Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 02.11.2022 – 2 UF 136/22
Titel:

Grundrentenzuschlag im Versorgungsausgleich

Normenketten:
VersAusglG § 2 Abs. 1, Abs. 2, § 10 Abs. 2, § 18 Abs. 2, Abs. 3, § 19 Abs. 2 Nr. 1
SGB VI § 120f Abs. 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Beim Grundrentenzuschlag handelt es sich um ein gemäß § 2 Abs. 1, 2 VersAusglG auszugleichendes Anrecht. (Rn. 10)
2. Anrechte aus dem Grundrentenzuschlag unterliegen im Versorgungsausgleich als gesondert auszuweisende Anrechte einer eigenen Beurteilung und Tenorierung. (Rn. 12)
3. Der Grundrentenzuschlag ist hinreichend verfestigt, § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG. Die eventuelle Einkommensanrechnung im Leistungsbezug ändert daran nichts. (Rn. 13)
4. Eine fehlende Ausgleichsreife wegen Unwirtschaftlichkeit gem. § 19 Abs. 2 Ziff. 3 VersAusglG liegt nur vor, wenn die Nichtteilhabe an dem zu übertragenden Anrechtsteil aus dem Grundrentenzuschlag zum Entscheidungszeitpunkt bereits wegen der Einkommensanrechnung feststeht oder sicher prognostiziert werden kann. (Rn. 14 – 15)
5. Eine Hochrechnung über mehrere Jahre durch Fortschreibung des bisherigen durchschnittlichen Erwerbs von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum voraussichtlichen Renteneintritt überdehnt die heranzuziehende Prognosebasis. (Rn. 17)
6. Geringwertige Anrechte aus dem Grundrentenzuschlag können aufgrund des Halbteilungsgrundsatzes ausgeglichen werden, soweit keine wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit des zu übertragenden Anrechtes vorliegt. (Rn. 18)
7. Aufgrund des automatisierten Datenabgleichs im Rahmen der Einkommensanrechnungsprüfung gem. § 97a Abs. 2, 6 SGB VI fehlt es an einem dem § 18 VersAusglG zugrundeliegenden erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. (Rn. 20)
Schlagworte:
Versorgungsausgleich, Grundrentenzuschlag, gesetzliche Rentenversicherung, langjährig Versicherte, Ausgleichsreife, Geringwertigkeit
Vorinstanz:
AG Bayreuth, Endbeschluss vom 24.06.2022 – 003 F 372/21
Fundstellen:
FamRZ 2023, 125
LSK 2022, 29924
BeckRS 2022, 29924

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Deutsche Rentenversicherung ... wird der Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 24.06.2022, Az. 3 F 372/21, in Ziffer 2. Absätze 2 und 3 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Vers. Nr…) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 5,2516 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto … bei der Deutschen Rentenversicherung ..., bezogen auf den 31.05.2021, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Vers. Nr…) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 0,3007 Entgeltpunkten (Zuschlag für langjährige Versicherung) auf das vorhandene Konto … bei der Deutschen Rentenversicherung ..., bezogen auf den 31.05.2021, übertragen.
2. Gerichtsgebühren werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.860,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Beschwerdegegenständlich ist die Durchführung des Versorgungsausgleichs zwischen den beteiligten Eheleuten im Rahmen eines Scheidungsverfahrens.
2
Die Eheschließung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin datiert vom ... .01.2007. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 17.06.2021 zugestellt.
3
Gemäß der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ... vom 10.08.2021 betrug die Anwartschaft des Antragstellers zum Ende der Ehezeit 32,9483 Entgeltpunkte, der Ehezeitanteil 12,5499 Entgeltpunkte. Die Anwartschaft der Antragsgegnerin betrug gemäß Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ... vom 14.02.2022 zum Ehezeitende 30,1596 Entgeltpunkte sowie 1,5120 Entgeltpunkte als Zuschlag für langjährige Versicherung, der Ehezeitanteil insoweit 10,5031 Entgeltpunkte aus der allgemeinen Rentenversicherung und 0,6013 Entgeltpunkte aus dem Zuschlag für langjährige Versicherung. Daneben bestanden weitere verhältnismäßig geringfügige Anwartschaften der Eheleute bei anderen Versorgungsträgern. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die jeweils erteilten Auskünfte (vgl. UH VA) Bezug genommen.
4
Mit Endbeschluss vom 24.06.2022 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bayreuth im Verfahren 3 F 372/21 die Ehe der Antragsgegnerin und des Antragstellers geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. In diesem Rahmen hat das Amtsgericht unter anderem die interne Teilung zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Vers. Nr. …) zugunsten des Antragstellers bestimmt. Dabei hat es in Ziffer 2 Abs. 2 des Endbeschlusses ein Anrecht in Höhe von 0,3007 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto … des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung ..., bezogen auf den 31.05.2021, übertragen und in Ziffer 2 Abs. 3 ein solches in Höhe von 5,2516 Entgeltpunkten (Grundrentenzuschlag) auf das vorhandene Konto … des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung ..., bezogen auf den 31.05.2021.
5
Gegen den ihr am 05.07.2022 zugestellten Endbeschluss vom 24.06.2022 hat die Deutsche Rentenversicherung ... mit am 14.07.2022 eingegangenem taggleichem Schreiben Beschwerde hinsichtlich Ziffer 2 Abs. 2 und 3 des Endbeschlusses eingelegt. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass bei der Entscheidung die Ausgleichswerte der Anrechte der Antragstellerin vertauscht worden seien. Tatsächlich bestehe ein Anrecht für die regulären Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 5,2516 Entgeltpunkten und Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherte (Grundrentenzuschlag) in Höhe von 0,3007 Entgeltpunkten.
6
Die weiteren Beteiligten sind im Beschwerdeverfahren dem Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin beigetreten.
II.
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Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung ... führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung wie tenoriert.
8
1. Gemäß der von den Beteiligten nicht beanstandeten Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ... vom 14.02.2022 (Bl. 37 UH VA) hat die Antragsgegnerin in der Ehezeit neben einem Anrecht von 10,5031 Entgeltpunkten in der allgemeinen Rentenversicherung (Ausgleichswert 5,2516 Entgeltpunkte) noch ein weiteres Anrecht durch einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in Höhe von 0,6031 Entgeltpunkten (Ausgleichswert 0,3007 Entgeltpunkte) erworben. Beim Amtsgericht wurden die Entgeltpunkte fehlerhaft zugeordnet (0,3007 EP allgemeine Rentenversicherung, 5,2516 EP für Grundrentenzuschlag).
9
2. Ein Ausgleich des ehezeitbezogenen Zuschlags für langjährig Versicherte in der Anwartschaft der Antragsgegnerin ist vorliegend auch im gesetzlichen Versorgungsausgleich durchzuführen.
10
a) Beim Grundrentenzuschlag handelt es sich um ein gemäß § 2 Abs. 1, 2 VersAusglG auszugleichendes Anrecht (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zu § 76g SGB VI BR-Drs. 85/20 S. 36). Dieses ergibt sich bereits aus § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI, der Zuschläge für langjährige Versicherung und die weiteren in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte als solche gleicher Art im Sinne von § 10 Abs. 2 VersAusglG und damit als grundsätzlich ausgleichspflichtig einordnet.
11
Zwar ist der Grundrentenzuschlag steuerfinanziert, hängt aber untrennbar mit der Erfüllung von mindestens 33 Jahren Grundrentenzeiten zusammen. Dabei werden Erwerbstätigkeiten in der Regel die größte Rolle spielen (so auch ausdrücklich OLG Oldenburg, Beschluss v. 04.08.2022, Az. 11 UF 76/22; a.A. wohl nur der 6. Familiensenat des OLG Frankfurt, Beschluss v. 21.07.2022, Az. 6 UF 108/22). Ein Ausgleich der Anrechte setzt nach § 2 VersAusglG kein beitragsfinanziertes Versorgungssystem, sondern lediglich einen Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Rentenanspruch voraus (vgl. BGH, Beschluss v. 19. 09.2012, Az. XII ZB 649/11). Ob die Renten- oder Pensionsleistungen vollständig über Beiträge der Versicherten finanziert oder durch Steuern bzw. Arbeitgeberbeiträge sichergestellt werden, ist deshalb kein geeignetes Kriterium für die Einbeziehung in den Versorgungsausgleich. Kausal durch ein Beschäftigungsverhältnis geschaffen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG sind auch diejenigen Zeiten, die nicht kongruent mit einer aktiven Beschäftigung sind wie beispielsweise Kindererziehungszeiten (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Holzwarth, Familienrecht, 7. Aufl., § 2 VersAusglG Rn. 22). Die vollständige Steuerfinanzierung des Zuschlags für langjährig Versicherte nach § 76g SGB VI ist daher nicht geeignet, den Zurechnungszusammenhang zur Arbeitsleistung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG zu durchbrechen.
12
b) Der Ausgleich des Zuschlags für langjährig Versicherte erfolgt entsprechend der amtsgerichtlichen Entscheidung gesondert. Es handelt sich bei dem sogenannten Grundrentenzuschlag nicht um ein nach § 10 Abs. 2 VersAusglG verrechenbares, sondern um ein bei der internen Teilung gesondert auszuweisendes Anrecht vergleichbar den Entgeltpunkten in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost), wie sich aus § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI ergibt (vgl. Senat, Beschluss v. 10.08.2022, Az. 2 UF 88/22; OLG Nürnberg, Beschluss v. 06.05.2022, Az. 11 UF 283/22; OLG Braunschweig, Beschluss v. 30.05.2022, Az. 2 UF 66/22; Bachmann in Hauck / Noftz, SGB VI, Stand Juni 2021, § 120f SGB VI Rn 3a). Anrechte aus dem Grundrentenzuschlag unterliegen im Versorgungsausgleich daher als gesondert auszuweisende Anrechte einer eigenen Beurteilung und Tenorierung.
13
c) Der Grundrentenzuschlag ist auch bereits hinreichend verfestigt, § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG. Die eventuelle Einkommensanrechnung im Leistungsbezug ändert daran nichts (a.A. wohl nur OLG Oldenburg, Beschluss v. 04.08.2022, Az. 11 UF 76/22). Anrechte sind noch verfallbar im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG, wenn der Erwerbsvorgang noch nicht abgeschlossen ist oder das Anrecht in seinem Bestand noch wegfallen kann. Ausgleichsreife ist dagegen gegeben, wenn der Versorgungswert dem Grund und der Höhe nach durch die künftige, namentlich betriebliche oder berufliche Entwicklung des Berechtigten nicht mehr beeinträchtigt werden kann und bereits endgültig gesichert ist (BGH, Beschluss v. 21.11.2013, Az. XII ZB 403/12). Ob aus dem Anrecht tatsächlich Leistungen fließen werden, ist insoweit nicht entscheidend. So sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ruhende Anrechte und sicherungshalber abgetretene oder gepfändete und zur Einziehung überwiesene Anrechte auszugleichen (vgl. BGH, Beschluss v. 16.12.2020, Az. XII ZR 28/20; Beschluss v. 21.09.2016, Az. XII ZB 447/14; Beschluss v. 07.08.2013, Az. XII ZB 673/12). Der Bestand des Anrechts aus § 76g SGB VI wird daher durch die jährliche Überprüfung der Einkommensanrechnung in der Leistungsphase (§ 97a Abs. 6 SGB VI) nicht berührt.
14
d) Dem Versorgungsausgleich steht insoweit fehlende Ausgleichsreife des Anrechts i.S.v. § 19 Abs. 2 Ziff. 3 VersAusglG, weil der Ausgleich für den Antragsteller unwirtschaftlich wäre, nicht entgegen. Für eine Unwirtschaftlichkeit ist vielmehr anhand eines strengen Maßstabs und unter Abwägung der Interessen beider Ehegatten auf ein durch den Wertausgleich entstehendes Missverhältnis zwischen den Belastungen auf Seiten des Ausgleichspflichtigen aus dem Verlust des Anrechts und dem beim Ausgleichsberechtigten eintretenden wirtschaftlichen Erfolg abzustellen. Fehlende Ausgleichsreife wegen Unwirtschaftlichkeit läge somit vor, wenn der Antragsteller aus der Übertragung von Grundrentenentgeltpunkten aufgrund der Einkommensanrechnung gem. § 97a SGB VI keine Versorgung erhalten könnte (Johannsen/Henrich/Althammer/Holzwarth, a.a.O., § 19 VersAusglG Rn. 20).
15
Dies lässt sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. BeckOK-BGB/Bergmann, Stand 01.08.2022, § 19 VersAusglG Rn. 2; Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., § 19 VersAusglG Rn. 7; BT-Drs. 16/10144 S. 62) hier nicht beurteilen. Weder steht fest, dass der Antragsteller bereits jetzt über Anwartschaften verfügt, die im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 97a SGB VI eine Rentenleistung aus dem Grundrentenzuschlag zwingend in Wegfall kommen lassen (aa.; eine solche Fallgestaltung annehmend OLG Frankfurt, Beschluss v. 13.06.2022, Az. 7 UF 183/21), noch lässt sich dies derzeit mit der erforderlichen Sicherheit für die Zukunft prognostizieren (bb.).
16
aa. Nach der vorliegenden Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ... vom 03.11.2021 (Bl. 21 UH VA) hat der Antragsteller bis 31.05.2021 insgesamt 32,9483 Entgeltpunkte in der allgemeinen Rentenversicherung erworben. Infolge des Versorgungsausgleichs verliert er insgesamt 1,0234 Entgeltpunkte (er muss 6,2750 Entgeltpunkte an die Antragsgegnerin abgeben, und erhält von ihr 5,2516 Entgeltpunkte), so dass ihm 31,9249 Entgeltpunkte verbleiben. Bei einem aktuellen Rentenwert von derzeit 36,02 € ergibt sich daraus ein Rentenanspruch in Höhe von 1.149,93 €, der den in § 97a Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VI geregelten Betrag für Alleinstehende zur 60%-Anrechnung (36,56 x 36,02 aktueller Rentenwert = 1316,89 Euro aufgerundet) auch unter Einbeziehung der außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehenden weiteren geringfügigen Anrechte des Antragstellers unterschreitet.
17
bb. Eine Prognose dahingehend, ob der Antragsteller in den verbleibenden ca. 12 Erwerbsjahren (nach derzeit geltender Regelaltersgrenze) diesen Grenzbetrag nach § 97a Abs. 4 SGB VI erreichen wird, ist im Rahmen der Feststellung der Voraussetzungen der Unwirtschaftlichkeit nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG nicht vorzunehmen. Soweit in der Rechtsprechung (OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.05.2022, Az. 7 UF 4/22; ebenso OLG Oldenburg, Beschluss v. 04.08.2022, Az. 11 UF 76/22) eine Hochrechnung durch Fortschreibung des bisherigen durchschnittlichen Erwerbs von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum voraussichtlichen Renteneintritt vorgenommen wird, um die Voraussichtlichkeit des Nichterhalts von Rentenzahlungen aus dem übertragenen Anrecht festzustellen, überdehnt dies vorliegend zu Lasten des ausgleichsberechtigten Antragstellers die heranzuziehende Prognosebasis (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 10.08.2022, Az. 2 UF 88/22).
18
§ 19 Abs. 1, 2 VersAusglG regelt die Anrechte, die wegen fehlender Ausgleichsreife nicht dem Versorgungsausgleich unterfallen. Dies bedarf der begründeten Feststellung, dass die hierfür geregelten Voraussetzungen vorliegen. Eine insoweit erforderliche Prognose muss zuverlässige Grundlagen haben. Wesentlicher Anwendungsfall des § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ist die Unwirtschaftlichkeit in Fällen der zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr möglichen Erfüllung von Wartezeiten, bspw. nach § 50 Abs. 1 SGB VI oder solche berufsständischer Versorgungswerke, durch den Ausgleichsberechtigten (vgl. insoweit bereits die Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/10144, S. 62). Maßgeblich ist daher, ob die zum Entscheidungszeitpunkt feststehenden Tatsachen bereits die sichere Prognose erlauben, dass der Ausgleichsberechtigte keine Rentenzahlung aus den im Versorgungsausgleich übertragenen Grundrentenentgeltpunkten erhalten würde (vgl. MüKo/BGB-Recknagel, 9. Aufl., § 19 VersAusglG Rn. 22 ff.).
19
Aus diesem Grund steht etwa schon allein die Möglichkeit der freiwilligen Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung für Beamte der Unwirtschaftlichkeit des Erwerbs gesetzlicher Rentenanrechte bei Unterschreitung der Mindestwartezeit von 60 Monaten auch nach Durchführung des Ausgleichs entgegen (OLG Dresden, Beschluss v. 30.04.2012, Az. 20 UF 1153/11; BeckOK-Sozialrecht Rolfs/Gießen/Meßling/Udsching, Stand 01.12.2020, § 19 VersAusglG Rn. 9), solange nicht festgestellt werden kann, dass der hierfür erforderliche Kapitaleinsatz nicht zur Verfügung stehen wird oder diese Möglichkeit der Beitragsentrichtung wegen des bereits begonnenen Vollrentenbezuges (§ 7 Abs. 2 SGB VI) nicht mehr besteht. Auch würde der ausgleichsberechtigte Antragsteller vorliegend beispielsweise bei zeitnaher Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit oder Eintritt der Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente und dem hierdurch bedingten Entfallen der Möglichkeit des Erwerbs weiterer Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung das nach dem maßgeblichen derzeitigen Stand wirtschaftlich werthaltige auszugleichende Anrecht aufgrund der - dann unzutreffenden - Prognoseentscheidung verlieren. Dies zeigt, dass jedenfalls im konkreten Fall die prognostisch erforderliche Sicherheit in Bezug auf die weitere Einkommensentwicklung beim Antragsteller nicht besteht, um von einer Aufzehrung der möglichen Rente aus dem Anrecht aus dem zu übertragenden Grundrentenzuschlag ausgehen zu können.
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e) Von dem Ausgleich ist auch nicht nach § 18 Abs. 2 VersAusglG abzusehen. Zwar ist vorliegend das Anrecht aus dem Zuschlag für langjährig Versicherte geringwertig i.S.v § 18 Abs. 3 VersAusglG, da der korrespondierende Kapitalwert für den Ausgleichswert von 0,3007 Entgeltpunkten lediglich 2323,40 € beträgt und damit unter der Geringfügigkeitsschwelle des § 18 Abs. 3 VersAusglG liegt, die im Jahr des Ehezeitendes 2021 3.948,00 € betragen hat. Ein in der Rechtsprechung anerkannter Grund für einen Ausgleich trotz Geringwertigkeit des Anrechts besteht jedoch dann, wenn der Ausgleich nur einen geringen Verwaltungsaufwand erfordert, weil der Versorgungsträger ohnehin Umbuchungen auf den Konten vornehmen muss, so dass eine Einschränkung des Halbteilungsgrundsatzes nicht gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Beschluss v. 30.11.2011, Az. XII ZB 344/10). So verhält es sich hier, da die beiderseitigen Anrechte der Beteiligten in der allgemeinen Rentenversicherung nach der erstinstanzlichen Entscheidung ohnehin ausgeglichen werden und auch Entgeltpunkte für langjährige Versicherung in Umsetzung der Versorgungsausgleichsentscheidung nur kontenmäßig umgebucht werden. Es entspricht daher vor dem Hintergrund des Halbteilungsgrundsatzes der Billigkeit, das geringfügige Anrecht der Antragsgegnerin bezüglich des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in den Versorgungsausgleich miteinzubeziehen und zugunsten des Antragstellers intern zu teilen (zum Ganzen vgl. Senat, Beschluss v. 10.08.2022, Az. 2 UF 88/22; ebenso OLG Bamberg, Beschluss v. 31.08.2022, Az. 7 UF 161/22; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss v. 09.08.2022,. Az. 10 UF 15/22; a.A. OLG Nürnberg, Beschluss v. 03.08.2022, Az. 7 UF 534/22 - Anwendung der Grenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG). Aufgrund des automatisierten Datenabgleichs im Rahmen der Einkommensanrechnungsprüfung gem. § 97a Abs. 2, 6 SGB VI liegt auch insoweit kein für § 18 VersAusglG erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand vor (Senat, Beschluss v. 10.08.2022, Az. 2 UF 88/22).
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Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung ... ist der Endbeschluss mithin unter Einbeziehung des Anrechts der Antragsgegnerin für langjährige Versicherung unter Korrektur der Ausgleichsbeträge abzuändern.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, 150 Abs. 1 FamFG
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4. Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach §§ 40, 50 Abs. 1 FamGKG. Ausgehend von dem vom Amtsgericht im Termin vom 24.06.2022 festgestellten Nettoeinkommen der beiden Ehegatten von zusammen 3.100,00 € und dem Ansatz eines Wertes von 10% für jedes der von der Beschwerde betroffenen beiden Anrechte (vgl. Senat, Beschluss v. 10.08.2022, Az. 2 UF 88/22) ergibt sich ein rechnerischer Verfahrenswert von 1.860,00 € (3.100 x 3 x 0,2).
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5. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat und im Hinblick auf die dargestellte divergierende Rechtsprechung in einzelnen Fragen der Behandlung des Grundrentenzuschlags für langjährig Versicherte auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 FamFG.