Inhalt

VG München, Beschluss v. 17.10.2022 – M 9 S 21.2766
Titel:

ohne Fortbestand der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet keine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung

Normenketten:
AufenthG § 25 Abs. 4 S. 2, § 28 Abs. 2 S. 3, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BeschV § 26 Abs. 2 S. 2
Leitsätze:
1. Je mehr die Ehegatten bei der Ausgestaltung ihrer Ehe auf einen gemeinsamen, regelmäßigen Lebensmittelpunkt verzichten (müssen), desto wichtiger ist für die Feststellung einer bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft jedoch das Vorhandensein anderer Indizien für die gewollte gemeinsame Lebensgestaltung; für das Bestehen des „Ehewillens“ als innere Tatsache trägt der Ausländer die Beweislast. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen setzt die familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet voraus.  (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine erst im Erwachsenenalter eingereiste Person steht einem Inländer auch bei gelungener Integration und Verwurzelung regelmäßig nicht gleich. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz bei versagtem Aufenthaltstitel, Kosovarischer Staatsangehöriger, Familiennachzug zu einer Deutschen, Erfordernis des Fortbestands der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet, Abschiebungsandrohung, Kosovo, Niederlassungserlaubnis, Familiennachzug, eheliche Lebensgemeinschaft
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29408

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis sowie die Ablehnung der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
2
Der Antragsteller ist am …  1980 geboren und k. Staatsangehöriger. Er reiste erstmals am … September 1998 in das Bundesgebiet ein. Sein damals gestellter Asylantrag wurde 1999 bestandskräftig abgelehnt. Am ..  2009 heiratete er im Kosovo eine deutsche Staatsangehörige. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen; der Antragsteller ist Vater einer im Kosovo lebenden Tochter aus einer früheren Beziehung. Nach der Heirat Anfang Juni 2009 beantragte der Antragsteller am … Juni 2009 bei der deutschen Botschaft in P. … ein Visum zum Familiennachzug. Die Antragsgegnerin lehnte als zuständige Ausländerbehörde die beantragte Zustimmung wegen des Verdachts einer Scheinehe ab.
3
Am … Juli 2010 reiste der Antragsteller mit einem polnischen Schengenvisum in das Bundesgebiet ein und meldete sich unter dem Wohnsitz seiner Ehefrau an. Auf seinen Antrag vom .. August 2010 hin wurde ihm am .. August 2011 eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu seiner Ehefrau für ein Jahr erteilt (vgl. Bl. 293 der Behördenakte).
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Am .. Juli 2012 beantragte der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und gab an, dass die Ehefrau seit dem … Mai 2012 einen Arbeitsplatz in der S. habe und sich aus melderechtlichen Gründen dort an- und in M. … abgemeldet habe, die eheliche Lebensgemeinschaft aber weiterhin in M. … fortbestehe. Mit Schreiben vom … Juli 2012 übersandte die Bevollmächtigte des Antragstellers eine Erklärung der Ehefrau, wonach diese zunächst für ein Jahr in der S. arbeiten, die eheliche Lebensgemeinschaft aber weiterhin in M. … fortführen wolle.
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Am .. Oktober 2012 zog der Antragsteller in eine 26 qm große Wohnung um; in dem entsprechenden Vertrag ist nur der Antragsteller aufgeführt (vgl. Bl. 406 ff. der Behördenakte), während in dem vorherigen Mietvertrag über eine Wohnung ab dem .. Mai 2012 noch beide Ehepartner als Mieter aufgeführt waren (vgl. Bl. 379 ff. der Behördenakte). Am … Februar 2013 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte mitteilen, dass seine Ehefrau noch immer in der S. beschäftigt sei, ihren Wohnsitz habe sie nunmehr aber in Deutschland gemeldet, da sie die eheliche Lebensgemeinschaft in der arbeitsfreien Zeit mit ihrem Ehemann führe. Am .. Juni 2013 gab die Ehefrau des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin zur Niederschrift an, dass sie überlege, wieder nach Deutschland zu ziehen, anderenfalls würde der Antragsteller in die S. ziehen; derzeit besuche man sich regelmäßig gegenseitig (vgl. Bl. 425 f. der Behördenakte). Außerdem legte der Antragsteller im Verwaltungsverfahren immer wieder Zugtickets über Reisen in die S. und Tankbelege aus der S. vor (vgl. etwa Bl. 97 ff., Bl. 420 f., Bl. 431 ff. und Bl. 506 f. der Behördenakte).
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Am … April 2018 beantragte der Antragsteller unter Vorlage der Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme am Orientierungskurs, eines B1-Zertifikats, einer Auskunft der Deutschen Rentenversicherung (60 Monatsbeiträge), von Gehaltsnachweisen (beschäftigt seit ..4.2012; 2.000 EUR brutto/Monat) und des Mietvertrags (Mietzins: 258,90 EUR) die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
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Mit Schreiben vom … Juli 2018 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seiner Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis angehört. Mit Schreiben vom .. September 2018 trug die Bevollmächtigte des Antragstellers vor, dass die eheliche Lebensgemeinschaft weiterbestehe und durch Besuche aufrechterhalten werde. Eine Bestätigung der Ehefrau über das Bestehen einer Fernbeziehung wurde vorgelegt. Hilfsweise wurden die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bzw. nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und die anschließende Erteilung der Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 AufenthG bzw. § 26 Abs. 4 AufenthG beantragt.
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Mit Schreiben vom … September 2018 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass eine Erteilung nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG oder § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht in Betracht komme, aber ggf. eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung nach § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV (sogenannte Westbalkanregelung) erteilt werden könne. Hierfür seien jedoch die Ausreise und Antragstellung für ein Visum im Heimatland nötig. Später stellte die Antragsgegnerin - nach erfolgter Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit - eine Vorabzustimmung in Aussicht. Die Beteiligten konnten sich jedoch nicht auf diese Lösung einigen, da die Antragsgegnerin die Vorabzustimmung nur bei vorheriger Antragsrücknahme im Verwaltungsverfahren ausstellen, der Antragsteller seine Anträge jedoch nicht zurücknehmen wollte. Auf weitere Anfrage der Antragstellerbevollmächtigten teilte die Antragsgegnerin am … März 2021 mit, dass auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG nicht in Betracht komme.
9
Der Antragsteller arbeitet seit dem … April 2012 als Fahrer für einen Früchtegroßhandel und seit dem .. Juli 2020 als Aushilfe in einer Tankstelle.
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Mit Bescheid vom … April 2021 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom … Juli 2012 (Nr. 1) sowie den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom … April 2018 (Nr. 2) ab und setzte dem Antragsteller eine Ausreisefrist bis … Mai 2021 (Nr. 3). Für den Fall der schuldhaften und erheblichen Überschreitung der Ausreisefrist wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von bis zu einem Jahr in Aussicht gestellt (Nr. 4). Weiterhin drohte die Antragsgegnerin für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung vorrangig in den Kosovo an (Nr. 5).
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Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage von § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG sei ausgeschlossen, da die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr bestehe. Der Antragsteller lebe bereits sei fast neun Jahren räumlich von der Ehefrau getrennt. Die Ehefrau scheine kein Interesse an einer Rückkehr nach Deutschland und somit an der Weiterführung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu haben. Somit werde die eheliche Lebensgemeinschaft nicht im Bundesgebiet, sondern in der S. geführt. Auch die aktuelle Lebenssituation des Antragstellers zeige, dass er nicht mit einer Rückkehr der Ehefrau rechne. Er bewohne eine 26 qm große Einzimmerwohnung. Auch eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck komme nicht in Betracht. Es zeigten sich keine besonderen Umstände des Einzelfalls, die eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG für den Antragsteller bedeuten würden. Eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG könne nur für einen vom Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Zweck erteilt werden. Da der beabsichtigte Zweck hier der im Aufenthaltsrecht geregelte Familiennachzug zur Ehefrau sei, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Auch eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung scheide aus. Hierfür sei gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BeschV die Antragstellung bei der deutschen Auslandsvertretung nötig. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG scheitere schon daran, dass der Antragsteller nicht geduldet sei. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen nicht vor. Auch die Voraussetzungen der § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sowie § 25 Abs. 5 AufenthG seien nicht erfüllt. Hinsichtlich des Antrags auf Niederlassungserlaubnis wurde ausgeführt, § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sei nicht erfüllt, da der Antragsteller nicht seit drei Jahren in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei. Die Zeiten der Fiktionsbescheinigungen würden nur angerechnet, wenn der Antrag positiv verbeschieden würde, was hier nicht der Fall sei. Aus demselben Grund seien auch § 26 Abs. 4 AufenthG und § 9 AufenthG nicht einschlägig. Die Interessenabwägung komme zu dem Ergebnis, dass das persönliche Interesse des Antragstellers am weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten müsse. Der Antragsteller habe im Bundesgebiet keine weiteren familiären oder sozialen Bindungen. Er lebe nunmehr seit fast neun Jahren räumlich von seiner Ehefrau getrennt. Eine ursprünglich und zwischenzeitlich angedachte Rückkehr der Ehefrau sei nicht erfolgt. Die Lebenssituationen seien so gestaltet, dass kein längerer gemeinsamer Aufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigt sei. Die Tankbelege zeigten - sollte man von einer ehelichen Lebensgemeinschaft ausgehen - dass eine solche nur in der S. geführt werde. Eine Rückkehr in den Kosovo und eine Reintegration sei ohne Probleme möglich. Der Antragsteller habe seine schulische und berufliche Ausbildung dort erhalten. Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz seien gewahrt. Insbesondere könne die eheliche Lebensgemeinschaft in der S. geführt werden. Die Ausreisepflicht innerhalb der gesetzten Frist gründe auf § 50 AufenthG, die Androhung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots auf § 11 Abs. 6 AufenthG. Gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 AufenthG sei die Abschiebung anzudrohen.
12
Am 21. Mai 2021 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom … April 2021 erheben mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids und der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, hilfsweise der befristeten Verlängerung bzw. Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (M 9 K 21.2765). Zugleich beantragte er im Wege des Eilrechtsschutzes,
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
14
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 29. Mai 2021 ausgeführt, es bestehe eine eheliche Lebensgemeinschaft. Auch „Wochenendehen“ seien schutzwürdig. Eine Prüfung, ob der Antragsteller über ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verfüge, sei nicht erfolgt. Da der Antragsteller am … Juli 2010 in das Bundesgebiet eingereist sei und am … August 2010 einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt habe, hätte er bei Unterstellung des Fortbestands der ehelichen Lebensgemeinschaft bis zum .. August 2013 ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erworben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Ehefrau sich am … Juni 2013 niederschriftlich zum Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft erklärt habe. Im Übrigen seien die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erfüllt. Aufgrund der Tatsache, dass die eheliche Lebensgemeinschaft weiterhin fortbestehe und die Ehegattin nur berufsbedingt den Wohnsitz in der S. habe sowie im Hinblick darauf, dass der Antragsteller sich seit knapp elf Jahren im Bundesgebiet aufhalte, würde eine Ausreise eine außergewöhnliche Härte darstellen. Auch liege die außergewöhnliche Härte darin, dass, wenn die Ehefrau beispielsweise in K. arbeiten würde, und die Ehegatten eine Fernbeziehung führen würden, der Antragsteller schon seit vielen Jahren einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG gehabt hätte.
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Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2021 beantragte die Antragsgegnerin,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde auf den Bescheid Bezug genommen.
18
Am .. August 2021 legte der Antragsteller eine Erklärung seiner Ehefrau vom … Mai 2021 vor, aus der sich ergibt, dass sie mit dem Antragsteller glücklich verheiratet sei und die Eheleute eine Fernbeziehung führten. Außerdem wurde ein Arbeitszeugnis vom … Mai 2021 und ein Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers aus einer Nebenbeschäftigung vom .. Juni 2021 vorgelegt.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 9 K 21.2765, Bezug genommen.
II.
20
Der Eilantrag ist nach teilweiser Umdeutung des Antrags zulässig (A.), allerdings nicht begründet (B. bis E.).
21
A. Der Eilantrag ist zulässig, teilweise als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (I. und III.) und teilweise - nach entsprechender Umdeutung - als Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO (II.)
22
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist statthaft und auch sonst zulässig, soweit er sich gegen die Ablehnung des auf § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG und hilfsweise auf § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bzw. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gestützten Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis richtet, da insoweit ein Fall des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorliegt. Der Ausschluss des Suspensiveffekts durch § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zielt nur auf Fälle, in denen aus der Antragstellung bei der Ausländerbehörde ein statusverstärkendes Bleiberecht resultiert - etwa in Form der Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion nach § 81 AufenthG - und deshalb die Versagung des Aufenthaltstitels zugleich zu einer Belastung des aktuellen Status des Ausländers führt, indem dieser nach § 50 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig wird. Nur aus dieser fachrechtlich angeordneten Besonderheit in prozessualer Hinsicht lässt sich erklären, dass § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - eigentlich systemwidrig - den Suspensiveffekt des Hauptsacherechtsbehelfs ausschließt, obwohl es sich wegen dem auf Erteilung des Aufenthaltstitels gerichteten Begehr um eine Verpflichtungsklage handelt, der nach allgemeinen prozessrechtlichen Regeln keine aufschiebende Wirkung zukommen kann (§ 80 Abs. 1 VwGO e contratio; vgl. zum Ganzen Zimmerer in: BeckOK MigR, 12. Ed. 15.7.2022, § 84 AufenthG Rn. 2). Entsprechend ist in diesen Fällen ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft (vgl. VG München, B.v. 19.5.2022 - M 2 S 21.3305 - juris Rn. 19; VG Aachen, B.v. 24.5.2016 - 8 L 1025/15 - juris Rn. 5).
23
Ein solcher Fall, in dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wegen der soeben beschriebenen Sonderkonstellation statthaft ist, liegt hier vor, soweit sich der Antrag gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis richtet. Denn insoweit hat der Verlängerungsantrag vom … Juli 2012 hinsichtlich des bis zum .. August 2012 befristeten Aufenthaltstitels wegen der rechtzeitigen Antragstellung die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Der Antragsteller verfügt daher insoweit über ein statusverstärkendes Bleiberecht, das durch die Ablehnung in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids zu seinem Nachteil beendet wurde; daher besteht insoweit Raum für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht (vgl. VG München, B.v. 19.5.2022 - M 2 S 21.3305 - juris Rn. 19; VG Aachen, B.v. 24.5.2016 - 8 L 1025/15 - juris Rn. 5).
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II. 1. Hinsichtlich des auf die Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteten Antrags vom … April 2018 ist der durch die Antragstellerbevollmächtigte gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch nicht statthaft, da insoweit keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eintritt, weil der Antrag nicht vor Ablauf des damaligen Aufenthaltstitels gestellt wurde. Ein Fall der unbilligen Härte nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wird weder behauptet noch ist sein Vorliegen anderweitig erkennbar. Daher verfügt der Antragsteller insoweit nicht über ein seinen Status verstärkendes Bleiberecht; es besteht nach dem soeben dargestellten Maßstab kein Raum für die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung.
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2. Allerdings ist der gestellte Antrag insoweit umzudeuten in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, gerichtet auf die vorläufige Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bis zur Entscheidung über den beantragten Aufenthaltstitel in der Hauptsache. Dies entspricht dem materiellen Begehr des Antragstellers und verwirklicht sein Rechtsschutzziel. Auch bei anwaltlicher Vertretung des Beteiligten ist das Gericht an einer Auslegung des (Klage-)Antrags nicht gehindert und darf im Rahmen der Auslegung nach § 88 (i.V.m. § 122 Abs. 1) VwGO von dem Antragswortlaut abweichen, wenn die Antragsbegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände - wie hier - eindeutig erkennen lassen, dass die Antragsfassung nicht dem tatsächlichen Antragsziel entspricht (vgl. nur BVerwG, B.v. 21.1.2015 - 4 B 42/14 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 10.10.2018 - 11 CS 18.2480 - juris Rn. 11 m.w.N.).
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Der in dieser Weise umgedeutete Antrag nach § 123 VwGO ist auch zulässig. Zwar ist regelmäßig für einen Antrag, der sich - wie hier - auf die vorläufige Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bis zur Hauptsacheentscheidung über den beantragten Aufenthaltstitel richtet, kein Raum und der Antrag deshalb unzulässig (vgl. VG München, B.v. 19.5.2022 - M 2 S 21.3305 - juris Rn. 21; anders wohl VG München, B.v. 24.2.2020 - M 4 E 19.6044 - juris Rn. 56; VG Aachen, B.v. 24.5.2016 - 8 L 1025/15 - juris Rn. 14: jeweils ohne weitere Begründung), wenn - wie ebenfalls hier - ein nicht gemäß § 81 Abs. 3 bzw. Abs. 4 AufenthG geschützter Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels begehrt. Denn dieser muss die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich im Ausland abwarten (vgl. OVG NW, B.v. 11.1.2016 - 17 B 890/15 - juris Rn. 8; VG Düsseldorf, B.v. 8.7.2021 - 2 L 1096/21 - juris Rn. 15; VG Aachen, B.v. 24.5.2016 - 8 L 1025/15 - juris Rn. 11). Allerdings ist von diesem Grundsatz vorliegend wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eine Ausnahme zu machen, da ohne die einstweilige Anordnung einem möglichen Begünstigten die Inanspruchnahme einer ausländerrechtlichen Regelung vereitelt würde, die einen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2021 - 19 CE 21.363 - juris Rn. 7 und Rn. 12; OVG NW, B.v. 11.1.2016 - 17 B 890/15 - juris Rn. 9 ff.). Denn vorliegend begehrt der Antragsteller in der Hauptsache die Verpflichtung zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis u.a. nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Diese Norm setzt tatbestandlich das Fortbestehen der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet voraus. Müsste der Ausländer jedoch wegen Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht und darauf gestützter aufenthaltsbeendender Maßnahmen der Behörden das Bundesgebiet verlassen, wäre es ihm unmöglich, die Voraussetzung des Fortbestehens der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum relevanten Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz noch zu erfüllen. Daher besteht wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ausnahmsweise für den nicht gemäß § 81 Abs. 3 bzw. Abs. 4 AufenthG in seinem Status verstärkten Ausländer Raum für eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO.
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III. Der Antrag ist ferner als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch sonst zulässig, soweit er sich gegen die Abschiebungsandrohung richtet. Diese stellt eine belastende Regelung dar; der hiergegen erhobenen Anfechtungsklage kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu. Die im Bescheid (unter Nr. 2) festgelegte Ausreisefrist bis zum … August 2021 ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zwar bereits abgelaufen; Erledigung nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG tritt hierdurch aber nicht ein, weil der Ablauf der Frist noch Rechtsfolgen - als Voraussetzung für eine Abschiebung - zeitigt (vgl. VG München, B.v. 19.5.2022 - M 2 S 21.3305 - juris Rn. 22).
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B. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist jedoch unbegründet. Denn der ablehnende Bescheid ist insoweit voraussichtlich rechtmäßig, weil kein Anspruch auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis besteht.
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I. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn eine eigene Abwägungsentscheidung des Gerichts ergibt, dass das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiegt. Maßgeblich kommt es insoweit auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an. Nur wenn wegen der Komplexität der Sach- und Rechtslage keine Abschätzung der Erfolgsaussichten der Hauptsache getroffen werden kann und sich die Erfolgsaussichten daher als offen darstellen, sind die einander gegenüberstehenden Interessen zu gewichten und die Folgen der gerichtlichen Entscheidung in die eine oder die andere Richtung abzuwägen.
30
II. Die im Eilverfahren gebotene summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt vorliegend, dass die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil er keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat, § 113 Abs. 5 VwGO, weswegen die Ablehnung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind daher nicht als ergebnisoffen zu bewerten, sodass es nicht auf eine reine Abwägung ankommt.
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1. Ein Anspruch folgt hier nicht aus § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG, weil es nach der summarischen Prüfung durch das Gericht schon an dem Fortbestand der familiären Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau des Antragstellers fehlt (a), diese aber jedenfalls nicht - wie die Norm über ihren Wortlaut hinaus tatbestandlich voraussetzt - im Bundesgebiet besteht (b).
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a) Es fehlt schon an dem von § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG vorausgesetzten Fortbestand der familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau, mithin an einer gelebten ehelichen Lebensgemeinschaft.
33
aa) Vom Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft ist auszugehen, wenn die Eheleute in einer die persönliche Verbundenheit zum Ausdruck bringenden Beistandsgemeinschaft leben. Die eheliche Lebensgemeinschaft dokumentiert sich nach außen im Regelfall in einer gemeinsamen Lebensführung, also in dem erkennbaren Bemühen, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen (vgl. Tewocht in BeckOK Ausländerrecht, 34. Ed. 1.10.2021, § 27 AufenthG Rn. 44). Allein das formale Band der Ehe reicht daher für sich genommen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten; maßgeblich ist der bei beiden Eheleuten bestehende Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten. Prägendes Element der Lebensgemeinschaft ist die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten. Bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße sogenannte Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen. Denn die Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft lässt es nicht zu, schematische oder allzu enge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu formulieren. Das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft ist daher weder eine notwendige noch eine hinreichende Voraussetzung für die Feststellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Der vorübergehende oder auch dauerhafte Verzicht auf die häusliche Gemeinschaft wie etwa bei Ehen von - wie hier - zwei an weit entfernten Orten lebenden bzw. beschäftigten Personen muss also kein Indiz für das Nichtvorliegen der erforderlichen familiären Lebensgemeinschaft sein. Je mehr die Ehegatten bei der Ausgestaltung ihrer Ehe auf einen gemeinsamen, regelmäßigen Lebensmittelpunkt verzichten (müssen), desto wichtiger ist für die Feststellung einer bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft jedoch das Vorhandensein anderer Indizien für die gewollte gemeinsame Lebensgestaltung. Im Zentrum steht die Frage nach dem nachweisbar betätigten Willen, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen (vgl. zum - insoweit vergleichbaren - § 31 AufenthG VGH BW, B.v. 12.11.2020 - 11 S 2512/19 - juris Rn. 11; zu § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, von dem sich der hier gegenständliche Verlängerungsanspruch nach § 28 Abs. 2 Satz 3 ableitet, VGH BW, B.v. 20.9.2018 - 11 S 1973/18 - juris Rn. 8 - jeweils m.w.N.). Die Beweislast für das Bestehen dieses „Ehewillens“ als innere Tatsache trägt der Ausländer (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2010 - 1 C 7/09 - juris Rn. 17; VGH BW, B.v. 12.11.2020 - 11 S 2512/19 - juris Rn. 11).
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bb) Ausgehend von diesem Maßstab besteht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau jedenfalls seit dem Umzug der Ehefrau in die S. keine eheliche Lebensgemeinschaft (mehr). Die Ehefrau des Antragstellers lebt und arbeitet schon seit dem … Mai 2012 in der S.. Ohne dass es dabei auf die formale Meldung bei der Meldebehörde ankäme, erscheint es nach Aktenlage nicht plausibel, dass der Antragsteller und seine Ehefrau nach diesem Zeitpunkt die eheliche Lebensgemeinschaft am Wohnsitz des Antragstellers in M. (fort-)führen wollten. Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsteller und seine Ehefrau - wie von der Antragsgegnerin angezweifelt - überhaupt jemals eine eheliche Lebensgemeinschaft bildeten. Jedenfalls mit dem Umzug der Ehefrau in die S. wird deutlich, dass die Eheleute nicht mehr den nachweisbar betätigten Willen, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen, hatten. Die Partner leben seit dem Umzug der Ehefrau in erheblicher räumlicher Distanz zueinander. Zudem zog der Antragsteller im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Wegzug seiner Ehefrau am .. Oktober 2012 in eine 26 qm große Wohnung um, obwohl die Eheleute erst kurz zuvor zum .. Mai 2012 gemeinsam eine Wohnung angemietet hatten. Es ist daher nach Aktenlage ersichtlich und im Übrigen auch von dem Antragsteller nicht gegenteilig vorgetragen, dass die Eheleute jedenfalls ab Oktober 2012 nicht mehr zusammenwohnten. Zwar ist dieser Verzicht auf die häusliche Lebensgemeinschaft nicht zwingend als Indiz für das Entfallen der ehelichen Lebensgemeinschaft zu werten. Allerdings fehlt es hier jedenfalls an sonstigen, entsprechend gewichtigen Indizien dafür, dass die Ehepartner trotz Entfalls der häuslichen Gemeinschaft die gemeinsame Lebensgestaltung aufrechterhalten wollen. Vielmehr trägt der Antragsteller nur vor, dass die Ehe im Wege einer Fernbeziehung mit entsprechenden Besuchen fortgeführt werde. Dies bestätigt die Ehefrau u.a. in mehreren formlosen Erklärungen. Als Nachweis für die Besuche werden Zugtickets und zahlreiche Tankbelege vorgelegt.
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Selbst wenn man unterstellt, dass diese Belege - wie vorgetragen - Besuche nachweisen, ist nach Aktenlage nicht erkennbar, dass der Antragsteller und seine Ehefrau auf eine gemeinsame Lebensführung abzielten und ein nachweisbar betätigter Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen, vorläge. Die Angaben der Eheleute gegenüber der Antragsgegnerin und des Antragstellers in dem hiesigen gerichtlichen Verfahren erschöpfen sich vielmehr in dem pauschal geäußerten Wunsch, möglicherweise zukünftig wieder gemeinsam in M. leben zu wollen, sowie der abstrakten Feststellung, es läge eine Fernbeziehung vor. Damit ergeben sich weder Anzeichen dafür, dass sich der Wunsch nach einem künftigen Zusammenleben, der jedenfalls seit dem Jahr 2013 geäußert wurde, verwirklichen lässt; eine besondere Dringlichkeit dieses Wunsches der Eheleute ist nach Aktenlage deshalb nicht erkennbar. Noch liegen Anzeichen oder ein entsprechend plastischer und belegter Vortrag vor, dass die Eheleute trotz Fernbeziehung tatsächlich ein eng aufeinander bezogenes Leben führen oder führen wollen. Dem Vortrag des Antragstellers fehlt jede individuelle Prägung. Dies gilt insbesondere auch für die wiederholt vorgelegten Erklärungen der Ehefrau, dass eine Fernbeziehung bestehe (vgl. etwa die Erklärungen vom …7.2012, Bl. 387 der Behördenakte, vom ..9.2018, Bl. 504 der Behördenakte, oder vom …5.2021, Bl. 64 der Gerichtsakte). Bei einer seit über zehn Jahren bestehenden Ehe, die auch gelebt wird, müsste es dem Antragsteller möglich sein, wenigstens einige individuell geprägte Nachweise oder jedenfalls Indizien für eine aufeinander bezogene Lebensführung (etwa Fotos des Paares oder andere Fotos, die anlässlich gemeinsamer Unternehmungen entstanden sind) vorzulegen. Hier fehlt es jedoch gänzlich am Vortrag entsprechender gemeinsamer Aktivitäten, die auf eine einer ehelichen Lebensgemeinschaft entsprechende Lebensführung hindeuten könnten. Der Antragsteller kommt seiner Beweislast für das Bestehen dieses „Ehewillens“ als innere Tatsache nicht im Ansatz nach.
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b) Unabhängig davon setzt § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG voraus, dass die familiäre - hier eheliche - Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet besteht (aa). Daran fehlt es hier selbst dann, wenn man den Vortrag des Antragstellers, wonach eine eheliche Lebensgemeinschaft im Besuchswege bestehe, zugrunde legt (bb).
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aa) Voraussetzung für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage von § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist über den Wortlaut der Norm hinaus, dass die familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet besteht (so i. E. auch OVG Saarl, B.v. 30.5.2011 - 2 B 241/11 - juris Rn. 19; VG Bayreuth, U.v. 19.11. 2014 - B 4 K 14.280 - juris Rn. 22). Dies ergibt sich aus teleologischen und systematischen Erwägungen. Der sechste Abschnitt des zweiten Kapitels des Aufenthaltsgesetzes regelt ausweislich seiner Überschrift den Aufenthalt aus familiären Gründen. Dabei ergibt sich aus § 27 Abs. 1 AufenthG, dass der Familiennachzug aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 6 GG) gewährt wird und zwar zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet und damit im - wegen des Territorialitätsprinzips grundsätzlich (für das Vorliegen einer der Ausnahmen bestehen hier keine Anhaltspunkte) auf das Staatsgebiet beschränkten (vgl. näher Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Einführung Rn. 28 f.) - Geltungsbereich des Grundgesetzes. Der gesamte sechste Abschnitt des zweiten Kapitels des Aufenthaltsgesetzes regelt - ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 GG - den Aufenthalt aus familiären Gründen mit dem Ziel, unter bestimmten Voraussetzungen den Aufenthalt des Ausländers bei einer anderen Person, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhält (vgl. dazu aus Sicht des Art. 6 GG BVerfG, B.v. 31.8.1999 - 2 BvR 1523/99 - juris Rn. 7 am Anfang), zu ermöglichen. Dementsprechend setzt beispielsweise das von dem deutschen Ehepartner abgeleitete Aufenthaltsrecht des Ausländers nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG schon dem Wortlaut der Norm nach den gewöhnlichen Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet voraus. Ähnliches gilt für den Verfestigungsanspruch nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der ebenfalls schon ausweislich seines Wortlauts das Fortbestehen der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zur Voraussetzung hat. Auch das eigenständige Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 31 AufenthG) besteht nur, wenn die Lebensgemeinschaft zuvor im Bundesgebiet bestanden hat (vgl. VGH BW, B.v. 12.11.2020 - 11 S 2512/19 - juris Rn. 11 am Anfang). Sinn und Zweck dieser aufenthaltsgewährenden Vorschriften ist damit die Ermöglichung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet. Die Familienangehörigen bzw. Ehepartner sollen nicht gezwungen sein, die familiäre bzw. eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland, etwa im Heimatland des zuzugswilligen Ausländers, zu führen, da dies auch dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 GG widerspräche. Denn der Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG umfasst neben der Freiheit, eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen, insbesondere auch das Recht des Grundrechtsträgers, darüber zu entscheiden, wo die Ehe bzw. Familie gelebt werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1973 - I C 33.72 - juris Rn. 22; zum Ganzen Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 555).
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Diesem Ergebnis, dass auch § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG den Fortbestand der familiären Lebensgemeinschaft gerade im Bundesgebiet voraussetzt, kann nicht entgegengehalten werden, dass der Wortlaut dieser Norm anders als der Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG oder § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerade nicht den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. die Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet voraussetze. Vielmehr bauen sowohl der Verfestigungsanspruch nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG als auch der Verlängerungsanspruch nach § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG systematisch auf dem abgeleiteten Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 1 AufenthG auf und können daher nicht isoliert von diesem betrachtet werden; insbesondere die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG setzt schon begrifflich den vorherigen Bestand einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG voraus (vgl. VG Hannover, U.v. 24.9.2021 - 5 A 1357/21 - juris Rn. 22). Entsprechend teilen alle drei Regelungen die materielle Voraussetzung, dass die Ehe bzw. Familie im Bundesgebiet gelebt wird. Weiterhin ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass § 27 AufenthG schon mit Blick auf seine systematische Stellung am Anfang des sechsten Abschnitts des zweiten Kapitels zusätzliche allgemeine Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel aus familiären Gründen aufstellt und in seinem Absatz 1 wie soeben beschrieben (vgl. oben Rn. 37) gerade die familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet voraussetzt (vgl. Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 584).
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Ebenso wenig kann diesem Ergebnis die Formulierung in § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG am Anfang („Im Übrigen“) entgegengesetzt werden. „Im Übrigen“ impliziert zwar, dass der folgende Satz für den Fall Anwendung findet, dass eine zuvor getroffene Regelung nicht einschlägig ist. So liegt es auch bei dem Verhältnis von § 28 Abs. 2 Satz 1 bzw. 2 mit Satz 3 AufenthG, denn Satz 3 der Norm ordnet die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis an, wenn (noch) nicht die Niederlassungserlaubnis nach Satz 1 erteilt werden kann (vgl. Oberhäuser in NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 28 AufenthG Rn. 51). Dies bezieht sich jedoch nicht auf die Anforderung des Fortbestandes der Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet, sondern vor allem auf den dreijährigen Besitz der Aufenthaltserlaubnis. Denn die Regel ist die Erteilung einer auf drei Jahre befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG (vgl. Nr. 28.1.6 AVV-AufenthG) und sodann die Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Fehlt es für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an der dreijährigen Dauer (etwa wegen einer ausnahmsweise kürzeren Befristung), ist „im Übrigen“ die Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG jedenfalls zu verlängern.
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bb) Eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht hier jedenfalls nicht - wie nach obigen Ausführungen durch § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG vorausgesetzt - im Bundesgebiet. Der Antragsteller trägt selbst vor, er besuche seine Ehefrau regelmäßig in der S.. Wenn überhaupt eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht, wird diese daher in der S. geführt. Für den Bestand einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet - konkret am Wohnsitz des Antragstellers in M. … - sind nach Aktenlage keine maßgeblichen Indizien ersichtlich. Vielmehr zog der Antragsteller nach dem Wegzug seiner Ehefrau in eine 26 qm große Wohnung um. Die vormalige, gemeinsam angemietete Wohnung wurde aufgegeben. Es ist weder vorgetragen noch sonst aus den Akten erkennbar, dass die Eheleute ihren Lebensmittelpunkt in M. … und in der neuen Wohnung des Antragstellers sähen. Zwar kann auch insoweit nicht allein auf die Wohnsituation der Eheleute abgestellt werden; allerdings sind bei Fehlen einer als gemeinsamer Lebensmittelpunkt dienenden Wohnung jedenfalls sonstige Anzeichen notwendig, die erkennen lassen, dass die Eheleute ein gemeinsames und aufeinander bezogenes Leben führen wollen (vgl. schon oben Rn. 33 ff.) und dies auch im Bundesgebiet anstreben. An solchen Anzeichen fehlt es hier. Es ist noch nicht einmal vorgetragen, dass sich die Ehefrau des Antragstellers regelmäßig im Bundesgebiet aufhielte. Aus den Behördenakten ergibt sich dies ebenfalls nicht. Ein möglicher Anhaltspunkt hierfür wären allenfalls die Angaben der Ehefrau des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin vom .. Juni 2013 (vgl. Bl. 425 f. der Behördenakte). Dort gibt die Ehefrau zwar abstrakt an, ca. zwei- bis dreimal im Monat nach Deutschland zu reisen, während ihr Ehemann ca. einmal im Monat in die S. komme. Zu den konkreten Besuchszeiten erklärt sie unmittelbar im Anschluss jedoch, im März, also etwa drei Monate vor der Aussage, zuletzt in M. … gewesen zu sein, wohingegen der Antragsteller im April und im Mai 2013 in der S. gewesen sei. Wie die Besuchssituation zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich gewesen sein soll, erschließt sich nicht. Unklar ist zudem, wessen Reisen die Tankbelege nachweisen sollen. Während die Ehefrau in ihrer Aussage gegenüber der Antragsgegnerin (vgl. Bl. 425 f. der Behördenakte) angibt, sie selbst reise mit dem Auto, führt die Antragstellerbevollmächtigte mit Schreiben vom .. September 2018 gegenüber der Antragsgegnerin aus, die Tankbelege seien als Nachweis für Reisen des Antragstellers in die S. vorgelegt worden (vgl. Bl. 503 der Behördenakte). Es fehlt daher an einem hinreichend substantiierten und schlüssigen Vortrag - auch im gerichtlichen Verfahren -, wonach sich die Ehefrau des Antragstellers regelmäßig in M. … aufhalte. Dies gilt auch insoweit, als zu einem Besuchskontakt in jüngerer Vergangenheit überhaupt kein detaillierter Vortrag erfolgt. Der Antragsteller kommt auch insoweit seiner Beweislast für das Bestehen des „Ehewillens“ mit Bezug zum Bundesgebiet nicht nach.
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2. Auch aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG folgt kein Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Voraussetzung hierfür wäre, dass die familiäre Lebensgemeinschaft aufgehoben wurde, zuvor aber seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Im Bundesgebiet bestand die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers jedoch maximal von der Einreise des Antragstellers am … Juli 2010 bis zum Wegzug seiner Ehefrau in die S. zum .. Mai 2012 und damit für weniger als drei Jahre. Nach dem Umzug der Ehefrau bestand die eheliche Lebensgemeinschaft - wenn überhaupt - nicht mehr im Bundesgebiet (vgl. oben).
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3. Ein Anspruch auf die Verlängerung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bzw. auf Neubescheidung ergibt sich nach summarischer Prüfung auch nicht aus § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, da nicht ersichtlich ist, dass das Verlassen des Bundesgebietes für den Antragsteller auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Für eine Verlängerung nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gelten hohe Anforderungen. Die Beendigung des Aufenthalts in Deutschland muss für den Ausländer mit Nachteilen verbunden sein, die ihn deutlich härter treffen als andere Ausländer in einer vergleichbaren Situation. Die Beendigung des Aufenthalts muss für den Ausländer bei dieser Vergleichsbetrachtung unzumutbar sein (vgl. BVerwG U.v. 27.01.2009 - 1 C 40/07 - juris Rn. 19).
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Eine derartige außergewöhnliche Härte liegt hier, auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, nicht vor. Die Ehefrau des Antragstellers lebt in der S., die eheliche Lebensgemeinschaft wird - wenn überhaupt - dort geführt (vgl. oben), sodass verfassungs- oder konventionsrechtliche Garantien keinen Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet erfordern. Es ist ihm vielmehr zuzumuten, seine Ehe ggf. in der S. zu führen. Weitere enge familiäre Beziehungen des Antragstellers im Bundesgebiet sind nicht vorgetragen; seine einzige Tochter lebt im K.. Auch aus dem langjährigen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet folgt keine außergewöhnliche Härte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Ausländer für eine längere Zeit wegen befristeter Aufenthaltstitel oder befristeter Duldungen im Bundesgebiet leben, dieses aber nach Ablauf der Befristungen und einer negativen Entscheidung über einen Verlängerungsantrag verlassen müssen. Schließlich ist dem Antragsteller eine Rückkehr in sein Heimatland zumutbar. Der am …  1980 geborene Antragsteller kam im Jahr 1998 erstmals und erst am … Juli 2010 für eine längere Zeit nach Deutschland. Seine Einreise erfolgte damit erst im Erwachsenenalter. Eine außergewöhnliche Verwurzelung des Antragstellers in Deutschland mit gleichzeitiger Entwurzelung im Heimatland ist nicht vorgetragen oder sonstwie erkennbar (kein sog. faktischer Inländer). Zu dem Personenkreis der sogenannten faktischen Inländer zählen vor allem im Bundesgebiet geborene Ausländer der zweiten Generation (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2015 - 10 C 14.2655 - juris Rn. 27) und damit nicht der Antragsteller. Der Antragsteller ist zwar dennoch - wie seine Berufsbiographie und etwa der absolvierte Orientierungskurs zeigen - in Deutschland integriert. Allerdings kann eine erst im Erwachsenenalter eingereiste Person auch bei gelungener Integration und Verwurzelung einem Inländer regelmäßig nicht gleichstehen (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2019 - 10 ZB 18.2272 - juris Rn. 10). Zudem ist nach Aktenlage nicht erkennbar, dass sich der Antragsteller in seinem Heimatland nicht mehr zurechtfinden könnte. Er beherrscht die Sprache und ist auch sonst mit der Kultur vertraut, da er seine Kindheit und Jugend dort (bzw. in den Vorgängerstaaten der Republik Kosovo) verbracht hat. Schließlich setzt ein Berufen auf eine besondere Verwurzelung im Inland auch ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts voraus (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2012 - 10 CE 12.778 - juris Rn. 4). Daran fehlt es hier wie ausgeführt schon wegen der fortlaufenden Befristungen des Aufenthaltsrechts des Antragstellers, um die dieser auch wusste. Wiederholte Befristungen vermitteln grundsätzlich keinen materiellen Duldungsgrund nach Ablauf der letzten Befristung (vgl. VG München, B.v. 19.5.2022 - M 2 S 21.3305 - juris Rn. 34). Schließlich kann sich eine unzumutbare Härte auch nicht aus einer möglichen fehlenden Verfügbarkeit von Terminen zur Visavergabe in der deutschen Botschaft im Kosovo ergeben. Ob der Antragsteller einen Aufenthaltstitel nach anderen Normen als den hier Gegenständlichen erlangen kann, ist für das vorliegende Verfahren nicht erheblich. Denn es besteht kein allgemeiner Anspruch eines Ausländers auf Einreise und/oder Aufenthalt im Bundesgebiet, sondern nur ein Anspruch in den gesetzlich geregelten Fällen. Daher kann sich eine außergewöhnliche Härte i.S.d. § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht daraus ergeben, dass ein alternativer rechtlicher Weg zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels nicht oder nur eingeschränkt beschritten werden kann. Zudem müsste die außergewöhnliche Härte i.S.d. § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gerade durch das Verlassen des Bundesgebietes verursacht werden; das Bundesgebiet verlassen müsste der Antragsteller jedoch auch, wenn er ein Visum bei der deutschen Botschaft in seinem Heimatland beantragen wollte und könnte.
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4. Auch sonst sind keine Rechtsgrundlagen für einen (Bescheidungs-)Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ersichtlich.
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C. Auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, gerichtet auf die vorläufige Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die beantragte Niederlassungserlaubnis, ist unbegründet, da es unabhängig von dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes an einem Anordnungsanspruch fehlt. Ein solcher käme nur in Betracht, wenn wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hier ausnahmsweise ein Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet bis zur Entscheidung in der Hauptsache notwendig wäre, um dem möglicherweise Begünstigten einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nicht zu verwehren, indem der durch die Rechtsgrundlage vorausgesetzte Aufenthalt im Bundesgebiet schon vor der Hauptsacheentscheidung durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen beendet wird (vgl. ausführlich bereits oben Rn. 26). Diese Gefahr besteht vorliegend jedoch nicht. Zwar begehrt der Antragsteller in der Hauptsache die Verpflichtung zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und setzt diese Norm den Fortbestand der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet voraus. Allerdings besteht die familiäre Lebensgemeinschaft hier ohnehin - wenn überhaupt - in der S. (vgl. oben). Eine Vereitelung durch potentielle aufenthaltsbeendende Maßnahmen droht daher nicht. Weiterhin kommt ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorliegend ohnehin nicht in Betracht, da der Antragsteller nur für ein Jahr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war. Auch unter Berücksichtigung der Zeit seit Antragstellung (etwa ein Jahr zuvor) ergibt sich nichts anderes. Auf eine weitere (ggf. rückwirkende) Verlängerung besteht kein Anspruch (vgl. oben).
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D. Schließlich ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auch insoweit unbegründet, als er die Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer Ausreisefrist betrifft. Diese ist nach summarischer Prüfung im Eilverfahren rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er keinen erforderlichen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Nach § 58 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Die Abschiebung ist nach Maßgabe des § 59 AufenthG anzudrohen.
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I. Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig, da er über keinen Aufenthaltstitel (mehr) verfügt. Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auch vollziehbar, weil die Wirkungen des § 81 Abs. 4 AufenthG mit der Entscheidung der Ausländerbehörde durch den streitgegenständlichen Bescheid endet (vgl. Kluth in Kluth/Heusch in BeckOK Ausländerrecht, Stand: 32. Ed., 1.10.2020, § 81 AufenthG Rn. 38).
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II. Soweit sich der Antragsteller (wohl) auf das Vorliegen von Gründen für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung wegen seines rund zwölf Jahre währenden Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland beruft, steht das der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Grundsätzlich sind ohnehin wegen § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG Abschiebungsverbote für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht relevant. Anderes gilt nur, wenn hinreichend sicher ist, dass auf unabsehbare Zeit ein Abschiebungshindernis bestehen wird, weil dann die Abschiebungsandrohung erkennbar ihren Zweck verfehlen würde (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 22.11.2021 - 2 M 124/21 - juris Rn. 12 ff.; Zimmerer in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 10. Ed., 15.1.2022, § 59 AufenthG Rn. 21). Vorliegend besteht jedoch kein solches Hindernis für unabsehbare Zeit. Dem Antragsteller kommt schon nicht der besondere verfassungs- und konventionsrechtliche Schutz zu, den sogenannte faktische Inländer genießen (vgl. oben Rn. 43). Selbst wenn dem jedoch so wäre, ist zu beachten, dass auch für sogenannte faktische Inländer kein generelles Ausweisungsverbot besteht, auch wenn der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2022 - 19 ZB 21.2053 - juris Rn. 30). Erst wenn der Ausländer infolge seines langjährigen Aufenthalts über so starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum Aufnahmestaat verfügt, dass ihm ein Leben in dem Land seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug (mehr) hat, schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. OVG Saarl, B.v. 19.6.2001 - 2 B 318/09 - juris Rn. 6; s. a. BVerwG, B.v. 19.1.2010 - 1 B 25/09 - juris Rn. 4), ist von rechtlicher Unmöglichkeit im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszugehen. Die Anforderungen sind insoweit streng (vgl. Endres de Oliveira in Huber/Eichenhofer/ Endres de Oliveira, Aufenthaltsrecht, 1. Aufl. 2017, Rn. 1206; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016 Rn. 22). Der Antragsteller ist zwar in nicht unerheblichem Maße in Deutschland integriert, allerdings ist ihm eine Rückkehr in sein Heimatland zumutbar. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass er erst im Erwachsenenalter erstmals in die Bundesrepublik eingereist ist und sich wegen der fortlaufenden Befristungen seines Aufenthaltsrechts auch nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts berufen kann (vgl. oben Rn. 43).
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E. Zur weiteren Begründung folgt das Gericht der Begründung der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid und nimmt insoweit darauf Bezug, § 117 Abs. 5 VwGO.
50
F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
51
G. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5, 8.1 des Streitwertkatalogs und beträgt - da zwei Streitgegenstände in Rede stehen - für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ebenso 2.500 EUR wie für den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO.