Titel:
Kein Familienzuschlag bei eigenem Hausstand des Kindes
Normenketten:
BayBesG Art. 36 Abs. 2 S. 1 (idF bis 31.03.2023)
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz:
Gründet das Kind einen eigenen Hausstand gründet und löst sich dadurch aus dem engen wirtschaftlichen und sozialen Verband „Elternhaus“, kann ein fortbestehendes „Aufgenommensein“ in die Wohnung des Beamten nicht mehr angenommen werden, auch wenn die Alimentierung des Kindes durch den Beamten fortgesetzt wird. (Rn. 3 – 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Familienzuschlag der Stufe 1, Nicht nur vorübergehende Aufnahme in die Wohnung des Beamten, Familienzuschlag, Stufe 1, Kind, nicht nur vorübergehende Aufnahme, Wohnung, eigener Hausstand, Alimentierung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 23.02.2022 – AN 1 K 21.549
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29821
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 1.697,47 € festgesetzt.
Gründe
1
Der auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
3
In der Sache geht es um die Frage, ob die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis 31. August 2021 einen Anspruch auf Familienzuschlag der Stufe 1 gemäß Art. 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Alt. 1 BayBesG hat. Diese Bestimmung setzt voraus, dass der Beamte ein Kind, für das ihm Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz zusteht, „nicht nur vorübergehend“ in seine Wohnung aufgenommen hat. Das Verwaltungsgericht hat das letztere Tatbestandsmerkmal verneint. Es ist in Übereinstimmung mit der Kommentarliteratur (Möller in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2022, Art. 36 BayBesG Rn. 71) davon ausgegangen, dass die häusliche Verbindung aufgehoben ist, wenn das Kind einen eigenen Hausstand gegründet und sich dadurch aus dem engen wirtschaftlichen und sozialen Verband „Elternhaus“ gelöst hat. Für eine offenkundige Lösung der Tochter vom elterlichen Hausstand spreche, dass die Tochter zum 31. August 2019 mit ihrem Lebensgefährten zusammengezogen sei und den neuen Wohnsitz als Hauptwohnsitz gemeldet habe. Da sie zum damaligen Zeitpunkt schwanger gewesen sei, sei davon auszugehen, dass Hauptmotiv für die eigene Wohnungsnahme die Gründung einer Familie mit eigenem Hausstand gewesen sei und nicht das im Herbstsemester 2019 aufgenommene Fernstudium an der University of the Cumberlands. Zum 28. Juni 2020 seien die Tochter, der Lebensgefährte und das zwischenzeitlich geborene Kind umgezogen, wobei auch diese Wohnung als Hauptwohnsitz angemeldet worden sei. Zudem habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass ihre Tochter eigenen Wohnraum und „von Mama weggewollt“ habe. Da die Tochter auch nach der Trennung von ihrem Lebenspartner und dessen Auszug im März 2021 in der Wohnung geblieben sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Tochter der Klägerin dort ihren Lebensmittelpunkt gesehen habe und diesen auch weiterhin aufrechterhalten wolle. Dem stehe nicht entgegen, dass sich die Tochter gelegentlich auch bei der Klägerin in deren Haus aufgehalten und dieses am 6. August 2021 als Nebenwohnung gemeldet habe. Bei den Aufenthalten habe es sich lediglich um Besuche gehandelt. Zu Übernachtungen der Tochter sei es nur gekommen, wenn die Enkeltochter der Klägerin bei ihr zuhause eingeschlafen sei. Derartige kurzzeitige Kontakte erfüllten jedoch nicht das Tatbestandsmerkmal der nicht nur vorübergehenden Aufnahme in die Wohnung. Auch der Umstand, dass die Klägerin ihre Tochter finanziell unterstützt habe, rechtfertige keine andere Beurteilung, da Tatsachen vorlägen, die die Lösung vom elterlichen Hausstand offenkundig machten.
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Ungeachtet dessen, dass die Antragsbegründung im Wesentlichen das Vorbringen der Klägerin wiederholt, ohne sich mit den entscheidungstragenden Begründungselementen des angegriffenen Urteils auseinanderzusetzen, vermag sie keine ernstlichen Zweifel darzulegen. Der Einwand, dass das gemeinsame Wohnen lediglich dazu dienen sollte, den Lebensgefährten „auf die Spur“ zubringen, beschreibt eine innere Motivlage, verhält sich aber nicht zur Tatsache, dass tatsächlich ein eigener Hausstand gegründet und verfestigt worden ist. Auf die Frage einer etwaigen wirtschaftlichen Abhängigkeit kommt es nicht mehr an, wenn - wie hier - mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen ist, dass das Kind einen eigenen Hausstand als neuen Lebensmittelpunkt begründen wollte und auch tatsächlich begründet hat (Möller in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, a.a.O.). Ein fortbestehendes „Aufgenommensein“ in die Wohnung des Beamten kann in diesem Fall nicht mehr angenommen werden, auch wenn die Alimentierung des Kindes durch den Beamten, die ggf. auch der Finanzierung des eigenen Hausstandes dient, fortgesetzt wird. Soweit die Klägerin nunmehr behauptet, Übernachtungen ihrer Tochter hätten regelmäßig stattgefunden, setzt sich sie zu ihrem eigenen Vortrag in Widerspruch, wonach ihre Tochter nur übernachtete, wenn ihr Kind schon schlief (vgl. Rückseite von Bl. 20 der Behördenakte). Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, worin der Unterschied zwischen einem „herkömmlichen“ Studenten mit einer auswärtigen Studentenwohnung und dem vorliegenden Fall bestehe, setzt sich nicht mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach Hauptmotiv der Wohnsitznahme die Gründung einer Familie mit eigenen Hausstand war. Im Übrigen ist es nicht ersichtlich, warum die Tochter für ein Fernstudium ausziehen müsste. Für das Tatbestandsmerkmal der nicht nur vorübergehenden Aufnahme ist die räumliche Entfernung zur Wohnung des Beamten (hier 12 km) ohne Belang, solange - wie hier - Tatsachen vorliegen, die die Lösung vom elterlichen Hausstand offenkundig machen.
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2. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG (wie Vorinstanz).
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3. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).