Titel:
kein Anspruch auf Rückgängigmachung der Abschiebung
Normenkette:
AufenthG § 25 Abs. 5, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2 S. 1
Schlagworte:
Rückgängigmachung der Abschiebung, Wiedereinreise, bevorstehende Eheschließung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.10.2022 – 19 ZB 22.1359
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29793
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerinnen begehren die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Abschiebung, deren Rückgängigmachung sowie die Möglichkeit der Wiedereinreise zum Zweck der Eheschließung.
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Die Klägerin zu 1) ist belarussische Staatsangehörige. Nach Aktenlage reiste sie am 15. April 2015 in das Bundesgebiet ein. Einen am 3. Juni 2015 gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 22. September 2016 ab. Die Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz wurden nicht zuerkannt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin zu 1) wurde aufgefordert, die BRD innerhalb von 30 Tagen nach Unanfechtbarkeit des Asylbescheides zu verlassen. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Ausreise wurde die Abschiebung insbesondere nach Belarus angedroht. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. Februar 2020 abgewiesen (Az.: AN 10 K 17.32835); Rechtskraft trat am 24. September 2020 ein.
3
Die Klägerin zu 2) - Tochter der Klägerin zu 1) - wurde im Bundesgebiet geboren. Das von Amts wegen eingeleitete Asylverfahren wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 4. April 2017 mit einer versagenden Entscheidung abgeschlossen. Auch der Klägerin zu 2) wurden Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz nicht zuerkannt. Auch ihr wurde eine Ausreisefrist gesetzt und bei nicht rechtzeitiger Ausreise die Abschiebung insbesondere nach Belarus angedroht. Der Bescheid wurde am 18. Mai 2017 bestandskräftig. Die Klägerin zu 2) wurde nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens zunächst geduldet.
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Mit Schreiben vom 23. Dezember 2020 beantragte die Bevollmächtigte der Klägerinnen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, hilfsweise die Erteilung einer weiteren Duldung. Die Klägerin zu 2) sei mehr als dreieinhalb Jahre geduldet, so dass die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorlägen. Sie sei in Deutschland geboren, spreche Deutsch und betrachte Deutschland als ihre Heimat. Der Vater der Klägerin zu 2) halte sich in Deutschland auf. Es finde ein regelmäßiger Umgang statt. Der Vater stamme aus Nigeria und wohne in … Bis vor kurzem habe er Kindesunterhalt, Gebühren für Sportstunden und das Essensgeld für den Kindergarten gezahlt. Wenn die Klägerin zu 2) das Land verlassen müsse, habe sie keine Möglichkeit mehr, ihren Vater regelmäßig zu sehen. Im Übrigen sei die Klägerin zu 1) krank; nach einer vorgelegten ärztlichen Bescheinigung leide sie unter einer depressiven Episode sowie einer chronischen Schmerzstörung.
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Nach entsprechender Anhörung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2021 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ebenso ab wie die einer Duldung.
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Dagegen erhoben die Klägerinnen am 16. März 2021 Klage (Az.: AN 5 K 21.00476). Sie beantragten, ihnen jeweils eine Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise eine Duldung zu erteilen. Gleichzeitig wurde beantragt, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur Entscheidung über die Klage vom Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen abzusehen und den Klägerinnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Rechtsanwältin zu bewilligen. Mit Beschluss vom 28. Mai 2021 lehnte die Kammer den Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab (Az.: AN 5 E 21.00475 / AN 5 K 21.00476); eine beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 28. Juni 2021 eingelegte Beschwerde wurde mit Beschlüssen vom 14. Juli 2021 verworfen (Az.: 19 CE 21.1827; 19 C 21.1829; 19 C 21.1830). Ihre Klage vom 16. März 2021 nahmen die Klägerinnen am 12. Januar 2022 zurück.
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Am 23. November 2021 beantragten die Klägerinnen im einstweiligen Rechtsschutz (Az.: AN 5 E 21.02035), den Beklagten zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen. Insoweit verweisen sie darauf, dass am 13. September 2021 eine Eheschließung der Klägerin zu 1) mit einem deutschen Staatsangehörigen angemeldet worden sei. Mit Beschluss vom 23. November 2021 lehnte die Kammer den Eilantrag ab; die dagegen eingelegte Beschwerde vom 7. Dezember 2021 wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 27. Januar 2022 zurück (Az.: 19 CE 21.3017).
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Ebenfalls am 23. November 2021 haben die Klägerinnen eine weitere Klage erhoben (Az.: AN 5 K 21.02039). Sie bringen darin vor, angesichts einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung der Klägerin zu 1) sei der Duldungsgrund aus § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG verwirklicht.
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Am 23. November 2021 wurden die Klägerinnen nach Belarus abgeschoben.
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Zuletzt beantragen die Klägerinnen - bei gleichzeitiger Beantragung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe:
Festzustellen, dass die Abschiebung der Klägerinnen rechtswidrig gewesen ist, sowie, den Beklagten zu verpflichten, die Abschiebung rückgängig zu machen, den Klägerinnen unter sofortiger Aufhebung der Sperrwirkung der Abschiebung bzw. unter Aufhebung des Wiedereinreiseverbots die unverzügliche Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen und ihnen bis zur Eheschließung der Klägerin zu 1) eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) auszustellen.
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Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten, ohne einen Antrag zu stellen. Den Antrag auf Prozesskostenhilfe vom 11. Januar 2022 hat das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach am 11. Januar 2022 abgelehnt.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Sie sind Inhalt der gerichtlichen Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist unbegründet: Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung sowie den mit der Rückgängigmachung der Abschiebung begehrten Folgenbeseitigungsanspruch stützen. Die Abschiebung der Klägerinnen war nicht rechtswidrig.
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Die Kammer nimmt diesbezüglich Bezug auf ihren Beschluss vom 11. Januar 2022 (AN 5 K 21.02039), mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dieser Sache abgelehnt worden ist. Ergänzend nimmt sie Bezug insbesondere auf die Gründe zu II. der Beschlüsse vom 28. Mai 2021 (AN 5 E 21.00475 / AN 5 K 21.00476) sowie vom 23. November 2021 (AN 5 E 21.02035).
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Von einer weiteren Begründung sieht die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO ab.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.