Titel:
Keine Verlängerung der BAföG-Förderungshöchstdauer bei fehlender Kausalität der Pflege eines nahen Angehörigen
Normenkette:
BAföG § 15 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2, § 15a Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Überschreitung der Förderungshöchstdauer beruht nicht ausschließlich auf der Pflege eines nahen Angehörigen, wenn die Pflegetätigkeit am Donnerstagnachmittag und Samstag insgesamt elf Stunden betrug und nicht dargelegt ist, wieso diese mit dem Masterstudium unvereinbar gewesen sein sollte. (Rn. 38 und 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Tod eines nahen Angehörigen kann ein schwerwiegender Grund iSv § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG sein, wenn nachvollziehbar dargelegt ist, dass die emotionalen Belastungen und/oder der Tod den BAföG-Empfänger gehindert haben, die geforderten ECTS-Punkte zu erzielen bzw. Studienrückstände aufzuholen (hier verneint mangels Krankheitswert der emotionalen Belastungen und guter Leistungen im Semester danach). (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anspruch auf Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus (verneint), Pflege eines nahen Angehörigen, schwerwiegender Grund, Kausalität, BAföG, Ausbildungsförderung, Höchstdauer, Tod
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29914
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger studierte von Oktober … bis September … im Bachelorstudiengang … an der …Universität … (...) und von Oktober … bis März … im Bachelorstudiengang … an der … Hochschule … in … Mit dem Sommersemester 2018 nahm er an der … den Masterstudiengang … mit einer Regelstudienzeit von vier Semestern auf. Für den Masterstudiengang bezog er bis zum Abschluss des 4. Fachsemesters (Wintersemester 2019/2020) Ausbildungsförderung vom Beklagten. Im Rahmen des Erstantrags auf Ausbildungsförderung für den Masterstudiengang reichte er ein Schreiben der … ein, wonach ihn die Zugangskommission für den Masterstudiengang zugelassen habe. Allerdings weise sein Qualifikationsprofil derzeit noch Lücken auf. Er habe parallel zu seinem Masterstudium ein Jahr Zeit, die noch fehlenden Bedingungen zu erfüllen. Aus dem Bachelorstudiengang sei die Prüfung „Passive Bauelemente und deren HF-Verhalten (5 ECTS)“ zu absolvieren.
2
Aus dem Notenspiegel der … vom 4. Mai 2020 lassen sich die dort ausgewiesenen Leistungspunkte den einzelnen Semestern wie folgt zuordnen:
1. Fachsemester (Sommersemester 2018): 10 ECTS-Punkte
2. Fachsemester (Wintersemester 2018/2019): 17,5 ECTS-Punkte (darunter 7,5 Punkte aufgrund angerechneter Leistungen aus dem Bachelorstudium des Klägers sowie 5 Punkte für die Prüfung „Passive Bauelemente und deren HF-Verhalten“)
3. Fachsemester (Sommersemester 2019): 35 ECTS-Punkte (davon 10 Punkte aufgrund Prüfungswiederholung)
4. Fachsemester (Wintersemester 2019/2020): 12,5 ECTS-Punkte
3
Mit Schreiben vom 23. März 2020 beantragte der Kläger die Weiterzahlung der Ausbildungsförderung nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer ab 1. April 2020 für ein weiteres Semester. Er begründete den Antrag damit, dass sein Stiefvater schon vor der Einstufung wegen Pflegebedürftigkeit auf seine und die pflegerische Hilfe seiner Mutter angewiesen gewesen sei. Seine Mutter sei dieser Aufgabe nicht alleine gewachsen gewesen, er habe sie täglich unterstützt. Zum körperlichen und psychischen Aufwand der Pflege sei der zeitliche Aufwand für das Pendeln zwischen seiner und der Wohnung des Stiefvaters hinzugekommen. Diese Zeiten hätten ihm zwangsläufig für sein Studium gefehlt. Die Folge sei gewesen, dass seine Prüfungsleistungen nicht mehr ausgereicht hätten. Er habe schweren Herzens die Unterstützung für den Stiefvater und die Mutter reduziert, damit sich die Lernerfolge besserten. Am 24. Oktober 2018 sei sein Stiefvater ins Krankenhaus eingeliefert worden und am … 2018 an … verstorben. Auf Grund dieser Ereignisse habe er sein Studium um ein Semester verlängert. Aktuell fehlten ihm noch die Masterarbeit, das Forschungspraktikum und eine Prüfung. Dies entspreche etwa dem Umfang von einem Semester und zwei Monaten. Auf Grund der Coronapandemie seien alle Prüfungsleistungen abgesagt worden. Auch die Zusage einer Firma für die Masterarbeit sei derzeit unklar. Er werde, sobald es möglich sei, die Leistungen im Laufe des verschobenen Sommersemesters 2020 an der … ablegen.
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Nachträglich eingereicht wurden durch den Kläger eine Bescheinigung über angemeldete Prüfungen vom 14. April 2020, eine Übersicht über die erbrachten Studienleistungen vom 4. Mai 2020, sowie Teile sozialmedizinischer Gutachten vom .... Juni 2018 und …September 2018 betreffend den Stiefvater. Auf der Leistungsübersicht ist vermerkt, dass die Prüfung „Modellierung und Simulation von Schaltungen und Systemen“ vom .... April 2020 „wegen Corona“ abgesagt worden sei. Aus dem Gutachten vom .... Juni 2018 ergibt sich, dass der Stiefvater des Klägers seit Januar 2017 in Pflegegrad 2, ab dem .... März 2018 in Pflegegrad 3 eingeordnet war und im häuslichen Wohnumfeld gepflegt wurde. Aus dem Gutachten vom … September 2018 ergibt sich eine Einordnung in Pflegegrad 4 seit dem .... August 2018.
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Mit Bescheid vom 26. Mai 2020 lehnte der Beklagte den Antrag ab und begründete dies damit, dass die Förderungshöchstdauer mit dem Wintersemester 2019/2020 geendet habe. Eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer komme vorliegend allein auf Grund eines schwerwiegenden Grundes nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG in Betracht. Da der Stiefvater des Klägers jedoch in Pflegegrad 2 eingeordnet gewesen sei, habe dem Antrag nicht stattgegeben werden können.
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Mit Schreiben vom 30. Mai 2020 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid. Wie er mit den eingereichten Unterlagen dargelegt habe, habe der Pflegegrad 3 seit März 2018 bestanden, mithin während seiner Pflegetätigkeit. Der Zeitraum März 2018 bis zur Einlieferung des Stiefvaters ins Krankenhaus am 24. Oktober 2018 entspreche dem ihm fehlenden Semester für den Abschluss seines Studiums.
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Mit Schreiben vom 3. Juni 2020 erwiderte der Beklagte, dass dem Widerspruch nicht zu entnehmen sei, wie viele Stunden der Kläger pro Woche die zu pflegende Person betreut habe, was die Tätigkeiten gewesen seien und weshalb die Pflege ihn am Studium gehindert habe, obwohl die Mutter den größten Teil der Pflege übernommen habe.
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Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 erwiderte der Kläger sinngemäß, seine Mutter sei für die Grundversorgung des Stiefvaters verantwortlich gewesen, da sie mit ihm zusammengelebt habe. Als nicht im Haus lebende Person sei er ab dem .... März 2018 (Pflegestufe 3) mit 3 Stunden an einem Tag wöchentlich und ab .... August 2018 (Pflegestufe 4) mit 4 Stunden an zwei Tagen wöchentlich für die direkte häusliche Pflege veranschlagt worden. Hinzu komme zusätzliche Zeit für die Anreise von 2 x 50 Minuten pro Termin. Auf Grund verschiedener Erkrankungen (... …...) habe seine Mutter einen Grad der Behinderung von 50, wodurch sie bei ihrer Grundversorgung und hauswirtschaftlichen Pflege eingeschränkt gewesen sei. Dieser für ihn zusätzlich angefallene Mehraufwand sei vom medizinischen Pflegedienst nicht berücksichtigt worden. Da … zu den zeitaufwendigsten Studiengängen gehöre - veranschlagte Wochenstunden entsprächen oft nicht der Realität - verzögere jede zeitliche Mehrbelastung das Vorankommen im Studium.
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Auf Aufforderung des Beklagten reichte der Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2020 weitere Unterlagen ein, darunter die vollständigen Pflegegutachten. Aus dem Pflegegutachten vom .... Juni 2018 ergeben sich für die Mutter des Klägers 7 Pflegetage und 120 Pflegestunden pro Woche, für den Kläger 1 Pflegetag pro Woche mit 3 Pflegestunden. Aus dem Pflegegutachten vom … September 2018 gehen für die Mutter des Klägers 7 Pflegetage und 168 Pflegestunden pro Woche, für den Kläger 2 Pflegetage und 4 Pflegestunden pro Woche hervor. Der Kläger legte dar, dass die Soll-Pflegestunden zu niedrig angesetzt gewesen seien. Die starke körperliche Einschränkung seiner Mutter und der damit für ihn verbundene Mehraufwand sei bei der Ermittlung der Stunden unberücksichtigt geblieben. Er habe damit viele zusätzliche Tätigkeiten resultierend aus der Fürsorgepflicht gegenüber Stiefvater und Mutter erbracht. Der Kläger übersandte folgende Aufstellung über die von ihm geleisteten Pflegestunden:
Wochentag Anfahrt und Rückfahrt inkl. Fußweg Uhrzeit vor Ort
Sommersemester 2018 (Vorlesungszeit):
Donnerstag 2 x 60 Minuten 17.30 bis 20.30 Uhr
Samstag 2 x 60 Minuten 10.00 bis 14.00 Uhr
Sommersemester 2018 (vorlesungsfreie Zeit):
Dienstag 2 x 60 Minuten 10.00 bis 13.00 Uhr
Donnerstag 2 x 60 Minuten 16.00 bis 18.00 Uhr
Samstag 2 x 60 Minuten 11.00 bis 13.00 Uhr
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Mit Bescheid vom 1. Dezember 2020, dem Kläger zugestellt am 2. Dezember 2020, wies der Beklagte den Widerspruch kostenfrei zurück und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
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Der Kläger habe im Sommersemester 2018 die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung mit mindestens Pflegegrad 3 übernommen. Dauer und Umfang der Pflege seien durch den Kläger glaubhaft zu machen. Der Kläger habe hierfür zwei Pflegegutachten eingereicht, aus denen ersichtlich sei, dass sein Pflegeaufwand im Vergleich zu dem der Mutter gering sei. Unabhängig davon, ob Dauer und Aufwand der Pflege tatsächlich so hoch gewesen seien, wie der Kläger im Schreiben vom 11. Oktober 2020 geschildert habe, oder ob eher seine Angaben in den sozialmedizinischen Gutachten für die Prüfung heranzuziehen seien, sei festzustellen, dass die Pflege nicht allein ursächlich für den Rückstand im Studium sei. Ursächlich für den Rückstand wäre die Pflege dann, wenn diese hinweggedacht werden würde, ohne dass der Rückstand eingetreten wäre. Die Pflegetätigkeit des Klägers könne vorliegend jedoch hinweggedacht werden und dennoch wäre die Verzögerung des Studienverlaufs eingetreten. Denn es sei nicht ersichtlich, wie die Verzögerung von zwei Semestern auf die Pflegetätigkeit zurückzuführen sein solle. Ausweislich der Leistungsübersicht vom 4. Mai 2020 habe der Kläger bis zum Ende des vierten Fachsemesters lediglich 70 von 120 ECTS-Punkten erreicht. Im Sommersemester 2018, seinem ersten Fachsemester, habe er lediglich 10 von 30 ECTS-Punkten erreicht. Selbst wenn dies der Pflegetätigkeit geschuldet gewesen sein sollte, hätte der Kläger spätestens nach Beendigung der Pflegetätigkeit auf Grund des Krankenhausaufenthalts des Stiefvaters zu Beginn des Wintersemesters 2018/2019 die fehlenden ECTS-Punkte aufholen müssen. Stattdessen habe er lediglich 17,5 ECTS-Punkte erreicht, wobei 7,5 ECTS-Punkte angerechnet worden seien. Im Sommersemester 2019 habe der Kläger mit 35 ECTS-Punkten die vorgegebenen 30 ECTS-Punkte erstmals erreicht, bevor er dann im Wintersemester 2019/2020 erneut nur 12,5 ECTS-Punkte erreicht habe. Hätte er in seinem ersten Semester regulär studiert und 30 ECTS-Punkte erreicht, so hätte er dennoch sein Studium nicht regulär im 4. Semester beendet.
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Ursächlich für die Verzögerung sei vielmehr das Nichtbestehen bzw. Schieben von Prüfungsleistungen. Hochschulbedingte Verzögerungen könnten grundsätzlich keinen schwerwiegenden Grund i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG darstellen. Auf Grund der von der Universität festgelegten Regelstudienzeit sei es jedem Studenten grundsätzlich trotz ggf. gelegentlicher und unvermeidbarer Überschneidungen oder evtl. Nichtbestehens einzelner Teilleistungen möglich, sein Studium auch in der gewählten Fachrichtung so zu organisieren, dass er die erforderlichen Vorlesungen, Seminare oder Prüfungen usw. rechtzeitig absolvieren und sein Studium auch innerhalb der Regelstudienzeit abschließen könne. Jeder Student sei gehalten, sein Studium so zu organisieren, dass er die erforderlichen Leistungen beibringen bzw. Veranstaltungen besuchen könne. Ergäben sich auf Grund einer unglücklichen Ablauforganisation bzw. Nichtbestehens von Teilleistungen tatsächlich Verzögerungen der geschilderten Art, so müsse dies zu Lasten des Studierenden gehen. Es sei daher grundsätzlich davon auszugehen gewesen, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Studienablaufplanung in der Lage gewesen wäre, das Studium innerhalb der Regelstudienzeit abzuschließen. Der Leistungsübersicht des Klägers vom 4. Mai 2020 seien mehrere nicht bestandene Prüfungen zu entnehmen. So habe der Kläger am .... April 2019 die Prüfung „Digitale elektronische Systeme“ nicht bestanden, welche er dann am …September 2019 bestanden habe. Am … Oktober 2018 habe der Kläger die Prüfung „Transceiver-Systementwurf“ zunächst nicht bestanden, bevor er diese dann am … April 2019 mit Grund versäumt und schließlich erst am .... Oktober 2019 bestanden habe. Dies habe eine Verzögerung von zwei Semestern zur Folge gehabt. Schließlich habe der Kläger auch die Prüfung „Bauelemente und deren HF-Verhalten“ am … Juli 2018 nicht bestanden, sondern erst am … Februar 2019. Dadurch sei eine Verzögerung von einem Semester entstanden. Fehlschläge bei einzelnen Prüfungs- und Studienleistungen auf Grund mangelnder Leistung stellten aber keinen schwerwiegenden Grund dar.
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Am 22. Dezember 2020 hat der Kläger durch Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Klage erhoben.
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Er lässt die Klage im Wesentlichen damit begründen, dass entgegen der Behauptung des Beklagten die Verzögerung des Studiums ihre alleinige Ursache in seiner Pflegetätigkeit für seinen Stiefvater bis zu dessen Einlieferung ins Krankenhaus am 24. Oktober 2018 habe. Er habe nur wegen der Pflege im Sommersemester lediglich 10 ECTS-Punkte erbringen können. Er habe immerhin drei Leistungsprüfungen bestanden. Im folgenden Wintersemester sei er anfangs immer noch sehr stark von der Pflegetätigkeit in Anspruch genommen gewesen. Die Einweisung ins Krankenhaus und der Tod seines Stiefvaters Ende Oktober seien nicht das plötzliche Ende aller Belastungen gewesen. Vielmehr habe er seiner Mutter mit allem helfen müssen und den Kopf nicht frei gehabt, um problemlos das Sommersemester nachzuholen und gleichzeitig den Stoff für das Wintersemester zu lernen. Er habe dennoch im Wintersemester 2018/2019 nur eine Prüfung nicht bestanden. Bei einer anderen Prüfung am … April sei er krank gewesen. Im Sommersemester 2019 habe er wieder uneingeschränkt studieren können und mit 35 ECTS-Punkten sogar mehr als die erforderlichen 30 ECTS-Punkte erreicht, was deutlich zeige, wozu er ohne die Belastung durch die Pflegetätigkeit in der Lage sei. Im Wintersemester 2019/2020 habe er 22,5 ECTS-Punkte erreicht, nicht wie vom Beklagten behauptet lediglich 12,5 ECTS-Punkte.
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Er hätte sein Studium regulär beenden können, wenn er im ersten Semester (Sommersemester 2018) regulär hätte studieren und 30 ECTS-Punkte hätte erreichen können. Er wäre dann nicht gestresst und ohne Lücken und erheblichen Nachholbedarf ins zweite Semester gestartet. Außerdem sei auch der Beginn des zweiten Semesters (Wintersemester 2018/2019) ganz erheblich von der Pflegetätigkeit geprägt gewesen, weil jetzt sogar Pflegegrad 4 vorgelegen habe und es dem Stiefvater zunehmend schlechter gegangen sei. Es sei für alle eine schwere Zeit gewesen. Für die Mutter, die selbst krank sei und Hilfe brauche, und für ihn, der sich um die Eltern gekümmert habe. Es sei lebensfremd zu verlangen, dass die Pflege und das Sterben eines moribunden Elternteils so spurlos an ihm vorüber gehe, dass er im Wintersemester 2018/2019 mühelos das im Sommersemester Versäumte nachhole und gleichzeitig den Stoff des Wintersemesters bewältige.
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Er habe sein Studium so organisiert, wie er es angesichts der Pflegesituation vermocht habe. Es sei nicht sein Verschulden gewesen, dass er die Prüfungen am … Juli 2018 und am … Oktober 2018 nicht bestanden habe, da das Nichtbestehen aus der Belastung mit der Pflege des Stiefvaters resultiert habe. Dass er beim zweiten Versuch der Prüfung vom … Oktober 2018 am … April 2019 krank gewesen sei, sei ebenfalls nicht sein Verschulden.
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Die Pflege des Stiefvaters sei alleinige Ursache der Verzögerung gewesen. § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG sei gerade für solche Fälle geschaffen worden. Es sei anerkennenswert und gesellschaftlich erwünscht, dass sich Kinder pflegerisch um nahe Angehörige kümmerten. Dass ihnen daraus kein Nachteil betreffend die Ausbildungsförderung entstehen solle, sei gerade der T. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG.
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Der Kläger beantragt wörtlich,
den Bescheid vom 26. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Dezember 2020, zugestellt am 02. Dezember 2020, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Ausbildungsförderung nach dem Überschreiten der Förderungshöchstdauer für den Zeitraum 01. April 2020 bis 30. September 2020 zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung bringt er vor, dass auch das Vorbringen im Klageverfahren zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts führe. Der Kläger habe nichts vorgetragen, was nicht bereits im Widerspruchsbescheid gewürdigt worden sei. Auf die Ausführungen und die Begründung des Widerspruchsbescheids werde Bezug genommen. Darüber hinaus werde wie folgt Stellung genommen:
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Auf Grundlage des Notenspiegels der … mit Stand 4. Mai 2020 könne nicht bestätigt werden, dass der Kläger im Wintersemester 2019/2020 22,5 ECTS-Punkte erreicht habe. Selbst wenn der Argumentation des Klägers bzgl. der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit im Sommersemester 2018 und Wintersemester 2018/2019 auf Grund der Pflegetätigkeit zu folgen wäre und ein Nachtrag der Punkte für das Wintersemester 2019/2020 stattgefunden hätte, was im Übrigen nicht nachgewiesen sei, so hätte der Kläger im Wintersemester 2019/2020 auf Grund seiner geringen Anzahl von Leistungspunkte einen weiteren Rückstand gehabt. Dieser Rückstand könne jedoch nicht mit der vorgetragenen Pflegeleistung begründet werden, da der Kläger nach eigenem Vortrag im Sommersemester 2019 in der Lage gewesen sei, uneingeschränkt zu studieren.
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Der Hauptgrund für die Verzögerung sei daher das Nichtbestehen bzw. Schieben von Prüfungsleistungen gewesen.
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Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. April 2021 nimmt der Kläger sinngemäß wie folgt zur Klageerwiderung Stellung: Es sei nicht richtig, dass er im Wintersemester 2019/2020 nur 12,5 ECTS-Punkte erreicht habe. Er habe vielmehr 22,5 ECTS-Punkte erreicht, die sich aus „Entwurf integrierter Schaltungen I“, „Elektronik programmierbarer Digitalsysteme“, „Modulierung und Simulation von …“, „Kommunikation in Wissenschaft und Technik“ sowie „Fotokurs“ zusammensetzten. Letzterer sei lediglich woanders eingetragen worden, da vom Prüfungsamt eine Änderung im Notenspiegel vorgenommen worden sei. Die Benotung sei vom Dozenten erst später vorgenommen worden, der Kurs sei aber im Wintersemester 2019/2020 absolviert und bestanden worden. Dass Prüfungen zur Zeit der Weitergabe an den Beklagten möglicherweise noch nicht eingetragen gewesen seien, habe er bereits mehrfach mitgeteilt.
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Nach dem Wintersemester 2019/2020 hätten ihm lediglich noch die Masterarbeit und das Forschungspraktikum gefehlt. Ein weiterer Rückstand habe nicht bestanden. Aus rechtlichen Gründen könnten beide nicht parallel absolviert werden. Sie während der Prüfungszeit zu absolvieren, scheine wenig zielführend. Sie zwischen anderen Kursen und Vorlesungen verstreut zu absolvieren, sei nicht möglich. Überdies sei ihm mit „Passive Bauelemente“ ein zusätzliches Fach auferlegt worden, das bei der ECTS-Wertung nicht mitzähle, wofür er aber habe lernen und arbeiten müssen. Hätte die Coronapandemie nicht die Universität zum Schließen gezwungen, hätte er genau ein Semester länger gebraucht, um zum Abschluss zu kommen.
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Grund für diese Verlängerung sei allein die Pflege des Stiefvaters gewesen. Es stimme nicht, dass das Nichtbestehen und Schieben von Prüfungsleistungen Hauptgrund für die Verzögerung gewesen sei. Der ECTS-Punktestand vom 4. Mai 2020 sei unvollständig. Überdies werde eine Fixierung auf ECTS-Punkte der Sache nicht gerecht. Der Notenspiegel gebe nur die bestandenen Leistungen wieder, sage aber nichts darüber aus, wie viel vom Studierenden tatsächlich gearbeitet worden sei. Er sei von Anfang an auf Grund der Pflege gleichsam immer im Aufholmodus gewesen. Er habe immer das wegen der Pflege Versäumte nachholen und gleichzeitig das im aktuellen Semester Geforderte leisten müssen. Das habe er mit all seinen Möglichkeiten getan. Er habe nicht grundlos Leistungsnachweise verschoben und hinausgezögert.
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Das Fach Transceiver-Systementwurf sei nicht erst im dritten, sondern im zweiten Versuch bestanden worden. Einmal sei er nachgewiesen krank gewesen und habe deshalb nicht antreten können. Im Wintersemester 2018/2019 habe er das Grundlagenfach Nachrichtentechnische Systeme mit 7,5 ECTS-Punkte parallel zu anderen Vorlesungen besucht, weil dieses Wissen in … vorausgesetzt werde und er, da er von der … … nach … gewechselt sei, dieses Wissen nicht gehabt habe. Auch dies zähle, weil es ein Bachelorfach sei, nicht zur Gesamtbewertung, wie ihm Studienberatung und Prüfungsamt mitgeteilt hätten.
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Den Zeitaufwand für die Pflege vor Ort sowie An- und Abreise habe er dargelegt. Er habe 9 bis 13 Stunden pro Woche veranschlagt. Für den Studienaufwand würden pro Semester 30 ECTS-Punkte = 900 Stunden, mithin 40 Stunden pro Woche veranschlagt. Hinzugekommen sei der Aufwand, den er gehabt habe, um sich um seine schwerbehinderte Mutter zu kümmern und dass die Pflege des Stiefvaters emotional und psychisch eine große Belastung gewesen sei. Er habe im ersten Semester die vorgeschriebenen Fächer besucht und die Prüfungen geschrieben, die er habe schreiben können, weil er die Vorbereitung für ausreichend gehalten habe. Er habe durch die Pflege jedoch manches versäumt, das er später mühsam neben neuem Stoff habe aufholen müssen. Jeglicher Rückstand habe seinen Grund in dem Rückstand, den er sich durch die Pflegetätigkeit im Sommersemester 2018 und Wintersemester 2018/2019 eingehandelt habe. Im Sommersemester 2019 habe er in dem Sinne uneingeschränkt studieren können, als er niemanden mehr habe pflegen müssen. Er habe jedoch das Versäumte nachholen müssen und sei daher doppelt belastet gewesen. Trotz dieser Anstrengungen habe er im Wintersemester 2019/2020 die Anforderungen so weit erfüllt, dass nur noch Masterarbeit und Forschungspraktikum ausgestanden hätten und er ohne Coronapandemie ein Semester länger gebraucht hätte.
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Mit Schriftsatz vom 21. April 2022 erwidert der Beklagte, dass das klägerische Vorbringen zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhaltes führen könne. Durch den Vortrag, ihm sei ein zusätzliches Fach auferlegt worden, das bei der ECTS-Bewertung nicht mitzähle und im Wintersemester 2018/2019 das Grundlagenfach Nachrichtentechnische Systeme parallel zu anderen Vorlesungen besucht zu haben, da dieses Wissen in … vorausgesetzt werde, werde nochmals bestätigt, dass nicht allein die Pflege des Vaters zu den Verzögerungen im Studium geführt habe.
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Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2022 legt der Kläger sinngemäß dar, er habe nur deshalb vorgetragen, dass er im Wintersemester 2018/2019 das Grundlagenfach Nachrichtentechnische Systeme besuchen habe müssen, weil vom Beklagten falsch behauptet worden sei, er habe neben der Pflege nicht oder zu wenig studiert, das Studium durch Schieben und Nichterbringung von Leistungsnachweisen verzögert und deshalb zu wenig ECTS-Punkte erreicht. Er habe sowohl in … als auch in … das studiert und an Leistungen erbracht, was ihm neben und auf Grund der Pflege seines Stiefvaters möglich gewesen sei. Die Verzögerung um ein Semester resultiere allein daraus. Das Studium des Grundlagenfaches Nachrichtentechnische Systeme im Wintersemester 2018/2019 habe das Studium nicht verzögert, weder tatsächlich noch sei dies vorgetragen worden. Es sei vielmehr vorgetragen worden, was er im Wintersemester 2018/2019 tatsächlich geleistet und absolviert habe und zwar allein deshalb, weil dies vom Beklagten vorher falsch oder jedenfalls unvollständig dargestellt worden sei - sowohl hinsichtlich der Höhe der ECTS-Punkte als auch in der Fixierung ausschließlich auf ECTS-Punkte. Dem sei klägerseits widersprochen und ausgeführt worden, dass und warum die Darstellung des Beklagten falsch oder jedenfalls unvollständig sei. Durch die erlangten 7,5 ECTS-Punkte im Nebenfach Nachrichtentechnische Systeme sei nichts verzögert worden. Diese Leistung sei von ihm im Wintersemester 2018/2019 erbracht, vom Beklagten aber nicht berücksichtigt worden, was an dessen Angabe der ECTS-Punkte deutlich werde. Die Leistung sei jedoch zu berücksichtigen. Deshalb sei sie vorgetragen worden, nicht, weil die Verzögerung des Studiums darin eine Ursache hätte. Das habe sie nicht.
30
Den mit Klageerhebung gestellten Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat die Kammer mit Beschluss vom 23. Juni 2022 abgelehnt.
31
Die Beteiligten haben jeweils auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und auf die Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht aufgrund des beiderseitigen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
33
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat die Förderungshöchstdauer überschritten und keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
34
1. Gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) wird Ausbildungsförderung für die Dauer der Ausbildung geleistet, bei Studiengängen an Hochschulen, wie vorliegend, jedoch grundsätzlich nur bis zum Ende der Förderungshöchstdauer gem. § 15a BAföG. Gem. § 15a Abs. 1 BAföG entspricht die Förderungshöchstdauer der Regelstudienzeit nach § 10 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes oder einer vergleichbaren Festsetzung. Im Masterstudiengang des Klägers beläuft sich die Regelstudienzeit nach § 37 Abs. 2 … der … vom … September 2007 (... …...) auf 4 Semester, was im Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Diese Förderungshöchstdauer hat der Kläger mit Beendigung des Wintersemesters 2019/2020 ausgeschöpft.
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2. Ein Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum 1. April 2020 bis 30. September 2020, mithin über die Förderungshöchstdauer hinaus, besteht nicht. Die Gründe, bei deren Vorliegen Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet wird, sind abschließend in § 15 Abs. 3 BAföG geregelt (vgl. Winkler in Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 65. Edition Stand 1.6.2022, § 15 BAföG Rn. 16). Ein solcher Grund nach § 15 Abs. 3 BAföG liegt hier nicht vor.
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a) § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG ist vorliegend nicht einschlägig. Gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG wird über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie infolge der in häuslicher Umgebung erfolgenden Pflege eines oder einer pflegebedürftigen nahen Angehörigen im Sinne des § 7 Abs. 3 des Pflegezeitgesetzes, der oder die nach den §§ 14 und 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - mindestens in Pflegegrad 3 eingeordnet ist, überschritten worden ist. Aus dem Wortlaut „eingeordnet“ folgt, dass dieser Pflegegrad festgestellt sein muss. Das bloße Vorliegen der Voraussetzungen dieses Pflegegrades genügt nicht (vgl. hierzu im Ganzen Winkler in Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 65. Edition Stand 1.6.2022, § 15 BAföG Rn. 21a).
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Die Pflege des Stiefvaters, eines nahen Angehörigen des Klägers i.S.v. § 7 Abs. 3 PflegeZG, erfolgte vorliegend in häuslicher Umgebung. Pflegegrad 3 war ausweislich des eingereichten sozialmedizinischen Gutachtens vom .... Juni 2018 seit dem .... März 2018 festgestellt, Pflegegrad 4 ausweislich des sozialmedizinischen Gutachtens vom … September 2018 ab dem .... August 2018. Sein Masterstudium der … begann der Kläger im Sommersemester 2018, also mit dem 1. April 2018.
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Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG wird Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus jedoch nur geleistet, wenn die Förderungshöchstdauer „infolge“ der Pflege überschritten wurde. Die Regelung des § 15 Abs. 3 BAföG zählt zwar typische Fallgestaltungen auf, bei denen der Auszubildende an einer ordnungsgemäßen und ungestörten Durchführung der Ausbildung gehindert ist. Dabei können jedoch nur solche Umstände berücksichtigt werden, die - alternativ oder kumulativ - für die Verlängerung der Ausbildung und die daraus folgende Überschreitung in dem Sinne kausal sind, dass der Auszubildende den Zeitverlust nicht mit zumutbaren Mitteln und Anstrengungen aufholen konnte bzw. kann (vgl. hierzu im Ganzen Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, Stand September 2016, § 15 Rn. 13). Der Grund nach § 15 Abs. 3 BAföG muss eine nicht unerhebliche Ausbildungsverzögerung verursacht haben, wobei es dem Auszubildenden insbesondere obliegt, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der versäumte Stoff nicht aufgeholt werden konnte (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2021 - 12 ZB 20.2821 - BeckRS 2021, 2706 m.w.N.). Aus § 15 Abs. 3 BAföG ergibt sich keine widerlegliche Vermutung der Kausalität (vgl. VG Saarland, U.v. 26.1.2021 - 3 K 620/19 - juris Rn. 54). Vielmehr trägt der Auszubildende die Feststellungslast hinsichtlich der Ursächlichkeit der von ihm geltend gemachten Verlängerungsgründe für den Ausbildungsrückstand, sodass Ungewissheiten und Unklarheiten bei der Feststellung der Ursächlichkeit zum Nachteil des Auszubildenden gehen, sofern sie in seinen Verantwortungs- und Verfügungsbereich fallen (Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, Stand September 2016, § 15 Rn. 13; BVerwG, U.v. 13.10.1988 - 5 C 35/85 - juris Rn. 15). Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Umstand für ein bestimmtes Ereignis ursächlich bzw. kausal, wenn der Umstand nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Ereignis entfällt. Entsprechend dürfte es hier, die Pflege durch den Kläger im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG hinweggedacht, zu keiner Überschreitung der Förderungshöchstdauer gekommen sein (so für §15 Abs. 3 Nr. 4 BVerwG, U.v. 13.10.1988 - 5 C 35/85 - NVwZ 1989, 370, 372). Anders ausgedrückt muss die Überschreitung der Förderungshöchstdauer ausschließlich auf Gründen i.S.v. § 15 Abs. 3 BAföG beruhen (so ausdrücklich OVG Bremen, B.v. 23.8.2019 - 1 PA 161/19 - BeckRS 2019, 19594 Rn.11, 15; VG Bremen, U.v. 17.2.2021 - 7 K 1160/19 - juris Rn. 11, 15; VG Hamburg, U.v. 4.2.2014 - 2 K 3204/12 - BeckRS 2014, 48278; vgl. auch OVG Lüneburg, U.v. 26.11.2018 - 4 LB 404/17). Dagegen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sinngemäß ausgeführt, eingetretene Studienverzögerungen müssten allein oder jedenfalls weitaus überwiegend auf dem Grund nach § 15 Abs. 3 BAföG beruhen (B.v. 17.6.2013 - 12 CE 13.999 - juris Rn. 25).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe fehlt es hier an der erforderlichen Kausalität, unabhängig davon, ob diese im Sinne von Alleinursächlichkeit verstanden wird oder aber eine weitaus überwiegende Verursachung ausreicht. Darüber hinaus ist auch nicht hinreichend dargelegt, warum versäumter Stoff nicht hat aufgeholt werden können.
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Bereits mit Blick auf den zeitlichen Umfang der klägerischen Pflegetätigkeit kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass diese allein oder weitaus überwiegend die eingetretene Studienverzögerung verursacht hat. So hat der Kläger für die Vorlesungszeit des Sommersemesters 2018 eine zeitliche Beanspruchung donnerstags von 16:30 Uhr bis 21:30 Uhr und samstags von 9:00 bis 15:00 Uhr geltend gemacht. Dass der Kläger hierdurch Lehrveranstaltungen oder Prüfungen versäumt hätte, ist nicht geltend gemacht. Insoweit kämen im Übrigen allenfalls Lehrveranstaltungen am späteren Nachmittag des Donnerstags in Betracht. In der vorlesungsfreien Zeit des Sommersemesters 2018 gibt der Kläger eine zeitliche Inanspruchnahme dienstags von 9:00 Uhr bis 14:00 Uhr, donnerstags von 15:00 Uhr bis 19:00 Uhr und samstags von 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr an, mithin in etwa drei „halbe Tage“ in der Woche. Auch insoweit ist nicht geltend gemacht, dass die Pflegetätigkeit zeitlich mit Prüfungen kollidiert wäre. Dass die dargestellte Pflegetätigkeit während bzw. außerhalb der Vorlesungszeit grundsätzlich mit dem Masterstudium des Klägers - noch dazu in den Anfangssemestern - unvereinbar wäre, ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als der Kläger auf Grundlage seines Vortrags mit vergleichsweise feststehenden Zeiten der Pflegetätigkeit planen konnte, während das Eigenstudium bzw. das Nachbereiten von Lehrveranstaltungen grundsätzlich zeitlich flexibel möglich ist. Auch soweit davon ausgegangen wird, dass der Kläger seine Pflegetätigkeit im Wintersemester 2018/2019 zeitlich wie zuletzt in der vorlesungsfreien Zeit des Sommersemesters fortgesetzt hat, ist zu berücksichtigen, dass dies einen vergleichbar kurzen Zeitraum in der Anfangszeit des Semesters betrifft. So beginnt der Vorlesungsbetrieb im Wintersemester gewöhnlich Mitte Oktober, wobei der Stiefvater des Klägers am 24. Oktober 2018 in das Krankenhaus eingeliefert werden musste. Auch unter Berücksichtigung etwaiger Erholungszeiten von der Pflege kann mit Blick auf den zeitlichen Umfang daher nicht von einer überwiegenden Kausalität ausgegangen werden. Im Übrigen hat der Kläger etwas anderes nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht, auch nicht, nachdem der bei summarischer Prüfung insoweit inhaltsgleiche, ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss ergangen war.
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Die Kammer verkennt nicht, dass die anerkennenswerte pflegerische Tätigkeit naher Angehöriger emotionale Belastung verursacht. Auch der Vortrag des Klägers, die Einlieferung seines Stiefvaters in das Krankenhaus und dessen Tod Ende ... 2018 seien nicht das plötzliche Ende der Belastungen gewesen, ist zwar gänzlich nachvollziehbar. Im vorliegenden Zusammenhang ist aber gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG zu fragen, wie sich die Pflege auf das Studium des Klägers ausgewirkt haben kann, nicht welche Folgen der Tod seines Stiefvaters für sein Studium gehabt hat. Hierauf wird indes noch mit Blick auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG einzugehen sein.
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Aufgrund der dargestellten zeitlichen Inanspruchnahme des Klägers durch die Pflege seines Stiefvaters ist nicht hinreichend dargelegt, warum der Kläger im Sommersemester 2018 lediglich 10 von den an sich geforderten 30 ECTS-Punkten (vgl. Anlage 2a …...) erzielen konnte, mithin lediglich ein Drittel der geforderten Punkte. Insbesondere ist nicht hinreichend dargelegt, warum der Kläger während der Vorlesungszeit etwaige Fehlzeiten am späten Donnerstagnachmittag nicht durch Eigenstudium hat ausgleichen können. Auch ist nicht dargelegt, warum der Kläger in der anschließenden vorlesungsfreien Zeit zumindest mit Blick auf vier gänzlich ohne Pflegetätigkeit verbleibende Tage den versäumten Stoff nicht hat nachbereiten können, um sodann im Wintersemester 2018/2019 die entsprechenden Prüfungen abzulegen und ECTS-Punkte zu erwerben. Dass dies nicht (erfolgreich) geschehen ist, ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger auch im Wintersemester 2018/2019 lediglich 17,5 ECTS-Punkte erzielt hat.
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Bezogen auf das Wintersemester 2018/2019 wird aus dem klägerischen Vortrag nicht hinreichend deutlich, warum die Inanspruchnahme durch die Pflegetätigkeit an wöchentlich vier halben Tagen über einen Zeitraum in der Größenordnung von zehn Tagen vom Beginn der Vorlesungszeit bis zur Einlieferung des Stiefvaters in das Krankenhaus allein oder weitaus überwiegend dazu geführt haben soll, dass für das Wintersemester 2018/2019 lediglich 17,5 ECTS-Punkte ausgewiesen sind, zumal ausweislich der Leistungsübersicht vom 4. Mai 2020 (Bl. 60 ff. der Behördenakte) 7,5 von den genannten ECTS-Punkten nicht auf Leistungen beruhen, die der Kläger im Wintersemester 2018/2019 erbracht hat, sondern auf Leistungen aus seinem vorangegangen Bachelorstudium, die nunmehr (in Höhe von 7,5 ECTS-Punkten) anerkannt bzw. angerechnet wurden. Festzuhalten ist auch, dass unter den Leistungen des Semesters auch schon Leistungspunkte aus der Prüfung „Passive Bauelemente und deren HF-Verhalten“ verbucht sind, die dem Kläger im Rahmen der Zulassung zum Masterstudiengang auferlegt wurde. Als solche war diese Prüfung lediglich Zulassungsvoraussetzung für den Studiengang und zählt nicht in die für den Masterstudiengang maßgebliche Gesamtpunktzahl von 120 ECTS-Punkten. Die nach dem Vortrag des Klägers für das Fach „Nachrichtentechnische Systeme“ erbrachten 7,5 ECTS-Punkte können keine Berücksichtigung finden. Denn hierbei handelt es sich um ein Fach, das der Kläger auf Grund seines Hochschulwechsels zusätzlich besucht hatte, um fehlende Vorkenntnisse auszugleichen. Als solches kann dieses Fach jedoch nicht zu den für den Masterabschluss ausschlaggebenden 30 ECTS pro Semester hinzugezählt werden, da fehlende Vorkenntnisse für das Studium grundsätzlich nicht die Anerkennung eines schwerwiegenden Grunds i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG rechtfertigen (Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, Stand September 2016, § 15 Rn. 20.6).
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Allein im Sommersemester 2019 hat der Kläger die jeweils geforderten 30 ECTS-Punkte mit tatsächlich erzielten 35 ECTS-Punkten übertroffen und damit einen - wenn auch geringen - Teil des bis dahin aufgelaufenen Rückstands von insgesamt 32,5 ECTS-Punkten aufgeholt.
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Auch soweit mit dem - in Streit stehenden - Vortrag des Klägers davon ausgegangen wird, dass dieser im Wintersemester 2019/2020 22,5 ECTS-Punkte erzielt hat, sind jedenfalls auch hier nicht die pro Semester vorgesehenen 30 ECTS-Punkte erbracht. Im Wintersemester 2019/2020 ist mithin eine Verzögerung eingetreten, die schon zeitlich betrachtet nicht kausal auf der Pflege eines nahen Angehörigen beruht. Dieser Umstand spricht über eine isolierte Betrachtung des 4. Fachsemesters hinaus auch dafür, dass auch die übrigen Verzögerungen nicht allein oder weitaus überwiegend auf der Pflegetätigkeit des Klägers beruhen.
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Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass jegliche Verzögerungen daher rührten, dass er die versäumten Prüfungen nachholen und auch den Stoff für die aktuellen Prüfungen habe lernen müssen. Da der Kläger im Wintersemester 2019/2020 auch nicht die nach regulärem Studienverlauf, d.h. ohne einen etwaigen Nachholbedarf, vorgesehenen 30 ECTS-Punkte erbringen konnte, kann nicht von einer Kausalität etwaiger früherer Versäumnisse ausgegangen werden, zumal es dem Kläger grundsätzlich oblag, versäumten Stoff aufzuholen.
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Auch mit seinem Einwand, das Forschungspraktikum während der Prüfungszeit zu absolvieren erscheine nicht zielführend, dringt der Kläger nicht durch. Denn auch die … sieht im Rahmen der Workloadverteilung auf einzelne Semester in Anlage 2a für das Forschungspraktikum kein eigenes Semester, sondern die Absolvierung parallel zu anderen Veranstaltungen bzw. Prüfungen im Wert von 20 ECTS-Punkten vor.
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Nach alldem ist auch nicht dargelegt, warum es dem Kläger im Wintersemester 2019/2020 nicht möglich war, die eingetretene Studienverzögerung - zumindest teilweise - zu kompensieren.
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b) Auch andere Gründe, wie etwa die Belastung aufgrund des Tods des Stiefvaters nach langer Pflege oder aber die Coronapandemie rechtfertigen vorliegend keine Förderung des Klägers über die Förderungshöchstdauer hinaus, auch nicht in Verbindung mit der Pflegetätigkeit des Klägers.
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Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG wird über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie aus schwerwiegenden Gründen überschritten worden ist. Die Norm enthält einen Auffangtatbestand für Fälle einer unzumutbaren Härte, die nicht unter die weiteren Nummern des §15 Abs. 3 BAföG fallen (Winkler in Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 65. Edition Stand 1.6.2022, §15 BAföG Rn. 17). Um einen schwerwiegenden Grund handelt es sich, wenn Tatsachen vorliegen, die für die Verzögerung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer von erheblicher Bedeutung sind und die Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus unter Beachtung ihres Zwecks rechtfertigen...(BVerwG, U.v. 16.8.1995 - 11 C 31/94 - juris Rn. 17). Dabei können nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die für die Verzögerung von erheblicher Bedeutung sind, weil sie es dem Auszubildenden unmöglich oder unzumutbar machen, die Verzögerung zu verhindern (BVerwG, U.v. 28.6.1995 - 11 C 25/94 - juris Rn. 15). Der schwerwiegende Grund muss ausbildungsbezogen sein, d.h. subjektiv die Fähigkeit des Auszubildenden, die Ausbildung planmäßig durchzuführen, oder objektiv die äußeren Umstände des Ausbildungsganges betreffen (BVerwG, U.v. 22.10.1981 - 5 C 113/79 - juris Rn. 18).
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Danach fehlt es hier an hinreichendem Vortrag, auf welche Weise die erwähnten emotionalen Belastungen und/oder der Tod seines Stiefvaters den Kläger nach Beendigung der Pflegetätigkeit gehindert haben, die geforderten ECTS-Punkte zu erzielen bzw. Studienrückstände aufzuholen. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die nachvollziehbaren emotionalen Belastungen Krankheitswert erreicht hätten. Darüber hinaus spricht gegen die Annahme, dass solche Belastungen allein oder weitaus überwiegend Studienverzögerungen verursacht haben, dass der Kläger nach dem Tod seines Stiefvaters in der Lage war, im Sommersemester 2019 35 ECTS-Punkte zu erzielen, sodann aber im Folgesemester wiederum allenfalls 22,5 ECTS-Punkte erzielte. So ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum im Folgesemester lediglich maximal 22,5 ECTS-Punkte erbracht werden konnten, obwohl dieses Semester zeitlich von der Belastungssituation des Klägers weiter entfernt liegt.
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Auch mit seinem Einwand, ihm sei das Modul „Passive Bauelemente und deren HF-Verhalten“ im Rahmen der Studienzulassung zusätzlich auferlegt worden, dringt der Kläger nicht durch. Denn zur Einschätzung der Studienbelastung des Klägers müssen neben Erschwernissen in Gestalt zusätzlich auferlegter Studienleistungen umgekehrt auch Erleichterungen aufgrund Anerkennung von Leistungen aus dem vorangegangenen Bachelorstudium berücksichtigt werden. Ein entsprechend Bilanz ergibt dabei insgesamt eine mit 2,5 ECTS-Punkten zu beziffernde Studienerleichterung. So ist das zusätzlich auferlegte Modul „Passive Bauelemente und deren HF-Verhalten“ mit 5 ECTS-Punkten bewertet, während dem Kläger aus seinem vorangegangenen Bachelorstudium insgesamt mit 7,5 Punkten bewertete Leistungen anerkannt wurden.
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Dass der Kläger im Wintersemester 2018/2019 das Grundlagenfach „Nachrichtentechnische Systeme“ mit 7,5 ECTS-Punkten parallel zu anderen Vorlesungen besuchen musste, sieht der Kläger selbst als nicht kausal für die Verzögerung an. Im Übrigen ist bereits ausgeführt, dass fehlende Vorkenntnisse für das Studium grundsätzlich auch nicht die Anerkennung eines schwerwiegenden Grundes i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG rechtfertigen (Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, Stand September 2016, § 15 Rn. 20.6).
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Zwar fallen auch Verzögerungen auf Grund der Coronapandemie als Studienverzögerungen aus schwerwiegenden Gründen unter § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG (Winkler, NZS 2020, 339/340). Derartige Verzögerungen sind aber weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich. Das ausstehende Forschungspraktikum ist für das 3. Fachsemester vorgesehen, also im Studienablauf des Klägers im Sommersemester 2019. Zu dieser Zeit, wie auch ganz überwiegend im nachfolgenden Wintersemester, bestanden (noch) keine Einschränkungen mit Blick auf die Coronapandemie, die erst im März 2020 mit ersten erheblichen Einschränkungen insbesondere für den Universitäts- bzw. Ausbildungsbetrieb verbunden war. Außerdem hat der Kläger im Klageverfahren stets - wie hier auch unterstellt - vorgetragen, im Wintersemester 2019/2020 22,5 ECTS-Punkte erzielt zu haben. Zuletzt hat er vorgebracht, diese Leistungen ergäben sich aus den Prüfungen bzw. Modulen Entwurf integrierter Schaltungen, Elektronik programmierbarer Digitalsysteme, „Modulierung und Simulation von …“ und Kommunikation in Wissenschaft und Technik sowie aus dem Fotokurs. Dieses Vorbringen ist insoweit schlüssig, als sich aus der Leistungsübersicht vom 4. Mai 2020 sowie aus der Bescheinigung der … vom 14. April 2020 über angemeldete Prüfungen (Bl. 57 der Behördenakte) ergibt, dass entsprechende Leistungen in den genannten Lehrveranstaltungen tatsächlich 22,5 ECTS-Punkte ergeben. Aus diesem Vortrag des Klägers über erfolgreiche Leistungen in den genannten Veranstaltungen folgt aber auch, dass der Kläger auch im Wintersemester 2019/2020 alle Lehrveranstaltungen, Module bzw. Prüfung so besuchen bzw. ablegen konnte, wie beabsichtigt. Zum einen wären sonst mit dem Vortrag des Klägers nicht 22,5 ECTS-Punkte zu erzielen gewesen. Zum anderen gehen weder aus der Leistungsübersicht vom 4. Mai 2020 noch aus der Bescheinigung der … vom 14. April 2020 weitere Lehrveranstaltungen hervor, die über die genannten hinausgingen. Zwar hat der Kläger zunächst mit Einreichung der Übersicht über angemeldete Prüfungen vorgetragen, dass die Prüfung „Modellierung und Simulation von Schaltungen und Systemen“ auf Grund der Coronapandemie abgesagt worden sei. Im Schriftsatz vom 19. April 2021 ist jedoch davon die Rede, dass die Klausur „Modulierung und Simulation von …“ im Wintersemester 2019/2020 bestanden worden sei, wobei mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass es sich hierbei um dieselbe Prüfung handelt. Auch unter Berücksichtigung der für dieses Fach angefallenen ECTS-Punkte verbleibt es jedoch bei allenfalls 22,5 Punkten und, wie oben ausgeführt, bei einer Verzögerung im Wintersemester 2019/2020.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach §188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO gerichtskostenfrei. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 ZPO.