Titel:
Erfolglose Klage gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens bezüglich einer Baugenehmigung zum Umbau eines Einzeldenkmals, die der Beklagte den Beigeladenen erteilt hat.
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 59, Art. 67, Art. 68
BauGB § 34, § 36, § 123
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
BayVwVfG Art. 43
Leitsatz:
Anders als etwa an die Aufgabe einer gewerblichen Nutzung sind an die endgültige Aufgabe einer Wohnnutzung nach der Verkehrsauffassung in zeitlicher Hinsicht andere Anforderungen zu stellen. Denn die Wiederaufnahme einer Wohnnutzung dürfte - im Gegensatz zu einer gewerblichen Nutzung - in einem Wohngebäude grundsätzlich ohne Weiteres möglich sein. Die Verkehrsauffassung rechnet daher mit längeren Zeiträumen. Hinzukommt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude um ein Denkmal handelt, bei dem erschwerte rechtliche Rahmenbedingungen an einen Umbau oder eine Sanierung bestehen, wodurch auch mit höheren Investitionen und längeren Planungszeiten zu rechnen ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, Gesicherte Erschließung, Erschließungspflicht der Gemeinde, Verlust des Bestandsschutzes für eine Baugenehmigung, Verzicht auf eine Baugenehmigung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 30126
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens bezüglich einer Baugenehmigung, die der Beklagte den Beigeladenen erteilt hat.
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Die Beigeladenen möchten im Gemeindegebiet der Klägerin, auf Grundstück FlNr. 29 Gem. … (Vorhabengrundstück), die Instandsetzung und den Umbau eines Einzeldenkmals in drei Wohneinheiten vornehmen. Hierzu beantragten sie unter dem 17. April 2018 die Erteilung einer Baugenehmigung. Die Klägerin ist Eigentümerin des nördlich des Vorhabengrundstücks gelegenen Grundstücks FlNr. 25 Gem. … Im östlichen Teil dieses Grundstücks befindet sich das Bürgerhaus der Klägerin. Der westliche Grundstücksbereich ist der Öffentlichkeit als Parkplatz zur Verfügung gestellt. Mit Beschluss vom 8. Mai 2018 versagte die Klägerin ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben. Die Zufahrt sei nicht gesichert. Die neu geplanten Stellplätze im östlichen Grundstücksbereich müssten über das gemeindliche Grundstück angefahren werden, was auch zur Folge haben würde, dass die Bepflanzung in diesem Bereich entfernt werden müsse. Daraufhin nahmen die Beigeladenen in Absprache mit dem Landratsamt eine Umplanung vor; aufgrund Bestandsschutz sei die Errichtung von Stellplätzen nicht erforderlich, so dass diese aus der Planung genommen wurden. Mit Beschluss vom 31. Juli 2018 versagte die Klägerin erneut ihr Einvernehmen wegen fehlender Zufahrt.
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Mit Bescheid vom 30. August 2018 erteilte der Beklagte antragsgemäß die Baugenehmigung samt denkmalschutzrechtlicher Erlaubnis und ersetzte zugleich das Einvernehmen der Klägerin. Es handle sich um ein bestehendes Gebäude mit zwei genehmigten Wohnungen und einem Laden. Hierfür könne ein Bestandsschutz von 3 KfZ-Stellplätzen anerkannt werden; für die nunmehr beantragte Nutzungsänderung seien ebenfalls 3 KfZ-Stellplätze erforderlich. Somit ergebe sich keine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Mehrung. Da dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Belange entgegenstünden, sei die Baugenehmigung zu erteilen und das gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen.
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Mit am 26. September 2018 eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid erhoben und beantragt,
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den Bescheid aufzuheben.
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Das Vorhabengrundstück grenze an keine öffentliche Straße- und Wegefläche an. Soweit gemeindlicherseits bekannt, bestünden auf den angrenzenden Grundstücken keinerlei Geh- und Fahrtrechte zugunsten des Vorhabengrundstücks. Es sei daher weder im bauordnungsrechtlichen noch im bauplanungsrechtlichen Sinne erschlossen. Das Einvernehmen der Klägerin sei daher zu Unrecht ersetzt worden, was die Klägerin in ihren Rechten verletze.
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Die Klägerin könne sich vorliegend über ihre Planungshoheit nicht darauf berufen, dass für das streitgegenständliche Vorhaben eine gesicherte wegemäßige Erschließung nicht existiere. Insoweit werde auf die Vorgeschichte im Zusammenhang mit dem Anwesen sowie darauf verwiesen, dass eine wegemäßige Erschließung seit Jahren über das Gemeindegrundstück FlNr. 25 Gem. … tatsächlich erfolge und von der Klägerin geduldet werde. Mit dem Vorhaben sei insbesondere keine Intensivierung verbunden, sodass es nicht auf eine entsprechende rechtliche Sicherung ankomme.
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Die Beigeladenen beantragen
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Das Vorhabengrundstück werde seit mehreren Jahrhunderten über eine Zuwegung auf dem südlichen Rand des klägerischen Grundstücks erschlossen. Das streitgegenständliche Gebäude sei 1607 erbaut worden. Bis ins Jahr 1815 lasse sich die Eigentümerhistorie nachvollziehen. Bereits 1862 habe der damalige Eigentümer das Krämerrecht besessen. Bis zum Jahr 1990 hätten sich verschiedene Nutzungen im Anwesen befunden, unter anderem ein Ladengeschäft sowie das Schulhaus, das Badhaus, die Polizeistation und eine Schneiderei. Auf dem Grundstück der Klägerin, das diese im Jahr 2007 erworben habe, habe sich seit dem Jahre 1600 die Schlossschänke befunden, betrieben bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein. Der westliche Teil des Grundstücks der Klägerin sei jüngst als Hochwasserschutzmaßnahme freigelegt worden. im Rahmen dieser Maßnahme sei die Klägerin selbst davon ausgegangen, dass es sich bei der Zuwegung über das Grundstück der Schlossgaststätte zu den Hinterliegergrundstücken um einen öffentlichen gewidmeten Weg handle. Streitigkeiten bzgl. eines Wegerechts über FlNr. 25 Gem. … seien weder überliefert noch dokumentiert. Im Zuge der Umgestaltungsmaßnahmen zum Hochwasserschutz habe die Klägerin Grundstücke erworben und bestehende Gebäude im westlichen Teil von FlNr. 25 abgerissen. Im Zuge dessen habe sie der Errichtung einer Doppelgarage auf FlNr. 29 (ehem. FlNr. 38/2) sowie der Errichtung eines Gartenhäuschens zugestimmt. Es fehle bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Die streitgegenständliche Baugenehmigung habe keine Auswirkungen auf den vorherrschenden, baurechtlich genehmigten Zustand. Selbst bei einem Obsiegen würde sich keine Veränderung am schon vorliegenden Zustand ergeben, da das Anwesen Bestandschutz genieße. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet. Das Vorhaben sei planungsrechtlich aufgrund vermuteter Widmung erschlossen. Hilfsweise berufe man sich auf eine Erschließungspflicht der Klägerin aufgrund der Zustimmung zur Errichtung der Doppelgarage und des Gerätehauses im Jahr 2007.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilte Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat den Beigeladenen zu Recht die beantragte Baugenehmigung unter Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin erteilt. Die Beigeladenen haben einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, weil dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im vorliegend einschlägigen vereinfachten Verfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 59 Satz 1 BayBO. Die Klägerin hat dagegen ihr gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB in rechtswidriger Weise versagt, so dass der Beklagte es zu Recht gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO ersetzt hat.
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1. Klagegegenstand ist die von der Bauaufsichtsbehörde erteilte Baugenehmigung. Diese bildet mit der darin enthaltenen Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens eine untrennbare Einheit. Das bedeutet, dass die Gemeinde, deren Einvernehmen ersetzt worden ist, nicht die Ersetzung als solches, sondern die Baugenehmigung anfechten muss (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand: 144. EL September 2021, Art. 67 Rn. 134).
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2. Rechtsgrundlage für die Erteilung der Baugenehmigung ist Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 59 Satz 1 BayBO. Danach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im vereinfachten Verfahren zu prüfen sind. Das Vorhaben ist insbesondere bauplanungsrechtlich zulässig. Nur hinsichtlich bauplanungsrechtlicher Vorschriften kam auch die Erteilung des Einvernehmens der Klägerin überhaupt in Betracht, da sich § 36 BauGB auf die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens beschränkt.
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Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht ist zwischen den Beteiligten allein das Vorhandensein einer gesicherten wege- bzw. straßenmäßigen Erschließung strittig und aus Sicht des Gerichtes entscheidungsrelevant. Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht das Gericht die Anforderungen an eine ausreichend gesicherte Erschließung als gegeben an.
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Für eine derartige Erschließung bedarf das Vorhabengrundstück eines zur ordnungsgemäßen Nutzung geeigneten Zugangs zum öffentlichen Verkehrsnetz, wobei die Zugänglichkeit in rechtlicher Weise ausreichend gesichert, d.h. auf Dauer zur Verfügung stehen muss (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.1985 - 4 C 48/81 - juris Rn. 15, 20; B.v. 3.4.1996 - 4 B 253/95 - juris 2. Leitsatz). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Ein geeigneter Zugang bzw. eine geeignete Zufahrt ist über das klägerische Grundstück FlNr. 25 Gem. … gegeben. Diese wegemäßige Erschließung ist auch in rechtlicher Hinsicht ausreichend gesichert. Es spricht im Hinblick auf die seitens der Beigeladenen ausführlich schriftsätzlich dargelegten Historie des streitgegenständlichen, denkmalgeschützten Gebäudes, welcher die Klägerin nicht entgegengetreten ist, vieles dafür, dass hinsichtlich des entsprechenden Teilstücks des Grundstücks FlNr. 25 Gem. … eine konkludente oder vermutete Widmung vorliegt, zumindest jedoch ein gewohnheitsrechtlich begründetes Wegerecht entstanden ist. Allerdings kann dies hier letztlich offen bleiben. Der Klägerin wäre die Einwendung des Nichtvorliegens einer Widmung oder eines Wegerechts nämlich ohnehin verwehrt, weil sie auf Dauer rechtlich gehindert ist, den Anliegerverkehr zu dem Baugrundstück zu versagen. Sie war und ist nämlich jedenfalls zur wegemäßigen Erschließung des Baugrundstücks verpflichtet. Zwar besitzt die in § 123 BauGB normierte Erschließungslast grundsätzlich rein allgemeinen Charakter und begründet gemäß § 123 Abs. 3 BauGB keinen Rechtsanspruch. Allerdings entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. bereits BVerwG, U.v. 4.10.1974 - IV C 59/72), dass sich diese allgemeine Erschließungspflicht der Gemeinde zu einer aktuellen Pflicht verdichten kann, beispielsweise dann, wenn die Gemeinde bei nicht ausreichendem Erschließungszustand Baugenehmigungen erteilt bzw. einvernehmlich an der Genehmigungserteilung mitgewirkt hat. Es könne, so das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O), nicht angehen, dass eine Gemeinde sich in diesen Fällen darauf berufe, dass die Erschließungspflicht rein allgemeinen Charakter aufweise und es bei den gegebenen Mängeln auf Dauer sein Bewenden habe. Danach muss sich die Klägerin daran festhalten lassen, dass sie einvernehmlich an der Erteilung der Baugenehmigung für den Neubau eines Nebengebäudes und einer Doppelgarage auf dem Baugrundstück mitgewirkt hat, wie dies aus dem Schreiben des Bürgermeisters vom 9. Oktober 2007 an das Landratsamt eindeutig hervorgeht. Auch 2001 wurde eine Baugenehmigung erteilt. Heute entsteht durch das streitgegenständliche Vorhaben (drei Wohneinheiten) kein gegenüber der damaligen Nutzung (zwei Wohneinheiten und ein Laden) intensivierter Verkehr (BVerwG, U.v. 31.10.1009 - 4 C 45/88 - juris Rn. 19).
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Auch greift der Einwand der Klägerin nicht, die damalige Wohnnutzung habe aufgrund einer zwischenzeitlichen Nutzungsunterbrechung von 2013 bis 2017 den Bestandsschutz verloren, sodass eine diesbezügliche Erschließungspflicht ebenfalls erloschen sei. Hinsichtlich des Bestandsschutzes durch eine Baugenehmigung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. April 2022 (15 CS 22.872 - juris Rn. 43ff.) Folgendes ausgeführt:
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„Da der Bestandsschutz durch eine Baugenehmigung durch Landesrecht als Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausgestaltet wird (s.o.), richtet sich auch die Frage, ob und in welchem Umfang das Vertrauen in den Fortbestand einer durch diese Baugenehmigung vermittelte Rechtsposition unter Berücksichtigung einer längeren Zeit der Nichtnutzung und der damit zusammenhängenden Umstände noch Schutz genießt, nach den einschlägigen landesrechtlichen Rechtsnormen. Das vormals vom Bundesverwaltungsgericht zum Tatbestand des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB bzw. der Vorgängerregelung im BBauG entwickelte „Zeitmodell“ (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1995 - 4 C 20.94 - BVerwG 98, 235 = juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 5.6.2007 - 4 B 20.07 - ZfBR 2007, 696 = juris Rn. 4 f.; krit. bereits BVerwG, U.v. 7.11.1997 - 4 C 7.97 - NVwZ 1998, 735 = juris Rn. 25; zuletzt offenlassend BVerwG, B.v. 5.5.2015 - 4 BN 2.15 - juris Rn. 18 m.w.N.) und die allein hieran anknüpfende Frage, ob nach einem bestimmten Zeitablauf noch mit der Wiederaufnahme einer unterbrochenen Nutzung zu rechnen ist, dürfte insofern zu kurz greifen, weil es das für die Geltung / Wirksamkeit einer Baugenehmigung maßgebliche Landesrecht außer Acht lässt. Art. 69 BayBO betrifft allein die Geltungsdauer einer nicht umgesetzten Baugenehmigung und kann daher auf eine Nutzungsunterbrechung nach kompletter Anlagenerrichtung nicht analog angewendet werden. Da die BayBO mithin keine ausdrückliche Regelung zum Erlöschen des Bestandsschutzes bei Nutzungsunterbrechungen enthält, ist auf Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG abzustellen. Liegt keine Erledigung der Baugenehmigung durch behördliche Aufhebung (Art. 48, Art. 49 BayVwVfG) oder durch Zeitablauf im Falle einer auflösend bedingten Baugenehmigung vor, kommt es für das Erlöschen der Baugenehmigung und den Wegfall eines über diese vermittelten Bestandsschutzes darauf an, ob sich die Baugenehmigung „auf andere Weise“ erledigt hat. Hierfür ist grundsätzlich zu verlangen, dass der Berechtigte aus objektiver Sicht zumindest konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er von der Baugenehmigung keinen Gebrauch mehr machen will, m.a.W. dass er (ggf. stillschweigend) auf sie verzichtet, bzw. dass eine (ggf. stillschweigende) Übereinkunft der Beteiligten getroffen wurde, die Baugenehmigung sei obsolet (zusammenfassend: BayVGH, U.v. 13.12.2021 - 15 N 20.1649 - juris Rn. 52; hierzu auch: BayVGH, B.v. 20.2.2003 - 15 B 00.1363 - NVwZ-RR 2003, 726 = juris Rn. 24 ff.; U.v. 1.7.2007 - 2 B 05.2470 - BayVBl 2008, 667 = juris Rn. 22; B.v. 6.2.2014 - 1 ZB 11.1675 - juris Rn. 3; B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - juris Rn. 16; B.v. 26.5.2020 - 15 ZB 19.2231 - juris Rn. 14; U.v. 2.11.2020 - 15 B 19.2210 - NVwZ 2021, 1637 = juris Rn. 15 ff.; NdsOVG, B.v. 25.3.2021 - 1 MN 20/21 - ZfBR 2021, 662 = juris Rn. 18 ff.; U.v. 7.10.2021 - 1 KN 17/20 - UPR 2022, 112 = juris Rn. 46 ff.; OVG NW, U.v. 7.5.2019 - 2 A 2995/17 - NVwZ-RR 2020, 94 = juris Rn. 125 ff.; VGH BW, U.v. 4.3.2009 - 3 S 1467/07 - BauR 2009, 1881 = juris Rn. 27 ff.; U.v. 16.10.2018 - 8 S 2368/16 - ZfBR 2019, 47 - juris Rn. 45 f.). In die diesbezügliche Gesamtbetrachtung sind neben dem Zeitablauf alle nach außen getretenen Umstände einzustellen, die Rückschlüsse auf den Willen des Eigentümers zulassen. Zu berücksichtigen sind beispielsweise der Zustand der baulichen Anlage und das gegebenenfalls erforderliche Maß notwendiger Investitionen vor einer Wiederaufnahme der Nutzung, die tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen, und - über das öffentliche Baurecht hinaus - rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen einer erneuten Nutzung, die nach außen getretenen Gründe für die damalige Beendigung der Nutzung, sonstige Veränderungen des Baugrundstücks und der darauf bestehenden baulichen Anlagen, etwaige vertragliche Bindungen, gegebenenfalls auch das Vorliegen eines langfristigen Nutzungskonzepts. Maßgeblich ist, wie ein objektiver Dritter die Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der Verkehrsauffassung verstehen muss (NdsOVG, B.v. 25.3.2021 a.a.O. Rn. 22; U.v. 7.10.2021 a.a.O. Rn. 50).“
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Dieser gefestigten Rechtsprechung schließt sich das Gericht an und kann nach den Gesamtumständen keinen Verzicht auf die Baugenehmigung vom 18. April 2001 erkennen. Gegen eine solche Annahme spricht bereits die Tatsache, dass es sich mit ca. 4 Jahren um eine relativ kurze Unterbrechung gehandelt hat. Anders als etwa an die Aufgabe einer gewerblichen Nutzung sind an die endgültige Aufgabe einer Wohnnutzung nach der Verkehrsauffassung in zeitlicher Hinsicht andere Anforderungen zu stellen. Denn die Wiederaufnahme einer Wohnnutzung dürfte - im Gegensatz zu einer gewerblichen Nutzung - in einem Wohngebäude grundsätzlich ohne Weiteres möglich sein. Die Verkehrsauffassung rechnet daher mit längeren Zeiträumen (VG München, U.v. 12.11.2012 - M 8 K 11.5940 - juris Rn. 57). Hinzukommt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude um ein Denkmal handelt, bei dem erschwerte rechtliche Rahmenbedingungen an einen Umbau oder eine Sanierung bestehen, wodurch auch mit höheren Investitionen und längeren Planungszeiten zu rechnen ist, sodass auch ein längerer Leerstand nach der Verkehrsauffassung noch keine endgültige Nutzungsaufgabe bedeutet.
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3. Die Klage war deshalb mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen, wobei es der Billigkeit entspricht, die Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen zu lassen, hat sich diese doch durch Antragstellung ihrerseits einem Kostenrisiko ausgesetzt, § 162 Abs. 3 VwGO.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.