Inhalt

VG München, Urteil v. 28.03.2022 – M 16 K 18.3045
Titel:

Erweiterte Gewerbeuntersagung wegen Steuerschulden

Normenkette:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 6
Leitsätze:
1. Ein Gewerbetreibender ist unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird, wobei sich die Unzuverlässigkeit insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben kann. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt, sodass es grundsätzlich unerheblich ist, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm „mildernde Umstände“ zur Seite stehen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben, was bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr steht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 GG in Einklang; sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
6. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, Nichtabgabe von Steuererklärungen, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis, erweiterte Gewerbeuntersagung, Eintragung, Schuldnerverzeichnis, Steuerschulden, Prognose, maßgeblicher Zeitpunkt, Ursache, Verschulden, Verhältnismäßigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 17.10.2022 – 22 ZB 22.1555
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29807

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
2
Zum 1. Januar 2006 zeigte der Kläger bei der Beklagten die Ausübung des Gewerbes „Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen“ an.
3
Mit Schreiben vom 8. Februar 2018 regte das Finanzamt bei der Beklagten die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahren an und teilte mit, dass beim Kläger Steuerrückstände in Höhe von 132.035,97 Euro bestünden. Ein am 22. September 2010 eröffnetes Insolvenzverfahren sei mit Beschluss vom 26. September 2012 nach rechtskräftiger Versagung der Restschuldbefreiung aufgehoben worden. Am 24. Mai 2018 teilte das Finanzamt der Beklagten mit, dass der Kläger unter einer anderen Steuernummer weitere Steuerrückstande in Höhe von 4.737,70 Euro habe. Zudem habe der Kläger die Steuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2013 nicht abgegeben. Nach Auskunft des Finanzamts vom 5. Juni 2018 bestehe keine Zahlungsvereinbarung, auch habe der Kläger keine Zahlungen geleistet. Das Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt München teilte der Beklagten mit Schreiben vom 26. Februar 2018 mit, hinsichtlich des Klägers bestünden niedergeschlagene Gewerbesteuerforderungen betreffend die Jahre 2007 bis 2009 in Höhe von 50.758,97 Euro. Nach Auskunft des Kassen- und Steueramts vom 5. Juni 2018 hätten sich die Rückstände auf 51.610,47 Euro erhöht, eine Zahlungsvereinbarung bestehe nicht. Nach den weiteren Ermittlungen der Beklagten bestanden hinsichtlich des Klägers sowohl zum 19. Februar 2018 als auch zum 5. Juni 2018 vier Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung.
4
Mit Schreiben der Beklagten vom 1. März 2018 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung angehört. Zugleich wurde der Industrie- und Handelskammer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger nahm mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 26. März 2018 und 4. Juni 2018 Stellung. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, der Kläger wolle sein Gewerbe abmelden. Zudem habe der Kläger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Steuererklärungen eingereicht, auch seien in Veranlagungszeiträumen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens keine neuen Steuerverbindlichkeiten aufgelaufen. Eine Gewerbeabmeldung ist bei der Beklagten nicht eingegangen.
5
Mit Bescheid vom 5. Juni 2018, laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 8. Juni 2018, untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen“ im stehenden Gewerbe (Nummer 1). Zudem wurde dem Kläger die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nummer 2). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine gewerbliche Tätigkeit spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagung einzustellen (Nummer 3). Für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nummer 4) Die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 454,98 Euro wurden dem Kläger auferlegt (Nummern 5 und 6).
6
Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger besitze nicht die zur selbständigen Ausübung seines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes. Seine Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass er seinen Zahlungs- und Erklärungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkomme. Der Kläger sei wirtschaftlich leistungsunfähig, Anzeichen für eine Besserung seien nicht erkennbar. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs müsse aber von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er zur Vermeidung einer Gläubigerbenachteiligung bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgebe. Das Schutzinteresse der Allgemeinheit bedinge die Gewerbeuntersagung. Die Allgemeinheit sei davor zu schützen, dass ihr die benötigten Geldmittel vorenthalten würden, auch bestehe die Gefahr weiterer Vermögensschädigungen Dritter. Die Gewerbeuntersagung sei verhältnismäßig. Nach pflichtgemäßem Ermessen werde die Gewerbeuntersagung erweitert, da der Kläger gewerbeübergreifend unzuverlässig sei und ein Ausweichen auf anderweitige Gewerbetätigkeiten zu erwarten sei. Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung sei sachgerecht und geboten. Das Interesse des Gewerbetreibenden an der Ausübung jeglicher selbständigen Gewerbetätigkeit, auch als Geschäftsführer, habe hinter dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit zurückzutreten. Das Gewerbeuntersagungsverfahren werde nach pflichtgemäßem Ermessen fortgesetzt, obwohl der Kläger seine Tätigkeiten nach seiner dem Finanzamt gegenüber getroffenen Aussage mittlerweile aufgegeben habe. Es sei davon auszugehen, dass diese Aussage nur getroffen worden sei, um einer drohenden Gewerbeuntersagung zu entgehen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er das Gewerbe zu einem späteren Zeitpunkt wieder beginnen würde. Die Frist zur Einstellung des Betriebes sei angemessen. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erfolge nach Art. 29, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz. Das weniger einschneidende Zwangsgeld verspreche im Hinblick auf die finanzielle Situation des Klägers keinen Erfolg.
7
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 21. Juni 2018, bei Gericht eingegangen am 22. Juni 2018, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2018 aufzuheben.
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Zur Klagebegründung führt der Bevollmächtigte des Klägers im Wesentlichen aus, der Kläger sei bis in das Jahr 2010 als selbständiger Versicherungsvermittler tätig gewesen. Im Rahmen dieses Gewerbebetriebs habe der Kläger nur eine sehr überschaubare Anzahl von Versicherungsverträgen selbst vermittelt. Der größte Teil des Provisionsumsatzes des Klägers sei dadurch zustande gekommen, dass von anderen Vermittlern eingeworbene Versicherungsverträge bei Versicherungen, mit denen der Kläger eine Courtagevereinbarung hatte, eingereicht worden seien. Der Kläger habe in diesem Fall einen zuvor mit dem jeweiligen Vermittler vereinbarten Teil der Provision an den Abschlussvermittler weitergeleitet, lediglich ein Teil der Provision, in der Regel 10% - 20%, seien beim Kläger als eigene Einnahme verblieben. Im Jahr 2010 hätten mehrere Versicherungen in einem Volumen von über 200.000,- Euro Rückforderungsansprüche gegen den Kläger aus Storni eines Vermittlers erhoben. Der Vermittler habe jedoch bestritten, dass dem Kläger ein entsprechender Rückforderungsanspruch zustehe, und erklärt, nicht annähernd leistungsfähig zu sein, um die Ansprüche des Klägers zu erfüllen. Da der Kläger die Ansprüche der Versicherer nicht habe bedienen können, habe der Kläger einen Eigeninsolvenzantrag gestellt. Die begehrte Restschuldbefreiung sei dem Kläger versagt worden, weil er eine strittige gegen ihn gerichtete Forderung nicht angegeben habe. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Kläger auch gegenüber der Finanzverwaltung und der Landeshauptstadt München im Rückstand gewesen, weil Einkommen- und Gewerbesteuern aus den anfänglich guten Einnahmen seiner gewerblichen Tätigkeit festgesetzt worden seien, auch als der Kläger sich bereits in finanzieller Schieflage befunden habe. Nach Ablehnung der Restschuldbefreiung habe der Kläger versucht, ein festes Arbeitsverhältnis zu erhalten. Als dies nicht gelungen sei, habe er seine gewerbliche Tätigkeit fortgesetzt, allerdings nicht mehr im Bereich der Vermittlung von Versicherungen und sonstigen Finanzprodukten, sondern im Bereich der Marketing-Dienstleistungen, insbesondere im Hinblick auf Social-Media-Auftritte, Werbepläne und Vertriebskonzepte. Seit 1. Oktober 2013 sei der Kläger daneben als alleiniger Geschäftsführer der PMV Verwaltungs UG (haftungsbeschränkt) tätig. Zum 31. März 2018 habe der Kläger sein Einzelunternehmen komplett eingestellt. Der Kläger sei für alle Veranlagungszeiträume nach Ablehnung der Restschuldbefreiung seinen Steuererklärungspflichten nachgekommen. In den letzten Jahren sei nie eine Steuerschuld entstanden, da die Einkünfte des Klägers den Grundfreibetrag nicht überstiegen hätten. Die offenen Steuerverbindlichkeiten des Klägers seien in der Zeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstanden. Soweit sich die Steuerverbindlichkeiten erhöht hätten, sei dies allein auf Säumniszuschläge und Zinsen zurückzuführen. Es bestehe eine positive Zukunftsprognose, da der Kläger über mehr als fünf Jahre hinweg alle Steuererklärungspflichten erfüllt und alle neuen Steuerverbindlichkeiten getilgt habe.
9
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung führt die Beklagte mit Schreiben vom 20. Juli 2018 im Wesentlichen aus, der Kläger habe keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, die seine Zuverlässigkeit unter Beweis stellen würden. Vielmehr seien die Steuerrückstände seit Bescheidserlasses weiter angewachsen, auch sei eine weitere Eintragung im Schuldnerverzeichnis wegen Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung hinzugekommen.
11
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
12
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten wurde mit Beschluss vom 2. November 2021 abgelehnt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 24. Januar 2022 zurückgewiesen (Az. 22 C 21.3044).
13
Das Gericht hat am 28. März 2022 zur Sache mündlich verhandelt.
14
Mit Schriftsätzen seines Bevollmächtigten vom 7. April 2022 und 21. April 2022 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Schreibens der Stadtkämmerei München vom 29. Juli 2020 die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
15
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. März 2022 Bezug genommen.
II.
16
Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2022 entschieden werden. Die mündliche Verhandlung war nicht, wie vom Kläger mit Schriftsätzen seines Bevollmächtigten vom 7. April und 21. April 2022 beantragt, wiederzueröffnen. Die Ablehnung des Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bedarf keines gesonderten (Vorab-) Beschlusses; es genügt, wenn die Entscheidung, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen, im Urteil selbst begründet wird (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.2016 - 2 B 34.14 - juris Rn. 29; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 104 Rn. 15).
17
Gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht nach Schließung der mündlichen Verhandlung die Wiedereröffnung beschließen. Jedoch ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO nach Wirksamwerden einer die Instanz abschließenden Entscheidung nicht mehr möglich. Wirksam ist eine auf einer mündlichen Verhandlung beruhende Entscheidung auch dann, wenn der vom Richter unterschriebene Tenor förmlich der Geschäftsstelle übergeben wurde (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2005 - 9 ZB 04.31094 - juris Rn. 10 f.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 104 Rn. 14). Vorliegend wurde der unterschriebene Urteilstenor am 30. März 2022 um 13:00 Uhr bei der Geschäftsstelle niedergelegt. Damit ist das Urteil wirksam und für das Verwaltungsgericht nicht mehr abänderbar, so dass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht mehr möglich ist. Davon abgesehen enthalten die Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten vom 7. April und 21. April 2022 kein entscheidungserhebliches Vorbringen. Soweit der Klägerbevollmächtigte auf ein Schreiben der Stadtkämmerei vom 29. Juli 2020 Bezug nimmt, ergeben sich hieraus keine Erkenntnisse über den Stand der Rückstände in dem für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Darauf, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist und nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, außer Betracht bleiben, wurde der Kläger sowohl in der Begründung des Prozesskostenhilfe-Beschlusses vom 2. November 2021 als auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
18
Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 VwGO erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für die Untersagung des vom Kläger ausgeübten Gewerbes ist
§ 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
20
a) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen.
21
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 14 m.w.N.).
22
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 15 m.w.N.).
23
Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm „mildernde Umstände“ zur Seite stehen (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17.79 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 8.5.2015 - 22 C 15.760 - juris Rn. 20).
24
Vielmehr muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese - durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete - Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146.80 - juris Rn. 15).
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Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 14 m.w.N.). Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan auch effektiv eingehalten wird (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.2013 - 22 C 13.1163 - juris Rn. 10).
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Nach diesen Maßstäben rechtfertigt sich die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers aus den im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Tatsachen. So hatte der Kläger Steuerrückstände beim Finanzamt sowie beim Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt München, die sowohl nach ihrem absoluten Betrag wie auch im Verhältnis zur Wirtschaftskraft des Gewerbes erheblich erscheinen, ohne dass Ratenzahlungsvereinbarungen bestanden. Da die Restschuldbefreiung versagt wurde, ist es unerheblich, dass die Steuerverbindlichkeiten in der Zeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Davon abgesehen ist der Kläger seinen steuerlichen Erklärungspflichten für die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2013 nicht nachgekommen. Darüber hinaus verdeutlichen die mehrfachen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung, dass der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt und leistungsunfähig ist, sowie, dass der Kläger nicht willig oder nicht in der Lage ist, mit seinen Gläubigern eine gütliche Einigung herbeizuführen oder eine Zahlungsvereinbarung abzuschließen, um die Eintragung ins Schuldnerverzeichnis zu verhindern. Überschuldung und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründen grundsätzlich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, da im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden muss, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 14 m.w.N.).
27
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers hinsichtlich des Zustandekommens seiner steuerlichen Rückstände. Es kommt nicht darauf an, ob die die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände vom Gewerbetreibenden verschuldet sind oder nicht; dies gilt auch dann, wenn es um Steuerrückstände geht (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17.79 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 19.10.2021 - 22 ZB 21.1862 - juris Rn. 26). Soweit der Kläger ausführt, nach Ablehnung der Restschuldbefreiung seien keine neuen Steuerschulden hinzugekommen und die Steuerverbindlichkeiten hätten sich nur durch Säumniszuschläge und Zinsen erhöht, führt dies nicht zu der Annahme, er besitze die erforderliche gewerberechtliche Zuverlässigkeit. Auch Rückstände bei steuerlichen Nebenleistungen sind für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit relevant, zumal gerade das Entstehen von Säumniszuschlägen und Zinsen (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 und Nr. 5 Abgabenordnung) darauf beruht, dass der Gewerbetreibende seine Zahlungs- bzw. Erklärungsverpflichtungen nicht erfüllt hat, er also bereits zuvor ein Verhalten gezeigt hat, welches die nicht ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes begründet (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2021 - 22 ZB 21.1862 - juris Rn. 18).
28
b) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen. Ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der erheblichen Steuerrückstände und der mehrfachen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
29
c) Die Gewerbeuntersagung ist auch nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 - 1 B 5/94 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich.
30
d) Der Gewerbeuntersagung steht nicht entgegen, dass der Kläger nach seinen Angaben sein Gewerbe zum 31. März 2018 komplett eingestellt habe.
31
Untersagt werden kann nach § 35 Abs. 1 GewO nur ein Gewerbe, das bei der Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens noch nicht aufgegeben worden ist. Bei Aufgabe des Gewerbes während des Verwaltungsverfahrens kann das Untersagungsverfahren gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 GewO fortgesetzt werden. Von der endgültigen Aufgabe oder Betriebseinstellung ist nur dann auszugehen, wenn diese nicht zum Schein oder unter dem Vorbehalt der Wiederaufnahme erfolgt.
32
Da der Kläger sein Gewerbe nicht bei der Beklagten abgemeldet hat, dürfte wohl bereits keine endgültige Betriebsaufgabe vorgelegen haben.
33
Sofern davon auszugehen ist, dass der Kläger sein Gewerbe ernsthaft und endgültig aufgegeben hat, hat die Beklagte jedenfalls rechtsfehlerfrei von der Möglichkeit zur Fortsetzung des Untersagungsverfahrens nach § 35 Abs. 1 Satz 3 GewO Gebrauch gemacht. Unter Zugrundelegung seines Vorbringens hat der Kläger sein Gewerbe im Zeitpunkt der spätestens mit Anhörung vom 1. März 2018 erfolgten Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens noch ausgeübt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO. Durch § 35 Abs. 1 Satz 3 GewO soll verhindert werden, dass unzuverlässige Gewerbetreibende ihr Gewerbe bei einer drohenden Untersagungsverfügung aufgeben, um dadurch der behördlichen Feststellung ihrer Unzuverlässigkeit zu entgehen. Die Vorschrift soll damit dem berechtigten Interesse der Behörde an der behördlichen Feststellung der Unzuverlässigkeit im Hinblick auf eine mögliche spätere gewerbliche Betätigung des Betreffenden Rechnung tragen (BT-Drs. 7/111 S. 6). Da der Kläger sein Gewerbe nicht abgemeldet hat, ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass dieser voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt wieder gewerblich tätig werden will. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung hat die Beklagte daher in nicht zu beanstandender Weise das Schutzinteresse der Allgemeinheit höher gewichtet als das Interesse des Klägers an der Einstellung des Gewerbeuntersagungsverfahrens.
34
2. Rechtsgrundlage für die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
35
a) Die Beklagte hat aus überzeugenden Gründen eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit des Klägers angenommen.
36
Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17.79 - juris Rn. 27).
37
Indem der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses erhebliche Steuerrückstände hatte und seinen steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen ist, hat er Pflichten verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten. Zudem verdeutlichen die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers. Dies rechtfertigt die Annahme, dass er ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen würde.
38
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers ist auch bei der Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Umstände im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Seit Inkrafttreten der Neufassung des § 35 Abs. 6 GewO am 1. Mai 1974 besteht eine deutliche Trennung zwischen dem Untersagungsverfahren einerseits und dem Wiedergestattungsverfahren andererseits. Ist ein Gewerbe wirksam untersagt worden, hat die Behörde nicht mehr zu prüfen, ob die Untersagungsgründe die ergangene Gewerbeuntersagung weiterhin tragen. Haben sich die tatsächlichen Umstände geändert, muss die Initiative zur Wiederzulassung nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden ausgehen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 15 m.w.N.). Eine Differenzierung zwischen der Untersagung des ausgeübten Gewerbes nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO und der Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO im Hinblick auf den für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt vor diesem Hintergrund nicht.
39
b) Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten ist auch erforderlich.
40
Erforderlich ist die Erstreckung der Gewerbeuntersagung, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende andere gewerbliche Tätigkeiten ausweichen wird. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 17 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich.
41
c) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO.
42
Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO steht im Ermessen der Behörde. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere - nicht ausgeübte - gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17.79 - juris Rn. 30). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
43
d) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist auch nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz in Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.1993 - 1 B 1.93 - juris Rn. 5). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich.
44
3. Hinsichtlich der Bemessung der Frist zur Einstellung der Gewerbeausübung und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
45
4. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers mit nachgelassenem Schriftsatz vom 21. April 2022 ausführt, die Beklagte habe ihre Pflichten bei der Mitteilung ihrer Forderungen im Rahmen der Schuldenbereinigung verletzt, ohne diese Pflichtverletzung hätte der Kläger nach Bereinigung aller seiner Verbindlichkeiten bereits Ende 2020 die Gewerbeuntersagung akzeptieren und jedenfalls zu Beginn des Jahres 2022 einen erfolgreichen Antrag auf Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 Satz 1 GewO stellen können, so dass nun ein Ausnahmefall im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 2 GewO vorliege, ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagtenvertreter bereits in der mündlichen Verhandlung seine Bereitschaft bekundet hat, im Falle eines Wiedergestattungsantrags auf die Einhaltung der Jahresfrist des § 35 Abs. 6 GewO zu verzichten.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Entscheidungsgründe

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayer straße 30, 8..0335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 8..0005 München schriftlich bzw. in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6, § 55d VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwig straße 23, 8..0539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 8..0098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 9..1522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 20.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKGi.V.m. Nummern 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayer straße 30, 8..0335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 8..0005 München schriftlich bzw. in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6, § 55d VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.