Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 27.04.2022 – AN 5 K 21.02109
Titel:

Ausweisung aus generalpräventiven Gründen wegen Geldwäsche

Normenkette:
AufenthG § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 2 Nr. 9
Leitsatz:
Straftaten der Wirtschaftskriminalität, bei der illegal (hier durch Betrug) erlangte Gelder ins Ausland transferiert werden, können im Rahmen einer Ausweisung generalpräventiv gewürdigt werden, um einen Abschreckungseffekt zu erzielen. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung wegen Geldwäsche, Indizwirkung eines Strafbefehls für die Ausweisung, im Einzelfall bedingter Vorsatz für Geldwäsche bei einschlägigem Studienfach, generalpräventive Ausweisung, spezialpräventive Ausweisung, im Einzelfall keine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung bei vierjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet und Fehlen vertypter Bleibeinteressen nach § 55 AufenthG, Ausweisung, Aufenthaltserlaubnis, Geldwäsche, Strafbefehl, Bleibeinteresse, Wiederholungsgefahr, Generalprävention, Wirtschaftskriminalität
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 10.10.2022 – 19 ZB 22.1356
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29789

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Ausweisungsbescheides sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
2
Der am … 1993 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste am 7. Mai 2018 mit einem Visum für ein Masterstudium in „International Finance and Economics“ an der … Hochschule … in das Bundesgebiet ein und erhielt in der Folge Aufenthaltserlaubnisse nach § 16 Abs. 1 AufenthG (a.F.) bzw. § 16b AufenthG. Der Kläger lebte dabei zwischenzeitlich an unterschiedlichen Orten, u.a. in …, und meldete sich am 12. Mai 2021 wieder beim Einwohnermeldeamt der Beklagten an. Am 4. November 2020 legte der Kläger erfolgreich seine Masterprüfung ab.
3
Am 27. Januar 2021 wurde dem Kläger eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt, in der vermerkt ist, dass eine Beschäftigung gemäß § 18b Abs. 1 AufenthG bei der … AG erlaubt sei. Seit 1. Februar 2021 arbeitet der Kläger bei der … AG als … Am 23. März 2021 beantragte er über seine damalige Bevollmächtigte bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung nach § 18b Abs. 1 AufenthG. Daraufhin erhielt er zunächst weiter Fiktionsbescheinigungen.
4
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 11. Februar 2021, Az. …, wurde gegen den Kläger wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro verhängt. Dem lag zu Grunde, dass der Kläger am 29. April 2019 einen Geldbetrag, der auf seinem Konto bei der Sparkasse … eingegangen war, über eine Finanztransaktionsplattform an einen Dritten nach Ghana weiterleitete. Dieses Geld stammte aus einer Betrugsstraftat des Dritten, bei der dieser mittels sog. „lovescamming“ Vertrauen zur Geschädigten aufbaute und es ausnutzte, um sie zu der Zahlung zu bewegen. Die Geschädigte überwies 9.882 Euro auf das Konto des Klägers.
5
Mit persönlich durch den Kläger verfasstem Schreiben vom 5. März 2021 (Bl. 41 ff. der Gerichtsakte) legte er „Berufung gegen die Geldwäscheanklage“ ein. Darin machte er geltend, er sei nie in Kontakt mit dem Dritten gewesen. Er sei lediglich von einer Freundin, die er seit fünf Jahren kenne, gebeten worden, für sie einen Geldbetrag in Empfang zu nehmen, damit das Geld schneller zu ihr gelangen könne. Er habe ahnungslos und aus freundschaftlichem Vertrauen heraus seine Bankverbindung angegeben. Er sei ein ehrlicher, hart arbeitender junger Mann, der nach Deutschland gekommen sei, um sich weiterzubilden und ein gutes Leben zu führen. Vom wahren Sachverhalt habe er erst erfahren, als er den Strafbefehl vom Gericht erhalten habe. Das zeige, dass er in keiner Weise in das Betrugsschema verwickelt sei. Er gebe zu, dass er das Geld an den Dritten überwiesen habe, wie von seiner Freundin angewiesen. Er sei jedoch selbst Opfer und habe den Fall der Polizei in Ghana gemeldet. Der von der Bank gepfändete Betrag von ca. 8.200 Euro setze sich aus einem Praktikumsgehalt und 5.000 Euro von seinem Onkel zusammen, die er diesem habe zurückzahlen müssen. Da er bereits finanziell so viel verloren habe, halte er es für ungerecht, weitere 4.800 Euro zu zahlen. Er bitte, die Geldstrafe aufzuheben oder zumindest auf die 1.620 Euro zu reduzieren, die der Geschädigten noch zustünden. Den Einspruch des Klägers verwarf das Amtsgericht … mit Beschluss vom 15. April 2021, da die in der Rechtsbehelfsbelehrunggenannte Frist von zwei Wochen nicht eingehalten wurde.
6
Mit Schreiben vom 20. August 2021 hörte die Beklagte den Kläger über seine damalige Bevollmächtigte zum beabsichtigten Erlass der streitgegenständlichen Verfügung an. Seine damalige Bevollmächtigte wandte gegen die Ausweisung ein, der Verstoß des Klägers erfülle die Voraussetzungen in § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG nicht, da es sich um einen vereinzelten und geringfügigen Verstoß handele. Der Kläger sei in seinem Leben sonst immer rechtstreu gewesen. Er sei von einer langjährigen Freundin aus Ghana um Unterstützung eines gemeinsamen Freundes gebeten worden. Ihm sei vorgespiegelt worden, dass der Freund mit dem Aufbau eines Unternehmens befasst sei. Er habe daher das Geld entgegengenommen und an das Unternehmen des Freundes nach Ghana überwiesen. Hinsichtlich des Vorwurfs der Geldwäsche habe er jedenfalls ohne Vorsatz i.S.d. § 15 StGB gehandelt. Er habe nicht gewusst, dass es sich um das Geld der Geschädigten gehandelt habe. Die Verurteilung sei daher auf falscher Tatsachengrundlage erfolgt. Der Strafbefehl bestehe lediglich, weil der Kläger versäumt habe, Rechtsrat einzuholen bzw. Rechtsmittel einzulegen. Er verfüge nicht über die erforderlichen Deutschkenntnisse, um einen Strafbefehl ohne Weiteres zu verstehen. Beim Kläger seien die Bleibeinteressen überwiegend. Angesichts der fehlenden subjektiven Voraussetzungen und weil er von seinen Freunden böswillig ausgenutzt worden sei, könne die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Geldwäsche nur als geringfügiger Verstoß eingestuft werden. Der Kläger halte sich seit über drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er sei seit 1. Februar 2021 bei … unbefristet angestellt und solle bundesweit eingesetzt werden. Das Unternehmen habe ein großes Interesse an seinem Verbleib im Bundesgebiet.
7
Mit Bescheid vom 4. November 2021 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer I.), erließ ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer II.), ordnete den Sofortvollzug der Ziffer II. an (Ziffer III.), lehnte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer IV.), forderte den Kläger auf, das Bundesgebiet bis spätestens 4. Dezember 2021 zu verlassen (Ziffer V.) und drohte die Abschiebung insbesondere nach Ghana an (Ziffer V.).
8
Zur Begründung wurde ausgeführt, wegen des Strafbefehls des Amtsgerichts … vom 11. Februar 2021 liege ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vor. Für den in dieser Vorschrift vorausgesetzten Rechtsverstoß sei weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit notwendig. Gegen eine Geringfügigkeit des Verstoßes spreche das hohe Strafmaß von 120 Tagessätzen und der nicht geringfügige Schaden in Höhe von 9.882 Euro. Ein Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG liege nicht vor. Insbesondere halte sich der Kläger erst seit 7. Mai 2018 und damit noch keine fünf Jahre im Bundesgebiet auf. Im Übrigen habe er auch keine Aufenthaltserlaubnis, da sein Antrag auf Verlängerung abgelehnt werde. Dem Kläger sei keine langfristige Integration in die Lebensverhältnisse und Wertevorstellungen der Bundesrepublik Deutschland gelungen. Obwohl er durch sein Studium umfassende Kenntnisse im Bereich Finanzen und Wirtschaft besitze, sei er mit einem Finanzdelikt erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Kläger sei ledig und kinderlos. Die Ausweisung werde aus generalpräventiven Gründen verfügt. Im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde … sei regelmäßig zu beobachten, dass gerade Ausländer illegal erwirtschaftetes Geld in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf einschleusten. Potentiellen Straftätern müsse das Risiko, welches sie bei der Begehung derartiger Straftaten eingingen, auch durch die konsequente Anwendung der Ausweisungsermächtigung verdeutlicht werden. Die Ausweisung werde auch aus spezialpräventiven Gründen verfügt. Aufgrund des Gesamtverhaltens und der Persönlichkeit des Klägers bestehe eine begründete Wiederholungsgefahr. Mit der Anlassstraftat habe der Kläger erhebliche charakterliche Mängel bewiesen. Die Kriminalpolizeiinspektion … habe gegen den Kläger als potentiellen Mittäter ermittelt. Die Vortat der bestraften Tat, das sogenannte Romance Scamming, sei besonders perfide. Der Kläger habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass die von ihm angenommenen Gelder aus Betrugstaten stammten. Auf Empfehlung der Bank habe der Kläger einen Teilbetrag von 8.240 Euro, den er noch habe aufbringen können, an die Geschädigte zurücküberwiesen. Bei der Durchsicht der Umsatzübersicht sei jedoch festgestellt worden, dass der Kläger mehrfach hohe dreistellige Summen ins Ausland weiter transferiert habe. Geldwäsche zähle zu den Straftaten, die in Art. 83 Abs. 1 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt seien. Bis zu seinem 24. Lebensjahr habe der Kläger im Ausland gelebt. Die Ausweisung sei verhältnismäßig und stehe mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde nach § 11 Abs. 1 AufenthG erlassen und gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG unter Abwägung aller für und gegen den Kläger sprechenden Umstände nach Ermessen auf die Dauer von drei Jahren nach erfolgter Ausreise bzw. Abschiebung befristet. Der Sofortvollzug sei notwendig, um auch im Falle eines länger andauernden Klageverfahrens das Ziel der Fernhaltung des Klägers aus dem Bundesgebiet zu erreichen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegen. Zudem liege ein Ausweisungsinteresse i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Die Abschiebung werde nach § 59 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG angedroht.
9
Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2021 hat der Kläger gegen diesen Bescheid durch seine Bevollmächtigte Klage erhoben.
10
Er beantragt zuletzt,
Den Bescheid mit Verfügung der Beklagten (Az. …) vom 04.11.2021, zugestellt am 08.11.2021, aufzuheben,
und die Verpflichtung der Beklagten, die Aufenthaltserlaubnis nach § 18b AufenthG zu erteilen.
11
Außerdem hat er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung der Beklagten vom 4. November 2021 wiederherzustellen sowie - als weiterer Antrag in der mündlichen Verhandlung - die aufschiebende Wirkung der Verpflichtungsklage anzuordnen. Darüber hinaus hat er beantragt, der Beklagten mitzuteilen, bis zur Entscheidung über den Antrag im Eilrechtsschutz keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorzunehmen.
12
Zur Begründung hat die Bevollmächtigte im Klageschriftsatz ausgeführt, der Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 11. Februar 2021 sei die erste Strafverurteilung des Klägers gewesen. Er habe Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, allerdings nicht innerhalb der Frist. Die Bevollmächtigte habe Akteneinsicht beantragt, um ein Vorgehen gegen den Strafbefehl zu prüfen. Die Beklagte habe im Bescheid die Bindungen des Klägers pauschal als gering abgetan. Das absolvierte Studium, das für eine gelungene Integration spreche, werde dem Kläger negativ ausgelegt. Die Beklagte führe nicht aus, welche charakterlichen Mängel sie beim Kläger festgestellt haben wolle. Es werde keine individuelle Gefahrenprognose vorgenommen. Es sei keine Wiederholungsgefahr gegeben. Hätte das Amtsgericht die Tat als schwerwiegend angesehen und einen generalpräventiven Aspekt in dieser Sache gesehen, hätte es nicht lediglich einen Strafbefehl erlassen. Ein Ausweisungsinteresse könne nicht einzig aus generalpräventiven Gründen angenommen werden. Außerdem habe der Kläger keine Gewalt ausgeübt und es sei nicht ersichtlich, dass er in kriminelle Strukturen verwickelt sei, auf die die Folgen der Straftat besondere Signalwirkung haben könnten. Die Beklagte müsse eine Abwägung nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG vornehmen, was sie nicht getan habe. Die Arbeitsstelle und das abgeschlossene Studium seien dabei mit einzubeziehen. Der Kläger habe bereits einen B1/B2- Deutschkurs besucht, der pandemiebedingt abgesagt worden sei. Im Rahmen von Sport in diversen Fußballvereinen, Praktika und Arbeit habe der Kläger Freundschaften schließen können. Im Rahmen der CFA Society Germany habe er seine Universität repräsentiert und bei … habe er sich hinsichtlich Unternehmensethik und Vorsorge hinsichtlich Mobbing am Arbeitsplatz weitergebildet. Dass er ein geschätzter Mitarbeiter seines Arbeitgebers sei, zeige sich auch daran, dass dieser ihn trotz des Vorwurfs der Geldwäsche unterstütze. Der Kläger habe seine Rechtstreue gezeigt, indem er der Geschädigten das Geld zurückgezahlt habe, obwohl er selbst davon ausgehe, Opfer der Straftat geworden zu sein.
13
Mit Schriftsatz vom 25. April 2022 übersandte die Bevollmächtigte des Klägers ein Zeugnis seines Arbeitgebers, einen Spielersteckbrief als Fußballspieler beim SC … und einen Teilausschnitt aus einem Kontoauszug (Bl. 91 ff. der Gerichtsakte).
14
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2021 ist die Beklagte der Klage entgegen getreten.
15
Sie beantragt zuletzt,
Klageabweisung.
16
Weiter hat sie im Verfahren des Eilrechtsschutzes die Antragsablehnung beantragt. Zur Begründung hat die Beklagte auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, die sozialen Verhältnisse des Klägers seien im Bescheid gewürdigt worden. Es sei auch gesehen worden, dass der Kläger erstmalig strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Geldwäsche sei jedoch eine Straftat aus dem Bereich besonders schwerer Kriminalität i.S.d. Art. 83 Abs. 1 AEUV. Eine Einsicht bezüglich des rechtskräftigen Strafbefehls sei beim Kläger nicht erkennbar.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Behördenakte und der Gerichtsakte sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 4. November 2021 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
19
Die in Ziffer I verfügte Ausweisung ist ebenso wenig zu beanstanden wie die in den Ziffern V und VI verfügten Annexentscheidungen. Auch der Erlass eines auf drei Jahre befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes ab Abschiebung bzw. Ausreise in Ziffer II ist nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu, sodass die entsprechende Ablehnung in Ziffer IV des Bescheides auch im entscheidungserheblichen Zeitpunkt keinen Bedenken begegnet.
20
Die in Ziffer I verfügte Ausweisung ist rechtmäßig. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 16; U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 37; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 25). Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
21
Der weitere Aufenthalt des Klägers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG.
22
Im Fall des Klägers besteht wegen der dem Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 11. Februar 2021 zu Grunde liegenden Geldwäsche ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, da er mit der Tat einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ist dabei so zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, er hingegen immer beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig, oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist. Eine Vorsatztat kann grundsätzlich nicht als geringfügig angesehen werden (Bergmann/Dienelt/Bauer, 13. Aufl. 2020, § 54 AufenthG Rn. 95 m.w.N.). Die Anwendung der auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung abstellenden Ausweisungstatbestände erfordert regelmäßig keine Prüfung, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat (BayVGH, B.v. 15.10.2021 - 10 ZB 21.1725 - juris Rn. 8). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Strafbefehl aufgrund falscher tatsächlicher Annahmen erlassen wurde, hat der Kläger überdies nicht schlüssig dargelegt. Der Vortrag, er habe nichts von der Herkunft des Geldes gewusst, genügt insoweit jedenfalls nicht. Dies insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger als Masterstudent im Fach „International Finance and Economics“ auf Bitten einer Bekannten an einen unbekannten Dritten im Ausland einen Betrag von 9880,94 Euro überwiesen hat. Zumal auch der Verwendungszweck („Rettungseinsatz“) des Geldeingangs auf dem Konto des Beklagten keinen Bezug zu dem angeblich dem Kläger durch seine Bekannte mitgeteilten Zweck der Transaktion (Aufbau eines Unternehmens) hatte. Der Vortrag, er habe seinen Einspruch nicht rechtzeitig einlegen können, weil er mangels Sprachkenntnissen nicht in der Lage gewesen sei, den Strafbefehl zu verstehen (vgl. Einlassung zur Anhörung im Verwaltungsverfahren), ist bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Kläger sein mit „Berufung gegen die Geldwäscheanklage“ überschriebenes Schreiben vom 5. März 2021 an die Staatsanwaltschaft … ohne anwaltliche Hilfe auf Deutsch formulieren konnte. Die Tat ist auch nicht als geringfügig anzusehen, was sich insbesondere in der nicht geringen Strafhöhe von 120 Tagessätzen widerspiegelt.
23
Die Kammer geht mit der Beklagten davon aus, dass vom Kläger eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Beklagte hat die Ausweisung diesbezüglich zutreffend spezialpräventiv und generalpräventiv begründet.
24
Die spezialpräventiven Überlegungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 16. März 2016 - 10 ZB 15.2109 -, juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 33). Die Kammer geht davon aus, dass nach dem persönlichen Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass von ihm auch künftig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Der Kläger nahm als Inhaber eines Empfängerkontos bei der Sparkasse eine aus einer Betrugsstraftat stammende Zahlung in Höhe von 9.882 Euro entgegen und leitete dieses Geld online über eine internationale Finanztransaktionsplattform an den Vortäter weiter. Er nahm zumindest billigend in Kauf, dass die Gelder aus einer Betrugsstraftat stammten. Erst nach der Entdeckung der Straftat durch die Strafverfolgungsbehörden und dem Einfrieren seines Kontos sowie auf Betreiben der Staatsanwaltschaft - ein (Rest-)Betrag von 1.642 Euro unterlag laut Strafbefehl vom 11. Februar 2021 der Einziehung - wurde der Geschädigten das Geld zurückgezahlt. Dem Argument der Bevollmächtigten des Klägers in der Klageschrift (Bl. 5 der Gerichtsakte), der Kläger sei besonders rechtstreu, weil er das Geld an die Geschädigte zurückzahle, kann daher nicht gefolgt werden. Im Gegenteil lässt sich dem Verhalten des Klägers nach der Tat, insbesondere seinen Äußerungen im Einspruch gegen den Strafbefehl, eine nur vordergründige Einsicht in seine Schuld entnehmen. Daraus lässt sich - neben der Tatsache der Begehung der Straftat an sich - folgern, dass der Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wieder die Rechtsordnung missachten wird.
25
Dass die Beklagte die Ausweisung auf generalpräventive Gründe gestützt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. So hat das Bundesverwaltungsgericht u.a. in den Urteilen vom 12. Juli 2018 und 9. Mai 2019 entschieden, dass sich auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht mit generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen lässt (BVerwG, U.v. 12.7.2018 - 1 C 16.17 - juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 9.5.2019 - 1 C 21.18 - juris Rn. 17). Der Kläger gehört nicht zu den durch § 53 Abs. 3, Abs. 3a oder Abs. 3b AufenthG privilegierten Personengruppen, so dass auch insoweit das Abstellen auf generalpräventive Gründe nicht ausgeschlossen ist. Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass - über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus - ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (BVerfG, B.v. 21.3.1985 - 2 BvR 1642/83 - juris Rn. 24).
26
Die generalpräventiven Erwägungen der Beklagten sind im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die erhebliche Summe von 9.882 Euro, die aus einer Betrugsstraftat stammte, ins Ausland transferiert, wodurch der Haupttäter seinen unrechtmäßigen Vermögenszuwachs sichern konnte. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, dass ein gewichtiges öffentliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der Rechtsvorschriften bestehe und anderen Ausländer deutlich vor Augen geführt werden solle, dass Geldwäschetaten, wie vom Kläger gezeigt, nicht hingenommen werden und zur unverzüglichen Ausweisung mit allen rechtlichen Konsequenzen führen. Es erscheint sachgerecht, derlei Straftaten der Wirtschaftskriminalität, bei der illegal (hier durch Betrug) erlangte Gelder ins Ausland transferiert werden, auch ausländerrechtlich zu würdigen, um einen Abschreckungseffekt zu erzielen. Die Beklagte bezieht sich dabei zu Recht auf das öffentliche Interesse, solche Taten, die erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten, mit dem Mittel der Ausweisung zu bekämpfen. Es besteht ein besonderes Bedürfnis, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art abzuhalten.
27
Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung überwiegt.
28
Dem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse hinsichtlich des ledigen und kinderlosen Klägers gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG steht im vorliegenden Fall kein in § 55 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG vertyptes Bleibeinteresse gegenüber. Insbesondere besteht kein Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, weil der Kläger sich erst seit 7. Mai 2018 und damit noch keine fünf Jahre im Bundesgebiet aufhält.
29
Im Rahmen der nach § 53 Abs. 1 AufenthG anzustellenden Gesamtabwägung überwiegen vorliegend die Ausweisungsinteressen. Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Kläger lebt seit 7. Mai 2018 und damit seit ca. vier Jahren im Bundesgebiet. Er hat hier einen Studienabschluss (Master of Science) erlangt und arbeitet seit 1. Februar 2021 als … bei … Das Zwischenarbeitszeugnis vom 19. April 2022 (Bl. 93 der Gerichtsakte) bescheinigt ihm dort sehr gute Leistungen. Laut eigenen Angaben spielt er Fußball beim SC … Jedoch hat er im Bundesgebiet keinerlei familiäre Bindungen. Er ist erst seit ca. vier Jahren hier und geht erst seit ca. eineinhalb Jahren seiner derzeitigen Vollzeiterwerbstätigkeit nach. Er ist bereits nach relativ kurzer Zeit der Anwesenheit im Bundesgebiet straffällig geworden. Demgegenüber ist der Kläger erst mit 24 Jahren in die Bundesrepublik eingereist. Vorher lebte er in Ghana, wo er geboren und aufgewachsen ist. Er hat dort studiert und insbesondere einen Bachelor of Science im Fach Business Administration erworben. Es ist demnach davon auszugehen, dass es ihm ohne größere Schwierigkeiten gelingen wird, sich im Heimatland wieder zu integrieren. Die Kammer kommt daher im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
30
Ist die Ausweisung nicht zu beanstanden, so sind auch die in Ziffern V und VI des streitgegenständlichen Bescheids gemäß §§ 58, 59 AufenthG verfügten ausländerrechtlichen Annexentscheidungen, d.h. die zur freiwilligen Ausreise gesetzte Frist und die Abschiebungsandrohung, rechtlich nicht zu beanstanden.
31
Auch das auf die Dauer von drei Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids ist nicht zu beanstanden, da Ermessensfehler nicht ersichtlich sind. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Befristung der Wirkungen der Abschiebung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (st. Rspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris, Rn. 8).
32
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen, wobei eine zweistufige Prüfung vorzunehmen ist (dazu BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - juris Rn. 23; BayVGH, U.v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56): Es bedarf in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu generalpräventiven und spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Gemessen an diesen Vorgaben sind Ermessensfehler insoweit nicht ersichtlich. Die Beklagte hat das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck herausgearbeitet und ist beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von drei Jahren angemessen ist.
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Auch die Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach § 18b Abs. 1 AufenthG in Ziffer IV des streitgegenständlichen Bescheides begegnet keinen Bedenken. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht aufgrund des rechtmäßig erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbots jedenfalls schon die gemäß § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG geltende Titelerteilungssperre entgegen.
34
Im Übrigen folgt das Gericht den ausführlichen und zutreffenden Gründen des Bescheides der Beklagten vom 4. November 2021 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
35
Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.