel zu bewerten (das für den Angeklagten R. relevante Betäubungsmittel stellte die 50,2-fache Menge der nicht geringen Menge dar).
159
Wägt man die gerade aufgeführten Gesichtspunkte gegeneinander ab, reicht dies zur Überzeugung der Kammer nicht aus, um einen Fall zu bejahen, der sich vom Durchschnitt der vergleichbaren Fälle deutlich nach unten abhebt.
160
An dieser Bewertung ändert sich im Ergebnis auch nichts, wenn man zusätzlich zu den aufgeführten nicht vertypten Milderungsgründen den vertypten Milderungsgrund des § 27 Abs. 2 StGB heranzieht. Auch dann weicht das Gesamtbild der Tat vom N.lfall nicht so deutlich nach unten ab, dass der N.lstrafrahmen als nicht mehr angemessen zu betrachten wäre.
161
b. Eine Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ist nicht vorzunehmen.
162
Die Begutachtung des Angeklagten R. ergab, dass bei diesem schon keines der Eingangskriterien des § 20 StGB gegeben ist. Daher scheidet auch eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB aus.
163
c. Eine Milderung des Strafrahmens ist jedoch zwingend aufgrund von §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen, da der Angeklagte, wie ausgeführt, nicht Täter, sondern Gehilfe war.
164
Der Strafrahmen war daher nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.
165
d. Bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des soeben bestimmten Strafrahmens sind zugunsten und zulasten des Angeklagten die oben bereits erwähnten Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Strafschärfend ist zudem das Verhalten des Angeklagten zu bewerten, nachdem er realisiert hatte, dass eine Entdeckung der Tat droht. Berücksichtigt werden kann jedes Tun oder Unterlassen, das Schlüsse auf den Unrechtsgehalt der Tat zulässt, auf Rechtsfeindschaft, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche des Täters hinweist oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewährt (Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl. 2019, StGB § 46 Rn. 39). Dabei kann ihm zwar nicht der Versuch sich der Strafverfolgung zu entziehen, mithin die Flucht an sich, angelastet werden (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 46 Rn. 49). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte auf der Flucht, die jedenfalls teilweise in einem Wohngebiet stattfand, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fuhr und somit eine abstrakte Gefahr für Rechtsgüter der Allgemeinheit schuf.
166
Die Kammer hält nach Vornahme dieser Abwägung eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten für tat- und schuldangemessen.
167
e. Gegen den Angeklagten R. ist zudem als Nebenstrafe ein Fahrverbot von 3 Monaten zu verhängen.
168
Die Kammer hält diese Nebenstrafe für erforderlich und angemessen, da die Tat des Angeklagten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs steht - der Angeklagte benutzte ein Kraftfahrzeug für seine Beihilfehandlung - und der Angeklagte im Rahmen des erweiterten Tatgeschehens, namentlich auf der Flucht vor der Polizei, die spezifischen Pflichten eines Kfz-Führers verletzte. Auf die zusätzlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 S. 2 StGB kommt es daher nicht an. Mit Blick auf das konkrete kraftfahrzeugs- bzw. verkehrsspezifische Fehlverhalten hält die Kammer ein Fahrverbot von 3 Monaten für angemessen.
169
Die Verhängung des Fahrverbots wurde im Rahmen der Gesamtabwägung, die bei der Festsetzung der Freiheitsstrafe vorzunehmen ist, berücksichtigt. Umgekehrt wurde bei der Verhängung des Fahrverbots die verhängte Hauptstrafe und die für deren Festsetzung maßgeblichen Umstände berücksichtigt (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 29. Juni 2007 - 1 Ss 103/07 -, juris m.w.N.).
VI. Kosten
170
Die Angeklagten haben gemäß § 465 StPO die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen zu tragen.