Titel:
Zum Erfordernis einer aktuellen ladungsfähigen Anschrift des Klägers
Normenketten:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1, § 173 S. 1
ZPO § 130 Nr. 1
Leitsätze:
1. Nach § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO, dessen Voraussetzungen - als gesetzliche Konkretisierung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses - in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfen sind, muss die Klage (bzw. der Zulassungsantrag) den Kläger bezeichnen. Zur Bezeichnung eines Klägers iSd § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO gehört nach § 173 S. 1 VwGO iVm § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnorts. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Es soll dadurch darüber hinaus auch gewährleistet werden, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden und sich im Fall des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann. Dies gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten oder wenn sich während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt nur, wenn deren Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Dies kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässiger Berufungszulassungsantrag, Fehlende aktuelle ladungsfähige Anschrift, Zulassung der Berufung, Antrag, Unzulässigkeit, Bezeichnung des Klägers, Wohnort
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 11.05.2022 – AN 5 K 20.1648
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29798
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, da der Aufenthaltsort des Klägers mittlerweile unbekannt ist und er trotz gerichtlicher Aufforderung mit Fristsetzung eine aktuelle ladungsfähige Anschrift nicht angegeben hat (§ 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
2
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dessen Voraussetzungen - als gesetzliche Konkretisierung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses - in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfen sind, muss die Klage (bzw. der Zulassungsantrag) den Kläger bezeichnen. Zur Bezeichnung eines Klägers im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO gehört nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnorts (BayVGH, B.v. 9.5.2016 - 10 ZB 15.677 - juris Rn. 4 m.w.N.). Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Es soll dadurch darüber hinaus auch gewährleistet werden, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden und sich im Fall des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann. Dies gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten (BVerwG, B.v. 14.2.2012 - 9 B 79.11 - juris, Rn. 11) oder wenn sich während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt nur, wenn deren Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist (BayVGH, B.v. 9.5.2016 - 10 ZB 15.677 - juris Rn. 4). Dies kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen (BayVGH, B.v. 5.12.2007 - 19 ZB 06.2329 - juris Rn. 6).
3
Entspricht die Klage (bzw. der Zulassungsantrag) den in § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO genannten Voraussetzungen nicht, kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter nach § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO für die erforderliche Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen.
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Gemessen daran fehlt es hier an einer aktuellen ladungsfähigen Anschrift des Klägers, unter der er tatsächlich zu erreichen ist. Vorliegend erklärte die Beklagte unter dem 11. Oktober 2022, dass der Kläger aus seiner bisherigen Unterkunft abgemeldet worden und sein Aufenthaltsort unbekannt sei. Daraufhin wurde der Bevollmächtigte des Klägers mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Oktober 2022 aufgefordert, die aktuelle ladungsfähige Anschrift des Klägers bis zum 24. Oktober 2022 mitzuteilen. Eine Reaktion des Klägerbevollmächtigten erfolgte nicht.
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Nachdem keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen, war der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
6
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
7
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).