Inhalt

VGH München, Beschluss v. 17.10.2022 – 1 ZB 20.389
Titel:

Erfolglose Nachbarklage gegen eine Genehmigung zur Änderung der Betriebszeiten eines Gewerbebetriebes in einer Gemengelage

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1–3, § 124a Abs. 4 S. 4
TA Lärm Nr. 2.3, Nr. 6.7
StVZO § 49 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der Art der baulichen Nutzung kann der maßgebliche prägende Umgebungsbereich weiter zu ziehen sein als etwa bei der eher kleinräumig ausgerichteten Beurteilung des Nutzungsmaßes oder der überbaubaren Grundstücksfläche. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bildung eines geeigneten Zwischenwerts gem. Nr. 6.7 der TA Lärm erfordert eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme, die sich an der konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes auszurichten hat. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bildung eines Zwischenwerts, Gemengelage, Gebot der Rücksichtnahme, Zulassungsantrag, Tekturgenehmigung, Bestimmtheit, Immissionsrichtwert, Betriebszeiten, Art der baulichen Nutzung, Zwischenwert, Schutzwürdigkeit, Streitwert
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 05.11.2019 – M 1 K 17.5713
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29726

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren - in Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses - und das Zulassungsverfahren auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Tekturgenehmigung zur Änderung der Betriebszeiten ihres Gewerbebetriebs.
2
Sie sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung P., das mit einem Wohngebäude bebaut ist. Nördlich und westlich hiervon befindet sich weitere Wohnbebauung. Östlich ist getrennt durch einen ca. 15 m breiten Grünstreifen das Betriebsgrundstück der Beigeladenen auf den Grundstücken FlNr. … und … gelegen, auf denen sich drei Gebäude befinden, die als Montagehallen bzw. Büroflächen genutzt werden. Das Betriebsgrundstück sowie das Grundstück der Kläger liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der für das Grundstück der Kläger ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Das Betriebsgelände ist in dem Bebauungsplan in Teilbereiche eines Gewerbegebiets gegliedert, für die jeweils flächenbezogene Schallleistungspegel festgesetzt wurden.
3
Nach den für den Betrieb erteilten Baugenehmigungen aus dem Jahr 2005 bzw. 2011 ist eine Betriebszeit von täglich 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr an Werktagen einzuhalten. Eine im Jahr 2014 erteilte Genehmigung zur Verlängerung der Betriebszeiten wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. April 2016 (M 1 K 14.5307) wegen fehlender Bestimmtheit aufgehoben. Zudem sei der Bebauungsplan wegen Verstoßes gegen den Trennungsgrundsatz unwirksam. Der gegen das Urteil gerichtete Zulassungsantrag wurde mit Beschluss des Senats vom 22. Januar 2018 (1 ZB 16.1697) zurückgewiesen.
4
Das Landratsamt änderte mit Bescheid vom 8. November 2017 die bisherigen Auflagen zur Betriebszeit dahingehend ab, dass als Betriebszeit werktags, sonn- und feiertags von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr zugelassen wird. Weiter wurde beauflagt, dass die in dem schalltechnischen Gutachten der Fa. C. H. … … vom 4. April 2017 zugrunde gelegten Betriebsabläufe einzuhalten sind. Für das Anwesen der Kläger wurde ein Immissionsrichtwert von 51 dB(A) festgesetzt, der von dem Betrieb der Beigeladenen einzuhalten ist. Die Genehmigung enthält weitere Auflagen zum Lärmschutz, die in der mündlichen Verhandlung durch Erklärung des Beklagtenvertreters zu Protokoll modifiziert wurden.
5
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Genehmigung verletze die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie verstoße weder in nachbarrechtsrelevanter Weise gegen den Bestimmtheitsgrundsatz noch gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Bebauungsplan sei wegen eines Verstoßes gegen das Trennungsprinzip unwirksam. Das Grundstück der Kläger liege in einem faktischen reinen Wohngebiet. Sie könnten jedoch im Ergebnis nur den in einem allgemeinen Wohngebiet gewährleisteten Immissionsschutz beanspruchen, da hier von einer Gemengelage auszugehen sei und der Immissionsrichtwert für ein reines Wohngebiet im Weg einer Zwischenwertbildung zu erhöhen sei. Im Rahmen der Bildung des Zwischenwerts sei zu berücksichtigen, dass das Wohngebiet bereits seit einem längeren Zeitraum erheblich durch gewerbliche Nutzungen des Betriebs eines Bauunternehmens sowie durch den städtischen Bauhof vorgeprägt sei und die gewerbliche Nutzung sich daher als ortsüblich darstelle. Auch wenn die Wohnbebauung zeitlich vor der gewerblichen Nutzung verwirklicht worden sei, sei zu berücksichtigen, dass die Kläger von der Wirksamkeit des Bebauungsplans ausgegangen seien und eine gewisse Störwirkung durch die auf den als Gewerbegebiet ausgewiesenen Flächen in Kauf genommen hätten. Der Stand der Lärmminderungstechnik werde eingehalten. Ein darüberhinausgehender Drittschutz bestehe nicht. Weitere Lärmminderungsmaßnahmen wie die Errichtung eines Rolltors zwischen den zwei südlichen Hallen unterfielen dem Vorsorgeprinzip. Ein Anspruch der Kläger auf Umsetzung dieser Maßnahme bestehe nicht.
II.
6
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor bzw. werden nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
7
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 - 2 BvR 657/19 - juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Die innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgetragenen Gründe zeigen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts auf, dass die Änderungsgenehmigung die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt.
8
1.1 Eine in nachbarrechtlich relevanter Weise fehlende Bestimmtheit der angegriffenen Genehmigung ist nicht dargetan.
9
Der Vortrag, es sei anhand des Baugenehmigungsbescheids nicht ersichtlich, inwiefern der nach Maßgabe des schalltechnischen Gutachtens vorgegebene Zuschlag für die Zeiten mit erhöhter Schutzwürdigkeit im Bescheid umgesetzt worden sei, richtet sich der Sache nach gegen die inhaltliche Richtigkeit des festgesetzten maximalen Immissionsrichtwerts am maßgeblichen Immissionsort der Kläger. Hierauf kann eine fehlende Bestimmtheit der Genehmigung nicht gestützt werden (vgl. VGH BW, B.v. 30.1.2019 - 5 S 1913/18 - BauR 2019, 1111). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass ein Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit nach Nr. 6.5 TA Lärm bei der Ermittlung des Beurteilungspegels zu berücksichtigen sei und dies im Gutachten entsprechend erfolgt sei. Hierzu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht. Keine Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Bestimmtheit des Immissionsorts auf dem Grundstück der Kläger. Die Auflage D.1 der Genehmigung bezieht sich erkennbar auf den in dem schalltechnischen Gutachten angenommenen Immissionsort 4 (siehe Abbildung 1 der schalltechnischen Untersuchung vom 4. April 2017). Dabei wurde die dem Betrieb zugewandte Fassade herangezogen (vgl. ergänzende schalltechnische Stellungnahme vom 8. Mai 2018, S. 5) sowie Nr. 2.3 TA Lärm i.V.m. A.1.3 Buchst. a) der Anlage zur TA Lärm angewandt (vgl. S. 3, 5 der schalltechnischen Untersuchung vom 4. April 2017). Auch den Auflagen in D.6 und 7 fehlt es nicht an der hinreichenden Bestimmtheit. Hiernach sind bei lärmintensiven Tätigkeiten werktags sämtliche Tore geschlossen zu halten, an Sonn- und Feiertagen sämtliche Tore und Fenster der Werkhallen. Nach der in der mündlichen Verhandlung durch den Beklagtenvertreter zu Protokoll erklärten Ergänzung des Bescheids sind Tätigkeiten mit einem Schallleistungspegel größer 90 dB(A) als lärmintensiv definiert. Die hiergegen gerichteten Ausführungen in der Zulassungsbegründung zeigen eine fehlende Bestimmtheit der Auflagen nicht auf, sondern richten sich gegen ihre inhaltliche Richtigkeit. Die Einhaltung des Spitzenpegelkriteriums am Immissionsort auf dem Grundstück der Kläger wird durch die Auflage D.2 in der durch den Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Fassung sichergestellt. Zur fehlenden Bestimmtheit führt auch nicht, dass die angegriffene Genehmigung die Einhaltung der in dem schalltechnischen Gutachten vom 4. April 2017 zugrunde gelegten Betriebsabläufe anordnet. Soweit das Zulassungsvorbringen hierzu pauschal darauf abstellt, dass dort die denkbaren Betriebsabläufe weiterhin eine erhebliche Unbestimmtheit aufweisen würden, z.B. keinerlei Vorgaben zu den Tätigkeiten in den Musterhallen erfolgt seien, fehlt es bereits an der erforderlichen Darlegung. Die schalltechnische Untersuchung hat den Innenraumpegel in den Montagehallen nach den dort stattfindenden Arbeiten bewertet (vgl. S. 12 der der schalltechnischen Untersuchung vom 4. April 2017 sowie S. 6 der schalltechnischen Untersuchung vom Juli 2005). Auch der von den Klägern angenommene Widerspruch zwischen den Festsetzungen des angegriffenen Bescheids und dem schalltechnischen Gutachten im Hinblick auf die zulässigen Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen besteht nicht. Hierzu hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt, dass der Regelungsgehalt des Bescheids sich darauf beschränkt, dass bei lärmintensiven Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen Tore und Fenster geschlossen sein müssen, aus dem schalltechnischen Gutachten sich hingegen die Häufigkeit für Arbeiten in den Werkhallen am Sonn- und Feiertagen (im Schnitt ein- bis zweimal pro Jahr) ergibt.
10
1.2 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen auch nicht im Hinblick auf die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Genehmigung das Gebot der Rücksichtnahme wahrt.
11
Es kann hier offenbleiben, ob das Grundstück der Kläger - bei unterstellter Unwirksamkeit des Bebauungsplans - in einem faktischen reinen Wohngebiet liegt. Zwar spricht einiges dafür, dass der Gebietsumgriff weiter zu fassen ist als vom Verwaltungsgericht ohne Durchführung eines (erneuten) Augenscheins angenommen. In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der Art der baulichen Nutzung der maßgebliche prägende Umgebungsbereich weiter zu ziehen sein kann als etwa bei der eher kleinräumig ausgerichteten Beurteilung des Nutzungsmaßes oder der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 - 4 B 38.13 - NVwZ 2014, 1246). Da allerdings selbst im Fall einer Einstufung als faktisches reines Wohngebiet die angegriffene Genehmigung die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt ist, bedarf die Einstufung des Gebietscharakters hier keiner abschließenden Erörterung.
12
1.2.1 Soweit das Zulassungsvorbringen darauf abstellt, dass der Stand der Lärmminderungstechnik nicht eingehalten werde und deshalb die Bildung eines Zwischenwerts nach Nr. 6.7 Satz 3 der TA Lärm nicht in Betracht komme, werden keine ernstlichen Fehler an der Richtigkeit des Urteils aufgezeigt. Es kann daher offenbleiben, ob die Einhaltung des Stands der Technik Voraussetzung für die Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 Satz 3 TA Lärm ist (vgl. hierzu: Reidt, Der Stand der Lärmminderungstechnik bei der Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 TA Lärm, UPR 2019, 281).
13
Unabhängig davon, dass auch bei Umsetzung der von den Klägern favorisierten Einhausung mittels Rolltors zwischen der Halle 1 und 2 am Anwesen der Kläger der Immissionsrichtwert für ein reines Wohngebiet auf Grund der Vorbelastung überschritten wird, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf, dass das Vorhaben nicht dem Stand der Technik entspricht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Vortrag, wonach die Überdachung zwischen den Hallen 1 und 2 den bei der Entladung auftretenden Lärm wie ein Schalltrichter in Richtung ihres Wohnhauses bündle und insoweit die Verwendung schallabsorbierender Materialien erforderlich wäre. Insoweit fehlt es dem Zulassungsvorbringen bereits an einem substantiierten Vortrag. Im Übrigen wurde diesbezüglich bereits in der schalltechnischen Stellungnahme der C. H. … vom 5. Mai 2015 im Rahmen des Verfahrens M 1 K 14.5307, in dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger des hiesigen Verfahrens die Nachbarn der Kläger vertreten hatte, ausgeführt, dass die Reflexion an der Dachunterseite auf Grund der Höhe des Dachs von 10 m und der Entfernung des Immissionsorts vernachlässigt werden könne und angesichts der Ausdehnung der Öffnungsflächen an der West- und Ostseite und der Höhe des Dachs eine relevante Erhöhung der Geräuschimmissionen durch Mehrfachreflexionen zwischen Boden und Dach ausgeschlossen werden könne. Dass lärmabsorbierende Wand- und Dachverkleidungen in diesem Bereich, der keine nennenswerte Mehrbelastung verursacht, dem Stand der Technik entsprechen würde, ist deshalb nicht dargetan. Mit dem bloßen Verweis auf Nr. 2.5 TA Lärm wird die Annahme des Gerichts, dass Lärmminderungsmaßnahmen wie z.B. ein Rolltor nicht zum Stand der Technik gehören, nicht in Frage gestellt. Soweit weiter sinngemäß angeführt wird, dass die Verwendung der dem Stand der Technik entsprechenden Fahrzeuge der von der Beigeladenen beauftragten Firmen bei der An- und Ablieferung Fahrzeuge und Geräte sichergestellt werden müsse, bleibt unberücksichtigt, dass nach § 49 Abs. 1 StVZO die Geräuschentwicklung von Kraftfahrzeugen das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigen darf. Das Erfordernis einer gesonderten Auflage hierzu im Genehmigungsbescheid ist deshalb nicht dargetan.
14
1.2.2 Die Bildung eines Zwischenwerts nach Nr. 6.7 TA Lärm begegnet im Hinblick auf den Zulassungsvortrag keinen weiteren rechtlichen Bedenken.
15
In Anknüpfung an Rechtsgrundsätze, die in der Rechtsprechung zur TA Lärm vom 16. Juli 1968 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 vom 16.7.1968) entwickelt und ständig fortgeführt worden waren (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1975 - IV C 71.73 - juris Rn. 23) enthält die TA Lärm in ihrer ab 1998 geltenden Fassung in Nr. 6.7 erstmals ausdrücklich Regelungen für die Beurteilung der besonderen Umstände, die im Falle sog. Gemengelagen zu beachten sind. Danach können die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte im Falle eines Aneinandergrenzens dieser Gebiete mit gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzten Gebieten auf einen „geeigneten Zwischenwert“ der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Die Festlegung eines geeigneten Zwischenwerts erfordert eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme, die sich an der konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes auszurichten hat (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2022 - 22 B 20.2178 - juris Rn. 57). Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Einzelfallprüfung ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar ausgeführt, dass das Wohngebiet und damit das Anwesen der Kläger bereits seit Jahrzehnten durch eine gewerbliche Nutzung auf den Grundstücken in der näheren Umgebung vorgeprägt seien, wenngleich die Wohnbebauung zeitlich früher entstanden sei. Soweit die Kläger hierzu darauf verweisen, dass nach dem Bebauungsplan auf dem Betriebsgrundstück die Ansiedlung kleiner Handwerksbetrieb angedacht gewesen sei, hat diese Intention in den maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplans keinen verbindlichen Niederschlag gefunden; so sind für das Betriebsgrundstück der Beigeladenen großzügige Bauräume vorgesehen. Für die Annahme des Zulassungsvorbringens, dass eine Zwischenwertbildung nur in Betracht komme, soweit der Betrieb der Beigeladenen ohne Inanspruchnahme eines Zwischenwerts sinnvollerweise Weise nicht fortgeführt werden könne, ist daher kein Raum.
16
1.2.3 Die Annahme, dass durch den genehmigten Betrieb der gebildete Zwischenwert, der im Ergebnis dem Schutzniveau eines allgemeinen Wohngebiets entspricht, eingehalten wird, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die dieser Prognose zu Grunde liegende schalltechnische Untersuchung vom 4. April 2017 nebst Ergänzungen ist unter den im Zulassungsvorbringen gerügten Punkten nicht zu beanstanden.
17
Soweit das Zulassungsvorbringen rügt, dass in dem Gutachten nicht vorgegeben worden sei, an welcher Stelle die Verladung genau stattfinden soll, lässt es unberücksichtigt, dass sich sowohl aus Abbildung 2 als auch aus den textlichen Ausführungen auf S. 10/11 sowie S. 22 der schalltechnischen Untersuchung vom 4. April 2017 mit hinreichender Deutlichkeit der Standort für die Verladungsvorgänge ergibt. Nach der ergänzenden schalltechnischen Stellungnahme vom 8. Mai 2018 sind die Zuschläge für Ton-, Informations- oder Impulshaltigkeit in den Schallemissionspegeln - soweit erforderlich - bereits enthalten, sodass der diesbezügliche Einwand fehlgeht. Unabhängig davon, dass sich durch die Änderungsgenehmigung keine Änderung im Hinblick auf den Spitzenpegel ergibt, wurde in der ergänzenden schalltechnischen Untersuchung vom 8. Mai 2018 eine Berechnung hinsichtlich einer Geräuschspitze von 120 dB(A) im Bereich des Verladungsbereichs zwischen den Gebäuden 1 und 2 vorgenommen. Hiernach wird mit einem errechneten Wert von 78 dB(A) am maßgeblichen Immissionsort des klägerischen Grundstücks der Immissionsrichtwert für Geräuschspitzen für ein allgemeines Wohngebiet eingehalten bzw. selbst der Wert für ein reines Wohngebiet unterschritten. Soweit das Zulassungsvorbringen hierzu auf Messungen der Kläger verweist, die eine deutliche Überschreitung des zulässigen Höchstwerts von 85 dB(A) ergeben hätten, fehlt es an einem substantiierten Vortrag. Im Übrigen hat eine schalltechnische Messung der Immissionsschutzbehörde vor Ort keine Überschreitung der zulässigen Werte ergeben. Auch der Einwand, dass in der schalltechnischen Untersuchung lärmintensive Ladetätigkeiten eines Außenlagers, das bis an die westlichen Außenwände zwischen den Gebäuden 1 und 2 heranreiche, nicht berücksichtigt worden seien, greift nicht durch. Die Tätigkeit eines Außenlagers in diesem Bereich war nicht Gegenstand der Betriebsbeschreibung der schalltechnischen Untersuchung vom 4. April 2017und damit nicht Gegenstand der Änderungsgenehmigung, die hinsichtlich der Betriebsabläufe auf das schalltechnische Gutachten verweist. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt hat, dass die Auflage D.4 des angegriffenen Bescheids auch jegliche Arbeiten und Materialbewegungen an den Außenlagerstätten auf dem Betriebsgelände der Beigeladenen erfasse, können diese Aussagen nur diejenigen Außenlagerplätze betreffen, die Gegenstand der schalltechnischen Untersuchung waren (vgl. Abbildung 2 der schalltechnischen Untersuchung vom 4. April 2017). Das Zulassungsvorbringen zeigt auch nicht auf, dass die Vorbelastungen durch die weiteren Betriebe in der näheren Umgebung nicht zutreffend ermittelt wurden. Die schalltechnische Untersuchung vom 4. April 2017 hat mangels immissionsschutzrechtlicher Auflagen für den Betrieb des Bauunternehmens die Schallemissionen an Hand der Betriebsbeschreibung und nach Durchführung einer Betriebsbegehung ermittelt. Innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist wurden hinsichtlich der Ermittlung der Schallpegel des tatsächlichen Betriebs keine substantiierten Einwände erhoben, sie richteten sich vielmehr dagegen, dass unterlassen worden sei, die zulässigen Schallpegel zu ermitteln. Auch wenn frühere Genehmigungen keine Lärmschutzauflagen enthalten, bedeutet dies nicht, dass ein unbeschränkter Gewerbebetrieb zulässig ist. Genehmigt ist jeweils nur die beantragte Nutzung. Soweit die Gutachter von dem jetzigen Betriebsablauf ausgegangen sind, ist eine Verletzung von Nachbarrechten daher nicht ersichtlich. Auch im Hinblick auf die Beurteilung der Vorbelastung durch den städtischen Bau- und Wertstoffhof werden keine durchgreifenden Bedenken aufgezeigt. Unabhängig davon, dass innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist diesbezüglich keine Einwände erhoben wurden, hat die schalltechnische Untersuchung hierfür rechtsfehlerfrei den für den Gesamtbetrieb in der Betriebsgenehmigung festgesetzten flächenbezogenen Schallleistungspegel zu Grunde gelegt. Dass der tatsächliche Umfang dieses Betriebs die zulässigen Emissionen bei weitem übersteige, wurde nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist behauptet, jedoch nicht substantiiert dargelegt. Im Übrigen müsste eine unzulässige Nutzung nicht berücksichtigt werden.
18
2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen können ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren geklärt werden. Allein die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 - 9 ZB 16.1068 - juris Rn. 14).
19
3. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird behauptet, aber nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Der im Zulassungsvorbringen aufgeworfenen Frage, unter welchen Voraussetzungen in der vorliegenden Gemengelage ein Zwischenwert gebildet werden darf, fehlt es bereits an einer ausreichend konkreten Fragestellung. Soweit hierzu ausgeführt wird, dass zur Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe in Nummer 6.7 der TA Lärm obergerichtliche Vorgaben fehlten, wird bereits der unbestimmte Rechtsbegriff, für den die Kläger einen Klärungsbedarf sehen, nicht benannt. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Bildung eines geeigneten Zwischenwerts eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme, die sich an der konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes auszurichten hat, erfordert (vgl. exemplarisch BayVGH, U.v. 3.5.2022 - 22 B 20.2178 - juris Rn. 52 ff.).
20
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, ihnen auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, die Abänderungsbefugnis hinsichtlich des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren auf § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwertkatalog sieht in Nr. 9.7.1 bei der Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung für die Streitwertfestsetzung einen Rahmen von 7.500 bis 15.000 Euro vor, soweit nicht ein höherer Schaden feststellbar ist. Innerhalb dieses Rahmens ist der Streitwert nach dem Maß der geltend gemachten Beeinträchtigungen, die der Kläger abwehren will, und den Rechtsgütern, die geschützt werden sollen, nach Ermessen festzusetzen (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.1994 - 4 B 188.94 - juris Rn. 5). Angesichts des geltend gemachten Interesses der Kläger, die Erweiterung der Betriebszeiten des Gewerbebetriebs auf den Nachbargrundstücken zu verhindern, ist eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 10.000 Euro angemessen.
21
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).