Inhalt

VGH München, Beschluss v. 10.10.2022 – 14 B 22.42
Titel:

Neufestsetzung von Ruhegehalt nach dem Soldatenversorgungsgesetz  - Wechselseitige Berufungen nach Neuverbescheidungsurteil - Berufungsrücknahme der Beklagten und im Übrigen übereinstimmende Erledigterklärung

Normenkette:
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 121, § 125 Abs. 1 S. 1, § 126 Abs. 3 S. 2, § 155 Abs. 2, § 161 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Mit der Berufungsrücknahme der Beklagten ist ihr Berufungsverfahren einzustellen und hat das sie verpflichtende verwaltungsgerichtliche Urteil auf Neuverbescheidung ex nunc Teilrechtskraft erlangt und bindet sowohl die Beteiligten als auch das Berufungsgericht. (Rn. 1) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach der anschließenden übereinstimmenden Erledigterklärung der Beteiligten ist das Verfahren hinsichtlich des noch nicht rechtskräftigen Teils in Bezug auf die abgewiesene, über die Neuverbescheidung hinausgehende Vornahmeklage des Klägers einzustellen. Insoweit hat die übereinstimmende Erledigterklärung die Rechtshängigkeit des Rechtsstreits  beendet und ist das verwaltungsgerichtliche Urteil wirkungslos geworden. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hinsichtlich des Streitgegenstandes der Neuverbescheidung bleibt es wegen der eingetretenen Teilrechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils bei dessen Kostengrundentscheidung über eine Kostenquote der Beklagten von 1/3, die sie wegen ihrer Berufungsrücknahme insoweit auch für das Berufungsverfahren zu tragen hat. Hinsichtlich der von der Teilrechtskraft nicht erfassten Kostenanteile von 2/3 erscheint es billig, diese in beiden Rechtszügen dem Kläger aufzuerlegen, weil er in beiden Rechtszügen mit seinem Begehren keinen Erfolg gehabt hätte, die Beklagte zu verpflichten, im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens die von ihm vor dem 1.1.2002 absolvierten Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung bei seiner Versorgungsfestsetzung doppelt zu berücksichtigen (vgl. dazu BVerwG BeckRS 2021, 42811 in einem Parallelverfahren). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wechselseitige Berufungen von Kläger und Beklagter, übereinstimmende Erledigterklärung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach zuvor erfolgter, den Eintritt von Teilrechtskraft bewirkender Berufungsrücknahme der Beklagten, Einstellung des zurückgenommenen Berufungsverfahrens und des nach der Berufungsrücknahme der Beklagten noch anhängigen Klageverfahrens, unter Berücksichtigung eingetretener Teilrechtskraft gequotelte Kostengrundentscheidung., wechselseitige Berufungen von Kläger und Beklagter, übereinstimmende Erledigterklärung, Eintritt von Teilrechtskraft, Berufungsrücknahme, Einstellung des zurückgenommenen Berufungsverfahrens, gequotelte Kostengrundentscheidung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 19.06.2018 – RO 12 K 17.1908
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29745

Tenor

I. Das Berufungsverfahren der Beklagten (betreffend ihre Verpflichtung zur Neuverbescheidung des klägerischen Begehrens) wird eingestellt.
II. Das Verfahren wird eingestellt, soweit darüber noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist (Abweisung der Vornahmeklage des Klägers). Insoweit ist das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. Juni 2018 wirkungslos geworden.
III. Von den Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und von den Kosten im zweiten Rechtszug hat der Kläger je 2/3 zu tragen. Die Beklagte hat 1/3 der Kosten des zweiten Rechtszugs zu tragen.
IV. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. Juni 2018 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 2.889,00 Euro festgesetzt.

Gründe

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1. Da die Beklagte ihre Berufung mit Schreiben vom 8. August 2022 zurückgenommen hat, ist ihr Berufungsverfahren einzustellen (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO), das die Verpflichtung der Beklagten betrifft, über das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Festsetzung der klägerischen Versorgungsbezüge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts neu zu entscheiden (Neuverbescheidung). Insoweit hat das verwaltungsgerichtliche Urteil mit Berufungsrücknahme ex nunc (vgl. BGH, U.v. 25.9.2007 - X ZR 60/06 - NJW 2008, 373/374) Teilrechtskraft (§ 121 VwGO) erlangt und bindet sowohl die Beteiligten als auch den Senat.
2
2. Da nach der Berufungsrücknahme der Beklagten der Kläger (Schriftsatz vom 27.9.2022) und die Beklagte (Schreiben vom 28.9.2022) den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren hinsichtlich des noch nicht rechtskräftigen Teils einzustellen (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend). Noch nicht rechtskräftig entschieden wurde über die abgewiesene Vornahmeklage des Klägers, mit welcher er das über Neuverbescheidung hinausgehende Begehren verfolgte, die Beklagte zu verpflichten, im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens die vom Kläger vor dem 1. Januar 2002 absolvierten Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung bei seiner Versorgungsfestsetzung doppelt zu berücksichtigen. Hinsichtlich dieses klägerischen Vornahmebegehrens ist das Urteil nach übereinstimmender Erledigterklärung des Rechtsstreits in der Hauptsache wirkungslos geworden, weil die im Berufungsverfahren des Klägers erfolgte übereinstimmende Erledigterklärung die Rechtshängigkeit des Rechtsstreits (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.1991 - 4 C 27.90 - NVwZ-RR 1992, 276) insoweit beendet hat.
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Die über eine Neuverbescheidung hinausgehende Verpflichtung der Beklagten hat der Kläger zwar in seinem Berufungsverfahren nicht explizit beantragt, vielmehr lautet die Formulierung des Sachantrags, den die klägerische Berufungsbegründung vom 24. Februar 2020 enthält, nur auf Neuverbescheidung. Das besagte, über Neuverbescheidung hinausgehende Vornahmebegehren des Klägers ergibt sich aber aus einer interessengerechten Auslegung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, 88 VwGO) gerade auch des weiteren Inhalts seiner besagten Berufungsbegründung. Denn der Kläger kritisiert darin, das Verwaltungsgericht gehe fälschlicherweise davon aus, hier liege keine Ermessensreduzierung auf null vor. Für dieses Verständnis des Vornahmebegehrens, das nach erfolgter Berufungsrücknahme der Beklagten noch Gegenstand des Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens des Klägers war, spricht auch, dass der Kläger bereits erstinstanzlich die Verpflichtung der Beklagten zur Neuverbescheidung erreicht hatte (siehe 1.).
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3. Wegen der eingetretenen Teilrechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils (siehe 1.) bleibt es bei der verwaltungsgerichtlichen Kostengrundentscheidung zum Streitgegenstand der Neuverbescheidung, nämlich bei einer Kostenquote der Beklagten von 1/3. Diesbezüglich hat die Beklagte mit entsprechender Quote auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sie ihre Berufung zurückgenommen hat (§ 126 Abs. 3 Satz 2, § 155 Abs. 2 VwGO). Der Berichterstatter hat nach billigem Ermessen (vgl. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nur noch über die von der Teilrechtskraft nicht erfassten Kostenanteile zu entscheiden. Vorliegend erscheint es billig, diese 2/3 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Kläger aufzuerlegen, weil er in beiden Rechtszügen keinen Erfolg gehabt hätte mit seinem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens die von ihm vor dem 1. Januar 2002 absolvierten Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung bei seiner Versorgungsfestsetzung doppelt zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 9.9.2021 - 2 C 1.20 - BVerwGE 173, 228 Rn. 26 ff. in einem Parallelverfahren).
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4. Der Streitwert ist in Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Streitwertbeschlusses vom 19. Juni 2018 gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1, § 42 Abs. 1, 47 GKG für beide Rechtszüge auf je 2.889,00 Euro festzusetzen (vgl. bereits den die Berufungen zulassenden Beschluss vom 19.12.2019 - 14 ZB 18.1601), weil dieser Betrag dem 36-fachen des monatlichen Differenzbetrags in Höhe von 80,25 Euro entspricht.
6
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 125 Abs. 1, § 92 Abs. 3 Satz 2, § 158 Abs. 2 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).