Inhalt

VGH München, Beschluss v. 17.10.2022 – 22 ZB 22.856
Titel:

Erweiterte Gewerbeuntersagung

Normenkette:
GewO § 35 Abs. 1
Leitsätze:
1. Unzuverlässig iSd § 35 Abs. 1 GewO ist derjenige Gewerbetreibende, der im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also des Bescheiderlasses, nach dem Gesamteindruck seines Verhaltes nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt und dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit u.a. bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung bestehen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nicht das Strafurteil, sondern das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zur Verurteilung geführt hat, kann die Gewerbeuntersagung erfordern. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein kurzfristiges Wohlverhalten kann eine über lange Zeit zu Tage getretene Unzuverlässigkeit nicht ohne Weiteres ausräumen, insbesondere dann, wenn dieses Wohlverhalten nicht Ergebnis eines inneren Reifeprozesses des Gewerbetreibenden ist; je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten andauerte, desto mehr müssen sich auch die für den Gewerbetreibenden sprechenden Tatsachen auf einen längeren Zeitraum erstrecken – sie müssen sozusagen nachhaltig sein –, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4. Tatsachen, die die gewerbliche Unzuverlässigkeit begründen, brauchen nicht bei Ausübung des verfahrensgegenständlichen Gewerbes eingetreten zu sein; es kommt vielmehr darauf an, ob sich die betreffenden Tatsachen auf die ordnungsgemäße Führung des in Rede stehenden Gewerbes auswirken. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erweiterte Gewerbeuntersagung, gewerbebezogene Straftaten (Steuerhinterziehung), Strafurteil, gewerbebezogen, maßgeblicher Zeitpunkt, Prognose, Steuerhinterziehung, Unzuverlässigkeit, Wohlverhalten
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 08.10.2021 – M 16 K 20.2516
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29810

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter, welches auf die Aufhebung der von der Beklagten mit Bescheid vom 14. Mai 2020 auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewO verfügten erweiterten Gewerbeuntersagung zielte.
2
Mit diesem Bescheid hatte die Beklagte dem Kläger - als Inhaber der Firma R O e.K. - die Ausübung seines Gewerbes sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragten Person sowie die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt, den Kläger zur Einstellung seiner Tätigkeit aufgefordert und ihm für den Fall, dass er dieser Verpflichtung nicht nachkomme, die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht. Der Kläger sei unzuverlässig i.S.d. § 35 Abs. 1 GewO. Er sei mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts München vom 20. November 2018 wegen Steuerhinterziehung in 19 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Ferner sei gegen ihn eine Geldstrafe von 680 Tagessätzen verhängt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 124.907,76 Euro angeordnet worden. Gegen die R G GmbH, deren einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Kläger gewesen sei, sei die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 478.623,97 Euro angeordnet worden. Als Geschäftsführer habe der Kläger in Steuererklärungen Einnahmen bzw. Umsätze verschwiegen, wodurch es, wie vom Kläger beabsichtigt, zu Steuerverkürzungen (Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer) zu Gunsten der R G GmbH gekommen sei. Zudem habe er in Einkommensteuererklärungen Einkünfte aus Kapitalvermögen (verdeckte Gewinnausschüttungen durch Entnahmen aus der R G GmbH) nicht angegeben. Insgesamt seien Steuern in Höhe von 1.470.999,71 Euro verkürzt worden.
3
Die gegen den Bescheid vom 14. Mai 2020 erhobene Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 8. Oktober 2021, dem Kläger zugestellt am 15. Februar 2022, ab.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. März 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag, beantragte die Kläger die Zulassung der Berufung. Er begründete diesen Antrag mit Schriftsätzen vom 13. April 2022, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am 19. April 2022 (Dienstag nach Ostern), und vom 3. August 2022, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend.
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Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch besondere tatsächliche und/oder Schwierigkeiten der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 - juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). Solche Zweifel ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren (Schriftsätze vom 13.4.2022 und vom 3.8.2022) nicht.
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1.1 Das Verwaltungsgericht hat die Annahme, der Kläger sei gewerberechtlich unzuverlässig (§ 35 Abs. 1 GewO), auf dessen strafrechtlich geahndetes Verhalten gestützt (Urteil des AG München vom 20.11.2018: Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in 19 tatmehrheitlichen Fällen; Einziehung von Wertersatz gegenüber dem Kläger und gegenüber der von ihm - im maßgeblichen Zeitraum - vertretenen GmbH; UA Rn. 26 ff.). Die vom Kläger begangene Straftat sei gewerbebezogen. Es reiche aus, dass sich die Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit schließen ließen, auf die ordnungsmäße Führung des in Rede stehenden Gewerbes auswirkten. Der Kläger habe sich über Jahre hinweg beachtliche wirtschaftliche Vorteile zu Lasten des Steueraufkommens und damit der Solidargemeinschaft verschafft und den eigenen finanziellen Vorteil über seine Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer Erklärungen gegenüber dem Finanzamt gestellt. Das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten sei insbesondere vor dem Hintergrund der Schadenshöhe und der wiederholten Tatbegehung innerhalb eines Zeitraums von über vier Jahren von erheblichem Unwertgehalt. Dabei werde nicht verkannt, dass der Kläger im Strafverfahren geständig gewesen sei, im Besteuerungsverfahren an der Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt und Schadenswiedergutmachung geleistet habe. Die Richtigkeit der Feststellungen im Strafurteil und der Prognose der Beklagten werde durch die Einwände des Klägers nicht in Zweifel gezogen. Insbesondere ergebe sich zu Gunsten des Klägers nichts aus seinen Ausführungen, dass der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt worden sein möge, aber Defizite im Hinblick auf den Vorsatz seiner Tat herauszuheben seien. Auch unter Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung, der aktiven Mitwirkung des Klägers im Besteuerungsverfahren und der Tatsache, dass er seither nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten und wohl auch im Hinblick auf das streitgegenständliche Einzelgewerbe seinen steuerlichen Pflichten nachgekommen sei, sei im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ein ausreichender bzw. ausreichend gefestigter innerer Einstellungswandel, der eine günstigere Prognose zuließe, noch nicht ersichtlich gewesen.
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1.2 Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe bei der Gesamtbetrachtung, die auch bei Zuverlässigkeitszweifeln aus strafrechtlichen Verurteilungen vorzunehmen sei, Gesichtspunkte unbeachtet gelassen bzw. unzureichend gewürdigt, die eine positive Zuverlässigkeitsprognose für den Kläger begründeten. Aus seinem diesbezüglichen Vortrag ergeben sich jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
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1.2.1 Der Kläger bringt vor, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass es sich um eine erstmalige strafrechtliche Verurteilung gehandelt habe und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Kläger sich die Strafe nicht zur Warnung dienen lassen würde. Beim Kläger habe das Strafverfahren nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Er habe die damaligen, auf der steuerrechtlichen Komplexität des Sachverhalts basierenden Fehler seines Verhaltens erkannt und auch Steuer- und Rechtsberater eingeschaltet, um solche Fehler künftig zu vermeiden. Der Kläger sei - vom Finanzamt bestätigt - seinen Pflichten in steuerlicher Hinsicht nachgekommen. Im Anschluss an seine Verurteilung sei er nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten.
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Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht unterstellt, dass der Kläger die Schadenswiedergutmachung nur auf äußeren Druck geleistet oder in der Hoffnung auf ein geringeres Strafmaß gehandelt habe. Vielmehr beruhe die Schadenswiedergutmachung auf persönlichem Antrieb. Der Kläger habe maßgebliche Aufklärungshilfe zu dem strafrechtlichen Sachverhalt geleistet, habe das Strafverfahren erheblich gefördert und beschleunigt sowie in Kauf genommen, dass eventuelle für ihn günstige Umstände nicht festgestellt worden seien; er habe möglicherweise eine höhere Summe an Schadenswiedergutmachung gezahlt, als tatsächlich von ihm hätte gefordert werden können. Steuerforderungen gegen die Gesellschaft habe er unter Einsatz von Privatvermögen beglichen.
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Die Würdigung aller Gesamtumstände ergebe, dass der Kläger nicht rechtsfeindlich eingestellt sei, sondern sich grundsätzlich rechtstreu verhalten wolle, auch wenn ihm das in der Vergangenheit nicht umfassend gelungen sei. Es bestehe gleichwohl die günstige Prognose, dass der Kläger seinen Fehlern nicht nochmal unterliegen werde.
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1.2.1.1 Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen (UA Rn. 23), dass unzuverlässig i.S.d. § 35 Abs. 1 GewO derjenige Gewerbetreibende ist, der im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also des Bescheiderlasses, nach dem Gesamteindruck seines Verhaltes nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt und dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit u.a. bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 14 ff.). Ferner ist es zutreffend davon ausgegangen (UA Rn. 24, Rn. 26), dass nicht das Strafurteil, sondern das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zur Verurteilung geführt hat, die Gewerbeuntersagung erfordern kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.5.1995 - 1 B 78.95 - juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 24.1.2022 - 22 ZB 21.229 - juris Rn. 15). Hierauf aufbauend hat das Verwaltungsgericht sodann (UA Rn. 27 ff., S. 9 bis 13) eine umfassende Würdigung des der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers wegen Steuerhinterziehung zugrundeliegenden Verhaltens vorgenommen.
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1.2.1.2 In diese Würdigung ist auch eingeflossen, dass der Kläger nicht vorbestraft war (vgl. UA S. 10 unten). Daher greift der Einwand des Klägers nicht durch, das Verwaltungsgericht habe den Umstand nicht berücksichtigt, dass es sich um eine erstmalige strafrechtliche Verurteilung des Klägers handele. Zudem erschließt sich nicht, weshalb fehlende frühere Vorstrafen des Klägers angesichts dessen, dass er mittlerweile über mehrere Veranlagungszeiträume sowohl zu Gunsten der R G GmbH als auch zu seinen Gunsten Steuern in immenser Höhe (insgesamt annähernd 1,5 Mio Euro) verkürzt hatte, bei Bescheiderlass entscheidend dafür hätten sprechen sollen, dass er künftig sein Gewerbe ordnungsgemäß betreiben werde.
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1.2.1.3 Soweit der Kläger weiter geltend macht, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass er sich die Strafe nicht zur Warnung dienen lassen werde, nimmt er die Voraussetzungen in Bezug, unter denen gem. § 56 Abs. 1 StGB die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Vorliegend geht es aber nicht um die Prognose betreffend die Begehung weiterer Straftaten, sondern darum, ob der Kläger sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird; dabei kommt es - wie erwähnt - nicht auf die strafrechtliche Verurteilung als solche, sondern auf das ihr zugrundeliegende Verhalten an. §56 Abs. 1 Satz 1 StGB und § 35 Abs. 1 GewO liegen daher unterschiedliche Gefahrenmaßstäbe zu Grunde (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2016 - 22 ZB 16.284 - juris Rn. 17 m.w.N.). Zwar ist eine im Rahmen des § 56 Abs. 1 StGB näher begründete Prognose des Strafrichters für Verwaltungsbehörde und Verwaltungsgericht von tatsächlichem Gewicht (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2010 - 22 ZB 10.1164 - juris Rn. 2 m.w.N.). Dass eine solche hier erstellt wurde, ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich; rechtlich bindend wäre sie auch nicht.
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1.2.1.4 Mit seinen Ausführungen zu „Fehlern“, die auf der steuerrechtlichen Komplexität des Sachverhalts beruhten, worauf er Steuer- und Rechtsberater eingeschaltet habe, um solche „Fehler“ künftig zu vermeiden, bzw. dazu, dass es ihm in der Vergangenheit nicht gelungen sei, sich umfassend rechtstreu zu verhalten, versucht der Kläger ohne Erfolg, sein strafrechtlich geahndetes Verhalten zu relativieren. Sein Vortrag kann angesichts dessen, dass er wegen vorsätzlichen (vgl. §15 StGB) Verhaltens verurteilt worden ist, dass sich dieses Verhalten (Zeitraum der Tatbegehung) über mehrere Jahre erstreckte und dass er ausweislich der - von ihm nicht in Zweifel gezogenen - Feststellungen des Strafgerichts eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt hatte, nicht überzeugen. Zudem hat sich das Verwaltungsgericht mit den vom Kläger bereits erstinstanzlich geltend gemachten „Defiziten im Hinblick auf den Vorsatz seiner Tat“ befasst (UA Rn. 23) und hierzu ausgeführt, dass sich aus seinem Vortrag keine durchgreifenden Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit des Strafurteils herleiten lassen. Hiermit setzt sich die Antragsbegründung nicht auseinander.
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1.2.1.5 Die weiteren in der Antragsbegründung vorgetragenen Gesichtspunkte (kein weiteres strafrechtlich relevantes Verhalten mehr; Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten; Schadenswiedergutmachung; Hilfe bei der Aufklärung des strafrechtlichen Sachverhalts; Inkaufnahme einer Nichtfestellung entlastender Umstände; Begleichung von Steuerforderungen gegen die Gesellschaft aus seinem Privatvermögen) vermögen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu erwecken. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats kann ein kurzfristiges Wohlverhalten eine über lange Zeit zu Tage getretene Unzuverlässigkeit nicht ohne Weiteres ausräumen, insbesondere dann, wenn dieses Wohlverhalten nicht Ergebnis eines inneren Reifeprozesses des Gewerbetreibenden ist. Je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten andauerte, desto mehr müssen sich auch die für den Gewerbetreibenden sprechenden Tatsachen auf einen längeren Zeitraum erstrecken - sie müssen sozusagen nachhaltig sein -, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein (vgl. etwa BayVGH, B.v. 13.11.2015 - 22 C 15.1463 - juris Rn. 15 m.w.N.). Wohlverhalten, das ein Gewerbetreibender nach früherem Fehlverhalten zeigt, lässt etwa dann nicht ohne weiteres auf eine charakterliche Läuterung schließen, wenn dieses Verhalten erforderlich ist, um ein gerade schwebendes Verfahren zu einem günstigen Ende zu bringen (vgl. BVerwG, B.v. 16.6.1987 - 1 B 93.86 - juris Rn. 11); einem ordnungsgemäßen Verhalten während der laufenden Bewährungszeit und während des laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens kann daher nur geringe Aussagekraft zuerkannt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2019 - 22 CS 19.1417 - juris Rn. 21).
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Hiervon ausgehend sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nachvollziehbar (UA Rn. 34; vgl. bereits Rn. 31), dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses in Anbetracht des Zeitraums, in dem der Kläger strafrechtlich relevantes Verhalten an den Tag legte, der von ihm eingesetzten kriminellen Energie und der erst im November 2021 ablaufenden Bewährungszeit trotz einiger für den Kläger sprechenden Umstände ein ausreichender bzw. ausreichend gefestigter innerer Einstellungswandel, der eine günstigere Prognose zuließe, noch nicht ersichtlich war. Den vorgenannten Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzt die Antragsbegründung auch nichts Substantiiertes entgegen; allein der Vorhalt, das strafrechtlich unauffällige Verhalten des Klägers sei im angefochtenen Urteil „mit wenigen Worten abgetan“ worden, reicht nicht aus. Zudem waren ausweislich des Strafurteils die wesentlichen vom Kläger genannten Umstände (erstmalige strafrechtliche Verurteilung; Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung; voraussichtliche vollständige Schadenswiedergutmachung) maßgeblich dafür, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe noch (vgl. § 56 Abs. 2 StGB) zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Aus diesen Umständen bzw. aus der Erfüllung der entsprechenden Erwartungen des Strafgerichts konnte daher nach dem oben Ausgeführten nicht ohne Weiteres auf einen inneren Einstellungswandel des Klägers geschlossen werden. Zu weiteren Umständen, aus denen sich - im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses - ein solcher Einstellungswandel hätte ergeben können, ist in der Antragsbegründung nichts konkret dargelegt. Zu der vom Kläger geltend gemachten Schadenswiedergutmachung durch Einsatz von Privatvermögen ist ergänzend zu bemerken, dass es sich hierbei auch in Bezug auf die R O GmbH nicht um eine entscheidend für seine Zuverlässigkeit sprechende Anstrengung handelte, weil der Kläger auch diesen Schaden als deren Geschäftsführer selbst verursacht hatte.
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1.2.2 Der Kläger macht ferner geltend, das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er sein Einzelunternehmen R O e.K. (auf welches sich die Gewerbeuntersagung bezieht) stets beanstandungsfrei geführt habe. Dieses Einzelunternehmen stehe nicht um Zusammenhang mit dem Strafverfahren. Das Verwaltungsgericht habe das Wohlverhalten während des Strafverfahrens nicht für irrelevant erachten dürfen, weil es damit ohne jeden Anhaltspunkt unterstellt habe, der Kläger hätte ohne Strafverfahren schädliches Verhalten gezeigt.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen (UA Rn. 30), dass die Tatsachen, die die gewerbliche Unzuverlässigkeit begründen, nicht bei Ausübung des verfahrensgegenständlichen Gewerbes eingetreten zu sein brauchen; es kommt darauf an, ob sich die betreffenden Tatsachen auf die ordnungsgemäße Führung des in Rede stehenden Gewerbes auswirken (BVerwG, B.v. 6.12.1994 - 1 B 234.94 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 3.3.2021 - 22 ZB 20.1576 - juris Rn. 16). Diese Frage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung bejaht, dass der Kläger sich über Jahre hinweg beachtliche wirtschaftliche Vorteile zu Lasten des Steueraufkommens und damit der Solidargemeinschaft verschafft und er den eigenen finanziellen Vorteil über seine Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer Erklärungen gegenüber dem Finanzamt gestellt habe. Mit diesen - ebenfalls nachvollziehbaren - Erwägungen setzt sich die Antragsbegründung nicht auseinander. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht unterstellt, dass der Kläger ohne das Strafverfahren schädliches Verhalten an den Tag gelegt hätte; es ist vielmehr - nach dem oben (1.2.1.5) Ausgeführten zu Recht - davon ausgegangen, dass auf das Wohlverhalten des Klägers während des Strafverfahrens und der noch laufenden Bewährungszeit nicht durchgreifend abgestellt werden konnte, sondern dass es angesichts der Dauer der Tatbegehung und der vom Kläger an den Tag gelegten kriminellen Energie im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses keine zureichenden Anhaltspunkte dafür gab, dass das nunmehrige Verhalten des Klägers Ausdruck eines inneren Einstellungswandels gewesen ist.
22
2. Das Zulassungsvorbringen des Klägers lässt auch nicht erkennen, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hätte.
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Zur Darlegung solcher Schwierigkeiten sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen, und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (BayVGH, B.v. 30.3.2021 - 22 ZB 20.1972 - juris Rn. 19; B.v. 14.12.2020 - 10 ZB 20.2656 - juris Rn. 19). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen zu diesem Zulassungsgrund nicht gerecht, mit welchem der Kläger lediglich knapp (erneut) eine fehlende oder unzureichende Berücksichtigung von für die Beurteilung der Zuverlässigkeit relevanten Umständen geltend macht. Auch nach der vom Kläger angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann aber, wenn der Antragsteller Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, gefordert werden, dass er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darstellt und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel macht (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - juris Rn. 17). Daran fehlt es hier.
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Im Übrigen sind die Grundsätze, wann sich eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit aus strafrechtlich geahndetem Verhalten ergeben kann, in der Rechtsprechung seit langem geklärt. Das Verwaltungsgericht hat - wie geboten - die Umstände des vorliegenden Einzelfalls gewürdigt und hat aus diesen nachvollziehbar abgeleitet, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht davon auszugehen war, dass der Kläger sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben werde. Dass diese Einzelfallwürdigung besondere Schwierigkeiten aufwarf, ist nicht erkennbar.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).