Titel:
Untätigkeitsklage gegenüber Finanzbehörde
Normenketten:
FGG § 141a
FGO § 46, § 90 Abs. 1
Leitsatz:
Ein regulärer Einspruch im Sinne des § 347 Abs. 1 Satz 1 AO hat die behauptete Rechtswidrigkeit eines belastenden Verwaltungsakts bzw. die behauptete Rechtswidrigkeit der Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsakts zum Gegenstand. Im Gegensatz dazu verfolgt ein Untätigkeitseinspruch allein das Ziel, die finanzbehördliche Entscheidung über den Antrag auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts zu erreichen. Diese Entscheidung muss dabei nicht notwendigerweise im antragsgemäßen Erlass dieses Verwaltungsakts bestehen; auch eine Antragsablehnung erfüllt das Ziel des Untätigkeitseinspruchs (vgl. Bartone in Gosch, Kommentar zur AO/FGO, § 347 AO Rdnr. 70). Hieraus wird ersichtlich, dass sich der Einspruchsgegenstand eines regulären Einspruchs gegenüber dem eines sogenannten Untätigkeitseinspruchs unterscheidet. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Untätigkeitsklage
Fundstellen:
StEd 2022, 680
EFG 2022, 1677
BeckRS 2022, 29355
LSK 2022, 29355
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
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Streitig ist vorab die Zulässigkeit der Klage. In der Sache begehrt die Klägerin den Erlass eines Abrechnungsbescheides über einen Erstattungsanspruch aufgrund Rennwettsteuer aus dem Jahre 1998 sowie über diesbezügliche Prozesszinsen.
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Laut Eintragung vom 27. August 1992 im Handelsregister des Amtsgerichts M … war die Klägerin unter einer anderslautenden Firma durch Gesellschaftsvertrag vom 9. Dezember 1976 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet worden. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin hatte am 13. Februar 1998 sowohl die Änderung der Firma der Klägerin in ihre aktuelle Bezeichnung als auch die Änderung ihres Unternehmensgegenstandes beschlossen. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war ab diesem Zeitpunkt „die Ausübung des Buchmachergewerbes im Rahmen der gesetzlich zulässigen Bestimmungen, insbesondere des Rennwett- und Lotteriegesetzes sowie Betreiben eines Sportinformationsdienstes ferner Betrieb einer Gaststätte mit Schankkonzession…“. Die diesbezügliche Eintragung im Handelsregister war am 17. März 1998 erfolgt. Laut Eintragung im Handelsregister vom 15. Oktober 1998 war Diplom-Kaufmann A.B. zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden.
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Am 3. Juni 2003 war die Auflösung der Klägerin infolge der rechtskräftigen Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse durch das Amtsgericht M - Insolvenzgericht - (Az.: …) im Handelsregister eingetragen worden. Gleichzeitig war die Eintragung des bisherigen Geschäftsführers A.B. der nunmehr in Liquidation befindlichen Klägerin als ihr Liquidator erfolgt. Am 14. Juni 2006 hatte das Amtsgericht M - Registergericht - die Löschung der Klägerin nach Maßgabe der seinerzeit geltenden Vorschrift des § 141a des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) im Handelsregister eingetragen. Mit Beschluss vom 21. Mai 2012 hatte das Amtsgericht M - Registergericht - B.B., wohnhaft in M …, die seinerzeit 73-jährige Mutter des A.B., zur Nachtragsliquidatorin der Klägerin bestellt. Eine Eintragung der Nachtragsliquidation im Handelsregister unterblieb. Mit Wirkung zum 30. April 2013 hatte die Klägerin mit dem Antrag Klage zum Finanzgericht München erhoben (Aktenzeichen: 4 K 1306/13), den Beklagten zum Erlass eines Abrechnungsbescheides über Rennwettsteuer 1998 in Höhe von 49.084,02 € zu verpflichten. Ihre damalige Klage hatte die Klägerin am Tag des Termins zur mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2014 wieder zurückgenommen.
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Mit Schreiben vom 10. März 2021 beantragte Diplom-Kaufmann A.B. kraft seiner damaligen beruflichen Stellung als Steuerberater im Namen der Klägerin beim Beklagten, Rennwettsteuer aus dem Jahre 1998 in Höhe von 49.084,02 € zuzüglich Zinsen in nicht genannter Höhe an die Klägerin zu erstatten. Mit weiterem Schreiben vom 13. März 2021 beantragte Steuerberater A.B. als steuerlicher Vertreter der Klägerin erneut die Erstattung von Rennwettsteuer 1998 in Höhe von 49.084,02 €, sowie die Erstattung von Prozesszinsen. Dem letztgenannten Schreiben waren eine Zinsberechnung für den Zeitraum von 2001 - 2021 mit einer Zinssumme von 57.821,54 € und eine auf den 13. März 2021 datierte Abtretungsanzeige beigefügt, der zufolge die Klägerin ihren Anspruch auf Erstattung der Rennwettsteuer 1998 in Höhe von 49.084 € zuzüglich Prozesszinsen nach § 236 der Abgabenordnung - AO - an die oben genannte B.B. zur Sicherung einer nicht näher benannten Darlehensschuld der Klägerin abgetreten haben soll. Das oben genannte Schreiben vom 13. März 2021 samt Abtretungsanzeige ging am 18. März 2021 beim Beklagten ein. Der bezeichnete Anspruch auf Erstattung von Rennwettsteuer 1998 - nicht jedoch der Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen - ist zwischen den Beteiligten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unstreitig. Mit Schreiben vom 21. März 2021 beantragte Steuerberater A.B. als steuerlicher Vertreter der Klägerin beim Beklagten den Erlass eines Abrechnungsbescheides über die oben genannte Rennwettsteuer 1998 sowie der Zinsen und setzte dem Beklagten hierfür eine Frist bis zum 25. März 2021. Mit Schreiben vom 28. März 2021 legte Steuerberater A.B. im Namen der Klägerin „gegen die Nichtbearbeitung“ seines Antrags auf Erlass eines Abrechnungsbescheides Einspruch ein. Das Einspruchsschreiben ging mittels Telefax am 28. März 2021 beim Beklagten ein und erhielt durch dessen Bearbeitungsstelle einen Eingangsstempel vom 6. April 2021.
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Mit Telefaxschreiben vom 30. März 2021 erhob Steuerberater A.B. im Namen der Klägerin Klage gegen den Beklagten wegen Nichtbearbeitung des Antrags auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides über Rennwettsteuer 1998, wobei nach seinen Angaben die Klägerin durch die seinerzeit zu deren Nachtragsliquidatorin bestellte B.B. vertreten wurde.
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Der Klageschrift waren jeweils in Kopie eine undatierte Vollmacht der Klägerin, unterschrieben von B.B., die o.b. Schreiben des Klägervertreters an den Beklagten vom 13. März 2021, vom 21. März 2021 und vom 28. März 2021 beigefügt. Eine weitere Begründung der Klage erfolgte nicht.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, einen Abrechnungsbescheid über die Erstattung von Rennwettsteuer des Jahres 1998 in Höhe von 49.084,02 € sowie von Prozesszinsen hierzu in Höhe von 57.821,54 € zu erlassen.
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Der Beklagte beantragt,
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Seiner Ansicht nach sei die Klage in vollem Umfang unzulässig. In Bezug auf den von der Klägerin begehrten Abrechnungsbescheid über Rennwettsteuer 1998 sei dies anzunehmen, weil die Voraussetzung des gemäß § 44 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen außergerichtlichen Vorverfahrens in Gestalt des formellen Abschlusses des finanzbehördlichen Verfahrens über den Einspruch nicht erfüllt sei. Das außergerichtliche Vorverfahren sei auch nicht unter den Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach § 46 FGO entbehrlich. Eine Untätigkeitsklage setze schließlich voraus, dass die beklagte Finanzbehörde ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf nicht in angemessener Frist sachlich entschieden hat. Dies sei im Streitfall schon deswegen nicht anzunehmen, weil weder die Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Abrechnungsbescheides dargelegt habe, noch die Rechtsfrage der Wirksamkeit der Abtretung geklärt sei. Die Klage sei diesbezüglich auch unbegründet, weil kein Rechtsstreit über den Erstattungsanspruch bestehe, der den Erlass eines Abrechnungsbescheides erforderlich machen würde. Der Anspruch auf Erstattung der Rennwettsteuer 1998 sei zwischen den Beteiligten schließlich unstreitig. In Bezug auf den von der Klägerin begehrten Abrechnungsbescheid über Prozesszinsen sei die Klage unzulässig, weil überhaupt noch kein rechtsbehelfsfähiger Zinsbescheid vorliege.
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Mit Schreiben vom 26. April 2021 stellte der Beklagte gegenüber B.B. persönlich die Unwirksamkeit der angezeigten Abtretung des Erstattungsanspruchs fest und fügte dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrungbei. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2021 beim Beklagten Einspruch ein. Über diesen Einspruch hat der Beklagte bislang nicht entschieden. Diesbezüglich ist seit 6. Mai 2022 eine weitere als Untätigkeitsklage bezeichnete Klage der Klägerin bei Gericht unter dem Aktenzeichen 4 K 852/22 rechtshängig, über die der ebenfalls hierfür zuständige erkennende Senat bislang noch nicht entschieden hat.
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Laut Auskunft der Steuerberaterkammer W. vom 8. Juli 2021 hatte der bis dahin als Prozessbevollmächtigter der Klägerin aufgetretene Diplom-Kaufmann A.B. mit Wirkung zum 30. März 2021 auf seine Bestellung als Steuerberater verzichtet. Mit Beschluss vom 8. Juli 2021 hat der erkennende Senat Diplom-Kaufmann A.B. als Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO zurückgewiesen. Der Beschluss ist Diplom-Kaufmann A.B. am 13. Juli 2021 sowie B.B. am 14. Juli 2021 jeweils mittels Postzustellungsurkunde bekannt gegeben worden. Auf die an die Klägerin gerichtete richterliche Aufforderung vom 23. Juli 2021, den aktuellen Fortbestand des Amtes der B.B. als Nachtragsliquidatorin der Klägerin (vgl. § 66 Abs. 5 Satz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-) nachzuweisen, ging bei Gericht ein nicht unterzeichnetes, mit dem Briefkopf der Klägerin versehenes Schreiben mit der Aufforderung an das Gericht ein, diesbezüglich beim Amtsgericht M - Registergericht - selbst Ermittlungen anzustellen. Mit an B.B. gerichtetem Schreiben vom 20. September 2021 teilte der Beklagte der Klägerin u.a. mit, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Abrechnungsbescheids zum damaligen Zeitpunkt deswegen nicht vorlägen, weil das in Rede stehende Steuerguthaben seitens der Finanzkasse nicht bestritten würde.
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Unter dem Datum des 9. Dezember 2021 entschied der erkennende Senat über die Streitsache ohne mündliche Verhandlung durch einen die Klage abweisenden Gerichtsbescheid (§ 90a Abs. 1 FGO), der der Klägerin mittels Postzustellungsurkunde am 15. Dezember 2021 zugestellt wurde. Mit auf den 16. Dezember 2021 datiertem Telefaxschreiben, das bei Gericht am 19. Dezember 2021 einging, beantragte die Klägerin - vertreten durch die seinerzeit noch für sie als Nachtragsliquidatorin auftretende B.B. - hiergegen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. B.B. verstarb am 25. Dezember 2021. Das Amtsgericht M - Registergericht - bestellte durch Beschluss vom 2. Februar 2022 C.B., wohnhaft in X …, zum neuen Nachtragsliquidator der Klägerin.
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Durch Schreiben des Gerichts vom 18. Mai 2022 wurden die Beteiligten zu dem auf den 29. Juni 2022 bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung geladen. Mit auf den 28. Juni 2022 datiertem und durch Telefax dem Gericht übermittelten Schriftsatz erklärte die Klägerin, auf die mündliche Verhandlung zu verzichten. Außerdem verwies die Klägerin darauf, dass ihr Einspruch zeitlich vor Erhebung der Untätigkeitsklage eingelegt worden sei und die Klage deshalb zulässig sei. Selbst wenn die Klage wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Einspruch und Klageerhebung zunächst nicht zulässig gewesen sein sollte, so sei sie nach Ansicht der Klägerin doch wenigstens zwischenzeitlich in die Zulässigkeit „hineingewachsen“, weil der Beklagte bisher immer noch nicht „tätig geworden sei“. Da auch der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Juni 2022 auf mündliche Verhandlung verzichtete, hob das Gericht den Verhandlungstermin auf.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Gerichtsakte und auf die die Klägerin betreffende Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1.) Über die Klage hat der erkennende Senat durch Urteil zu entscheiden, weil der unter dem Datum des 9. Dezember 2021 erlassene Gerichtsbescheid aufgrund des fristgerechten Antrags der Klägerin auf mündliche Verhandlung als nicht ergangen gilt (§ 90a Abs. 3 Halbsatz 2 FGO).
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Aufgrund der diesbezüglich übereinstimmenden Prozesserklärung der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung. Das Rechtsmittel nach § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO schließt den Verzicht auf mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO und eine gerichtliche Entscheidung durch Urteil im schriftlichen Verfahren nicht aus (vgl. Gräber/Herbert FGO 9. Auflage 2019, § 90a Rdnr. 23 m.w. Rechtsprechungsnachweisen). Dies gilt zumindest dann, wenn der Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht als Rücknahme des Antrags nach § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO auszulegen ist. Letzteres ist im Streitfall nicht anzunehmen, weil die Klägerin - ersichtlich aus ihrem weiteren Sachvortrag - das Verfahren fortsetzen will.
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2.) Die Klage ist unzulässig.
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a) Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1 FGO erhoben. Die Klägerin hat als Grund der Klage „die Nichtbearbeitung ihres Einspruchs vom 28. März 2021 wegen Nichtbearbeitung ihres Antrags auf Erlass eines Abrechnungsbescheids zur Rennwettsteuer (Forderung und Prozesszinsen)“ genannt; die Auslegung des Klageantrags ergibt jedoch als Klagebegehren, den Beklagten zu verpflichten, zugunsten der Klägerin einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO über sowohl einen Steuererstattungsanspruch (§ 37 AO) als auch einen Zinsanspruch zu erlassen.
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Die bei Gericht am 30. März 2021 eingegangene Klage ist in Bezug auf die Prozessbevollmächtigung des für sie aufgetretenen Vertreters, Diplom-Kaufmann A.B., trotz dessen Rückgabe seiner Bestellung als Steuerberater an demselben Tag auch wirksam erhoben. Der Beschluss des Senats vom 8. Juli 2021 über die Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten ist erst mit Zugang bei diesem am 13. Juli 2021 wirksam geworden, sodass dessen bisherige Prozesshandlungen rechtswirksam bleiben.
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b) Die Verpflichtungsklage ist schon deshalb unzulässig, weil die Sachurteilsvoraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind.
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In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage gemäß § 44 FGO im Grundsatz nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den finanzbehördlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Die im Streitfall nach ihrem Wortlaut sinngemäß als sogenannte Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO erhobene Klage bildet lediglich eine Ausnahme zu der Vorschrift des § 44 Abs. 1 FGO. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO ist eine Klage auch dann zulässig, wenn die Finanzbehörde über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Die sogenannte Untätigkeitsklage ist keine eigenständige Klageart (vgl. Bundesfinanzhof -BFHUrteil vom 27. Juni 2006 VII R 43/05, BFH/NV 2007, 396). Die Untätigkeit der Finanzbehörde nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO ist nur Zulässigkeitsvoraussetzung, nicht der Gegenstand der Klage. Das Rechtsschutzbegehren ist daher in den Fällen des § 46 FGO ebenso auf Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts oder auf Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (§ 40 Abs. 1 FGO) gerichtet und nicht - wie die Klägerin wohl meint - auf ein Tätigwerden der Finanzbehörde überhaupt (vgl. BFHUrteile vom 18. Dezember 2019 III R 46/17, BFH/NV 2020, 690 und vom 27. Juni 2006 VII R 43/05, a.a.O). Mithin wird im Fall einer sogenannten Untätigkeitsklage die reguläre Sachurteilsvoraussetzung in Gestalt eines erfolglosen Einspruchsverfahrens durch die Sachurteilsvoraussetzung eines - infolge unangemessen langer Untätigkeit der Finanzbehörde - nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahrens ersetzt.
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Liegt - wie dies aufgrund des zwischen dem Einspruch der Klägerin vom 28. März 2021 und der Klage vom 30. März 2021 liegenden sehr kurzen Zeitraums anzunehmen ist - keine im Sinne des § 46 FGO unangemessen lange Untätigkeit der Finanzbehörde vor, so kann die zunächst deswegen unzulässige Untätigkeitsklage durch den zwischenzeitlichen Ablauf einer unangemessen langen Untätigkeit der Finanzbehörde oder auch den zwischenzeitlichen Erlass der Einspruchsentscheidung der Finanzbehörde während des Klageverfahrens in die Zulässigkeit „hineinwachsen“ (BFH in ständiger Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH - Urteil vom 11. Februar 2021 VI R 37/18, BFH/NV 2021, 1085). Da es sich hierbei nicht um Zugangsvoraussetzungen, sondern nur um Sachurteilsvoraussetzungen für die Klage handelt, wird die zunächst bestehende Unzulässigkeit der Klage geheilt.
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Soweit die Klägerin ein solches „Hineinwachsen in die Zulässigkeit der Klage“ auch im Streitfall annehmen will, ist ihr jedoch nicht zu folgen. Eine Heilung anfänglicher Unzulässigkeit einer Klage ist im Fall sogenannter doppelter Untätigkeit der Finanzbehörde, die den Steuerpflichtigen veranlasst, wegen der finanzbehördlichen Untätigkeit sowohl Einspruch als auch Klage zu erheben, nicht uneingeschränkt möglich. Eine doppelte Untätigkeit der Finanzbehörde liegt dann vor, wenn diese sowohl im Antragsverfahren als auch im Einspruchsverfahren über eine unangemessen lange Dauer hinweg untätig bleibt.
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Entscheidet eine Finanzbehörde über einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht binnen angemessener Frist, so kann der Antragsteller nach § 347 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) Einspruch einlegen (sogenannter Untätigkeitseinspruch). Ein regulärer Einspruch im Sinne des § 347 Abs. 1 Satz 1 AO hat die behauptete Rechtswidrigkeit eines belastenden Verwaltungsakts bzw. die behauptete Rechtswidrigkeit der Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsakts zum Gegenstand. Im Gegensatz dazu verfolgt ein Untätigkeitseinspruch allein das Ziel, die finanzbehördliche Entscheidung über den Antrag auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts zu erreichen. Diese Entscheidung muss dabei nicht notwendigerweise im antragsgemäßen Erlass dieses Verwaltungsakts bestehen; auch eine Antragsablehnung erfüllt das Ziel des Untätigkeitseinspruchs (vgl. Bartone in Gosch, Kommentar zur AO/FGO, § 347 AO Rdnr. 70). Hieraus wird ersichtlich, dass sich der Einspruchsgegenstand eines regulären Einspruchs gegenüber dem eines sogenannten Untätigkeitseinspruchs unterscheidet.
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Wird im Fall der sogenannten doppelten Untätigkeit der Finanzbehörde zeitgleich mit einem Untätigkeitseinspruch bei dieser (§ 347 Abs. 1 Satz 2 AO) eine Untätigkeitsklage (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO) bei Gericht erhoben, so hat dieser Unterschied zur Folge, dass eine nachfolgende förmliche Ablehnung des Antrags auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts sowohl zur Erledigung des (Untätigkeits-)Einspruchsverfahrens als auch zur Erledigung der Untätigkeitsklage führt. Erledigt sich der Untätigkeitseinspruch, so fehlt der erhobenen Untätigkeitsklage das außergerichtliche Vorverfahren (vgl. BFH-Urteil vom 3. August 2005 I R 74/02, BFH/NV 2006, 19 und Beschluss vom 9. Juli 2007 I R 60/04, BFH/NV 2007, 2238). Die Klage kann zulässigerweise nicht mehr fortgeführt werden. Ein „Hineinwachsen“ in die Zulässigkeit einer zunächst unzulässigen Untätigkeitsklage ist allenfalls dann denkbar, wenn die Finanzbehörde auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor Gericht den im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag immer noch nicht verbeschieden hat.
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Im Streitfall hat der Beklagte nach Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage im Rahmen seines Schreibens vom 20. September 2021 über den Antrag der Klägerin vom 21. März 2021 entschieden. Die Ausführungen des Beklagten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Abrechnungsbescheids im gegenwärtigen Zeitpunkt deshalb nicht vorlägen, weil das Steuerguthaben seitens der Finanzkasse nicht bestritten worden wäre, sind für die Klägerin unschwer als Ablehnung ihres Antrags zu verstehen gewesen. Ob die Ablehnung des Antrags durch den Beklagten dabei zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Mit der Antragsablehnung durch das Schreiben des Beklagten vom 20. September 2021 hat sich der Untätigkeitseinspruch der Klägerin erledigt. Der Beklagte hat der Klägerin damit die Möglichkeit eröffnet, gegen den ablehnenden Verwaltungsakt einen regulären Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 AO einzulegen, wovon die Klägerin allerdings keinen Gebrauch gemacht hat. Der Untätigkeitsklage fehlt somit die Sachurteilsvoraussetzung eines abgeschlossenen oder zumindest begonnenen außergerichtlichen Vorverfahrens (§ 44 FGO).
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c) Da die Klage schon aus den vorgenannten Gründen wegen Unzulässigkeit abzuweisen ist, braucht sich der Senat nicht mit dem Umstand auseinanderzusetzen, dass der Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags auf Abrechnungsbescheid vom 21. März 2021 und der Einlegung des Untätigkeitseinspruchs am 28. März 2021 ebenso wenig eine unangemessen lange Bearbeitungszeit seitens des Beklagten darstellt, wie etwa der zwischen der Einlegung des Einspruchs bis zur Erhebung der Untätigkeitsklage am 30. März 2021 verstrichene Zeitraum. Es kann auch dahingestellt bleiben, welche Rechtsfolge sich aus dem Umstand ergibt, dass die Klägerin beim Beklagten zwar einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 AO) über Prozesszinsen, nicht hingegen einen Antrag auf Erlass eines Zinsbescheids hierüber (§§ 236, 239 AO) gestellt hat, der unter bestimmten weiteren Voraussetzungen überhaupt erst Anlass für einen Abrechnungsbescheid hätte bieten können. Schließlich braucht sich der Senat auch weder mit der Frage der Auswirkungen des seinerzeit unter dem Aktenzeichen 4 K 1306/13 geführten und durch Klagerücknahme abgeschlossenen Verfahrens auf die vorliegende Klage noch mit der Frage der Wirksamkeit der angeblichen Abtretung der Erstattungsansprüche an die zwischenzeitlich verstorbene B.B., mit der Frage der Identität ihres Gesamtrechtsnachfolgers und mit der Frage der Inhaberschaft der in Rede stehenden Ansprüche zu befassen.
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3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.