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VG München, Urteil v. 01.08.2022 – M 6 K 21.554
Titel:

Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Vermutung für Innehaben einer Wohnung

Normenkette:
RBStV § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Vermutung für Innehaben einer Wohnung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29399

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich für seine Wohnung.
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Mit Festsetzungsbescheid vom 2. November 2020 setzte der Beklagte für den Zeitraum Juli 2020 bis September 2020 rückständige Rundfunkbeiträge in Höhe von 60,50 EUR einschließlich eines Säumniszuschlags von 8,00 EUR gegenüber dem Kläger fest.
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Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2021 zurückgewiesen.
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Am 3. Februar 2021 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Er beantragt,
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den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 2. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2021 aufzuheben.
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Zudem beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (M 6 S 21.556).
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Zur Begründung führte der Kläger aus, er unterhalte an der angegebenen Adresse lediglich einen Briefkasten. Grund für die Notwendigkeit einer Briefkastenanschrift sei, dass im Jahr 2009 versucht worden sei, den Kläger mit einer Eisenstange zu erschlagen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Schreiben vom … April 2021 trug der Kläger vor, dass er mit seiner Mutter in einem Haushalt lebe und sich viel auf Reisen befinde.
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Am … April 2021 legte der Kläger über den Geschäftsführer der … … GmbH eine aktuelle Belegungsliste des Objekts an der streitgegenständlichen Anschrift A* … * vor. Der Kläger ist hier nicht aufgeführt.
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Auch nach mehrfacher Aufforderung von Seiten des Gerichts wurde keine bereinigte Meldebescheinigung vorgelegt.
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Mit Beschluss vom 7. März 2022 wurde der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
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Mit Beschluss vom 1. Juni 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Am 29. Juli 2022 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Beklagte war nicht vertreten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten - auch im Verfahren M 6 S 21.556 sowie dem Verfahren M 26a K 17.4824 - Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2022 trotz Ausbleibens der Beklagtenpartei entschieden werden, da in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 2. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2021 ist rechtmäßig. Zur Begründung verweist das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen im angegriffenen Bescheid und Widerspruchsbescheid, denen es im Ergebnis folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Zudem wird auf die Begründung des Beschlusses vom 7. März 2022, Az. M 6 S 21.556 Rn. 18ff., im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Bezug genommen und diese zum Gegenstand der Begründung dieser Entscheidung gemacht. Ergänzend wird hinsichtlich des weiteren Vortrags folgendes ausgeführt:
20
Der Kläger ist unstreitig an der streitgegenständlichen Adresse gemeldet.
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Entgegen der Auffassung des Klägers verkennt das Gericht nicht, dass es sich um eine widerlegliche Vermutung handelt.
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Aus der Landtagsdrucksache 16/7001 vom 21. Januar 2011 - Antrag der Staatsregierung auf Zustimmung zum 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) - Begründung, B., I., B., zu § 3 ergibt sich, das die Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV widerlegt werden kann. Den Nachweis, dass eine Wohnung nicht bewohnt wird, hat die betreffende gemeldete Person zu führen. Die sich aus dem Melderecht ergebende Verpflichtung, sich an-, um- oder abzumelden, bleibt davon unberührt. Die Landesrundfunkanstalten legen in ihren Satzungen Kriterien für diesen Nachweis fest, um eine einheitliche Verwaltungspraxis sicherzustellen.
23
Auf dieser Grundlage hat der Beklage in seiner Satzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) vom 15. Dezember 2016 (StAnz. Nr. 51 bis 52/2016) Regelungen zur Widerlegung dieser Vermutung geschaffen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Rundfunkbeitragssatzung kann die Rundfunkanstalt im Einzelfall verlangen, dass ein Nachweis erbracht wird für alle Tatsachen, die Grund, Höhe oder Zeitraum der Beitragspflicht betreffen, insbesondere für die Widerlegung der Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV (Inhaberschaft einer Wohnung). Nach § 6 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. Rundfunkbeitragssatzung sind die Nachweise durch Urkunden zu erbringen. Dabei soll der Beitragsschuldner darauf hingewiesen werden, welche Daten zum Nachweis benötigt werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Rundfunkbeitragssatzung). Als Nachweis ist in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 insbesondere eine Meldebescheinigung der Meldebehörde vorzulegen (§ 6 Abs. 2 Satz 3, 2. Alt. Rundfunkbeitragssatzung).
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Die Anforderungen und Möglichkeiten der Widerlegung der Vermutung ohne Vorlage einer korrigierten Meldebescheinigung sind nicht weiter geregelt und generell geklärt, sodass es einer genauen Betrachtung des Einzelfalls bedarf (vgl. etwa BayVGH, U. v. 17.5.2021 - 7 B 21.783; VGH BW, U.v. 25.11.2016 - 2 S 146/16 -, juris; OVG Münster B. v. 21.7.2020 - 2 A 134/20, BeckRS 2020, 18006 Rn. 29; VG Köln, U. v. 25.1.2022 - 6 K 1100/17 -, juris; VG Würzburg, U. v. 17.1.2019 - W 3 K 17.1235).
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Die vom Kläger am … April 2021 über den Geschäftsführer der … … GmbH einzig vorgelegte aktuelle Belegungsliste, ist jedoch bereits nicht im Ansatz ausreichend. Weder hat diese Urkundencharakter noch kann eine solche einfache „Bescheinigung“ eines „Dritten“ für sich genommen zur Widerlegung der Vermutung führen, zumal der Kläger - nach Aussage seines Bevollmächtigten - offenbar Gesellschafter der … … GmbH ist. Würde man dies ausreichen lassen, bestände eine hohe Missbrauchsgefahr (etwa wenn ein Vermieter oder gar Nachbar eine solche Bescheinigung ausstellt), die Vermutung liefe sodann regelmäßig leer und es wären aufwändige Ermittlungen „hinter der Wohnungstür“ zur Feststellung der Rundfunkbeitragspflicht notwendig. Ein Ziel der Umstellung auf das Beitragsmodell war jedoch gerade solche zu vermeiden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, LT-Drs. 15/197, S. 37; BayVerfGH, E. v. 15.05.2014 - Vf. 8-VII-12 u.a. - juris Rn. 108; Göhmann/Schneider/Siekmann in Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 14 f.).
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Darüber hinaus hat eine aktuelle Belegungsliste auch dahingehend wenig Aussagegehalt, da diese nur eine Momentaufnahme darstellt und der Kläger selbst angegeben hat, viel Zeit im Ausland zu verbringen (vgl. hintergründig VG Ansbach, U. v. 27.08.2021 - AN 6 K 18.00923 -juris Rn. 33).
27
Der Kläger konnte trotz Aufforderung nicht im Ansatz eine aktuelle Bedrohung schildern oder belegen und hat keinerlei Bemühungen unternommen, eine melderechtliche Besonderheit nachzuweisen. Warum es dem Kläger nicht möglich sein sollte, sich unter seiner „tatsächlichen“ Adresse (vorgeblich wohl bei seiner Mutter) zu melden und eine Auskunftssperre (§ 51 BMG) zu erwirken, wurde schon gar nicht dargetan. Selbst Bemühungen dahingehend wurden offenbar nicht unternommen. Warum eine Auskunftssperre im Fall des Klägers nicht effektiv sein sollte, ist weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich. Auch andere Gründe, die es für den Kläger als unzumutbar erscheinen ließen, den von ihm selbst gesetzten und aufrechterhaltenen Rechtsschein seiner Meldeerklärung, durch eine Korrektur seiner Angaben zu beseitigen, vermag das Gericht nicht zu erkennen.
28
Vielmehr drängt sich ein rechtsmissbräuchlicher Charakter des Verhaltens des Klägers förmlich auf. Das Recht muss nicht auf denjenigen Rücksicht nehmen, der ordnungswidrig (vgl. § 54 BMG) eine Meldeadresse erlangt oder aufrechterhält, aber die daran anknüpfenden, als belastend empfundenen Rechtsfolgen nicht akzeptieren will. Wer beklagt, dass sein durch rechtswidriges Handeln erlangter Vorteil von damit einhergehenden Konsequenzen wie hier der Vermutung der Wohnungsinhaberschaft geschmälert wird, verhält sich unredlich (vgl. auch VG Köln, U. v. 25.1.2022 - 6 K 1100/17 -, juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.