Titel:
Verlust des Freizügigkeitsrechts
Normenkette:
FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr.6, Nr. 7, § 4a, § 5 Abs. 4
Leitsätze:
1. Ein Unionsbürger, der ein Daueraufenthaltsrecht geltend macht, ist verpflichtet, den Nachweis für den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet und für das durchgängige Vorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen als materielle Anforderung für die Anrechnungsfähigkeit von Aufenthaltszeiten zu führen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts ist nicht der rein tatsächliche Aufenthalt ausreichend, der Unionsbürger muss vielmehr auch über den gesamten Zeitraum von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 und 3 FreizügG/EU erfüllt haben. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verlust des Freizügigkeitsrechts, Daueraufenthaltsrecht (verneint), beachtliche Aufenthaltslücke, keine ausreichende Unterstützung durch Familienangehörige, Sozialleistungsbezug, Freizügigkeitsrecht, Daueraufenthaltsrecht, Melderegister, Erwerbstätigkeit, Versicherungsverlauf
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 07.10.2022 – 19 ZB 22.1313
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29787
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen die Feststellung des Verlustes ihres Freizügigkeitsrechts.
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Die Kläger sind im Jahr 1948 bzw. 1956 geborene griechische Staatsangehörige. Sie reisten im Jahr 2012 oder 2013 ins Bundesgebiet ein und meldeten ihren Wohnsitz ab 15. Januar 2013 zunächst in der Wohnung ihres Sohnes in der O-Straße in Br. an. Nach den Meldedaten der Stadt Br. zogen sie für den Zeitraum 15. Juni 2013 bis 13. September 2015 in die F-Straße in Br. um. Für den Zeitraum 13. September 2015 bis 31. Mai 2016 ist im Melderegister der Stadt Br. wiederum die O-Straße als Wohnsitz erfasst, wobei das im Melderegister erfasste Auszugsdatum 31. Mai 2016 auf eine Abmeldung von Amts wegen zurückgeht.
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Zum 1. Juni 2017 meldeten die Kläger ihren Wohnsitz in der … in P. an, wobei im Melderegister ein Wiederzuzug aus dem Ausland erfasst ist.
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Auf Aufforderung des Landratsamts Y zur Äußerung zu ihrem Aufenthaltszweck gab die Klägerin zu 2 mit Schreiben vom 23. September 2020 an, dass sie bis März 2020 im Restaurant ihres Sohnes mitgeholfen habe. Seitdem habe sie sich nicht mehr um Arbeit bemüht, weil sie 65 Jahre alt und krank sei. Sie und ihr Ehemann bezögen Grundsicherungsleistungen. Zum Nachweis legte sie einen Bescheid des Landratsamts Y vom 10. Juli 2020 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) XII vor.
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Zuvor hatte das Sozialamt des Landratsamts Y der Ausländerbehörde des Landratsamts mit Schreiben vom 27. August 2020 mitgeteilt, dass der Kläger zu 1 seit dem 1. August 2019 Grundsicherungsleistungen und die Klägerin zu 2 seit dem 1. Januar 2020 Grundsicherungsleistungen wegen voller Erwerbsminderung erhalte. Die Deutsche Rentenversicherung Bund habe mit Bescheid vom 13. Januar 2020 festgestellt, dass die Klägerin zu 2 seit dem 30. November 2018 voll erwerbsgemindert sei.
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Nach Anhörung der Kläger stellte das Landratsamt Y mit Bescheid vom 27. Oktober 2020 fest, dass die Kläger ihr Recht auf Freizügigkeit verloren haben und forderte sie auf, binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids, im Falle der Klageerhebung binnen eines Monats nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen. Widrigenfalls wurde die Abschiebung nach Griechenland angedroht.
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Zur Begründung wird ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Verlustfeststellung sei § 5 Abs. 4 FreizügG/EU. Die Verlustfeststellung sei möglich, weil sich die Kläger nicht auf einen fünfjährigen ununterbrochenen Voraufenthalt berufen könnten. Der Voraufenthalt vom 15. Januar 2013 bis zur Abmeldung von Amts wegen am 31. Mai 2016 sei kürzer als fünf Jahre gewesen. Der Auslandsaufenthalt der Kläger vor der Wiedereinreise im Jahr 2017 sei auch nicht gemäß § 4a Abs. 6 FreizügG/EU unbeachtlich. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts vor Ablauf von fünf Jahren gemäß § 4a Abs. 2 FreizügG/EU lägen ebenfalls nicht vor. Die Kläger erfüllten die Freizügigkeitsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU nicht. Sie seien nicht erwerbstätig und verfügten auch nicht über ausreichende Existenzmittel, sodass sie auf Mittel nach dem SGB XII angewiesen seien. Eine Unterhaltsgewährung durch ihren im Bundesgebiet lebenden Sohn sei mangels dessen finanzieller Leistungsfähigkeit ebenfalls nicht gewährleistet. Die Verlustfeststellung entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Bei weiterem Aufenthalt im Bundesgebiet sei von der dauernden Inanspruchnahme von Sozialleistungen auszugehen. Den Klägern sei die Rückkehr nach Griechenland zuzumuten, zumal sie ihr bisheriges Leben bis zum Jahr 2013 dort verbracht hätten.
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Gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2020 ließen die Kläger am 26. November 2020 Klage erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Landratsamts Y vom 27. Oktober 2020, Gz.: …, aufzuheben.
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Zugleich beantragten sie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Kläger hätten seit 15. Januar 2013 ihren ständigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland. Die Abwesenheit in den Jahren 2016 und 2017 sei nur vorübergehend gewesen und habe auf dem plötzlichen und unerwarteten Versterben des Vaters sowie des Bruders der Klägerin zu 2 beruht. Die Kläger seien deswegen zur Regelung von Nachlass- und Familienangelegenheiten vorübergehend nach Griechenland ausgereist und bereits im April 2017 wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Gemäß §§ 5 Abs. 4 Satz 2, 4a Abs. 6 FreizügG/EU hindere diese nicht länger als zwölf Monate andauernde Abwesenheit das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts nicht. Die Kläger mögen zwar unter Verstoß gegen das Melderecht versäumt haben, sich rechtzeitig umzumelden, hielten sich aber nachweislich bereits seit April 2017 wieder in Deutschland auf. Zudem hätten sich die Kläger bereits am 15. Juni 2013 unter der Adresse F-Straße in Br. angemeldet. Dieser Wohnsitz sei nie abgemeldet worden. Auch während ihrer Auslandsabwesenheit 2016/2017 seien die Kläger bereits nach 40 Tagen wieder nach Deutschland zurückgereist und hätten sich eine Zeit lang an ihrem Wohnsitz in der F-Straße in Br. aufgehalten, bevor sie dann erneut nach Griechenland gereist seien.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung führt er aus: Die Kläger seien zum 31. Mai 2016 unter ihrer letzten Meldeadresse in Br. von Amts wegen abgemeldet worden. Die Abmeldung von Amts wegen sei aufgrund einer Mitteilung des Vermieters erfolgt. Bei solchen Mitteilungen werde als Auszugsdatum im Melderegister üblicherweise das Ende des Mietvertrags eingetragen. Tatsächlich sei von einem deutlich früheren Wegzug aus Deutschland auszugehen. Der Sohn der Kläger, der Mieter der Wohnung in der O-Straße in Br. gewesen sei, habe sich bereits zum 1. März 2016 von Br. nach X im Landkreis Y umgemeldet. Nach den Umständen sei daher davon auszugehen, dass sich die Kläger deutlich länger als zwölf Monate in Griechenland aufgehalten hätten. Selbst wenn man dies anders sehe, so liege jedenfalls kein wichtiger Grund für die Abwesenheit im Sinne des § 4a Abs. 6 Nr. 3 FreizügG/EU vor. Eine derart lange Abwesenheit zur Regelung von Nachlass- und Familienangelegenheiten sei nicht plausibel. Der Hinweis der Kläger auf den Wohnsitz in der F-Straße in Br. gehe fehl, weil dieser bereits zum 13. September 2015 wieder aufgegeben worden sei. Im Rahmen Ihrer Anmeldung bei der Stadt P. hätten die Kläger im Übrigen angegeben, bereits zum 31. Dezember 2015 aus Br. weggezogen zu sein.
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Mit Beschluss vom 3. August 2021 bewilligte das Gericht den Klägern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten einschließlich der beigezogenen Sozialleistungsakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. April 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Der Beklagte hat die Verlustfeststellung in rechtmäßiger Weise auf § 5 Abs. 4 FreizügG/EU gestützt. Die Kläger sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 - 1 C 22/14 - NVwZ-RR 2015, 910/911 Rn. 11) nicht freizügigkeitsberechtigt. Sie sind nicht als Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts gem. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt (1.). Sie sind auch nicht als Familienangehörige gem. § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. d FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, weil es an einer hinreichenden Unterhaltsgewährung durch ihre Verwandten fehlt (2.). Ebenso wenig können sich die Kläger auf das Freizügigkeitsrecht für nicht erwerbstätige Unionsbürger gem. § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU berufen, weil sie nicht über ausreichende Existenzmittel i.S.d. § 4 Satz 1 FreizügG/EU verfügen (3.). Schließlich lässt die auf § 5 Abs. 4 FreizügG/EU gestützte Verlustfeststellung keine gerichtlich überprüfbaren Ermessensfehler erkennen (4.).
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1. Die Kläger haben kein Daueraufenthaltsrecht i.S.v. § 4a FreizügG/EU erworben. Die Kammer konnte sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugen, dass sich die Kläger rein tatsächlich fünf Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben. Die verbleibenden Zweifel und Unklarheiten wirken sich zulasten der Kläger aus (1.1.). Doch auch dann, wenn man alle nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens verbleibenden Zweifel und Widersprüche zugunsten der Kläger gewichtete und von einem ununterbrochenen, mindestens fünfjährigen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet ausginge, weist der Aufenthalt nicht die erforderliche rechtliche Qualität i.S.v. § 4a Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU („ständig rechtmäßig“) auf (1.2.). Die Klägerin zu 2 hat ein Daueraufenthaltsrecht auch nicht vorzeitig wegen voller Erwerbsminderung gem. § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b erlangt, so dass auch hinsichtlich des Klägers zu 1 keine Grundlage für einen vorzeitigen, abgeleiteten Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 4 FreizügG/EU besteht (1.3.).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob sich die Kläger mindestens fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, ist der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom 27. Oktober 2020. Zwar ist für die Freizügigkeitsberechtigung, wie oben ausgeführt, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen. Für die Frage, ob eine Verlustfeststellung auf der Grundlage des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU noch möglich ist, folgt aus dem materiellen Recht jedoch, dass der Zeitpunkt des Bescheidserlasses maßgeblich ist. Denn die behördliche Befugnis zur Verlustfeststellung erlischt grundsätzlich mit der Entstehung des Daueraufenthaltsrechts. Ist im Zeitpunkt des Bescheidserlasses noch kein Daueraufenthaltsrecht entstanden, entfällt die Rechtmäßigkeit des weiteren Aufenthalts bereits mit der Bekanntgabe der Verlustfeststellung. Deswegen kann der Unionsbürger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr allein durch den weiteren Aufenthalt und die auf dem Unionsbürgerstatus beruhende Freizügigkeitsvermutung in den Status eines Daueraufenthaltsberechtigten hineinwachsen (BayVGH, U.v. 18.7.2017 - 10 B 17.339 - juris Rn. 25 ff.; bestätigt durch BVerwG, B.v. 7.12.2017 - 1 B 142.17 - juris Rn. 5).
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1.1. Die Kammer konnte sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugen, dass sich die Kläger für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren ununterbrochen bzw. lediglich mit gem. § 4a Abs. 6 FreizügG/EU unbeachtlichen Unterbrechungen im Bundesgebiet aufgehalten haben.
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Gem. § 108 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten wirken jedoch hierbei mit. Letzteres gilt in besonderem Maße für Umstände, die in der Sphäre eines Beteiligten liegen (BVerwG, B.v. 16.2.1995 - 1 B 205/93 - NVwZ 1995, 473/475; Bamberger in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 86 Rn. 23). Ein Unionsbürger, der ein Daueraufenthaltsrecht geltend macht, ist verpflichtet, den Nachweis zu führen, dass die anrechnungsfähigen Aufenthaltszeiten erfüllt wurden. Dies gilt zum einen für den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet und zum anderen für das durchgängige Vorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen als materielle Anforderung für die Anrechnungsfähigkeit von Aufenthaltszeiten (Dienelt in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 4a FreizügG/EU Rn. 9).
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Trotz des erheblichen vom Gericht - im vorbereitenden Verfahren und im Rahmen der umfangreichen Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung - betriebenen Aufklärungsaufwands konnte ein ununterbrochener tatsächlicher Aufenthalt der Kläger über mindestens fünf Jahre nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden. Das Gesamtergebnis des Verfahrens bleibt in diesem Punkt von Unklarheiten und Widersprüchen gekennzeichnet, die sich nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast zu Lasten der Kläger auswirken. Im Einzelnen:
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Das Gericht hat umfangreiche Ermittlungen angestellt. Zunächst wurden die Kläger mit insgesamt vier richterlichen Aufklärungsschreiben vom 4. August 2021, vom 22. September 2021, vom 18. November 2021 und vom 17. März 2022, letzteres verbunden mit einer Fristsetzung nach § 87b VwGO, aufgefordert, ihre Aufenthaltssituation im Bundesgebiet seit 2013 darzulegen und zu belegen. Das Gericht hat zudem die Hausverwaltungen der von den Klägern angegebenen Wohnungen in Br. kontaktiert und Auskünfte von Meldebehörden eingeholt. Schließlich wurden in der mündlichen Verhandlung insgesamt vier von den Klägern benannte Zeugen vernommen.
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Für ihre zentrale Behauptung, dass sie ihren Wohnsitz mindestens seit 2013 fortlaufend im Bundesgebiet hätten und im Jahr 2016 nur für kurzfristige Aufenthalte in Griechenland unter Beibehaltung ihres Wohnsitz in Deutschland ausgereist seien, haben die Kläger trotz wiederholter gerichtlicher Aufforderung zur Vorlage von objektiv nachvollziehbaren und nachprüfbaren Unterlagen - und gerichtlicher Hinweise, welche Unterlagen zum Nachweis geeignet erscheinen - letztlich nichts Brauchbares vorgelegt. Die vorgelegten Dokumente betreffen entweder nicht den fraglichen Zeitraum zwischen Anfang 2016 und Juni 2017 oder sagen nichts über einen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet aus.
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Im Ausgangspunkt festzuhalten ist zunächst, dass die Kläger vom 1. Juni 2016 bis zum 31. Mai 2017 nicht mit einer Wohnung im Bundesgebiet gemeldet waren. Mit dem Landratsamt kann zudem davon ausgegangen werden, dass die Kläger bereits vor dem 31. Mai 2016 aus Br. weggezogen sind: Die Meldebehörde der Stadt Br. hat die Kläger zum letztgenannten Datum von Amts wegen abgemeldet, weil eine tatsächliche Wohnung in Br. nicht mehr festgestellt werden konnte. Dies rechtfertigt die Annahme, dass die Kläger bereits zuvor aus Br. weggezogen sind. Festzustellen ist auch, dass der Versicherungsverlauf der Klägerin zu 2 bei der Deutschen Rentenversicherung (Bl. 233 d.A.) zwischen Juni 2015 und Juli 2017 keinerlei Eintragungen enthält und damit einen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet im oben genannten fraglichen Zeitraum nicht belegen kann.
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Alle weiteren im vorbereitenden Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Aspekte, die den ununterbrochenen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet belegen sollen, sind letztlich von Unklarheiten und objektiv nicht nachprüfbaren Behauptungen gekennzeichnet. Die Kammer hat insofern durchaus den Eindruck gewonnen, dass dies nicht an mangelnder anwaltlicher Sorgfalt des in der mündlichen Verhandlung besonnen agierenden Klägerbevollmächtigten, sondern an den Informationen und Unterlagen, welche dieser von den Klägern (nicht) erhalten hat, liegt. Allein die insofern offenbar bestehenden Verständnis- und Kommunikationsschwierigkeiten können die Kläger, die einen durchgängigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens 2013 behaupten, jedoch nicht entlasten. Von den Klägern wurden keine komplexen rechtlichen Darlegungen verlangt, sondern ein nachvollziehbarer Vortrag zu einem einfach gelagerten Sachverhalt, nämlich dazu, wann sie wo im Bundesgebiet wohnten. Die Kläger waren dabei - auch vor der mündlichen Verhandlung, in der sie sich durchgehend mithilfe eines Dolmetschers äußern konnten - nicht auf sich allein gestellt. Die Kläger halten sich nicht alleine, sondern mit ihren Kindern, Enkeln und weiteren Verwandten, die ebenfalls bereits jahrelang in Deutschland leben, im Bundesgebiet auf.
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Im Einzelnen ist zunächst festzustellen, dass sich der Vortrag der Kläger zu ihrem tatsächlichen Aufenthalt in der mündlichen Verhandlung und die diesbezüglichen Aussagen der als Zeugen vernommenen Familienmitglieder in den wesentlichen Punkten in Widerspruch zum vorangegangenen schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerseite setzen. Durchgehende Behauptung der Kläger vor der mündlichen Verhandlung war, dass sie in Br. gewohnt hätten, bis sie im Jahr 2017 in den Landkreis Y gezogen seien. Dementsprechend haben die Kläger auch schriftsätzlich ausführen lassen, dass sie von Br. aus vorübergehend nach Griechenland ausgereist seien (vgl. nur Schriftsatz vom 31.3.2021; Bl. 41 ff. d.A., wo nach „nochmaliger Erörterung“ des Sachverhalts mit den Klägern näher zum tatsächlichen Aufenthalt ausgeführt wurde). Die Kläger haben Unterlagen vorlegen lassen, die zeigen sollten, dass sie ihre Br. Wohnung in der F-Straße im Jahr 2016 beibehalten hätten (vgl. nur Schriftsatz vom 20.9.2021, Bl. 73 ff. d.A.). Auch gegenüber dem Landratsamt Y hatten sie in einem Sozialhilfeantrag vom 18. Oktober 2018 bei der Frage, wann und woher sie zugezogen seien, angegeben: „5/17, Br.“ (Formular unter Bl. 2R, Rn. 133 der in der beigezogenen Sozialleistungsakte enthaltenen Vorakte „Ablehnung wegen fehlender Mitwirkung“). Dementsprechend war die behauptete Beibehaltung der Wohnung in Br. im Jahr 2016 auch Gegenstand der gerichtlichen Aufklärungsmaßnahmen im vorbereitenden Verfahren. Auch in der mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin zu 2 zunächst noch behauptet, bis 2016 in der F-Straße gewohnt zu haben (S. 3 der Sitzungsniederschrift). Für diesen Vortrag hat sich nicht der geringste Beleg ergeben. Vielmehr steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger nach September 2015 nicht mehr in der F-Straße in Br. gewohnt haben, wie dies auch im Melderegister der Stadt Br. erfasst ist. Bereits vor der mündlichen Verhandlung hat das Gericht ermittelt, dass die Kläger (wie auch ihr Sohn) der Hausverwaltung des Anwesens F-Straße nicht als Mieter bekannt sind. Zweifelsfrei hat zudem die Vernehmung der Zeugin … in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass die Kläger in der Wohnung der Zeugin in der F-Straße ein Zimmer bewohnt hatten, bevor die Zeugin dann bereits im September 2015 aus Br. wegzog. Die Zeugin … war daher nicht die „Nachbarin“ der Kläger, wie dies die Klägerseite schriftsätzlich ausgeführt hat, sondern die Zeugin stellte den Klägern kostenfrei ein Zimmer in ihrer eigenen Wohnung zur Verfügung. Am Wahrheitsgehalt der Angaben der Zeugin … bestehen nach Überzeugung des Gerichts keinerlei Zweifel. Die Zeugin konnte die gerichtlichen Fragen nachvollziehbar und präzise beantworten. Ihre Aussagen stimmen mit den Melderegisterdaten und den vorgelegten Unterlagen über das Mietverhältnis der Zeugin in der F-Straße (Bl. 103 ff. d.A.) überein. Zur Frage des Aufenthalts der Kläger in Br. nach September 2015 konnte die Zeugin - ebenfalls nachvollziehbar - keine Angaben machen, weil sie nach N. in … umgezogen war.
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Es steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die nach September 2015 in Br. von den Klägern bewohnte Wohnung nur diejenige sein kann, die der Sohn der Kläger in der O-Straße gemietet hatte. Dort hatte die Meldebehörde die Kläger zum 31. Mai 2016 von Amts wegen abgemeldet. In Bezug auf diese Wohnung haben die Kläger und ihre als Zeugen vernommenen Angehörigen nun in der mündlichen Verhandlung - im Widerspruch zum schriftsätzlichen Vorbringen - vorgebracht, dass man von dort bereits Ende 2015 oder im Jahr 2016 nach X im Landkreis Y weggezogen sei. Von dem Wohnsitz in X seien die Kläger dann im Jahr 2017 in die im Melderegister ab 1. Juni 2017 erfasste Wohnung in der … in P. umgezogen. Zunächst hatte die Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung allerdings noch angegeben, dass sie „2017 nach X“ gezogen seien (S. 3 der Sitzungsniederschrift), später dann aber das Jahr 2016 genannt (S. 6 der Sitzungsniederschrift). Abgesehen davon, dass für das Gericht - auch unter Berücksichtigung von Verständigungsschwierigkeiten - nicht nachvollziehbar ist, weshalb der schriftsätzliche Vortrag so wesentlich von den Angaben in der mündlichen Verhandlung abweicht, ergab die mündliche Verhandlung und insbesondere die Beweisaufnahme kein hinreichend klares Bild hinsichtlich des Zeitpunkts des Umzugs nach X. Die zunächst vernommene Zeugin … (Schwiegertochter der Kläger) gab an, dass sie selbst im Februar 2016 von Br. nach X gezogen und ihr Ehemann (der Sohn der Kläger) im Mai 2016 zusammen mit den Klägern nachgekommen sei. Ersteres (Umzug im Februar 2016) deckt sich mit der Erfassung im Melderegister der Stadt X, wo ein Zuzug der Zeugin zum 24. Februar 2016 erfasst ist (Bl. 57R d.A.) und auch mit den Angaben des Zeugen … bei seiner Vernehmung. Der Sohn der Kläger hatte sich nach den vorliegenden Melderegisterdaten allerdings bereits zum 1. März 2016 - nach X umgemeldet (Bl. 56 d.A.). Bereits ab diesem Zeitpunkt war für den Sohn der Kläger im Melderegister X als einziger Wohnort im Bundesgebiet erfasst. Bei seiner Zeugenvernehmung gab der Sohn dann aber an, dass er nur bis 2015 in Br. gewohnt habe und dementsprechend auch mit seinen Eltern im Jahr 2015 von Br. in den Landkreis Y gezogen sei. Dies bestätigte er auf gerichtliche Nachfrage nochmals (S. 15 der Sitzungsniederschrift). Erst auf Vorhalt der Aussage der Zeugin … durch den Klägerbevollmächtigten gab der Zeuge … dann an, dass er sich nicht genau erinnern könne und der Umzug auch Anfang 2016 gewesen sein könnte (S. 16 der Sitzungsniederschrift). Auf nochmalige gerichtliche Nachfrage, ob er sich denn an die Jahreszeit erinnern könne, als er von Br. nach X gezogen sei, gab der Zeuge an, dass es „ungefähr Winter“ gewesen sei (S. 16 der Sitzungsniederschrift).
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Warum die Kläger dann für einen nach ihrem Vortrag bzw. den Angaben ihrer Familienmitglieder mehr als ein Jahr andauernden Aufenthalt in X nicht melderechtlich erfasst waren, konnten weder die Schwiegertochter noch der Sohn der Kläger auf gerichtliche Nachfrage nachvollziehbar erklären. Allenfalls der Aussage des Zeugen … lässt sich bei wohlwollender Würdigung der Aussage zugunsten der Kläger die Erklärung entnehmen, dass die Anmeldung an der fehlenden Zustimmung des Vermieters des Zeugen … - gemeint wohl die Wohnungsgeberbescheinigung nach § 19 Bundesmeldegesetz -, wohl wegen einer nach Auffassung des Vermieters bestehenden Überbelegung des Wohnraums, scheiterte. Allerdings hatte die Klägerin zu 2 selbst bei ihrer Anmeldung bei der Stadt P. am 14. Juni 2017 einen Meldeschein unterschrieben, wo ein Zuzug aus Griechenland (und als letzte Inlandswohnung bis 31. Dezember 2015 die O-Straße in Br.) festgehalten ist (Bl. 46 d.A.). Plausibel erscheint insofern nur, dass diese Angaben von den Klägern selbst stammen. Denn im Melderegister wurden die Kläger vor der Anmeldung bei der Stadt P. als nach unbekannt verzogen geführt, und dies nicht zum 31. Dezember 2015, sondern zum 31. Mai 2016 (Abmeldung von Amts wegen durch die Stadt Br.).
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Hinsichtlich des Auslandsaufenthalts in Griechenland ist zugunsten der Kläger festzustellen, dass die Klägerin zu 2, ihr Sohn und ihre Schwiegertochter in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend von einem Abwesenheitszeitraum von vier bis sechs Monaten gesprochen haben. Der Zeuge …, der den Klägern nach ihrem Vorbringen Unterkunft in von ihm angemieteten Räumlichkeiten in X gewährte hatte und dessen Aussage für das Gericht von den vernommenen Verwandten insgesamt am besten nachvollziehbar war, konnte hingegen keine Angaben zum Abwesenheitszeitraum machen. Unklar bleibt insofern in jedem Fall, weshalb die Kläger nach den Angaben der Zeugen ausgereist sein sollen, weil sie sich nicht in X anmelden hätten können und man für sie eine andere Wohnung habe suchen müssen, die Kläger dann aber nicht in Griechenland blieben, bis sie in die P. Wohnung zogen, sondern nach dem Griechenland-Aufenthalt wieder nach X zurückgekehrt sein sollen. Bei ihrer Befragung in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 2 zudem angegeben, dass sie nach vier Monaten aus Griechenland zurückgekommen sei, als der Sohn die Wohnung in P. für sie gefunden habe (S. 7 der Sitzungsniederschrift). Zwischen der behaupteten Ausreise nach Griechenland im Sommer 2016 und dem bei der Anmeldung bei der Stadt P. angegebenen Bezug der P. Wohnung zum 1. Juni 2017 (Bl. 46 d.A.) liegen jedenfalls deutlich mehr als vier Monate. Auffällig ist zudem, dass die Klägerseite vor der mündlichen Verhandlung von mehreren Aufenthalten in Griechenland gesprochen hat, während in der mündlichen Verhandlung nur noch von einem Aufenthalt in Griechenland die Rede war: Im Schriftsatz vom 31. März 2021 wurde konkret vorgebracht, dass die Kläger zunächst für einen Aufenthalt von 40 Tagen ab Juni 2016 nach Griechenland ausgereist seien, bevor sie dann nochmals (von Br. aus) nach Griechenland gereist seien (Bl. 43 d.A.).
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Letztlich ist festzuhalten, dass der im Melderegister dokumentierten Aufenthaltslücke von einem Jahr nur die Angaben der Kläger und der als Zeugen vernommenen Familienangehörigen, deren Interesse am Obsiegen der Kläger im vorliegenden Verfahren auf der Hand liegt, gegenüberstehen. Berücksichtigt man, dass die Melderegisterlücke auf einer Abmeldung von Amts wegen in Br. beruhte, war der Aufenthalt der Kläger für länger als ein Jahr nicht behördlich erfasst. Die Kläger waren in dieser Zeit nicht nur für die Ausländerbehörde, sondern auch für andere Behörden nicht greifbar. Nach Überzeugung des Gerichts ist es nicht gerechtfertigt, nach Ausschöpfung bestehender Aufklärungsmöglichkeiten alle verbleibenden Unklarheiten zugunsten der Kläger zu gewichten. Den nach den obigen Ausführungen für die im Rahmen des Daueraufenthaltsrechts anrechenbaren Aufenthaltszeiten nachweispflichtigen Klägern wurde im vorliegenden Verfahren jede Gelegenheit gegeben, ihre Aufenthaltssituation darzulegen und zu belegen.
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1.2. Doch selbst dann, wenn man alle im Laufe des Verfahrens zutage getretenen Unklarheiten und Widersprüche zugunsten der Kläger außer Betracht lässt und aufgrund der Zeugenaussagen davon ausgeht, dass die Kläger sich seit mindestens 2013 dauerhaft und nur durch gem. § 4a Abs. 6 FreizügG/EU unbeachtliche Auslandsaufenthalte unterbrochen im Bundesgebiet aufhalten, so fehlt es jedenfalls an einem mindestens fünfjährigen ständigen „rechtmäßigen“ Aufenthalt i.S.v. §§ 5 Abs. 4, 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass für das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts nicht der rein tatsächliche Aufenthalt ausreicht, sondern dass der Unionsbürger auch über den gesamten Zeitraum von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 und 3 FreizügG/EU erfüllt haben muss (BVerwG, U.v. 31.5.2012 - 10 C 8/12 - NVwZ-RR 2012, 821; U.v. 16.7.2015 - 1 C 22/14 - NVwZ-RR 2015, 910). Dies trifft auf die Kläger nicht zu:
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1.2.1. Eine Freizügigkeitsberechtigung für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Der Kläger zu 1 war im Bundesgebiet nie erwerbstätig. Für ihn wurde kein Versicherungsverlauf eines Sozialversicherungsträgers vorgelegt. Ab dem 1. August 2019 gewährte ihm das Landratsamt Y Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII (vgl. Bl. 240 der beigezogenen Sozialleistungsakte), bis das Landratsamt diese Leistungen zum Ende November 2020 wegen der streitgegenständlichen Verlustfeststellung einstellte.
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Die Klägerin zu 2 hat letztlich nur während eines geringen Bruchteils ihres tatsächlichen Aufenthalts im Bundesgebiet gearbeitet. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen, insbesondere des Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung (Bl. 233 d.A.), war die Klägerin zu 2 von April 2013 bis Ende 2014 geringfügig beschäftigt, bevor sie dann anschließend Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II) bis Ende Juni 2015 bezog. Auf die Fortwirkung ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Beendigung der bis Ende 2014 ausgeübten Erwerbstätigkeit aufgrund des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU kann sich die Klägerin zu 2 nicht berufen. Es fehlt bereits an der insofern konstitutiv wirkenden (vgl. BSG, U.v. 13.7.2017 - B 4 AS 17/16 R - juris Rn. 34; Tewocht in BeckOK AuslR, Stand 1.1.2022, § 2 FreizügG/EU Rn. 51; Gerstner-Heck in BeckOK MigR, Stand 15.11.2022, § 2 FreizügG/EU Rn. 28) Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit über die unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Im Übrigen ist auch nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sich die Klägerin zu 2 nach Beendigung des vorgenannten Arbeitsverhältnisses überhaupt auf Arbeitssuche befand bzw. konkrete Anstrengungen unternommen hat, eine neue Beschäftigung zu finden. Nachfolgend weist der Versicherungsverlauf die bereits oben genannte Lücke bis einschließlich Juni 2017 auf. Ab dem 1. Juli 2017 ist für die Klägerin zu 2 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (Küchenhilfe im Restaurant ihres Sohnes) erfasst, zu der augenscheinlich ab 1. Juni 2018 ergänzend Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II) bezogen wurden. Den genauen Zeitraum bzw. Umfang des Sozialleistungsbezugs hat die Klägerseite trotz gerichtlicher Aufforderung, auch unter Fristsetzung nach § 87b VwGO, nicht dargelegt. Darüber hinaus wurde in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass die Klägerin zu 2 im Restaurant ihres Sohnes tatsächlich nur wenige Monate - hier war von drei bis vier Monaten die Rede - gearbeitet hatte, bevor sie krankheitsbedingt nicht mehr arbeitete. Im Jahr 2019 bezog die Klägerin zu 2 augenscheinlich Arbeitslosengeld II, bevor ihr dann ab 1. Januar 2020 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII gewährt wurden, bis das Landratsamt diese Leistungen zum Ende November 2020 wegen der streitgegenständlichen Verlustfeststellung einstellte.
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Bereits im Jahr 2018 hatten die Kläger im Übrigen Leistungen nach dem SGB XII beantragt, welche das Landratsamt Y jedoch wegen fehlender Mitwirkung der Kläger mit Bescheid vom 11. Februar 2019 abgelehnt hatte (siehe Vorakte vor Bl. 1 der beigezogenen Sozialleistungsakte).
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1.2.2. Die Kläger waren auch nicht als Familienangehörige gem. § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. d FreizügG/EU über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren bzw. in dem nicht durch die Erwerbstätigkeit der Klägerin zu 2 abgedeckten Restzeitraum freizügigkeitsberechtigt. Voraussetzung hierfür wäre gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. d FreizügG/EU, dass den Klägern als Verwandten gerade aufsteigender Linie durch die in dieser Norm genannten Angehörigen Unterhalt gewährt worden wäre. Eine Unterhaltsgewährung in diesem Sinne liegt vor, wenn eine fortgesetzte und regelmäßige Unterstützung in einem Umfang erfolgt, der es ermöglicht, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts regelmäßig zu decken (BVerwG, U.v. 16.7.2015 - 1 C 22/14 - NVwZ-RR 2015, 910/911 Rn. 24 m. Nachweisen zur Rspr. des EuGH; Tewocht in BeckOK AuslR, § 1 FreizügG/EU Rn. 47). Der Bezug von Sozialleistungen allein ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kein ausreichendes Indiz gegen eine tatsächliche Unterhaltsgewährung (EuGH, U.v. 18.6.1987 - 316/85 - BeckRS 2004, 70746 Rn. 20). Umstritten ist, ob der Unterhalt auch bereits während des Aufenthalts des Unionsbürgers im Herkunftsland gewährt worden sein muss (bejahend LSG Berlin-Bbg, U.v. 11.7.2019 - L 15 SO 181/18 - juris Rn. 47; Dienelt in Bergmann/Dienelt, § 3 FreizügG/EU Rn. 67 unter Verweis auf die Rspr. des EuGH; tendenziell ablehnend: Hailbronner in Hailbronner, AuslR, Stand Dez. 2021, § 1 FreizügG/EU Rn. 92). Gegen eine Unterhaltsgewährung bereits während des früheren Aufenthalts der Kläger in Griechenland spricht im vorliegenden Fall überwiegend die Angabe der Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung, dass sie und ihr Ehemann in Griechenland nicht durch ihre Kinder unterstützt werden hätten müssen, weil sie erwerbstätig gewesen seien. Die Streitfrage bedarf jedoch letztlich keiner weiteren Vertiefung, weil nach Überzeugung der Kammer jedenfalls während des Aufenthalts der Kläger im Bundesgebiet keine den freizügigkeitsrechtlichen Anforderungen genügende Unterhaltsgewährung erfolgte:
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Aussagekräftige Unterlagen über eine regelmäßige und fortgesetzte Unterstützung durch ihre Angehörigen i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. d FreizügG/EU im Zeitraum vor dem Erlass des streitgegenständlichen Verlustfeststellungsbescheids haben die Kläger trotz expliziter gerichtlicher Aufforderung nicht beigebracht. Die Kammer hat insgesamt den Eindruck gewonnen, dass die Kläger seit der erstmaligen Begründung ihres Aufenthalts im Bundesgebiet ihren Lebensunterhalt, soweit er nicht durch Sozialleistungen und (geringfügig) durch Erwerbseinkommen gedeckt war, nur durch freiwillige Zuwendungen von verschiedenster Seite decken konnten und in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen lebten (und leben). Eine verlässliche, regelmäßige und fortgesetzte Deckung jedenfalls eines nicht unwesentlichen Teils des Lebensbedarfs gerade durch Verwandte der Kläger in gerader Linie bzw. durch die Schwiegertochter war hingegen nicht feststellbar. Die Kammer stellt klar, dass sie in der mündlichen Verhandlung durchaus den Eindruck gewonnen hat, dass dies nicht an fehlenden Bemühungen der Familienangehörigen liegt. Diese haben vielmehr nachvollziehbar geschildert, welche Anstrengungen sie unternommen haben, um das Leben der Kläger im Bundesgebiet irgendwie zu finanzieren.
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In Br. wohnten die Kläger überwiegend in einem von der Zeugin … kostenlos zur Verfügung gestellten Zimmer, phasenweise auch in der von ihrem Sohn angemieteten Wohnung, welche dieser mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bewohnte. Die Verköstigung der Kläger wurde in dieser Zeit offenbar überwiegend durch Mahlzeiten, die die Zeugin … oder der Sohn der Kläger kostenlos von ihren Arbeitsstätten (Gastronomie bzw. Rotes Kreuz) mit nach Hause nehmen durften, bewerkstelligt. Eine verlässliche und fortgesetzte Zuwendung einer darüber hinausgehenden Unterstützung durch die Kinder, zum Beispiel in Form eines bestimmten Geldbetrages zur zumindest teilweisen Deckung des Lebensbedarfs, ist nicht dargetan. Hinzu kommt, dass in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, dass der Sohn und die Schwiegertochter der Kläger bereits während des Aufenthalts in Br. selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren, insbesondere Probleme hatten, eine Arbeitsstelle zu finden, was letztlich der Grund dafür war, in den Landkreis Y zu ziehen und dort in wirtschaftlicher Sicht einen Neuanfang zu versuchen.
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Nach dem Umzug in den Landkreis Y hat sich die wirtschaftliche Situation der Kläger nicht wesentlich verbessert. Soweit man zu ihren Gunsten einen längeren Aufenthalt der Kläger in X unterstellt, wurde ihnen in dieser Zeit kostenlose Unterkunft durch den Bruder ihrer Schwiegertochter (Zeuge …*) gewährt. Die Verköstigung erfolgte offenbar mit kostenlosen Mahlzeiten aus dem Restaurant des Zeugen … Auch nach dem Umzug nach P. war die wirtschaftliche Situation weiterhin prekär, so dass man sich schließlich veranlasst sah, Grundsicherungsleistungen für die Kläger beim Landratsamt Y zur Deckung des Lebensunterhalts in voller Höhe zu beantragen. Die Miete für die P. Wohnung wurde durch den Sohn und die Schwiegertochter aufgebracht, soweit sie nicht durch Sozialleistungsträger getragen wurde. Schließlich geriet aber auch die Familie des Sohnes, welcher sein in P. betriebenes Restaurant aufgeben musste, in wirtschaftliche Schieflage, so dass die Familie selbst Sozialleistungen beziehen musste.
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Insgesamt ist für das Gericht sehr deutlich der Eindruck entstanden, dass die Kläger und ihre Familienangehörigen in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen unter erheblichen Anstrengungen „aus einem Topf“ wirtschafteten, um irgendwie die dringendsten Lebensbedürfnisse der Kläger decken zu können. Nicht nur die Kinder der Kläger, sondern auch weitere Verwandte wie der Zeuge … beteiligten sich mit dem, was sie irgendwie entbehren konnten. Eine regelmäßige und fortgesetzte Deckung jedenfalls eines Teils des Lebensunterhalts gerade durch die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. d FreizügG/EU genannten Angehörigen über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren oder jedenfalls für die nicht durch die Erwerbstätigkeit der Klägerin zu 2 abgedeckten Zeiten steht hingegen nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Hinzu kommt, dass trotz expliziter gerichtlicher Aufforderung (gerichtliches Schreiben vom 17.3.2022, mit Fristsetzung nach § 87b VwGO) die Leistungsfähigkeit der Kinder bzw. Schwiegertochter der Kläger, welche eine tatsächliche kontinuierliche Unterhaltsgewährung plausibel erscheinen ließe, nicht dargelegt und nachgewiesen wurde. Allen Anhaltspunkten nach arbeiteten und arbeiten der Sohn und die Schwiegertochter der Kläger in geringqualifizierten Arbeitsstellen. Sie sind darüber hinaus unterhaltspflichtig für ihre drei Kinder. In Bezug auf die erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte Tochter der Kläger, die zuletzt für die Krankenversicherungsbeiträge aufkam, fehlt es an jeder Angabe zu deren Leistungsfähigkeit.
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1.3. Die Klägerin zu 2 hat auch nicht vorzeitig ein Daueraufenthaltsrecht gem. § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FreizügG/EU erworben, welches dem Kläger zu 1 selbst über § 4a Abs. 4 FreizügG/EU ein abgeleitetes Daueraufenthaltsrecht vermitteln könnte. Nach den bei den Akten befindlichen Dokumenten ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin zu 2 die Erwerbstätigkeit „infolge“ einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben hat. Zwar hat die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid vom 13. Januar 2020 zum 30. November 2018 eine volle Erwerbsminderung der Klägerin zu 2 festgestellt. Die Klägerin zu 2 selbst hat jedoch - auf Frage des Landratsamts nach ihrem Aufenthaltszweck hin - im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 23. September 2020 (Bl. 12 der sie betreffenden Behördenakte) angegeben, dass sie „im Restaurant ihres Sohnes mitgeholfen [habe] bis wegen Corona im März alles geschlossen wurde“. In einem in der beigezogenen Sozialleistungsakte enthaltenen Kündigungsschreiben hat der Sohn der Klägerin zu 2 die zum 31. März 2020 ausgesprochene Kündigung ausschließlich mit der wirtschaftlichen Krise des Restaurants begründet und zudem noch erklärt, dass er die Klägerin zu 2 wieder einstellen würde, wenn es die wirtschaftliche Situation des Betriebs zuließe (Bl. 154 d. Sozialleistungsakte). Von der Aufgabe der Arbeitsstelle wegen Krankheit war dort keine Rede. Doch auch dann, wenn man mit den Angaben der Klägerin zu 2 und den als Zeugen vernommenen Familienangehörigen zugunsten der Klägerseite davon ausgeht, dass die Tätigkeit im Restaurant des Sohnes wegen der krankheitsbedingten vollen Erwerbsminderung aufgegeben wurde, liegen die weiteren Voraussetzungen für den vorzeitigen Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nicht vor. Der Feststellungsbescheid erging zwar erst im Januar 2020, jedoch wurde die Feststellung der vollen Erwerbsminderung der Klägerin zu 2 rückwirkend zum 30. November 2018 ausgesprochen. Maßgeblicher Bezugspunkt für die weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FreizügG/EU, wonach sich der Unionsbürger „zuvor mindestens zwei Jahre ständig im Bundesgebiet aufgehalten haben“ muss, ist daher bereits der 30. November 2018. Zu diesem Zeitpunkt wurde die maßgebliche Feststellung rechtsgültig. Nur wenn an diesen Zeitpunkt der Feststellung der Erwerbsminderung angeknüpft wird, kann der Tatbestand der Aufgabe der Erwerbstätigkeit „infolge“ der Erwerbsminderung überhaupt erfüllt werden (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2017 - 10 B 17.339 - juris Rn. 55). Wird die zweijährige Aufenthaltsdauer erst nach Eintritt der Erwerbsminderung erreicht, sind die Voraussetzungen des § 4a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b FreizügG/EU nicht erfüllt (Hailbronner, AuslR, § 4a FreizügG/EU Rn. 67). Die Anknüpfung an den Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheids der Deutschen Rentenversicherung vom 13. Januar 2020 mit der Konsequenz, dass ab Bescheidserlass zwei Jahre zurückzurechnen wäre und die Klägerin zu 2 dann einen zweijährigen, bei Anwendung der Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU möglicherweise auch rechtmäßigen Voraufenthalt für den vorzeitigen Erwerb des Daueraufenthaltsrechts vorweisen könnte, erscheint der Kammer unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hingegen nicht gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, als es die Klägerseite trotz expliziter gerichtlicher Aufforderung (gerichtliches Schreiben vom 17.3.2022, unter 1.a, zweiter Absatz) versäumt hat, den Feststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung vorzulegen, welcher ggf. weiteren Aufschluss über den Ablauf des Feststellungsverfahren und die Begründung der getroffenen Feststellung hätte geben können. Der Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass auch ihm dieser Bescheid nicht vorliegt. Die Feststellung der Erwerbsminderung war daher nur mittelbar aus anderen vorgelegten Unterlagen ersichtlich.
41
Der vor dem Zeitpunkt der festgestellten Erwerbsminderung liegende zweijährige Aufenthalt muss, ebenso wie der fünfjährige Aufenthalt für den regulären Erwerb des Daueraufenthaltsrechts, rechtmäßig gewesen sein, d.h. der Unionsbürger muss in diesem Zeitraum durchgehend freizügigkeitsberechtigt gewesen sein - wenn auch nicht notwendig aufgrund einer Erwerbstätigkeit (BayVGH, U.v. 18.7.2017 - 10 B 17.339 - juris Rn. 54; Tewocht in BeckOK AuslR, § 4a FreizügG/EU Rn. 31). Einen solchen zweijährigen Voraufenthalt kann die Klägerin zu 2 nicht vorweisen. Hinsichtlich des tatsächlichen Aufenthalts im Bundesgebiet in dem Zweijahreszeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung ist auf die Ausführungen unter 1.1. zu verweisen. Doch auch dann, wenn man entsprechend den Ausführungen oben unter 1.2. zugunsten der Kläger von einem ununterbrochenen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet ausgeht, erfüllte die Klägerin zu 2 die Freizügigkeitsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 und 3 FreizügG/EU nicht durchgehend im maßgeblichen Zweijahreszeitraum. Als Arbeitnehmerin freizügigkeitsberechtigt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) war die Klägerin erst ab Juli 2017. Zuvor weist der Versicherungsverlauf der Klägerin zu 2, wie oben ausgeführt, bereits ab Juni 2015 keinerlei Eintragungen auf. Die Klägerin zu 2 war selbst dann nicht über einen Zeitraum von zwei Jahren als Arbeitsnehmerin freizügigkeitsberechtigt, wenn man im Zeitraum zwischen vorgetragener tatsächlicher Erkrankung und festgestellter voller Erwerbsminderung das arbeitnehmerbezogene Freizügigkeitsrecht gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU als fortbestehend zugrunde legt. Die Klägerin zu 2 war im maßgeblichen Zweijahreszeitraum auch nicht aufgrund anderer Freizügigkeitstatbestände freizügigkeitsberechtigt. Insbesondere greift zu ihren Gunsten nicht die Freizügigkeitsberechtigung für Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU. Auf die Ausführungen zur mangelnden Unterhaltsgewährung im freizügigkeitsrechtlichen Sinn unter 1.2.2 wird verwiesen.
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Die Kläger haben nach alledem kein Daueraufenthaltsrecht erworben und sind daher nicht gem. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt.
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2. Die Kläger sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht als Familienangehörige gem. § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. d FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung konnte keine hinreichende Unterhaltsgewährung im Sinne der oben bereits dargestellten rechtlichen Maßstäbe festgestellt werden. Welche Aufwendungen für den Lebensunterhalt der Kläger aufzubringen sind, wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung, hauptsächlich durch die als Zeugin vernommene Schwiegertochter der Kläger, dargetan. Seit der Einstellung von Grundsicherungsleistungen durch das Landratsamt ist die Familie des Sohnes der Kläger im Wesentlichen für die Miete aufgekommen, während die Krankenversicherungsbeiträge für die freiwillige Versicherung der Kläger bei der AOK augenscheinlich derzeit im Wesentlichen durch die Tochter der Kläger aufgebracht werden. Dass dies nur unter größten Anstrengungen der Familienmitglieder, die über die dafür erforderlichen wirtschaftlichen Ressourcen eigentlich nicht verfügen, möglich war bzw. ist, wurde in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich. Die wirtschaftliche Belastung ist für die Familie des Sohnes des Klägers schwer tragbar, wie auch die Schwiegertochter bei ihrer Zeugenvernehmung angab. Dies ist auch ohne Weiteres nachvollziehbar. Der Sohn und die Schwiegertochter der Kläger arbeiten beide als Reinigungskräfte, der Sohn hat zusätzlich einen Minijob angenommen. Beide sind unterhaltspflichtig für drei Kinder. Hinsichtlich der Mietzahlungen ist aus den vorgelegten Überweisungsbelegen (Bl. 242-247R d.A.) ersichtlich, dass es zu Zahlungsschwierigkeiten kam, da die Miete für die beiden von den Klägern und der Familie des Sohnes der Kläger im selben Haus bewohnten Wohnungen in unregelmäßigen Beträgen überwiesen wurde, also Nachzahlungen für Mietrückstände aus vorangegangenen Monaten erfolgten. Der notwendigste Lebensbedarf der Kläger neben Wohnung und Krankenversicherung wird offenbar einzelfallabhängig von den Kindern der Kläger und von weiteren Verwandten wie dem Zeugen … und auch einer Enkelin der Kläger aufgebracht.
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Neben dieser tatsächlich von den Familienangehörigen wirtschaftlich kaum zu bewältigenden Situation muss nach Überzeugung der Kammer zudem Folgendes berücksichtigt werden: Während das Verfahren insgesamt in tatsächlicher Hinsicht von zahlreichen Unklarheiten und Widersprüchen gekennzeichnet war, ergab sich doch ein sehr klares Bild dahingehend, dass die familiären Zuwendungen an die Kläger letztlich als „Ausfallleistungen“ nur solange gewährt werden, solange die Kläger keine Sozialhilfe erhalten. Sowohl der Sohn als auch die Schwiegertochter haben bei ihrer Aussage unmissverständlich und ohne Zögern angegeben, dass für die Kläger wieder Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anspruch genommen würden, wenn dies rechtlich möglich wäre. Das Gericht verkennt nicht, dass, wie oben ausgeführt, die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als solche allein kein ausreichendes Indiz gegen eine tatsächliche Unterhaltsgewährung ist. Die Gesamtumstände des vorliegenden Falls gehen jedoch darüber hinaus und lassen insgesamt den Schluss zu, dass die derzeit - mangels anderer Alternativen - erbrachten Zuwendungen der Familienangehörigen nur solange aufrechterhalten bleiben, wie den Klägern behördlicherseits Grundsicherungsleistungen versagt werden. Vor diesem Hintergrund verneint die Kammer eine „fortgesetzte und regelmäßige“ Unterhaltsgewährung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Grundsicherungsleistungen wurden von den Klägern auch nicht etwa deswegen nicht mehr bezogen, weil der Lebensunterhalt nun anderweitig bestritten werden könnte. Vielmehr hat die Sozialbehörde die Leistungen ausschließlich aus Rechtsgründen wegen der Verlustfeststellung durch die Ausländerbehörde eingestellt. Dies haben die Kläger mit einem Widerspruch angegriffen, der von der Regierung von … zurückgewiesen wurde. Insgesamt muss daher davon ausgegangen werden, dass die Kläger im Falle des Fortbestehens ihres Freizügigkeitsrechts dauerhaft vollständig oder jedenfalls zur weit überwiegenden Deckung ihres Lebensbedarfs auf Sozialleistungen angewiesen wären.
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3. Die Kläger sind auch nicht als nicht erwerbstätige Unionsbürger gem. § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Die Kläger sind vermögenslos. Sie haben nach ihren Angaben keinen Rentenanspruch gegenüber einem griechischen Leistungsträger. Auch gegenüber einem deutschen Rentenversicherungsträger besteht kein Anspruch. Einen Antrag der Klägerin zu 2 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat die Deutsche Rentenversicherung mangels erforderlicher Wartezeit abgelehnt. Auch etwaige in Betracht kommende Sozialleistungen vermitteln den Klägern im vorliegenden Fall keine ausreichenden Existenzmittel i.S.d. § 4 Satz 1 FreizügG/EU. Es wird nicht verkannt, dass insofern nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht jede, sondern nur die „unangemessene“ Inanspruchnahme von Sozialleistungen schädlich ist (BVerwG, U.v. 16.7.2015 - 1 C 22/14 - NVwZ-RR 2015, 910/911 Rn. 21 m. Nachweisen zur Rspr. des EuGH). Bei Beurteilung der „Unangemessenheit“ ist insbesondere zu prüfen, ob der Betreffende vorübergehende Schwierigkeiten hat und es sind die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände des Betreffenden und der ihm gewährte Sozialhilfebetrag zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 21; VG München, U.v. 22.7.2021 - M 12 K 20.555 - juris Rn. 42; VG Würzburg, U.v. 17.5.2021 - W 7 K 20.1250 - juris Rn. 26). Danach muss im Falle der Kläger von einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialleistungen ausgegangen werden. Die Kläger haben allen Anhaltspunkten nach bereits vor dem Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII Sozialleistungen in beträchtlichem Umfang in Anspruch genommen. Der Sozialleistungsbezug erfolgte ersichtlich nicht zur Überbrückung vorübergehender Schwierigkeiten. Die Kläger begründeten ihren Aufenthalt im Bundesgebiet erst in einem Alter, in dem mit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Integration nicht mehr zu rechnen war. Der Kläger zu 1 kam bereits im Rentenalter, die Klägerin zu 2 ging vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben -bezogen auf die Gesamtdauer des Aufenthalts - nur kurzzeitig (und in geringem Umfang) einer Erwerbstätigkeit nach. Insgesamt muss im Falle des weiteren Aufenthalts im Bundesgebiet von einem langfristigen Bezug von Sozialleistungen zur vollständigen oder jedenfalls weit überwiegenden Deckung des Lebensbedarfs gerechnet werden.
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4. Die Verlustfeststellung weist keine im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich überprüfbaren Ermessensfehler auf. Das Landratsamt hat erkannt, dass ihm insoweit ein Ermessensspielraum zukommt und die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander abgewogen, ohne dass insofern justiziable Ermessensfehler ersichtlich sind. Das Gericht verkennt nicht, dass eine Rückkehr nach Griechenland eine erhebliche persönliche Härte für die Kläger, die vorgetragen haben, über keine Rentenversicherungsansprüche in Griechenland zu verfügen, darstellt. Es ist aber auch festzustellen, dass sich die Kläger erst im fortgeschrittenen Alter ohne nachhaltige wirtschaftliche und soziale Absicherung ins Bundesgebiet begeben haben, nachdem sie allen Anhaltspunkten nach jahrzehntelang in Griechenland gelebt hatten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.