Titel:
Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung
Normenketten:
BauGB § 34
BayBauO Art. 71
Leitsätze:
1. Welcher Bereich als „nähere Umgebung“ iSd § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB anzusehen ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die benachbarte Bebauung und andererseits sich diese Bebauung auf das Baugrundstück prägend auswirken, wobei nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft des Baugrundstücks zu berücksichtigen ist, sondern auch die Bebauung der Umgebung insoweit berücksichtigt werden muss, als auch diese noch prägend auf das Baugrundstück wirkt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Grenze der maßgeblichen näheren Umgebung kann auch so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedener Bau- und Nutzungsstruktur aneinanderstoßen und sich durch Aneinandergrenzen von Gebieten unterschiedlicher Siedlungsstruktur eine städtebauliche Zäsur ergibt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen, wobei als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung vorrangig Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche heranzuziehen sind. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Vorbescheids, Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung, Bestimmung der näheren Umgebung, zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedener Bau- und Nutzungsstruktur (verneint), Vorbescheid, Einfügen, Eigenart, nähere Umgebung, Maß der baulichen Nutzung, Bebauung, Siedlungsstruktur, Bau- und Nutzungsstruktur
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29403
Tenor
I. Der Vorbescheid vom 30. März 2021 wird hinsichtlich Frage 2 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, die Frage 2 des Vorbescheidsantrags vom 16. Februar 2021 nach PlanNr. … positiv zu beantworten.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die positive Beantwortung einer Vorbescheidsfrage zum Maß der baulichen Nutzung betreffend den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück H.str. 1a, FlNr. …, Gem. … … (im Folgenden: Vorhabengrundstück).
2
Das Vorhabengrundstück befindet sich in einem durch die … straße im Westen, Norden und Osten sowie durch die … straße im Süden gebildeten Geviert. Das Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Entlang der … straße und der … straße ist eine straßenseitige Baugrenze durch übergeleiteten Baulinienplan festgesetzt.
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Vergleiche zur baulichen Situation auf dem Vorhabengrundstück sowie zur Umgebungsbebauung folgenden Lageplan im Maßstab 1 : 1000 (durch das Einscannen eventuell nicht mehr maßstabsgetreu), der das streitgegenständliche Vorhaben enthält:
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Am 16. Februar 2021 stellte die Klägerin einen Vorbescheidantrag nach PlanNr. … für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage. Die Planung sieht einen straßenseitig zweigeschossigen und im rückwärtigen Grundstücksbereich dreigeschossigen Baukörper mit 30 Grad geneigtem Walmdach (Firsthöhe: 12,45 m) und den Ausmaßen 21,29 m x 16 m x 8,6 m vor.
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Der Vorbescheidsantrag enthielt folgende Frage 2 mit Erläuterung:
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Ist das Bauvorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig?
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Die Maße würden der Bebauung gegenüber auf dem Grundstück FlNr. … entsprechen mit dem Unterschied, dass die Giebelfläche auch eine Neigung von 30 Grad habe und die Länge [des geplanten Baukörpers] um 1,61 m geringer sei.
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Mit Bescheid vom 30. März 2021 erteilte die Beklagte den beantragten Vorbescheid. Die Beklagte beantwortete Frage 2 negativ. Das Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein, da kein gleichartiger Baukörper mit einer vergleichbaren Grundfläche, Wandhöhe und Firsthöhe vorhanden sei. Die Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Vorhabengrundstücks (entlang der … straße) wirkten nicht prägend auf das Vorhabengrundstück. Das Straßengeviert sei geprägt durch eine kleinteilige, nur ein- bis zweigeschossige Bebauung. Die deutlich massiveren Baukörper auf der gegenüberliegenden Straßenseite könnten nicht als Bezugsfall herangezogen werden, da sie entsprechend ihrer Lage an einer vielbefahrenen A1. straße eine ganz andere städtebauliche Prägung und ein viel größeres Maß der Nutzung aufwiesen. Sie wirkten wie Bauwerke, die zum Schutz die rückwärtige kleinteilige Bebauung umfassten und „behüten“ und deren „Inselcharakter“ untermauerten. Das Vorhaben löse städtebauliche Spannungen aus. Auf Grund der zum Teil sehr großen Grundstücke käme es zu einer umfassenden Veränderung des Gevierts bzw. des kleinteiligen Ortsbilds. Der Vorbescheid wurde der Klägerin am 3. April 2021 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom 27. April 2021, am 29. April 2021 bei Gericht eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage zum bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag:
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I. Der Vorbescheid vom 30. März 2021 gemäß Az. … wird hinsichtlich Frage 2 aufgehoben.
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II. Die Beklagte wird verpflichtet, die Frage 2 des Vorbescheidsantrags positiv zu verbescheiden.
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Auch die gegenüberliegende Bebauung präge das Vorhabengrundstück. Die … straße habe als schmale A2. straße keine trennende Wirkung. Die Bebauung entlang der … straße sei nicht homogen und stelle insoweit weder einen abgrenzbaren einheitlich geprägten Bebauungskomplex noch einen Fremdkörper dar. Es würden keine einheitlich geprägten Bebauungskomplexe vorliegen. Die Bebauung entlang der … straße sei insgesamt heterogen. Nördlich der … straße bestehe die Bebauung hier aus größeren Baukörpern, südlich der … straße sei die Bebauung heterogen. Die Gebäude zwischen der … straße und der … straße würden über die … straße erschlossen, zudem bestehe eine klare topographische Trennung zwischen den Gebäuden und der … straße.
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Die Beklagte beantragt,
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Sie bezieht sich auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Vorbescheid.
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Über die baulichen Verhältnisse auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie in dessen Umgebung hat das Gericht am 19. September 2022 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Feststellungen dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und dem weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat Erfolg, da die Klägerin einen Anspruch auf die positive Beantwortung von Frage 2 des streitgegenständlichen Vorbescheids hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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1. Der Bauherr kann schon vor Einreichung des Bauantrags zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid beantragen (Art. 71 Satz 1 BayBO). Gem. Art. 71 Satz 4 i.V.m. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist ein positiver Vorbescheid zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben, soweit seine Zulässigkeit abgefragt wurde, keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Insoweit stellt der Vorbescheid als feststellender Verwaltungsakt die Vereinbarkeit des Vorhabens mit öffentlichen-rechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Vorbescheidsfragen sind, fest und entfaltet während seiner Geltungsdauer (vgl. Art. 71 Satz 2, 3 BayBO) Bindungswirkung für nachfolgende Baugenehmigungsverfahren.
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2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf positive Beantwortung der Vorbescheidsfrage Nr. 2, weil sich das Vorhaben in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (vgl. Art. 71 Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB).
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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich im Hinblick auf das vorhandene, gemäß § 173 Abs. 3 BBauG und § 233 Abs. 3 BauGB übergeleitete und fortgeltende Bauliniengefüge nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen, da keine weitergehenden bauplanungsrechtlichen Festsetzungen vorhanden sind, nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss sich ein Vorhaben insbesondere hinsichtlich des mit der streitgegenständlichen Frage 2 des Vorbescheidsantrags vom 16. Februar 2021 abgefragten Maßes der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen.
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2.1. Maßgeblicher Beurteilungsrahmen für das Vorhaben ist die Eigenart der näheren Umgebung. Berücksichtigt werden muss die Umgebung zum einen insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Welcher Bereich als „nähere Umgebung“ anzusehen ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die benachbarte Bebauung und andererseits sich diese Bebauung auf das Baugrundstück prägend auswirken (BayVGH, U. v. 18.7.2013 - 14 B 11.1238 - juris Rn. 19 m.w.N.). Daraus folgt, dass nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft des Baugrundstücks zu berücksichtigen ist, sondern auch die Bebauung der Umgebung insoweit berücksichtigt werden muss, als auch diese noch prägend auf das Baugrundstück wirkt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2022, § 34 Rn. 36). Wie weit diese wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Bei einem inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben kann als Bereich gegenseitiger Prägung in der Regel das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite angesehen werden (BayVGH, B.v. 27.9.2010 - 2 ZB 08.2775 - juris Rn. 4; U.v. 10.7.1998 - 2 B 96.2819 - juris Rn. 25; U.v. 18.7.2013 - 14 B 11.1238 - juris Rn. 19).
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Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (BVerwG, B.v. 6.11.1997 - 4 B 172.97, NVwZ-RR 1998, 539; BayVGH, U.v. 18.7.2013 - 14 B 11.1238 - juris Rn. 19). Bei den Kriterien Nutzungsmaß und überbaubare Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (BayVGH, B v. 16.12.2009 - 1 CS 09.1774 - juris Rn. 21 m.w.N.).
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Die Grenze der maßgeblichen näheren Umgebung kann auch so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedener Bau- und Nutzungsstruktur aneinanderstoßen und sich durch Aneinandergrenzen von Gebieten unterschiedlicher Siedlungsstruktur eine städtebauliche Zäsur ergibt (BVerwG, B.v. 28.8.2003 - 4 B 74/03 - juris Rn. 2, BayVGH, U.v. 26.10.2021 - 15 B 19.2130 - juris Rn. 45 m.w.N.). Der Grenzverlauf der näheren Umgebung ist dabei nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion. Umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere Umgebung ausmachen (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 - 4 B 74/03 - juris Rn. 2).
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2.2. Dies berücksichtigend, stellt die maßgebliche nähere Umgebung für die Beurteilung des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung - nach den Feststellungen im gerichtlichen Augenschein und unter Zuhilfenahme im Internet verfügbarer Luftbilder („G. M.“) - das durch die … straße und die … straße gebildete Geviert und die dem Vorhabengrundstück gegenüberliegende Straßenseite dar.
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Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass der … straße keine trennende Wirkung zukommt (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 15.12.1994 - 4 C 13/93 - juris Rn. 15). Sie ist ca. 8 m breit (abgegriffen aus dem amtlichen Lageplan) mitsamt zweier schmaler Gehwege und stellt eine reine Wohnstraße dar, die im Zeitpunkt des gerichtlichen Augenscheins keine hohe Verkehrsauslastung aufwies (vgl. zu letzterem BVerwG, B.v. 19.7.2018 - 4 B 27/18 - juris Rn. 4).
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Ein Strukturschnitt zwischen der Bebauung im Geviert einerseits und der Bebauung zwischen … straße und … straße andererseits ist nach den Feststellungen im gerichtlichen Augenschein nicht erkennbar. Das Geviert ist zwar auch durch hinsichtlich Grundfläche und Geschossigkeit kleinteiligere Bebauung (ein- bis zweigeschossig mit steilem Satteldach), insbesondere entlang der … straße, geprägt. Die Bebauung im Geviert ist jedoch insgesamt nicht homogen. Entlang der … straße sind die Gebäude in ihrer Kubatur, insbesondere der Geschossigkeit, deutlich massiver. So befinden sich in der H.str. 3, 7, 9, 9b zweigeschossige Gebäude mit ausgebautem Dachgeschossebenen, die faktisch dreigeschossig wirken. Zur Hetereogenität der Bebauungsstruktur trägt weiter bei, dass sich in der H.str. 4 ein grenzständig errichtetes, eingeschossiges Gebäude mit Flachdach befindet. Dagegen überragt das Mehrfamilienhaus der H.str. 3 die übrige Bebauung im Geviert hinsichtlich seiner Kubatur. Das Geviert tritt insgesamt nicht als eigenständiger Bebauungskomplex in Erscheinung, der aus sich heraus und beschränkt auf sich selbst eine Prägung entfaltet. Vielmehr ist eine Prägung der gegenüberliegenden Straßenseite, insbesondere angesichts der Bebauung der H.str. 3, ablesbar.
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Zwar ist die Bebauung zwischen der … straße und der … straße teilweise deutlich massiver als die Bebauung im Geviert, wie die Bebauung an der … straße 6 und 4/4a zeigt. Allerdings ist eine solch massivere Bebauung auch hier nicht durchgehend vorhanden. Die Bebauung der H.str. 2 (E+1+DG) bleibt hinsichtlich Grundfläche und Geschossigkeit hinter der Bebauung der H.str. 4/4a (E+2) und H.str. 6 (Souterrain + 3) zurück. Die großflächigere Bebauung der H.str. 4/4a und 6 setzt sich auch nicht weiter südlich, entlang der … straße fort. Sowohl im Geviert als auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist die Bebauung heterogen, sodass eine städtebauliche Zäsur nicht erkennbar ist.
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2.3. In diese maßgebliche nähere Umgebung fügt sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung ein.
30
Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung sind vorrangig Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche heranzuziehen (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 - 4 C 7/15 - juris Rn. 17 m.w.N.). Das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es in der näheren Umgebung Referenzobjekte gibt, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung auch nach dem Verhältnis zur Freifläche, vergleichbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 - 4 C 7.15 - juris Leitsatz 2, Rn. 20, B.v. 14.3.2013 - 4 B 49.12 - juris Rn. 5; B.v. 3.4.2014 - 4 B 12.14 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.2.2018 - 1 CS 17.2496 - juris Rn. 13). Auf die Maßbestimmungsfaktoren Grundfläche, Geschosszahl und Höhe ist kumulierend abzustellen. Nur so kann gewährleistet werden, dass keine Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension kein Vorbild in der näheren Umgebung haben (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 - 4 C 7/15 - juris Rn. 20).
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Nach diesen Grundsätzen fügt sich das klägerische Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung in die maßgebliche nähere Umgebung ein. Ein Vorbild für die streitgegenständliche Planung stellt die Bebauung der H.str. 4/4a dar. Die streitgegenständliche Planung übernimmt die Gestaltung des Baukörpers der H.str. 4/4a hinsichtlich der Geschossigkeit (zweigeschossig zur Straßenseite und dreigeschossig in den rückwärtigen Grundstücksbereich bzw. zur … straße). In ihren Ausmaßen bleibt die streitgegenständliche Planung hinsichtlich ihrer Länge um 1,61 m hinter dem Gebäude H.str. 4/4a zurück; im Übrigen stimmen die Ausmaße der beiden Baukörper überein. Die streitgegenständliche Planung sieht, anders als das Bezugsobjekt, ein Walmdach vor. Die Dachformgestaltung ist jedoch kein Einfügensmerkmal. Entscheidend ist, dass die streitgegenständliche Planung nicht zu einem größeren Baukörpervolumen führt.
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Auch hinsichtlich der Verhältnisses bebauter zu unbebauter Fläche wahrt das klägerische Vorhaben den Rahmen der Umgebungsbebauung. Der Maßbestimmungsfaktor des Verhältnisses von bebauter zu Freifläche ist - anders als die Maßbestimmungsfaktoren Höhe, Geschosszahl und Grundfläche - nicht kumulativ, d.h. nicht auf die Referenzobjekte beschränkt anzuwenden. Bei unterschiedlich großen Grundstücken muss ermittelt werden, ob vergleichbare Gebäudeabstände in der näheren Umgebung vorhanden sind (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 9.11.2020 - M 8 K 20.2917 - juris). Sowohl die Gebäudeabstände der Bestandsgebäude H.str. 4/4a als auch der … straße 2 und 4 sind vergleichbar mit denen der streitgegenständlichen Planung.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.