Titel:
Anordnung des Sofortvollzugs einer Gewerbeuntersagung nach strafrechtlicher Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betruges (hier: Kfz-Handel)
Normenketten:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, § 146
Leitsätze:
1. Eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO erfordert eine auf - vergangene oder gegenwärtige (noch andauernde) - Tatsachen gestützte Prognose dahingehend, dass erstens der Gewerbetreibende in Bezug auf das betreffende Gewerbe unzuverlässig ist und zweitens die Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Ist ein strafrechtlich geahndetes persönliches Fehlverhalten des Gewerbetreibenden Anlass für die Prüfung einer Gewerbeuntersagung, so kann Grundlage der Untersagung nicht das Strafurteil sein, sondern nur das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt hat. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine günstige, die Aussetzung einer verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung rechtfertigende Sozialprognose führt nicht zwingend zur gewerberechtlichen Zuverlässigkeit, weil sich die Sozialprognose nur auf das zukünftige strafrechtsrelevante Verhalten bezieht, aber nicht demselben Maßstab wie die gewerberechtlich gebotene Prognose folgt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es ist von jedem Gewerbetreibenden unabhängig von der Art seines Gewerbes zu erwarten, dass er sich nicht wegen gewerbsmäßigen Betrugs strafbar macht. Die bewusste Herbeiführung von Unfällen und daran anschließende Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen in erheblichem Umfang, auf die offensichtlich kein Anspruch besteht, trägt schon für sich betrachtet die Annahme, dass der Gewerbetreibende seinen rechtlichen Verpflichtungen im Rahmen des von ihm ausgeübten Gewerbes nicht ordnungsgemäß nachkommt. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Handel mit Kfz, strafrechtliche Verurteilung, fingierte Autounfälle, gewerbsmäßiger Betrug, Sofortvollzug
Vorinstanzen:
VG Würzburg, Urteil vom 22.07.2020 – W 6 K 20.380
VGH München, Beschluss vom 02.06.2020 – 22 CS 20.802
VG Würzburg, Beschluss vom 19.03.2020 – W 6 S 20.381
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29713
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller verfolgt mit der Beschwerde sein Ziel weiter, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen eine für sofort vollziehbar erklärte erweiterte Gewerbeuntersagung zu erreichen.
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Laut Gewerbeanmeldung vom 8. August 2019 betreibt der Antragsteller in M* … seit dem 10. September 2019 das stehende Gewerbe „Handel mit Kfz (Gebrauchtwagen) und Maschinen aller Art“. Im Zuge der gesetzlich vorgesehenen Überprüfung des überwachungsbedürftigen Gewerbes (§ 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) GewO) wurde dem Landratsamt Aschaffenburg bekannt, dass der Antragsteller zweimal strafrechtlich wegen Betrugs verurteilt worden war.
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1. Mit Urteil vom 15. Juli 2016, rechtskräftig seit dem 26. Juli 2017, war der Antragsteller durch das Landgericht Aschaffenburg wegen gewerbsmäßigen Betrugs in vier tatmehrheitlichen Fällen nach §263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, §25 Abs. 2, §52 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller und sein Bruder sich spätestens im Jahr 2010 jeweils selbstständig dazu entschlossen hatten, mit Dritten Autounfälle zu stellen, um diese gegenüber den beteiligten Kfz-Versicherungen als „echte Verkehrsunfälle“ darzustellen und sich und beteiligte Dritte so in den Genuss von Ersatzleistungen der Kfz-Versicherungen zu bringen, auf die kein Anspruch bestand.
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1.1 Im ersten der Verurteilung zugrundeliegenden Fall verunfallte der Antragsteller einen auf ihn als Halter zugelassenen PKW (Mercedes E 280 TDI) auf einer Bundesstraße bewusst mit dem PKW eines anderen Tatbeteiligten. Eine Versicherung zahlte hierauf insgesamt 14.591,45 Euro an den Antragsteller sowie 10.389,55 Euro an den weiteren Unfallbeteiligten aus. Das Landgericht Aschaffenburg sah insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und 8 Monaten als angemessen an.
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1.2 Im zweiten Fall verabredete sich der Antragsteller Ende 2011 mit einem Bekannten sowie weiteren Personen zu einer gestellten Fahrzeugkollision, um Versicherungsleistungen zu erhalten. Auf Grundlage eines von einer dritten Person gefälschten Schadensgutachtens erhielt der Antragsteller für den in seinem Eigentum stehenden, aber nicht auf ihn als Halter zugelassenen PKW (Audi A4) Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 9.325,97 Euro. Ein anderer Tatbeteiligter vereinnahmte 6.379,00 Euro. Das Landgericht Aschaffenburg hielt diesbezüglich eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten für angemessen.
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1.3 Im dritten Fall fingierte der Antragsteller im August 2012 mit zwei weiteren Personen einen Auffahrunfall unter Beteiligung eines auf ihn zugelassenen Pkw (Opel Insignia) und erhielt mithilfe eines von einer dritten Person gefälschten Sachverständigengutachtens Versicherungsleistungen in Höhe von 5.286,87 Euro. Die weitere Unfallbeteiligte erhielt Leistungen in Höhe von 3.555,10 Euro. Das Landgericht Aschaffenburg kam insoweit zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr.
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1.4 Im vierten Fall schließlich fuhr der Antragsteller im Januar 2013 mit dem in seinem Eigentum stehenden Fahrzeug (Opel Insignia) im Rahmen einer mit mehreren Personen abgesprochenen Kollision bewusst auf das Fahrzeug eines anderen Tatbeteiligten auf. Er erhielt auf der Grundlage eines gefälschten Gutachtens von der Versicherung Leistungen in Höhe von 4.869,87 Euro; für den Schaden an dem anderen beteiligten PKW wurden Leistungen in Höhe von 23.814,67 Euro gezahlt. Das Landgericht Aschaffenburg erachtete insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten als angemessen.
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2. Mit weiterem Urteil vom 18. Oktober 2016, rechtskräftig seit dem 13. Juli 2017, verurteilte das Landgericht Aschaffenburg den Antragsteller wegen Betrugs in zwei Fällen nach §263 Abs. 1, §25 Abs. 2, §56 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und ordnete eine Bewährungszeit von drei Jahren an.
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Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller im Mai 2012 mit seinem Bruder sowie anderen Tatbeteiligten einen gestellten Verkehrsunfall herbeigeführt hatte, um eine Bekannte finanziell zu unterstützen. Aufgrund eines gefälschten Gutachtens zahlte die Versicherung an die Tatbeteiligten Leistungen in Höhe von 27.376,42 Euro sowie 3.491,37 Euro aus. Das Landgericht Aschaffenburg erachtete insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten für angemessen.
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Darüber hinaus verabredete der Antragsteller im Juni 2013 mit mehreren Tatbeteiligten einen fingierten Verkehrsunfall, erneut um einer Bekannten einen Gefallen zu erweisen. Infolge der Vorlage eines gefälschten Gutachtens zahlte die Versicherung an die Tatbeteiligten Leistungen in Höhe von 20.754,04 Euro sowie 3.491,37 Euro aus. Das Landgericht Aschaffenburg sah insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und vier Monaten als angemessen an.
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3. Mit Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 5. Februar 2018 wurde aus den beiden vorgenannten Verurteilungen nachträglich eine Gesamtstrafe in Höhe von drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe gebildet. Der Antragsteller befand sich wegen der ihm zur Last gelegten Taten vom 7. September 2015 bis zum 14. Oktober 2015 sowie vom 6. April 2016 bis zum 29. September 2016 in Untersuchungshaft. Anschließend verbüßte er zwei Drittel der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten; mit Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 3. Juli 2019 wurden die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit bis zum 8. September 2022 angeordnet sowie Weisungen erteilt. Nach dem Beschluss waren zwei Drittel der Strafzeit am 9. September 2019 verbüßt.
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4. Das Landratsamt Aschaffenburg untersagte dem Antragsteller nach Anhörung mit Bescheid vom 5. Februar 2020 die Ausübung des Gewerbes „Handel mit Kfz (Gebrauchtwagen)“ sowie in Bezug auf dieses Gewerbe die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbebetreibenden und die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen wurde angeordnet.
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Am 3. März 2020 erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen.
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5. Das Verwaltungsgericht Würzburg lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 19. März 2020 ab.
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Die Anordnung des Sofortvollzugs der erweiterten Gewerbeuntersagung genüge den formellen Anforderungen des §80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Im Bescheid werde unter Ziff. IV. hervorgehoben, dass der Sofortvollzug gerade im Hinblick auf das vom Antragsteller ausgeübte sensible Vertrauensgewerbe geboten sei. Die Begründung gehe insoweit über die Gründe hinaus, die eine Gewerbeuntersagung grundsätzlich tragen würden. Eine (erweiterte) Gewerbeuntersagung nach §35 Abs. 1 GewO komme schon ohne Rücksicht auf eine besondere gewerbepolizeiliche Sensibilität des konkreten Gewerbes in Betracht, wie sie der hier untersagten Tätigkeit des Gebrauchtwagenhandels als überwachungsbedürftiges Gewerbe zugrunde liege (§ 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) Alt. 1 GewO).
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Die erhobene Klage werde voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die erweiterte Gewerbeuntersagung rechtmäßig sei. Nach Maßgabe der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Aschaffenburg seien die Delikte des Antragstellers ihrer Anzahl und Bedeutung nach geeignet, dessen Unzuverlässigkeit zu begründen. Bei den rechtskräftig abgeurteilten Betrugstaten handele es sich entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht in Zusammenschau der Ereignisse um eine einmalige Verfehlung. Der Antragsteller habe in sechs tatmehrheitlichen Fällen zwischen Januar 2011 und Juni 2013 Betrugstaten in Zusammenwirken mit verschiedenen Beteiligten verübt, die jeweils voneinander unabhängige Organisations- und Durchführungsakte erfordert hätten. Jede der Betrugstaten sei - wie sich aus der Höhe der verhängten Einzelstrafen ergebe - für sich von erheblichem Gewicht gewesen. Das Landgericht Aschaffenburg habe den Antragsteller nicht nur als Teilnehmer, sondern als Täter der gemeinschaftlichen Betrugstaten verurteilt; dies lasse nur den Schluss zu, dass er dabei keinesfalls wie vorgebracht nur eine Randfigur gewesen sei. Vielmehr habe er eine ausgeprägte kriminelle Energie als Teil eines auf Versicherungsbetrug ausgelegten Geschäftspartnerkreises offenbart. An den gemeinschaftlich verübten Betrügereien hätten u.a. auch ein Inhaber einer Kfz-Reparaturwerkstatt sowie ein Kfz-Schadensgutachter teilgenommen. Man sei dabei auf ein möglichst konspiratives Verhalten bedacht gewesen und habe zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse Strohmänner aus dem Verwandten-/Freundes- oder Bekanntenkreis eingesetzt und habe eine regelrechte Infrastruktur zur Abwicklung der Betrugstaten geschaffen (Verweis auf ein weiteres Strafurteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 6. April 2016 gegen den anderweitig verfolgten B.K.).
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Die vom Antragsteller verübten Straftaten stünden auch in Bezug zu dem von ihm ausgeübten Gewerbe. Zumindest eine der verübten Betrugstaten sei bei einem Treffen des Antragstellers und drei Mittätern auf dem Gelände seines Autohandels abgesprochen worden. Ferner sei der Antragsteller bei vier der gemeinschaftlich verübten Betrugstaten Halter oder Eigentümer eines der beteiligten Unfallfahrzeuge (einmal Mercedes E-Klasse, einmal Audi A4 sowie zweimal Opel Insignia) gewesen. Es erscheine naheliegender, dass es sich bei den zur Tatbegehung eingesetzten Pkw mittlerer bzw. gehobener Fahrzeugklassen um im Betrieb des Antragstellers angekaufte Gebrauchtwagen gehandelt habe, anstatt dass dies ausschließlich privat genutzte Fahrzeuge des Antragstellers gewesen seien. Der Bevollmächtigte des Antragstellers habe selbst darauf hingewiesen, dass man vertreten könne, dass der Antragsteller aufgrund seiner Tätigkeit im Kfz-Gewerbe ein Spezialwissen besitze, das er zur Begehung der Straftaten ausgenutzt habe. Die zeitliche Nähe des Beginns der Tätigkeit als selbständiger Gebrauchtwagenhändler und der ersten Betrugstaten offenbare einen engen Bezug zwischen der Tätigkeit als Gebrauchtwagenhändler und der Straffälligkeit. Der Antragsteller habe sich gerade nicht seit zwanzig Jahren tadellos als Kfz-Händler gewerblich betätigt.
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Für den von §35 Abs. 1 Satz 1 GewO vorausgesetzten Gewerbebezug sei es im Übrigen nicht erforderlich, dass die Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit schließen ließen, im Rahmen des Gewerbetriebes eingetreten seien. Auch ein Verhalten außerhalb der Gewerbeausübung könne insoweit beachtlich sein. Die Verurteilungen wegen gewerbsmäßigen Betrugs trügen die Feststellung der gewerblichen Unzuverlässigkeit, weil die Respektierung des vom Betrugstatbestand geschützten Rechtsguts „fremdes Vermögen“ unabdingbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ausübung jedes Gewerbes sei. Bei Vermögensdelikten sei der von §35 Abs. 1 Satz 1 GewO geforderte Gewerbebezug generell für alle Gewerbezweige zu bejahen. Eigentums- oder Vermögensdelikte eines Gewerbetreibenden könnten darauf schließen lassen, dass er dazu neige, sich fremdes Eigentum oder Vermögen in strafbarer Weise zu beschaffen.
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Aufgrund der mehrfachen und erheblichen Betrugstaten biete der Antragsteller keine Gewähr dafür, dass er nunmehr seinen Gebrauchtwagenhandel redlich und ordnungsgemäß führen werde. Für die anzustellende Prognose genüge eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die hier gegeben sei; tragfähige Gesichtspunkte, die es ausschließen könnten, dass der Antragsteller sein Gewerbe künftig nicht ordnungsgemäß betreibe, seien nicht erkennbar. Insbesondere sei dies nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Gewerbe des Antragstellers seinen Angaben zufolge wirtschaftlich erfolgreich sei, zumal er zum Beleg dieser Behauptung für den Zeitraum von September bis Dezember 2019 ein vorläufiges Betriebsergebnis in Höhe von insgesamt 8.084,79 Euro vorgelegt habe. Auch habe der Antragsteller nicht vorgebracht, dass er die Betrugstaten aus wirtschaftlichen Zwängen verübt habe; vielmehr seien zwei Betrugstaten aus reiner Gefälligkeit verübt worden. Auch die vom Antragsteller behauptete (indes nicht näher belegte) Schadenswiedergutmachung tauge nicht als Umstand für eine günstige Prognose, weil der Antragsteller von Rechts wegen zum Ausgleich der entstandenen Schäden verpflichtet sei. Eine günstige gewerberechtliche Prognose folge auch nicht aus der Aussetzung der verbleibenden Freiheitsstrafe zur Bewährung. Die dem Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 3. Juli 2019 zugrundeliegende günstige Sozialprognose zwinge nicht zur Annahme einer gewerberechtlichen Zuverlässigkeit. Den Regelungen des §56 Abs. 1 Satz 1 StGB sowie des §35 Abs. 1 GewO lägen nach einhelliger Rechtsprechung unterschiedliche Gefahrenmaßstäbe zugrunde. Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung sei für die gewerberechtliche Beurteilung nicht bindend, sondern für die Zuverlässigkeitsprognose nur von tatsächlichem Gewicht. Die Sozialprognose des Landgerichts Aschaffenburg zeige keine konkreten Umstände auf, die eine künftige Einhaltung der mit einem Gewerbe verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen erwarten lasse. Dass sich der Antragsteller im Vollzug gut geführt habe, lasse darauf nicht schließen, da dies auch durch den Druck des Strafverfahrens sowie zum Zweck der Aussetzung der Strafvollstreckung bedingt sein könne. Auch die weiteren vom Landgericht Aschaffenburg genannten Umstände wie eine Rückkehr in ein gesichertes soziales Umfeld rechtfertigten keine positive gewerbliche Prognose, weil das Umfeld eine tragende Bedeutung für die Begehung der gemeinschaftlichen Betrugstaten gehabt habe. Der Bruder des Antragstellers habe mehrfach bei den Betrugstaten mitgewirkt. Auch die Ehefrau des Antragstellers sei mit ihrem Fahrzeug zumindest bei einem der fingierten Unfälle involviert gewesen. Auch sei die Arbeitsstelle des Antragstellers bei der Firma M. in S. inzwischen betriebsbedingt gekündigt worden.
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Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person jeweils in Bezug auf das ausgeübte Gewerbe „Handel mit Kfz (Gebrauchtwagen)“ sei rechtmäßig. Die Redlichkeit des Wirtschaftsverkehrs sei auch dann erheblich gefährdet, wenn Personen, die vor betrügerischen Handlungen nicht zurückschreckten, die genannten Funktionen übernähmen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung sei auch nicht unverhältnismäßig und verletze den Antragsteller nicht in seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Gewerbeuntersagung könne allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Der Antragsteller könne nach Maßgabe des Bescheids vom 5. Februar 2020 seinen Maschinenhandel weiterführen; im Übrigen bleibe es ihm unbenommen, Arbeit in abhängiger Stellung anzunehmen.
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Auch eine von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelöste gerichtliche Abwägung des Vollzugs- und Suspensivinteresses ergebe kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfordere zwar tragfähige Feststellungen, dass über das allgemeine öffentliche Interesse am Bescheiderlass hinaus auch ein besonderes öffentliches Interesse an Sofortvollzug vorliege. Dennoch könnten aber das Interesse am Erlass und das besondere Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes zusammenfallen, wenn schon der Erlass des Verwaltungsaktes als solcher zur Abwehr entsprechender konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten sei. Hier handele es sich um ein sogenanntes Vertrauensgewerbe, bei dem in besonderem Maße auf die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen geachtet werden müsse. Ziel sei der Schutz von Eigentum und Vermögen Dritter und die Verhinderung der Perpetuierung von Eigentumsdelikten. Beim Handel mit Gebrauchtwagen bestehe in besonderem Maße die Möglichkeit zu unlauterem Geschäftsgebaren und zur Übervorteilung von mit den Wert- und Preisverhältnissen nicht vertrauten Kunden. Auch bestünden Bezüge zum höchstrangigen Schutz von Leben und Gesundheit mit Blick auf die Verkehrssicherheit von Fahrzeugen. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit rechtfertige hier zugleich den Sofortvollzug, da es nicht ausgeschlossen sei, dass sich die abzuwehrende Gefahr bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens realisiere. Dies ergebe sich auch aus den zeitlichen Umständen. Der Antragsteller habe ein oder zwei Jahre nach Beginn seiner gewerblichen Tätigkeiten mit der gemeinschaftlichen Begehung der Betrugstaten begonnen und sein Gewerbe kurz nach seiner vorläufigen Entlassung aus der Haft wieder angemeldet und wolle es nun aufgrund der betriebsbedingten Kündigung seines anderweitigen Arbeitsverhältnisses im Haupterwerb betreiben. Dies begründe die Gefahr, dass er erneut, und zwar vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens, seine gewerbebezogenen Pflichten außer Acht lassen werde. Auch sei zu berücksichtigen, dass sich die Gewerbeuntersagung und der Sofortvollzug nur auf den Handel mit gebrauchten Kfz und somit nur auf einen Teil des vom Antragsteller angemeldeten Gewerbes bezögen. Die sofort vollziehbare Untersagung komme in ihrer Intensität keinem vollumfänglichen Berufsverbot gleich. Der Sofortvollzug treffe den Antragssteller daher nicht unverhältnismäßig.
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Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 26. März 2020 zugestellt.
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Der Antragsteller legte mit Telefax vom 7. April 2020, am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen, Beschwerde gegen den Beschluss ein. Er begründete diese mit am 27. April 2020, einem Montag, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Telefax.
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Der Antragsgegner beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. März 2020 bleibt ohne Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
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1. Der Antragsteller rügt, mangels ausreichender Begründung durch die Behörde lägen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung von Ziff. 1 des angegriffenen Bescheids nicht vor. Entgegen der Auffassung des Ausgangsgerichts reiche die Feststellung, dass ein Handel mit Gebrauchtwagen ein sensibles Vertrauensgewerbe sei, als Begründung nicht aus; diese Bezeichnung stelle lediglich eine Paraphrase des Tatbestandsmerkmals des überwachungsbedürftigen Gewerbes dar. In §38 Abs. 1 Satz 1 GewO seien die überwachungsbedürftigen Gewerbe katalogweise aufgezählt, so auch der An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen. Diese seien buchstäblich Vertrauensgewerbe. Die Behörde und das Ausgangsgericht nutzten die Legaldefinition des überwachungsbedürftigen Gewerbes nochmals aus, um damit das Bedürfnis des Sofortvollzugs zu begründen. Damit werde faktisch der Schluss gezogen, dass ein überwachungsbedürftiges sensibles Vertrauensgewerbe über die bloße Gewerbeuntersagung hinaus immer der sofortigen Vollziehbarkeit bedürfe, um hinreichende Gefahrenabwehr für Allgemeininteressen zu gewährleisten. Wäre es der Wille des Gesetzgebers gewesen, dass die sofortige Vollziehbarkeit einer Gewerbeuntersagung eines überwachungsbedürftigen Gewerbes der Regelfall sein solle, so hätte er eine entsprechende Regelung treffen können. Er habe sich aber dazu entschieden, dass auch bei überwachungsbedürftigen Gewerben die Untersagung im Regelfall erst mit Bestandskraft des Untersagungsbescheids wirksam werden solle.
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Entgegen diesem Vortrag ist die Anordnung des Sofortvollzugs formell rechtmäßig. Um den Anforderungen des §80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu genügen, kommt es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht an. Es reicht vielmehr jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, §80 Rn. 55 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier ohne Zweifel erfüllt, nachdem der Bescheid unter Ziff. IV. eine separate Begründung des Sofortvollzugs enthält. Aus dieser geht hervor, dass angesichts der vom Antragsteller begangenen Delikte die Gefahr, dass er auch in Zukunft solche Delikte begehen werde, und ein zu befürchtender Schaden für die Allgemeinheit verhindert werden sollen, und dies schon vor Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (vgl. zur materiellen Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung noch unten 5.).
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2. Der Antragsteller rügt weiter, die erweiterte Gewerbeuntersagung sei rechtswidrig.
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2.1 Vom Ausgangsgericht sei im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Hauptsache eine Interessenabwägung in Bezug auf die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers vorzunehmen. Diese sei fehlerhaft. Schutzzweck des §35 GewO sei ohne Zweifel der Schutz der Allgemeinheit. Doch dürfe dieser nicht in unverhältnismäßiger Weise über Interessen eines einzelnen Gewerbetreibenden gestellt werden. Hier sei die Sicherstellung eines Resozialisierungserfolgs für den Antragsteller von überragender Wichtigkeit. Die Betrugsstraftaten seien nicht derart gehäuft aufgetreten, dass ein Hang des Antragstellers zur Missachtung der Vorschriften konstruiert werden könne. Er habe keinerlei typische gewerbebezogene Missachtungen gesetzlicher Vorschriften wie Steuervergehen oder Nichtabführen von Sozialabgaben begangen, sondern sich im Zusammenhang mit seinem Gewerbe immer ordnungsgemäß verhalten. Er habe keine Geschäftspartner geschädigt. Der Antragsteller habe sich durch den Einfluss „falscher Freunde“ zu Taten hinreißen lassen, die zwar über einen längeren Zeitraum ausgeführt worden seien, doch dem Gepräge nach einen einheitlichen Lebensvorgang darstellten. Das Ausgangsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das soziale Umfeld des Antragstellers eine tragende Bedeutung bei der Tatbegehung gespielt habe. Die „falschen Freunde“ und der Bruder des Antragstellers, mit denen er bei der Begehung arbeitsteilig zusammengewirkt habe, seien nicht mit seiner Kernfamilie gleichzusetzen. Seine Ehefrau, die zusammen mit den Kindern seine nächste Bezugsperson sei, sei in keiner Weise an der Tatbegehung beteiligt gewesen. Aus der Zulassung eines der Unfallautos auf die Ehefrau als Halterin könne keine Tatbeteiligung geschlossen werden. Daher sei gegen sie auch keine Anklage erhoben worden. Der Antragsteller als Ehemann habe regelmäßig Zugriff auf den gemeinsamen Familien-PKW gehabt, so dass es nicht ungewöhnlich sei, dass seine Ehefrau von einem Unfall unter seiner Beteiligung nichts gewusst habe. Außer der Kernfamilie hätten auch seine beiden anderen Geschwister, zu denen er ein gutes Verhältnis pflege, keinen Bezug zu den Betrugstaten gehabt. Das stabile familiäre Umfeld spreche im Rahmen der Prognoseentscheidung über die Zuverlässigkeit für den Antragsteller. Die Rückkehr in eine stabile Familie sei im Rahmen des Resozialisierungsgedankens zu beachten; dürfte er sein Gewerbe weiter betreiben, wären auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben.
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2.2 Eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erfordert eine auf - vergangene oder gegenwärtige (noch andauernde) - Tatsachen gestützte Prognose dahingehend, dass erstens der Gewerbetreibende in Bezug auf das betreffende Gewerbe unzuverlässig ist und zweitens die Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (st. Rspr., vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 20.7.2016 - 22 ZB 16.284 - juris Rn. 9). Ist ein strafrechtlich geahndetes persönliches Fehlverhalten des Gewerbetreibenden Anlass für die Prüfung einer Gewerbeuntersagung, so kann Grundlage der Untersagung nicht das Strafurteil, sondern nur das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt hat, sein (BayVGH, B.v. 20.7.2016 - 22 ZB 16.284 - juris Rn. 10). Die Gewerbebehörden und Verwaltungsgerichte müssen in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrundeliegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigen (BayVGH, B.v. 20.7.2016 - 22 ZB 16.284 - juris Rn. 10).
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Vor diesem Hintergrund kann der Antragsteller mit seinem Vortrag nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat, soweit es die Prognose der Unzuverlässigkeit der Beklagten nachvollzogen hat, zu Recht auf die den beiden strafrechtlichen Verurteilungen zu Grunde liegenden Einzeltaten abgestellt (Beschlussabdruck S. 14 ff.). Mit der Wertung des Verwaltungsgerichts, dass es sich angesichts von sechs tatmehrheitlichen Betrugsstraftaten, die im Zeitraum zwischen Januar 2011 und Juni 2013 im Zusammenwirken mit verschiedenen Beteiligten bei unabhängigen Organisations- und Durchführungsakten verübt worden seien, nicht um eine einmalige Verfehlung gehandelt habe, setzt sich der Antragsteller mit seiner Behauptung, es handle sich dem Gepräge nach um einen einheitlichen Lebensvorgang, nicht substantiiert auseinander.
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Soweit der Antragsteller darauf abstellt, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sein familiäres Umfeld, d.h. seine Kernfamilie mit seiner Ehefrau und seinen Kindern, keine tragende Bedeutung bei der Begehung der gemeinschaftlichen Betrugstaten gehabt habe, setzt er sich schon nicht mit der Rolle seines mitverurteilten Bruders bei den Straftaten und seinem künftigen Verhältnis zu diesem auseinander. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der Prüfung der Frage gemacht hat, ob aus der günstigen Sozialprognose, die das Landgericht Aschaffenburg dem Beschluss zur Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes vom 3. Juli 2019 zugrunde gelegt hat, trotz der begangenen Straftaten auf die künftige gewerberechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers geschlossen werden könne. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine günstige, die Aussetzung einer verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung rechtfertigende Sozialprognose nicht zwingend zur gewerberechtlichen Zuverlässigkeit führt, weil sich die Sozialprognose nur auf das zukünftige strafrechtsrelevante Verhalten bezieht, aber nicht demselben Maßstab wie die gewerberechtlich gebotene Prognose folgt (BayVGH, B.v. 20.7.2016 - 22 ZB 16.284 - juris Rn. 17. m.w.N.). Selbst wenn es zuträfe, wie der Antragsteller ausführt, dass seine Ehefrau, auf die eines der Unfallfahrzeuge zugelassen war, von dem Tatplan nichts gewusst hätte und deshalb die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ehefrau sei in den Unfall „involviert“ gewesen, Zweifeln unterläge, änderte dies im Ergebnis nichts daran, dass aus den Ausführungen des Landgerichts Aschaffenburg in dem Beschluss vom 3. Juli 2019 unter Berücksichtigung der vom Antragsteller begangenen Taten nicht auf eine positive Prognose hinsichtlich seiner künftigen gewerberechtlichen Zuverlässigkeit geschlossen werden kann. Denn selbst wenn allein auf die Rückkehr in eine unbescholtene „Kernfamilie“ abzustellen wäre, würde dies allein angesichts der von dem Antragsteller in der Vergangenheit begangenen Taten, von deren Begehung seine „Kernfamilie“ ihn jedenfalls nicht abgehalten hat, und angesichts des Verlustes seiner abhängigen Beschäftigung nicht den Schluss zulassen, dass er seinen Verpflichtungen im Rahmen des Gewerbebetriebs künftig nachkommen und damit sein Gewerbe ordnungsgemäß betreiben wird.
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3. Der Antragsteller rügt weiter, das Ausgangsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die verübten Straftaten einen Bezug zu dem von ihm ausgeübten Gewerbe aufwiesen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne aus der Tatsache, dass mehrere der Unfallfahrzeuge auf den Antragsteller als Halter zugelassen gewesen seien, nicht darauf geschlossen werden, dass diese Fahrzeuge aus seinem Betrieb stammen könnten; es handele sich insoweit um reine Spekulation. Die Mittelklassefahrzeuge Mercedes E-Klasse, Audi A4 und Opel Insignia seien allesamt typische Familienfahrzeuge, die vom Antragsteller entsprechend genutzt worden seien. Diese seien derart weit verbreitet, dass man nicht über besonderes Wissen als Kfz-Händler verfügen müsse, um solche Fahrzeuge zu kaufen.
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Auch dieser Vortrag führt nicht zum Erfolg des Antrags. Nach der Rechtsprechung müssen die Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit schließen lassen, nicht im Rahmen des Gewerbebetriebs eingetreten sein, weil sich die Unzuverlässigkeit als eine Frage der persönlichen Veranlagung und Haltung nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit des Betroffenen beurteilt, so dass auch Komponenten außerhalb des Gewerbebetriebs maßgeblich sein können. Allerdings müssen die Tatsachen, auf die die Unzuverlässigkeit gestützt werden soll, gewerbebezogen sein, d.h. sie müssen sich auf die ordnungsgemäße Führung des in Rede stehenden Gewerbes auswirken (vgl. etwa BVerwG, B.v. 6.12.1994 - 1 B 234/94 - juris Rn. 6).
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Nach diesem Maßstab ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einem Gewerbebezug der von dem Antragsteller verübten Straftaten ausgegangen. Zum einen setzt der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass einer der fingierten Unfälle unter seiner Beteiligung auf dem Gelände seines Autohandels verabredet worden sei, nichts entgegen. Zum anderen erscheint es zweifelhaft, soweit er behauptet, es habe sich bei den auf ihn als Halter zugelassenen verunfallten Fahrzeugen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts um privat genutzte Familienfahrzeuge gehandelt und nicht um Fahrzeuge aus seinem Betrieb. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts Aschaffenburg waren zwar in zwei der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen die Fahrzeuge auf den Antragsteller als Halter zugelassen (Fälle 3 und 13 der Anklageschrift, die dem Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 15.7.2016 zugrunde lag, s. die tatsächlichen Feststellungen auf S. 31 und 42 des Strafurteils); in zwei anderen Fällen standen die Fahrzeuge dagegen lediglich in seinem Eigentum, waren aber auf eine dritte Person als Halter zugelassen oder offenbar von einer dritten Person benutzt worden (Fälle 11 und 15 der Anklageschrift, die dem Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 15.7.2016 zugrunde lag, s. die tatsächlichen Feststellungen auf S. 39 und 47 des Strafurteils). Es erscheint insofern fraglich, dass diese Fahrzeuge von der Familie des Antragstellers genutzt worden wären; es spricht mehr dafür, dass der Antragsteller sie im Rahmen seines Betriebs erworben hatte.
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Ob der Antragsteller die von ihm absichtlich verunfallten Fahrzeuge im Rahmen seines Gewerbebetriebs oder zu privaten Zwecken angekauft und genutzt hatte, kann aber letztlich dahinstehen. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht tragend auf die Annahme gestützt, dass ein konkreter Bezug des Gebrauchtwagenhandels zu den vom Antragsteller begangenen Straftaten bestehe, sondern darauf hingewiesen, dass bei Vermögensdelikten der von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO geforderte Gewerbebezug generell für alle Gewerbezweige zu bejahen sei; Eigentums- oder Vermögensdelikte eines Gewerbetreibenden könnten darauf schließen lassen, dass er dazu neige, die betroffenen Rechtsgüter nicht zu respektieren (Beschlussabdruck S. 19 f.). Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 20.2.2014 - 22 BV 13.1909 - juris Rn. 28; B.v. 21.8.2012 - 22 C 12.1256 - juris Rn. 8). Es ist von jedem Gewerbetreibenden unabhängig von der Art seines Gewerbes zu erwarten, dass er sich nicht in einer Weise wie der Antragsteller wegen gewerbsmäßigen Betrugs strafbar macht. Die bewusste Herbeiführung von Unfällen und daran anschließende Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen in erheblichem Umfang, auf die offensichtlich kein Anspruch besteht, trägt schon für sich betrachtet die Annahme, dass der Gewerbetreibende seinen rechtlichen Verpflichtungen im Rahmen des von ihm ausgeübten Gewerbes nicht ordnungsgemäß nachkommt.
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4. Der Antragsteller rügt weiter, bei dauerhafter Untersagung seines Gewerbes werde er mittelfristig auf staatliche Transferleistungen angewiesen sein. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit könne die Weitergestattung des Maschinenhandels für ihn kein taugliches milderes Mittel im Verhältnis zu einer Gewerbeuntersagung in Bezug auf das gesamte von ihm bisher betriebene Gewerbe sein. Er sei seit 20 Jahren als Kfz-Händler tätig und habe sich entsprechendes Knowhow und Branchenkontakte erarbeitet, was ihm im Hinblick auf den Maschinenhandel fehle. Er habe diesen Handel zwar eintragen lassen, um die Möglichkeit dazu zu haben, doch tatsächlich nie betrieben. Die Untersagung des Gebrauchtwagenhandels stelle für ihn eine Totaluntersagung dar, weil Autoverkäufer sein Beruf sei; es werde in seine Berufsfreiheit eingegriffen.
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Der Vortrag macht nicht hinreichend deutlich, inwieweit es in dem konkreten Fall trotz der bestehenden Unzuverlässigkeit ausnahmsweise geboten sein könnte, von der Gewerbeuntersagung abzusehen. Dabei müsste es sich nach der Rechtsprechung zu den gesetzlichen Anforderungen der Gewerbeordnung entsprechenden Untersagungsverfügungen um einen extremen Ausnahmefall handeln, der unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein Abweichen von der vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelfolge erfordern würde (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2012 - 22 ZB 12.853 - juris Rn. 26; BVerwG, B.v. 9.3.1994 - 1 B 33/94 - juris Rn. 3). Die wirtschaftliche Lage des Antragstellers sowie eventuelle Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Familie können aber keine Rechtfertigung dafür bieten, ihn als gewerberechtlich unzuverlässigen Gewerbetreibenden weiterhin am Geschäftsverkehr teilnehmen zu lassen und dadurch die Allgemeinheit zu gefährden. Ihm ist vielmehr zuzumuten, sich um eine (neue) abhängige Beschäftigung zu bemühen und auf diese Weise den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2012 - 22 ZB 12.853 - juris Rn. 26), zumal er ohnehin bisher schon neben der gewerblichen Tätigkeit einer abhängigen Tätigkeit nachgegangen war.
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5. Soweit der Vortrag des Antragstellers zur Begründung des Sofortvollzugs dahin zu verstehen sein sollte, dass er diese auch inhaltlich insoweit angreifen möchte, als ein Bedürfnis für den Sofortvollzug nicht damit begründet werden könne, dass es sich bei der gewerblichen Tätigkeit des Antragstellers um ein sensibles Vertrauensgewerbe handele (siehe oben 1.), kann er damit nicht durchdringen.
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Zwar ist die Anordnung des Sofortvollzugs einer Gewerbeuntersagung mit Blick auf den damit verbundenen weitreichenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes statthaft. Es muss durch solche überwiegenden öffentlichen Belange gerechtfertigt sein, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen (BVerfG, B.v. 13.8.2003 - 1 BvR 1594.03 - juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 17.1.2012 - 22 CS 11.1972 - juris Rn. 22; B.v. 23.9.2019 - 22 CS 19.1417 - juris Rn. 34). Auch unter Berücksichtigung dessen können das Interesse am Erlass und das besondere Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts allerdings auf dasselbe Ziel gerichtet sein und daher zusammenfallen, wenn schon der Erlass des Verwaltungsakts als solcher zur Abwehr entsprechender konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist (BayVGH, B.v. 23.9.2019 - 22 CS 19.1417 - juris Rn. 35 m.w.N.).
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Das Verwaltungsgericht hat vor diesem Hintergrund zutreffend die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs mit der Begründung bejaht, dass diese zum Schutz von Eigentum und Vermögen Dritter sowie mit Blick auf die Verkehrssicherheit von Fahrzeugen auch zum Schutz von Leben und Gesundheit Dritter erforderlich sei, und dies vor dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Das Gericht hat ausgeführt, es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die abzuwehrende Gefahr bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisiere, zumal der Antragsteller nicht wie behauptet seit 20 Jahren sein Gewerbe tadellos geführt habe, sondern ein oder zwei Jahre nach Beginn seiner gewerblichen Tätigkeit mit der Begehung der Betrugstaten begonnen habe. Die Tatsache, dass der Antragsteller kurze Zeit nach seiner vorläufigen Entlassung aus der Haft sein Gewerbe wieder angemeldet habe und es nun als Haupterwerb betreiben wolle, begründe die Gefahr, dass er alsbald erneut und vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens seine gewerbebezogenen Pflichten außer acht lassen werde.
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Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist der Antragsteller mit seinem Vortrag nicht substantiiert entgegengetreten. Weder das Landratsamt noch das Verwaltungsgericht haben allein aus der Tatsache, dass dem Antragsteller ein überwachungsbedürftiges und sensibles Vertrauensgewerbe untersagt wurde, auf die Notwendigkeit des Sofortvollzugs geschlossen.
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6. Soweit der Antragsteller darüber hinaus auf erstinstanzliches Vorbringen verweist, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, die eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung voraussetzen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22b).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in Nr. 54.2.2, Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 152 Abs. 1 VwGO).