Titel:
Terminsgebühr auch für Besprechung über Art und Weise der formellen Beendigung des Rechtsstreits
Normenketten:
VwGO § 150, § 165
RVG § 2 Abs. 2 S. 1
RVGVV Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2, Nr. 3104
Leitsätze:
Eine Terminsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG) kann auch dann entstehen, wenn die Rechtsanwälte außergerichtlich die Art der prozessualen Beendigung eines Klageverfahrens besprechen, nachdem sich die Beteiligten ohne anwaltliche Mitwirkung „materiell“ geeinigt haben. (Rn. 8 – 10)
Eine Besprechung setzt nur die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Dass sie darüber hinaus kausal für die Erledigung des gerichtlichen Verfahrens geworden ist, ist nicht erforderlich. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenfestsetzung, Terminsgebühr nach Erledigung, Außergerichtliche Besprechung, Gespräch über Beendigung des Verfahrens, Anwaltsvergütung, Terminsgebühr, außergerichtliche Besprechung, Einigung, anwaltliche Mitwirkung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 19.07.2022 – Au 2 M 22.1351
Fundstellen:
BayVBl 2023, 136
JurBüro 2022, 637
NVwZ-RR 2023, 119
LSK 2022, 29823
NJW 2023, 238
BeckRS 2022, 29823
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Juli 2022 - Au 2 M 22.1351 - aufgehoben.
Tatbestand
Die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. Mai 2022 - Au 2 K 21.1671 - wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
1
Die Beteiligten streiten über das Entstehen einer Terminsgebühr in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren.
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In dem zugrundeliegenden Klageverfahren beim Verwaltungsgericht (Au 2 K 21.1671) hatte sich die Klägerin gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten gewendet. Die Beteiligten einigten sich außergerichtlich ohne Mitwirkung ihrer Prozessbevollmächtigten. Letztere besprachen anschließend in zwei Telefonaten, auf welche Weise und mit welcher Kostenfolge das gerichtliche Verfahren beendet werden soll. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gab gegenüber dem Verwaltungsgericht zunächst mit Schriftsatz vom 10. März 2022 eine Erledigungserklärung ab, nahm dann aber unter dem 1. April 2022 die Klage zurück. Das Verwaltungsgericht stellte daraufhin mit Beschluss vom 12. April 2022 das Verfahren ein und legte die Kosten des Verfahrens der Klägerin auf.
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Die Urkundsbeamtin setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. Mai 2022 den Betrag der dem Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten auf 4.388,13 € fest. Dabei berücksichtigte sie antragsgemäß eine 1,2-fache Terminsgebühr nach §2 Abs. 2 RVG, Nr. 3104 VV-RVG in Höhe von 2.094,88 € als erstattungsfähig.
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Der auf den Ansatz der Terminsgebühr beschränkten Erinnerung der Klägerin gab das Verwaltungsgericht statt und änderte mit Beschluss vom 19. Juli 2022 - Au 2 M 22.1351 - den Kostenfestsetzungsbeschluss dahingehend, dass der Betrag der zu erstattenden Aufwendungen auf insgesamt 2.293,25 € festgesetzt wird. Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden, weil die Prozessbevollmächtigte des Beklagten nur noch an der formellen Beendigung des gerichtlichen Verfahrens mitgewirkt habe, nachdem sich die Beteiligten bereits ohne ihre Bevollmächtigten außergerichtlich geeinigt hätten.
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Der Beklagte hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Er beantragt sinngemäß, die Erinnerung der Klägerin unter Abänderung des Beschlusses vom 19. Juli 2022 zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §150 VwGO der Senat entscheidet (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 10 C 15.474 und 477 - NVwZ-RR 2017, 83 Rn. 13), ist begründet.
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Im zugrunde liegenden Klageverfahren ist auf Seiten des Beklagten entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG entstanden, die von der Urkundsbeamtin zurecht in der geltend gemachten Höhe als erstattungsfähig festgesetzt wurde (vgl. §162 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Daher ist die Kostenerinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss unter Aufhebung der angegriffenen Entscheidung zurückzuweisen.
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Ein Rechtsanwalt verdient die Terminsgebühr Nr. 3104 -unter anderem - gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV-RVG für die Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. An das Merkmal einer Besprechung stellt das Gesetz keine besonderen Anforderungen. Sie kann auch telefonisch stattfinden. Eine Besprechung setzt nur die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten (BVerwG, B.v. 3.9.2018 - 3 KSt 1.18 - juris Rn. 6 m.w.N.). Dass sie darüber hinaus kausal für die Erledigung des gerichtlichen Verfahrens geworden ist, ist nicht erforderlich. Denn nach dem Gesetzeszweck soll die Gebühr schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen (BT-Drs. 15/1971 S. 209).
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Eine solche -auf den Abschluss des Klageverfahrens gerichtete - Besprechung hat zwischen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und des Beklagten stattgefunden. Nach ihrem übereinstimmenden Vortrag haben sie telefonisch die Art der Verfahrensbeendigung sowie die damit verbundenen Kostenfolgen besprochen. Das lässt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bereits eine Terminsgebühr entstehen, auch wenn sich die Beteiligten bereits zuvor ohne Mitwirkung ihrer Prozessbevollmächtigten außergerichtlich auf eine einvernehmliche Lösung verständigt hatten. Zwar kann eine „Besprechung, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet ist“ (Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG) nicht mehr stattfinden, wenn die Erledigung bereits eingetreten ist (vgl. BGH, B.v. 9.5.2017 - VIII ZB 55/16 - NJW-RR 2017, 1148); deshalb entsteht keine Terminsgebühr, wenn die Prozessbevollmächtigten lediglich die ohne ihre Mitwirkung erfolgte Erledigung erörtern. Das war jedoch nicht der Fall.
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Denn die außergerichtliche Einigung der Klageparteien hatte den Rechtsstreit um den Erschließungsbeitrag „nur“ materiell gelöst, nicht aber prozessual beendet. Über die Art der prozessualen Erledigung und die Kostenfolge -sei es durch übereinstimmende Erledigungserklärungen mit einer gerichtlichen Entscheidung über die Kosten nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO), sei es durch Klagerücknahme (§ 92 VwGO) mit der zwingenden Kostenfolge des §155 Abs. 2 VwGO - war hingegen keine, jedenfalls keine abschließende Einigung der Beteiligten erzielt worden. Auch die prozessuale Verfahrensbeendigung kann Gegenstand eines Erledigungsgesprächs sein, das eine -vom Gesetzgeber bewusst weit gefasste - Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG auslöst (VG Cottbus, B.v. 20.2.2019 - 5 KE 6/19 - juris m.W.N.; a.A. etwa OVG Saarl, B.v. 15.10.2013 - NVwZ-RR 2014, 205; allgemein zur Entstehung der Terminsgebühr nach erledigendem Ereignis Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, VV Vorbemerkung 3 Rn. 170 ff.). Um sie ging es in beiden Telefonaten, die von den Prozessbevollmächtigten zur noch offenen prozessualen Umsetzung der „materiellen“ Einigung geführt wurden. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der Kostenerinnerung vorgetragen, beim zweiten Telefonat („3. KW 2022“) habe die Prozessbevollmächtigte der Beklagten einer Verfahrensbeendigung durch Erledigungserklärungen mit der Begründung widersprochen, im Rahmen der Einigung sei eine Klagerücknahme vereinbart worden. Die Besprechungen beschränkten sich gleichwohl nicht auf die bloße Mitteilung vom Inhalt einer bereits zuvor von den Beteiligten erzielten Einigung. Das ergibt sich schon daraus, dass die Art der Verfahrensbeendigung auch nach diesem Telefonat strittig blieb und der Prozessbevollmächtigte der Kläger gleichwohl gegenüber dem Verwaltungsgericht zunächst mit Schriftsatz vom 10. März 2022 „das Verfahren … namens und im Auftrag der Klägerin für erledigt“ erklärt und erst unter dem 1. April 2022 die Klage zurückgenommen hat.
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Es besteht kein Grund, die demnach entstandene Terminsgebühr nach einem reduzierten Gegenstandswert zu bemessen, der sich auf die bis dahin entstandenen Kosten beschränkt. Denn Gegenstand der Erledigungsbesprechung war zuvorderst die Frage der prozessualen Verfahrensbeendigung, die aber das gesamte -nach wie vor anhängige - Klageverfahren betraf und deshalb mit dessen Wert angemessen abgebildet wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es angesichts der in Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu §3 Abs. 2 GKG) geregelten Festgebühr nicht.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).