Inhalt

VG München, Urteil v. 20.10.2022 – M 10 K 21.1982, M 10 K 21.2037
Titel:

Erhebung der Zweitwohnungssteuer bei Überlassung einer Wohnung an die eigene Tochter

Normenkette:
ZwStS § 1, § 2 Abs. 2 S. 1, S. 2, § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 2 S. 2, Abs. 3
Leitsätze:
1. Für das Merkmal des Innehabens iSd §2 Abs. 2 S. 1 ZwStS der Landeshauptstadt München kommt es entscheidend auf die tatsächliche Verfügungsmacht und die rechtliche Verfügungsbefugnis an. Der steuerpflichtige Inhaber der Wohnung begibt sich der Verfügungsmacht über sie nicht dadurch, dass er sie dem Dritten nur tatsächlich zur Nutzung überlässt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der eigentliche Mieter seine Wohnung vertraglich an seine Tochter geliehen, ohne bei Abschluss des Leihvertrags die mietrechtlichen Kündigungsvorschriften für anwendbar zu erklären sowie eine bestimmte Dauer des Leihverhältnisses oder einen Zweck zu vereinbaren, kann er weiterhin rechtlich gesichert über die Wohnung verfügen, weil er Mieter der Wohnung bleibt. (Rn. 31 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweitwohnungsteuer, Innehaben einer Zweitwohnung (bejaht), Anmietung einer Wohnung durch Vater und Tochter, Überlassung der ausschließlichen Nutzung der Wohnung an die Tochter, Leihverhältnis, Innehaben einer Zweitwohnung, ausschließliche Nutzung, Wohnungsüberlassung, Nebenwohnsitz, Steuerpflicht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 30128

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer.
2
Die Beklagte erhebt Zweitwohnungsteuer auf Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 22. Dezember 2006 (Zweitwohnungsteuersatzung - ZwStS). Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZWStS ist Zweitwohnung jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 ZWStS ist weiterhin jede Wohnung, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat.
3
Der Kläger war seit 2015 mit Hauptwohnung in der Gemeinde … gemeldet. Ab 1. Juli 2017 mieteten der Kläger und seine Tochter gemeinsam eine Wohnung in der … straße 6 in … an, wobei das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde (vgl. Mietvertrag vom 20.6.2017). Die Tochter des Klägers war daraufhin bis 28. September 2018 mit Nebenwohnung in der … straße 6 in …, mit Hauptwohnung in der Gemeinde … gemeldet. Seitdem war die Tochter des Klägers mit Hauptwohnung in der … straße 6 in … gemeldet.
4
In der Zweitwohnungsteuererklärung vom 30. Mai 2018 gab die Tochter des Klägers an, wegen ihres Studiums eine Zweitwohnung in … inne zu haben. Die Wohnung werde ihr unentgeltlich vom Kläger überlassen. Vereinbarungen hinsichtlich der Dauer der Überlassung (z.B. Kündigungsfristen, Zweck, befristete Überlassung) bestünden nicht. Sie wohne alleine in der Zweitwohnung.
5
Daraufhin trat die Beklagte an den Kläger heran und bat um Abgabe einer Zweitwohnungsteuererklärung. Mit Schreiben vom 21. August 2018 teilte der Kläger mit, dass es sich bei der Wohnung in der … straße 6 nicht um eine Zweitwohnung handle. Die Wohnung werde ausschließlich von seiner Tochter bewohnt. Die Tochter sei als Studentin nicht in der Lage, die Mietkosten alleine zu tragen.
6
Mit Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2019 wurde der Kläger für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Dezember 2017 zu einer Zweitwohnungsteuer in Höhe von 278 EUR, für das Jahr 2018 zu einer Zweitwohnungsteuer in Höhe von 584 EUR und für das Jahr 2019 zu einer Steuer in Höhe von 333 EUR herangezogen. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Kläger für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 30. September 2018 als Gesamtschuldner für die volle Zweitwohnungsteuer in Anspruch genommen werde. Die Lebensgemeinschaft bestehe aus dem Kläger und seiner Tochter. Ab dem 1. Oktober 2018 werde die vom Kläger angegebene Nettokaltmiete zur Hälfte als Berechnungsgrundlage übernommen, da seine Tochter seit dem 28. September 2018 in der … straße 6 mit Hauptwohnung gemeldet und demnach nicht zweitwohnungsteuerpflichtig sei.
7
Mit Schreiben des ehemaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 23. Januar 2019, eingegangen bei der Beklagten am 24. Januar 2019, legte der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 25. März und 20. Mai 2019 vorgetragen, die Wohnung in der … straße 6 sei keine Zweitwohnung. Die Wohnung werde nur von der Tochter des Klägers bewohnt. Der Kläger bezahle lediglich die Mietkosten, da er seiner einkommenslosen Tochter gegenüber unterhaltspflichtig sei. Der Vermieter habe den Abschluss des Mietvertrags davon abhängig gemacht, dass der Kläger auch in das Mietverhältnis eintrete.
8
Nach Nichtabhilfe legte die Beklagte den Widerspruch der Widerspruchsbehörde vor, die bisher über den Widerspruch nicht entschieden hat. Mit Schreiben vom 9. September 2019 ergänzte die nunmehr Bevollmächtigte des Klägers die Widerspruchsbegründung wie folgt: Der Kläger sei in der … straße 6 nicht mit Nebenwohnung gemeldet. Er habe diese Wohnung auch nicht inne. Notwendig hierfür sei die rechtliche und tatsächliche Verfügungsgewalt. Zwar habe der Kläger (gezwungenermaßen) den Mietvertrag mitunterschrieben. Er könne jedoch nicht über die Wohnung verfügen, da er diese seiner Tochter mittels eines Leihvertrags zur Nutzung überlassen habe. Bei Abschluss des Mietvertrags hätten sich der Kläger und seine Tochter darüber geeinigt, dass der Kläger die Wohnung seiner Tochter im Rahmen einer Leihe zur alleinigen Nutzung für die gesamte Laufzeit des Mietverhältnisses zur Verfügung stelle. Der Ausschluss des Klägers von der Nutzung manifestiere sich auch darin, dass die Tochter sämtliche Schlüssel der Wohnung in Besitz und der Kläger tatsächlich keinen Zugang zur Wohnung habe. Mit Schriftsatz vom 28. April 2020 vertiefte die Bevollmächtigte ihren Vortrag. Insbesondere trug sie vor, aufgrund der Abhängigkeit der Dauer des Leihverhältnisses von der Dauer des Mietvertrags sei eine Dauer des Leihvertrags nicht bestimmt worden. Eine vom Mietvertrag abweichende Dauer oder die Anwendung von Kündigungsfristen sei nicht gewollt gewesen.
9
Mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2020 wurde der Kläger für das Jahr 2020 zur Zweitwohnungsteuer in Höhe von 333 EUR herangezogen. Hiergegen legte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 28. Januar 2020, der am folgenden Tag bei der Beklagten einging, Widerspruch ein, über den nicht entschieden ist. Zur Begründung wird im Wesentlichen der Vortrag aus dem Schriftsatz vom 9. September 2019 wiederholt.
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Da der Kläger mit Vereinbarung vom 2. Februar 2020 mit sofortiger Wirkung aus dem Mietverhältnis austrat, reduzierte die Beklagte die Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2020 mit Bescheid vom 4. März 2020 auf 55 EUR (Ende der Zweitwohnungsteuerpflicht zum 29.2.2020). Gegen diesen Bescheid erhob die Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 27. März 2020, eingegangen bei der Beklagten am 30. März 2020, Widerspruch, über den nicht entschieden ist.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 12. April 2021, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage gegen den Bescheid vom 14. Januar 2019 erhoben (M 10 K 21.1982). Er beantragt,
12
Der Zweitwohnungsteuerbescheid der Beklagten vom 14. Januar 2019 über 1.195 EUR wird aufgehoben und die Steuer wird auf Null gesetzt.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 12. April 2021, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 9. Januar 2020 in Gestalt des Bescheids vom 4. März 2020 erhoben (M 10 K 21.2037). Er beantragt,
14
Der Zweitwohnungsteuerbescheid der Beklagten vom 9. Januar 2020 in der Form des Änderungsbescheids vom 4. März 2020 über 55 EUR wird aufgehoben und die Steuer wird auf Null gesetzt.
15
Zur Begründung beider Klagen wird im Wesentlichen angeführt, die Tochter des Klägers nutze die Wohnung in der … straße 6 alleine. Der Kläger sei im Mietvertrag lediglich zur finanziellen Absicherung aufgenommen worden. Bereits bei Abschluss des Mietverhältnisses sei mündlich ein Leihvertrag zwischen dem Kläger und seiner Tochter für die Laufzeit des Mietverhältnisses geschlossen worden. Der Tochter seien alle Schlüssel überlassen worden. Der Kläger habe sich seiner Verfügungsgewalt über die Wohnung vollkommen begeben. Die Klagen seien geboten, da bisher kein Widerspruchsbescheid erlassen worden sei.
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Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2021 beantragt die Beklagte in beiden Verfahren:
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Die Klage wird abgewiesen.
18
Zur Begründung wird vorgetragen, der Kläger habe aufgrund des geschlossenen Mietvertrags die rechtliche Verfügungsmacht über die Wohnung als Mieter erlangt. Er habe sich ihrer auch nicht durch einen mündlichen Leihvertrag begeben, da der Leihvertrag keine Vereinbarungen hinsichtlich Dauer, Zweck oder Anwendbarkeit der mietvertraglichen Kündigungsvorschriften entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts enthalte. Insoweit werde auf die Zweitwohnungsteuererklärung vom 30. Mai 2018 verwiesen. Im Übrigen habe der Kläger den Abschluss des Leihvertrags erst spät im Widerspruchsverfahren behauptet. Auch der Umstand, dass die Tochter alle Schlüssel erhalten habe, sei unerheblich. Denn dieser führe nicht zum Wegfall des Nutzungsrechts des Klägers. Es genüge die Möglichkeit der Rechtsausübung.
19
Mit Beschlüssen jeweils vom 25. August 2022 hat das Gericht die Verfahren auf den Einzelrichter übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2022 hat das Gericht die Verfahren durch Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klagen haben keinen Erfolg. Sie sind zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Die Klagen gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid der Beklagten vom 14. Januar 2019 (M 10 K 21.1982) und gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid der Beklagten vom 9. Januar 2020 in Gestalt des Bescheids vom 4. März 2020 (M 10 K 21.2037) sind zulässig. Insbesondere sind die erhobenen Anfechtungsklagen als Untätigkeitsklagen statthaft, da die Voraussetzungen des §75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorliegen. Auch hat der Kläger gegen die Bescheide der Beklagten jedenfalls fristgerecht Widerspruch erhoben.
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2. Die Klagen sind jedoch unbegründet. Die Zweitwohnungsteuerbescheide der Beklagten vom 14. Januar 2019 und vom 9. Januar 2020, Letzterer in Gestalt des Bescheids vom 4. März 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Rechtsgrundlage für die Erhebung der Zweitwohnungsteuer mit den streitgegenständlichen Bescheiden ist §1 ZwStS. Die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten vom 22. Dezember 2006 ist wirksam (vgl. BVerfG, B.v. 17.2.2010 - 1 BvR 2664/09 - BayVBl. 2010, 535 ff.; BayVGH, B.v. 28.9.2009 - 4 ZB 09.923 - juris); diesbezügliche Bedenken sind auch weder ersichtlich noch vorgetragen.
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b) Die Zweitwohnungsteuerbescheide vom 14. Januar 2019 und vom 9. Januar 2020, Letzterer in Gestalt des Bescheids vom 4. März 2020 sind materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Regelungen der Zweitwohnungsteuersatzung zutreffend auf den vorliegenden Fall angewandt.
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aa) Der Kläger war im maßgeblichen Zeitraum Inhaber einer Zweitwohnung in … im Sinne der §§ 1, 2 ZwStS.
28
Nach §1 ZwStS wird eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet erhoben. Gemäß §2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS ist Zweitwohnung im Sinne der Satzung der Beklagten jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Nach §2 Abs. 2 Satz 2 ZwStS ist Zweitwohnung weiterhin jede Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat.
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Im maßgeblichen Zeitraum war der Kläger zwar nicht im Sinne von §2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS mit Nebenwohnsitz in der Wohnung in der … straße 6 in … erfasst. Aber er hatte diese Wohnung als Mieter für die persönliche Lebensführung seiner Tochter im Sinne des §2 Abs. 2 Satz 2 ZwStS inne.
30
Für das Merkmal des Innehabens kommt es entscheidend auf die tatsächliche Verfügungsmacht und die rechtliche Verfügungsbefugnis an. Auch für Angehörige kann eine Zweitwohnung vorgehalten werden. Wer eine Wohnung einem Angehörigen unentgeltlich zur Verfügung stellt, betreibt selbst Aufwand. Er ist Inhaber der Wohnung, soweit er sie weiterhin hält und sich der Verfügungsmacht über sie nicht begibt, sich also die Möglichkeit der Eigennutzung offenhält. Der steuerpflichtige Inhaber der Wohnung begibt sich der Verfügungsmacht über sie nicht dadurch, dass er sie dem Dritten nur tatsächlich zur Nutzung überlässt. Wird die Wohnung im Rahmen eines Leihverhältnisses unentgeltlich zur alleinigen Nutzung an einen Dritten überlassen, so begibt sich der Verleiher dann seiner Verfügungsmacht, wenn die Geltung der mietrechtlichen Kündigungsvorschriften der §§ 573 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vereinbart worden ist, eine Dauer der Leihe bestimmt oder eine solche ihrem Zweck zu entnehmen ist. Denn nur in diesen Fällen ist die Möglichkeit des Verleihers, die Wohnung nach §604 Abs. 3 BGB jederzeit zurückzufordern, ausgeschlossen, so dass er sich seiner Verfügungsmacht über die Wohnung begibt (stRspr., vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2016 - 9 C 28/15 - juris Rn. 13 ff.; VG München, U.v. 11.4.2019 - M 10 K 18.4400 - juris Rn. 31; U.v. 7.5.2020 - M 10 K 19.327 - juris Rn. 36).
31
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hatte der Kläger im vorliegenden Fall die Wohnung im maßgeblichen Zeitraum im Sinne des §2 Abs. 2 Satz 2 ZwStS inne, auch wenn er diese tatsächlich seiner Tochter zur alleinigen Nutzung überlassen hatte. Der Kläger konnte rechtlich gesichert über die Wohnung verfügen, da er Mieter der Wohnung war. Er hat sich auch nicht aufgrund des geltend gemachten Leihvertrags zwischen seiner Tochter und ihm der Verfügungsmacht über die Wohnung begeben, da der Kläger und seine Tochter bei Abschluss des vorgetragenen Leihvertrags weder die mietrechtlichen Kündigungsvorschriften für anwendbar erklärt haben noch eine bestimmte Dauer des Leihverhältnisses oder ein Zweck vereinbart worden ist.
32
Im konkreten Fall hätte sich der Kläger zwar grundsätzlich im vorgenannten Sinne seiner Verfügungsbefugnis über die Wohnung durch Leihvertrag begeben können. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger und seine Tochter beide Mietvertragsparteien und damit beide verfügungsberechtigt über die Wohnung waren. Anders als in der Konstellation, in der nur ein Elternteil Mietvertragspartei ist und dem Kind das Nutzungsrecht an der Wohnung erst durch Leihvertrag überlassen wird, besteht zwar im Ausgangspunkt keine Notwendigkeit, der Tochter des Klägers die Wohnung durch Leihvertrag zu überlassen, da sie das Besitzrecht an dieser ohnehin schon (vom Vermieter) erhalten hat. Aber darüber hinaus hätte der Kläger seiner Tochter durch Leihvertrag oder sonstige vertragliche Abrede sein Verfügungsrecht über die Wohnung vollständig weiterreichen können, so dass sie (rechtlich gesichert) die alleinige und ausschließliche Nutzungsmöglichkeit erlangt hätte (vgl. auch BVerwG, U.v. 11.10.2016, a.a.O., Rn. 3, 13 ff. bezüglich 3 Eigentümern).
33
Jedoch hat sich der Kläger vorliegend seiner Verfügungsbefugnis durch den geltend gemachten Leihvertrag gerade nicht begeben.
34
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger und seine Tochter bei Abschluss des Leihvertrags die mietrechtlichen Kündigungsvorschriften für anwendbar erklärt haben.
35
Der Kläger behauptet auch nicht, dass aus einer konkreten Zweckvereinbarung auf die Dauer des Leihverhältnisses geschlossen werden könnte. Notwendig hierfür wäre der Abschluss einer Vereinbarung vor Beginn des Leihverhältnisses, die den Kläger rechtlich bindend für eine festgelegte Dauer oder jedenfalls bis zur Erreichung eines bestimmten Zwecks von seiner rechtlichen Verfügungsbefugnis ausgeschlossen hat. Erforderlich ist eine ernsthafte, klare und eindeutige Vereinbarung, die vor Beginn des Leistungsaustauschs in rechtswirksamer Weise abgeschlossen wurde und entsprechend des Vereinbarten auch durchgeführt wurde (VG München, U.v. 7.5.2020, a.a.O., Rn. 39). Gegen eine solche konkrete Zweckabrede spricht bereits, dass die Tochter des Klägers in ihrer Zweitwohnungsteuererklärung vom 30. Mai 2018 angegeben hat, dass keine derartige Vereinbarung bestehe. Auch im gerichtlichen Verfahren ist eine konkrete Zweckvereinbarung, von der man auf eine bestimmte Dauer des Leihverhältnisses schließen könnte, nicht substantiiert dargelegt worden. Vielmehr hat die Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf Frage nach einer Zweckvereinbarung angegeben, dass Zweck der Wohnungsüberlassung an die Tochter das Wohnen an sich gewesen sei. Die Tochter des Klägers habe die Wohnung unentgeltlich so lange nutzen dürfen sollen, wie es die Dauer des Mietverhältnisses ermöglicht habe. Zweck der Wohnungsüberlassung sei nicht das Studium der Tochter gewesen.
36
Die insoweit von der Klagepartei allein ins Feld geführte Begründung, dass die Dauer des Leihverhältnisses (mündlich) bestimmt gewesen sei, weil sie an die Dauer des Mietverhältnisses geknüpft worden sei, führt nicht dazu, dass sich der Kläger seiner Verfügungsbefugnis über die Wohnung begeben hat. Denn der Mietvertrag war gerade auf unbestimmte Zeit geschlossen. Daher war keine (bestimmte) Dauer des Mietverhältnisses und damit des Leihvertrags vereinbart, so dass die Wohnung vom Kläger nach §604 Abs. 3 BGB jederzeit hätte herausverlangt werden können. Die Bevollmächtigte des Klägers geht in ihrem Schriftsatz vom 28. April 2020 selbst davon aus, dass für das Leihverhältnis aufgrund der Abhängigkeit von der Dauer des Mietvertrags keine Dauer bestimmt war.
37
Auch aus den Umständen, dass allen Beteiligten klar war, dass der Kläger nur zur finanziellen Absicherung ins Mietverhältnis mit eintrat, weil die Tochter die Wohnung sonst nicht bekommen hätte, und dass tatsächlich ausschließlich die Tochter die Wohnung nutzen sollte und genutzt hat, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Hierbei handelt es sich zum einen um die Motive für den Vertragsschluss, die für die Zweitwohnungsteuerpflicht nicht maßgeblich sind (s.: VG München, U.v. 7.5.2020, a.a.O., Rn. 39). Zum anderen ist mit dieser rein faktischen Handhabung ein rechtlich bindender Übergang der Verfügungsbefugnis vom Kläger auf die Tochter nicht verbunden (vgl. auch: VG München, U.v. 7.5.2020, a.a.O., Rn. 39). Letzteres gilt auch für den Umstand, dass der Tochter des Klägers alle Schlüssel übergeben worden sind. Dies schließt zwar faktisch die Nutzung (jedenfalls weitgehend) aus, nicht aber rechtlich (vgl. zu diesem Argument: BayVGH, B.v. 7.10.2013 - 4 ZB 13.1570 - juris Rn. 2).
38
Etwas Anderes ergibt sich zudem nicht daraus, dass nach dem Vortrag der Klagepartei an sich eine Bürgschaft gewollt gewesen ist. Denn entscheidend ist, welche rechtliche Gestaltung tatsächlich gewählt und umgesetzt worden ist. Allein daran knüpfen die (zweitwohnung) steuerlichen Konsequenzen an.
39
bb) Der Kläger ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als Steuerpflichtiger im Sinne von §3 ZWStS herangezogen worden. Auch die Regelungen über Entstehung und Ende der Steuerpflicht nach §6 ZWStS wurden zutreffend auf den konkreten Fall angewandt.
40
Der Kläger ist im Zeitraum vom 1. August 2017 bis 30. September 2018 in rechtsfehlerfreier Weise als Gesamtschuldner für die Zweitwohnungsteuerschuld von seiner Tochter und sich selbst in Anspruch genommen worden, § 3 Abs. 2 ZWStS. Dabei sind der Beginn der Steuerpflicht zutreffend nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ZWStS sowie das Ende der Gesamtschuld zutreffend nach dem Gedanken des § 6 Abs. 3 ZWStS angesetzt worden, da die Tochter des Klägers aufgrund ihrer Ummeldung zum 28. September 2018 nicht mehr Inhaberin der Zweitwohnung war. Ab 1. Oktober 2018 war daher nur noch der Kläger zweitwohnungsteuerpflichtig. Die Steuerpflicht des Klägers endete mit Ablauf des Monats Februar 2020, da er aufgrund der Vereinbarung vom 2. Februar 2020 mit sofortiger Wirkung aus dem Mietverhältnis ausgetreten war und damit die Steuerpflicht zum Monatsende endete (vgl. § 6 Abs. 3 ZWStS).
41
cc) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Berechnung der Steuer und die angesetzte Höhe nach §§ 4f. ZWStS sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
42
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.