Titel:
Keine sittenwidrige Schädigung des Erwerbers eines Dieselfahrzeugs mit Thermofenster (hier: Opel Insignia 2.0 CDTI)
Normenkette:
BGB § 31, § 826
Leitsatz:
Dass die Abgasrückführung aufgrund der verwendeten Software durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems gesteuert wird, die die Abgasreinigung an der Außentemperatur orientiert, reicht nicht aus, um dem Verhalten des Fahrzeugherstellers ein sittenwidriges Gepräge zu geben, da ein Thermofenster nicht dazu führt, dass bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückrührung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern das Thermofenster arbeitet in beiden Fahrsituationen in gleicher Weise. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, sittenwidrige Schädigung, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Prüfstandsbezogenheit, Thermofenster
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 15.07.2022 – 041 O 331/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29312
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 15.07.2022, Az. 041 O 331/21, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22.08.2022, Az.: 041 O 331/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
1. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.11.2022.
2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert im Berufungsverfahren auf bis zu 19.000,00 € festzusetzen. Binnen vorgenannter Frist können die Parteien auch zum Streitwert des Berufungsverfahrens Stellung nehmen.
Gründe
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1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung der Klagepartei lässt noch hinreichend erkennen, welche Gründe die Klagepartei den Erwägungen des Landgerichts entgegensetzt.
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2. Die Berufung ist aber offensichtlich unbegründet. Zu Recht ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis davon ausgegangen, dass ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei gegen die Beklagte zu 2) nicht begründet sind. Die hiergegen mit der Berufung erhobenen Rügen verfangen nicht. Zu den Berufungsangriffen ist Folgendes anzumerken:
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a) aa) Mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien kommt allenfalls eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) im Zusammenhang mit dem von der Klagepartei im Jahr 2017 bei vorgenommenen Erwerb des Fahrzeugs O. Insignia Sports Tourer INNOVATION 2.0 CDTI (Abgasnorm: EU6), Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN): W0L ..., Datum der Erstzulassung: 23.11.2015, Kilometerstand bei Erwerb: 12.200 km, zum Preis von 22.000,00 € (Anlagen K 1), in Betracht. Offenbleiben kann deshalb, ob das Fahrzeug der Klagepartei einen Mangel im Sinne des § 434 BGB in der bis zum 31.12.2021 gültigen Fassung aufweist.
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bb) Gemäß § 311 Abs. 3 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB kann ausnahmsweise eine persönliche Haftung eines Dritten wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten in Betracht kommen, wenn der Dritte zwar nicht selbst Vertragspartner ist, aber in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat und dadurch die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat. Um ein solches Vertrauen in besonderem Maße für sich in Anspruch zu nehmen, muss der Dritte unmittelbar oder mittelbar durch eine für ihn handelnde Person an den Vertragsverhandlungen teilgenommen haben (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 23, 25; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 311 Rn. 63). Im vorliegenden Fall hat die Klagepartei das Fahrzeug nicht bei der Beklagten zu 2), sondern bei er worben. Dass bei Abschluss des Kaufvertrages ein(e) Vertreter(in) der Beklagten zu 2) als Vermittler(in) oder Sachwalter(in) zugegen gewesen wäre, hat die Klagepartei nicht behauptet.
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b) aa) Der Senat teilt in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung, dass für eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) die Klagepartei grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen trägt (BGH, Urteil vom 23.06.2022 - VII ZR 442/21, BeckRS 2022, 19714 Rn. 25; BGH, NJW 2019, 3638, 3641; OLG München, NJW-RR 2019, 1497, 1498; Senat, Hinweisbeschluss vom 13.11.2020 - 27 U 4262/20). Bei der Inanspruchnahme einer juristischen Person hat der Anspruchsteller dementsprechend auch darzulegen und zu beweisen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, NJW-RR 2021, 1029 Rn. 14; BGH, NJOZ 2021, 1327 Rn. 15; BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 35).
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bb) Selbst wenn man unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze zugunsten der Klagepartei hinsichtlich des Schadenseintritts das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO für ausreichend erachten würde und berücksichtigt, dass ein Schaden im Sinne des § 826 BGB auch in einer auf einem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung liegen kann, ohne dass es auf die objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung ankommt (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 740 Rn. 26; BGH, NJW 2022, 1674 Rn. 12; BGH, NJW-RR 2021, 1029 Rn. 23 m. w. N.) und ein Geschädigter, der durch das deliktische Handeln eines Dritten zum Abschluss eines Kaufvertrags bestimmt worden ist, wenn er die Kaufsache behalten möchte, als Schaden von dem Dritten den Betrag ersetzt verlangen kann, um den er den Kaufgegenstand - gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung - zu teuer erworben hat (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 1033 Rn. 7 ff.; BGH, NJW-RR 2022, 23 Rn. 17; BGH, NJW 2021, 3041 Rn. 12 ff., 15 ff.), steht vorliegend der Klagepartei gegen die Beklagte zu 2) weder ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB (analog) bzw. § 831 BGB noch aus anderen deliktsrechtlichen Vorschriften zu. Das Landgericht hat das Verhalten der Beklagten zu 2) auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen mit Recht nicht als verwerflich im Sinne des § 826 BGB angesehen. Es fehlt vorliegend jedenfalls an der schlüssigen Darlegung eines sittenwidrigen Verhaltens bezüglich eines Anspruchs aus § 826 BGB wie auch eines Schädigungsvorsatzes der Beklagten zu 2).
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(1) (a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt nicht schon der Verstoß gegen vertragliche oder gesetzliche Pflichten; vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 10 f.; BGH, NJW 2014, 1380 Rn. 8 m. w. N.). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 10; BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 541/15, BeckRS 2016, 17389 Rn. 17 m. w. N.). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, NJW 2021, 1814 Rn. 12; BGH, NJW 2021, 921 Rn. 14). Nach diesen Leitlinien handelt ein Automobilhersteller gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer - evident unzulässigen (vgl. BGH, NJW 2021, 921 Rn. 21) - Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (BGH, Urteil vom 23.06.2022 - VII ZR 442/21, BeckRS 2022, 19714 Rn. 22; BGH, NJW-RR 2022, 740 Rn. 25; BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 19). Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 19). Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt daher voraus, dass es in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 52/21, BeckRS 2021, 47558 Rn. 19). Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, NJW 2021, 921 Rn. 19; BGH, NZV 2021, 525 Rn. 13).
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b) Vorliegend vermag der Senat auf Basis des gesamten klägerischen Vortrags, u. a. der von der Klagepartei in Bezug genommenen Umweltgesichtspunkte, Presseveröffentlichungen und gutachterlichen Stellungnahmen, der fehlenden Sachkunde und des fehlenden Einblicks der Klagepartei in die Funktionsweise der Motorsteuerung und den Behauptungen der Klagepartei zu den vom ihr als unzulässig qualifizierten Abschalteinrichtungen in einer Zusammenschau aller Gesichtspunkte (vgl. BGH, NJW 2021, 1814 Rn. 12; BGH, Urteil vom 21.12.2021 - VI ZR 277/20, BeckRS 2021, 44559 Rn. 8; BGH, NJW 2020, 2798 Rn. 32; HK-BGB/Ansgar Staudinger, 11. Auflage 2021, § 826 Rn. 7) nicht darauf zu schließen, dass die Beklagte zu 2) bei der Entscheidung zum Einbau des konkreten Motors in das Fahrzeug der Klagepartei in sittenwidriger Weise tätig wurde. Die Berufung zeigt insoweit weder vom Landgericht festgestellten noch von diesem übergangenen Sachvortrag der insoweit darlegungsbelasteten Klagepartei (vgl. BGH, NJW 2021, 1814 Rn. 29) auf, dem für ein solches Vorstellungsbild der für die Beklagte zu 2) handelnden Personen sprechende Anhaltspunkte zu entnehmen wären. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2022 - VII ZR 471/21, BeckRS 2022, 27037 Rn. 12; BGH, Beschluss vom 04.05.2022 - VII ZR 733/21, BeckRS 2022, 14779 Rn. 20 m. w. N.). Zwar durfte sich die Klagepartei auch auf nur vermutete Tatsachen stützen, denn sie kann mangels Sachkunde und Einblick in die Produktionsabläufe der Beklagten zu 2) keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben, weswegen sie diese als Vermutungen in den Rechtsstreit einführen können muss (vgl. BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 22; BGH, NZV 2021, 525 Rn. 21; BGH, NJW 2022, 935 Rn. 18, 22; BGH, VersR 1995, 433 Rn. 15 ff.). Zudem hat die Klagepartei - soweit sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt - die zu begutachtenden Punkte zu bezeichnen (vgl. § 403 ZPO), wobei die Klagepartei sich nicht dazu äußern muss, welche Anhaltspunkte sie für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis des Sachverständigen gestellten Behauptung(en) hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 27). Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2022 - VII ZR 471/21, BeckRS 2022, 27037 Rn. 13; BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 23; BGH, NZV 2021, 525 Rn. 22 m. w. N.). Eine grundlegende strategische Entscheidung der Beklagten zu 2) im eigenen Kosten- und Gewinninteresse, die unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde bzw. der Klagepartei als Fahrzeugerwerberin abzielt (vgl. BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 19), ist aber nicht dargetan. Ein solches Vorstellungsbild der für die Beklagte zu 2) handelnden Personen zeigt die Berufung nicht auf.
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(aa) Das Kriterium der Prüfstandsbezogenheit ist grundsätzlich geeignet, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2022 - VII ZR 471/21, BeckRS 2022, 27037 Rn. 10 m. w. N.). Die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, indiziert eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörden (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18). Ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten zu 2) kommt deshalb in Betracht, wenn deren verfassungsmäßig berufene Vertreter zumindest wussten, dass die Motoren des streitgegenständlichen Typs mit einer auf arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten zu 2) hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2021 - VI ZR 875/20, BeckRS 2021, 44363 Rn. 11). Anlass, von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18 ff. m. w. N.) abzuweichen, besteht nicht; die Berufung vermag insoweit keine durchgreifenden Bedenken aufzuzeigen. Die Klagepartei zeigt keinen Vortrag auf, aus dem sich - über die bloße pauschale Behauptung hinaus - greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer solchen Steuerungsstrategie in dem streitgegenständlichen Fahrzeug ergeben könnten (vgl. BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 27; BGH, NZV 2021, 525 Rn. 23). Zwar kann bei Vorliegen weiterer Umstände auch die Funktionsweise einer Abschalteinrichtung, wenn sie nicht prüfstandsbezogen ist, Rückschlüsse auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten zu 2) zulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 19). Umstände, die auf eine sittenwidrige Bewusstseinslage der Beklagten zu 2) schließen ließen, werden vorliegend aber von der Klagepartei weder dargelegt noch sind diese ersichtlich.
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Der Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug der Klagepartei nach ihrem Sachvortrag aufgrund der ursprünglich verwendeten Software durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems gesteuert war, die die Abgasreinigung an der Außentemperatur orientierte, reicht - auch wenn zugunsten der Klagepartei unter Berücksichtigung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 14.07.2022 (C-128/20, BeckRS 2022, 16622, C-134/20, BeckRS 2022, 16621, C-145/20, BeckRS 2022, 16620) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt wird, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist - nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte zu 2) handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben (vgl. BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 15 ff.; BGH, Urteil vom 16.09.2021 - VII ZR 286/20, BeckRS 2021, 30338 Rn. 15 ff.; BGH, NJW 2021, 921 Rn. 19; BGH, NJOZ 2021, 1517 Rn. 13). Die Frage ist nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2021 - III ZR 202/20, BeckRS 2021, 41003 Rn. 14) höchstrichterlich abschließend geklärt (vgl. BGH, NJW 2021, 3324 Rn. 40), nachdem hierzu nicht nur eine, sondern zwischenzeitlich mehrere einschlägige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergangen sind (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 243 Rn. 21 ff.; BGH, VersR 2022, 1173 Rn. 21 ff., 26 ff.; BGH, Beschluss vom 12.01.2022 - VII ZR 424/21, BeckRS 2022, 7010 Rn. 27 ff.; BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 14 ff.; BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 15 f., 19 ff., 24 ff. m. w. N.). Ein Thermofenster führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückrührung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand etc.) entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand (vgl. BGH, VersR 2022, 1173 Rn. 28). Einen Vortrag der Klagepartei, aus dem sich hinreichende Anhaltspunkte für eine Vergleichbarkeit der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems mit einer Prüfstandserkennungssoftware entnehmen ließen, zeigt die Berufung nicht auf. Soweit die Klagepartei zur Wirkungsweise des Thermofensters vorgetragen hat, dass bei einer Außentemperatur von + 17 Grad Celsius bei weitem mehr Stickoxid ausgestoßen wird, als das für das streitgegenständliche Fahrzeug mit Euro-6-Abgasnorm zulässig ist bzw. unterhalb von + 5 Grad / + 17 Grad Celsius bzw. über 30 Grad Celsius die Abgasrückführung nicht unwesentlich heruntergefahren und später komplett abgeschaltet wird, was bei normalem Betrieb zu einem Stickoxidausstoß führt, der um das 1,75-fache über den geltenden Grenzwerten liegt, kann von einer Abschalteinrichtung, die „exakt“ auf die Prüfbedingungen im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgestimmt ist, schon nach dem eigenen Vorbringen der Klagepartei ersichtlich keine Rede sein (vgl. BGH, VersR 2022, 1242 Rn. 21).
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(bb) Das streitgegenständliche Fahrzeug ist von einem (angefochtenen und nicht bestandskräftigen) Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts betroffen. Greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sind nicht erst dann gegeben, wenn das Kraftfahrt-Bundesamt auch bezüglich Fahrzeugen der oder gar des konkreten Fahrzeugtyps der Klagepartei eine Rückrufaktion angeordnet hat (vgl. BGH, NJW 2020, 1740 Rn. 13). Auch begründet allein der verpflichtende Rückruf eines Pkws durch das Kraftfahrt-Bundesamt nach der mittlerweile gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung für sich noch keine deliktische Haftung des Motorenherstellers (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 14; OLG Celle, Urteil vom 14.04.2021 - 7 U 1955/19, BeckRS 2021, 10567 Rn. 28 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 18.01.2021 - 12 U 1294/20, BeckRS 2021, 1168 Rn. 30). Allein aus dem Umstand, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug ein Rückruf erfolgt ist, kann nicht der Schluss gezogen werden, es sei ein mitteilungspflichtiger Sachverhalt verheimlicht worden (vgl. OLG München, Endurteil vom 20.08.2021 - 20 U 3366/19, BeckRS 2021, 27271 Rn. 52). Denn es verbietet sich im Rahmen des § 826 BGB ein Verhalten aus der ex post-Perspektive zu bewerten, es also - unter Zugrundelegung heutiger Anschauungen und Verhältnisse - rückwirkend als sittenwidrig einzustufen (vgl. BGH, NJW 2020, 2798 Rn. 31).
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Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 2) mit dem Software-Update für das Fahrzeug der Klagepartei eine von vornherein rechtswidrige Beseitigungsmaßnahme entwickelt und sich genehmigen hat lassen, bestehen nicht. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass das Kraftfahrt-Bundesamt über die technischen Parameter des Software-Updates getäuscht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2022 - III ZR 205/20, BeckRS 2022, 3677 Rn. 22; BGH, NJW 2021, 3725 Rn. 23), hat die Klagepartei nicht vorgetragen.
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(cc) Eine sittenwidrige Manipulation der Beklagten zu 2) zum Nachteil ihrer Kunden ist nicht darin zu sehen, dass - wie klägerseits behauptet - das On-Board-Diagnosesystem (OBD-System) trotz einer künstlichen Abtrennung des AdBlue-Schlauchs bzw. eines Stickoxidausstoßes von über 80,00 mg/km keine Fehlermeldung anzeigt. Eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB kommt - was hier nicht der Fall ist - nur in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von der Verwendung des genannten Systems mit der in Rede stehenden Funktionsweise in dem streitgegenständlichen Motor auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dieses von Seiten der Beklagten zu 2) in dem Bewusstsein geschah, möglicherweise gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde (vgl. BGH, NJW 2021, 1814 Rn. 28; OLG Stuttgart, NZV 2019, 579, 584 f.). Der insoweit erfolgte Beweisantritt der Klagepartei dient der Ausforschung von Tatsachen, die es ihr erst ermöglichen könnten, die behauptete Billigung/Veranlassung der Verwendung des aus Sicht der Klagepartei manipulierten OBD-Systems substantiiert vorzutragen.
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(dd) Soweit die Klagepartei ihr Begehren darauf stützt, dass die Beklagte zu 2) das streitgegenständliche Fahrzeug mit weiteren, nach Auffassung der Klagepartei unzulässigen/prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtungen/„defeat devices“ (u. a. 1180-Sekunden-Software mit Wechsel in einen anderen („schmutzigen“) Abgasmodus) in Verkehr gebracht habe, die nach bestrittenem Vortrag der Klagepartei abhängig von verschiedenen Bedingungen/Initialisierungsparametern (u. a. Umgebungstemperatur, Umgebungsluftdruck (< 915 hPa), Geschwindigkeit (Reduzierung/Einstellung der Dosierung von Harnstoff im SCR-Katalysator / der Urea-Dosierung ab 140 km/h bzw. 145 km/h), Motordrehzahl (ab 2.400 U/min bzw. oberhalb von 2.750/2.900 U/min), Last, Kühlwasser, Öltemperatur) unter Einsatz eines SCR-Katalysators für ein Einhalten des Stickoxidgrenzwerts nur auf dem Prüfstand im NEFZ und den dort definierten Prüfungsbedingungensorgen sorgen, außerhalb der Prüfbedingungen die Wirkung des Emissionskontrollsystems hingegen reduziert bzw. ganz ausgeschaltet wird, erweist sich dieses ebenso wie der Vortrag der Klagepartei zu den von ihr behaupteten negativen Wirkungen eines Software-Updates, insbesondere in Folge eines um 20% erhöhten Kraftstoffverbrauchs / eines signifikanten Diesel- und Ad-Blue-Mehrverbrauchs, einer enormen Versottung der AGR-Ventile, eines um 10% erhöhten CO₂-Emissionswertes, einer geringeren Motorleistung, höheren Geräuschemissionen, eines Defekts des AGR-Ventils nach spätestens 10.000 gefahrenen Kilometern sowie des von der Klagepartei behaupten Verbaus eines minderwertigen Kühlers, der den zu erwartenden thermischen Belastungen von vornherein nicht standhalten könne, bzw. des behaupteten Verbaus eines minderwertigen / nicht groß genug dimensionierten SCR-Katalysators (Ammoniakschlupf/NH3-Schlupf) als unschlüssig.
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Die Beklagte zu 2) hat u. a. vorgetragen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug keine manipulative Umschaltlogik, wie sie die Rechtsprechung bei Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns festgestellt hat, enthalte. Das Emissionskontrollsystem des streitgegenständlichen Fahrzeugs erfülle alle gesetzlichen Vorgaben und enthalte keine Prüfzyklus- oder Prüfstandserkennungssoftware, was auch das Kraftfahrt-Bundesamt und die Volkswagen-Untersuchungskommission des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Intrastruktur (BMVI) bereits Anfang 2016 ausdrücklich für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp bestätigt habe. Die Beklagte zu 2) hat die temperaturabhängige Drosselung des AGR-Systems damit begründet, dass bei bestimmten Temperaturen (unter - 10°C bzw. über + 32 °C bzw. hinsichtlich der AdBlue Dosierung von unter - 30 °C bzw. über + 50°C) wegen des Temperaturgefälles die Versottung des AGR-Systems und damit die Beschädigung des Motors und seiner Bauteile drohten. Das Fahrzeug, hinsichtlich dessen das Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2018 mittels eines (angefochtenen und nicht bestandskräftigen) Rückrufbescheids eine Nachrüstung des ursprünglichen Emissionskontrollsystems in noch nicht (freiwillig) nachgerüsteten Fahrzeugen angeordnet habe, unterscheide nicht zwischen dem Betrieb auf dem Prüfstand und auf der Straße. Bereits Anfang 2016 habe die Beklagte zu 2) dem Kraftfahrt-Bundesamt ein Software-Update zur behördlichen Freigabe vorgestellt. Mit Bescheid vom 21.02.2017 habe das Kraftfahrt-Bundesamt nach umfassenden Verifizierungsprüfungen die uneingeschränkte Freigabe des Software-Updates für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp erteilt und bestätigt, dass die NOx-Werte auch nach dem Software-Update eingehalten werden bzw. in nachgerüsteten Fahrzeugen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen enthalten seien und das Software-Update keine nachteiligen Folgen für den Kraftstoffverbrauch oder die CO₂-Emissionen habe. Außerdem habe die Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt des Gebrauchtwagenkaufs des Klägers im Mai 2017 bereits (beginnend aus eigenem Antrieb Ende 2015 durch eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über die geplante und sodann entwickelte Verbesserung der Emissionsminderungsleistung u. a. des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps mittels eines Software-Updates) in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt und öffentliche Bekanntgabe von Informationen begonnen, eine etwaige Arglosigkeit potentieller Käufer zu beseitigen.
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Demgegenüber hat die Klagepartei in ihrer Berufungsbegründung keine greifbaren Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Behauptungen aufgezeigt. Zwar kommt einer Freigabebestätigung des Kraftfahrt-Bundesamts, dass die nach einem Software-Update vorhandenen Abschalteinrichtungen zulässig seien, eine für das hiesige Verfahren bindende Tatbestandswirkung nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2022 - VIII ZR 140/20, BeckRS 2022, 2329 Rn. 34 f.; BGH, Beschluss vom 14.12.2021 - VIII ZR 386/20, BeckRS 2021, 44341 Rn. 34). Der Freigabebescheid des Kraftfahrt-Bundesamts führt dazu, dass die Beklagte zu 2) das Vorbringen der Klagepartei unter Berufung auf diese Freigabebestätigung substantiiert bestreiten kann (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2022 - VIII ZR 140/20, BeckRS 2022, 2329 Rn. 45). In tatsächlicher Hinsicht ist aber nicht dargetan, an welcher Basis-/Vergleichsgröße die Klagepartei hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs ihre Aussagen festmachen will. Auch unter Rückgriff auf das erstinstanzliche Vorbringen der Klagepartei ist ein hinreichender Sachvortrag, welcher einer Beweiserhebung zugänglich wäre, nicht feststellbar. Der von der Klagepartei vorgelegten Untersuchung „Wirksamkeit von Software-Updates zur Reduzierung von Stickoxiden bei Dieselmotoren“ des Kraftfahrt-Bundesamts vom 10.01.2020 (Anlage K 24) ist zu entnehmen, dass die Software-Updates (auch der Beklagten zu 2)) zu einer deutlichen Verbesserung des Emissionsverhaltens führen. In der dem Senat aus Parallelverfahren bekannten gutachterlichen Stellungnahme des Rechtsanwalts lediglich abstrakte werden ebenso wie im Rechtsgutachten des Rechtsfragen behandelt, die nicht darauf schließen lassen, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten ist. Gleiches gilt hinsichtlich der von der Klagepartei vorgelegten Stellungnahme von Prof. Dr. M. F2., der der Autor selbst nur einen „vorläufigen Charakter“ beimisst (vgl. Anlage K 6, S. 1). Zudem belegen die von der Klagepartei vorgelegten Gutachten des, des (dessen gutachterliche Bewertung Motoren der Beklagten zu 2) des - nicht streitgegenständlichen Typs - 1.6 CDTi betrifft) und das dem Senat aus Parallelverfahren bereits bekannte Gutachten der TU München einen technischen Expertenstreit über die Grenzen der Emissionsminderungsfähigkeit des AGR-Systems, nicht hingegen - anders als dieses bei Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns mit Motoren des Tys EA189 der Fall war - eine Strategie zur Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts und der Kunden der Beklagten zu 2). Die Fachhochschule Bern hat sich in einer öffentlichen Erklärung vom 02.11.2015 von den von der Klagepartei als Beweis angebotenen Testergebnissen distanziert, weil sie diese Tests nicht selbst durchgeführt, sondern lediglich den Rollenprüfstand der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zur Verfügung gestellt hat. Die Tests bezeichnet die Fachhochschule Bern zudem als unvollständig, verzerrt und tendenziös.
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Zwar ging vorliegend dem Pflichtrückruf des Kraftfahrt-Bundesamts vom 17.10.2018 zunächst eine freiwillige Serviceaktion der Beklagten zu 2) voraus, in deren Rahmen das vom Kraftfahrt-Bundesamt bereits am 21.02.2017 freigegebene Softwareupdate bei vielen O. Insignia Fahrzeugen nachgerüstet wurde. Nur weil innerhalb des vom Kraftfahrt-Bundesamt vorgegebenen Zeitraums für die Umrüstung nicht alle Fahrzeuge erreicht werden konnten, ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 17.10.2018 schließlich die Durchführung des bereits genehmigten Softwareupdates als verpflichtend an (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 14.04.2022 - 7 U 190/21, BeckRS 2022, 8917 Rn. 27). Ob dieser Rückruf rechtmäßig war, ist streitig und muss im Verwaltungsverfahren geklärt werden. Der Rückrufbescheid vom 17.10.2018 bestätigt aber, was bereits die Untersuchungskommission „Volkswagen“ nach umfassender Prüfung festgestellt hat: Kein O.-Fahrzeug enthält oder enthielt eine unzulässige Prüfstands- oder Prüfzykluserkennung. Auf Seite 5 des Rückrufbescheids vom 17.10.2018 heißt es ausdrücklich: „Der Klarheit halber sei festgehalten, dass das Kraftfahrt-Bundesamt derzeit keinen Hinweis hat, dass O. eine Erkennung verwendet, die zwischen Prüfstands- und Straßenbetrieb unterscheidet“. Auch in dem Freigabebescheid des Kraftfahrt-Bundesamts vom 21.02.2017 heißt es, dass „keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt und die Grenzwerte und die anderen Anforderungen eingehalten wurden“ (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 14.04.2022 - 7 U 190/21, BeckRS 2022, 8917 Rn. 27). Eine Beweiserhebung über die Behauptungen der Klagepartei liefe hier daher letztlich auf einen in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehenen Ausforschungsbeweis hinaus. Ein Sachverständiger müsste durch aufwändige Tests erst ermitteln, ob und wenn ja, nach welcher konkreten Zeit, Strecke, Motordrehzahl oder welchem konkreten Schadstoffausstoß - gegebenenfalls in Abhängigkeit der Last - die Abgasrückführung bei dem Fahrzeug der Klagepartei gedrosselt bzw. deaktiviert wird. Es ist für den Senat auch in keiner Weise ersichtlich, dass der Einbau der von der Klagepartei behaupteten und als unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 beanstandeten technischen Einrichtungen von Seiten der Beklagten zu 2) in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dass ein solcher Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde. Die Klagepartei hat - gemessen an den oben genannten Maßstäben - eine im Fall ihrer Erweislichkeit die Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB erfüllende Indizienkette nicht vorgetragen. Der Beweisantritt der Klagepartei durch die von ihr benannten Zeugen dient der Ausforschung von Tatsachen, die es ihr erst ermöglichen könnten, die behauptete Billigung/Veranlassung der Verwendung der nach Auffassung der Klagepartei unzulässigen/prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtungen substantiiert vorzutragen.
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(ee) Der Hinweis der Klagepartei auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen, die nach damaliger Rechtslage (Euro-6-Norm) zur Erlangung der Typgenehmigung allein maßgeblich waren, und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße genügt als greifbarer Anhaltspunkt für die Verwendung einer unzulässigen Steuerungsstrategie seitens der Beklagten nicht (vgl. BGH, NZV 2021, 525 Rn. 23). Zu bedenken ist, dass Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 oder 5 oder 6 im Neuen Europäischen Fahrzyklus noch ohne Realmessfahrt typgenehmigt wurden. Die erste Abgasnorm, bei der eine Realmessung („Real Driving Emission“-Prüfverfahren (RDE)) vorgesehen ist, ist die Norm Euro 6d-TEMP, der das streitgegenständliche Fahrzeug aber nicht unterliegt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 13.11.2019 - 7 U 367/18, BeckRS 2019, 29587 Rn. 28 f.; LG Stuttgart, Urteil vom 22.06.2021 - 8 O 115/21, BeckRS 2021, 15833 Rn. 34). Im Übrigen sprechen höhere Abgaswerte im Realbetrieb im Vergleich zu den Werten im Rahmen des NEFZ nicht per se für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung. Die Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, grundsätzlich ungeeignet (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 30; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2022 - 24 U 115/22, BeckRS 2022, 16112, Rn. 44; OLG Brandenburg, Urteil vom 08.06.2022 - 4 U 148/21, BeckRS 2022, 13740 Rn. 30). Es ist allgemein bekannt - und in der VO 715/2007/EG auch ersichtlich -, dass die auf dem Rollenprüfstand bei genau spezifizierten Bedingungen ermittelten Werte für Kraftstoffverbrauch und Emissionen nicht immer und bedingungslos auch denjenigen entsprechen - und auch bis jetzt nicht entsprechen mussten -, die im realen Betrieb in verschiedenen Verkehrssituationen und bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen und Fahrweisen anfallen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 29.10.2021 - 19 O 20/21, BeckRS 2021, 34446 Rn. 65 ff.). Die von der Klagepartei angesprochene Überschreitung der geltenden NOx-Grenzwerte um ein Vielfaches (3,0-, 3,3-, 5-, 7- bzw. 7,8-fache) im realen Fahrbetrieb ist vor diesem Hintergrund nicht geeignet, übermäßige Stickoxid-Emission des streitgegenständlichen Fahrzeugs der Abgasnorm EU6 zu begründen. Eine Abweichung zwischen Real- und Prüfstandsbetrieb, die derart erheblich ist, dass sie für sich genommen schon als greifbarer Anhaltspunkt für die Existenz einer Prüfstandserkennungssoftware dienen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2021 - III ZR 202/20, BeckRS 2021, 41003 Rn. 17: 9,7-fache Überschreitung für ein Fahrzeug der Abgasnorm Euro 5), ist hier jedenfalls aufgrund des Vortrags der Klagepartei nicht ersichtlich.
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(ff) Die vom Kraftfahrt-Bundesamt erteilte Typgenehmigung bildet die Grundlage der Fahrzeugproduktion und des Inverkehrbringens des typgenehmigten Fahrzeugs und stellt einen Verwaltungsakt dar, sodass eine sittenwidrige Schädigung der Klagepartei nur dann in Betracht kommt, wenn und soweit die Beklagte zu 2) die Mitarbeiter des Kraftfahrt-Bundesamts bei der Erteilung der Typgenehmigung arglistig getäuscht hätte (vgl. OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 29.01.2021 - 11 U 113/20, BeckRS 2021, 7532 Rn. 27). Selbst wenn die Angaben der Beklagten zu 2) gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt tatsächlich unvollständig gewesen sein sollten, wäre dies noch kein konkreter Anhaltspunkt für deren Bewusstsein, eine unzulässige Abschalteinrichtung bei Verheimlichung dieses Umstands zu verwenden bzw. verwendet zu haben. Es wäre zunächst Sache des Kraftfahrt-Bundesamts gewesen, vermeintlich unvollständige Angaben im Typgenehmigungsverfahren nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 und 2 VwVfG zu monieren (vgl. BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 26; BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 223/20, BeckRS 2021, 33847 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 101/21, BeckRS 2021, 34034 Rn. 20). Denn das Kraftfahrt-Bundesamt hat zunächst zu prüfen, ob die Antragsunterlagen im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben vollständig sind. Fehlt es daran, hat es den Antragsteller aufzufordern, die Antragsunterlagen zu ergänzen. Kommt der Antragsteller dem nicht nach, lehnt die Behörde den Antrag ab (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 01.03.2021 - 8 U 4122/20, BeckRS 2021, 9658 Rn. 60; Führ, NVwZ 2017, 265, 269). Zu den Emissionsstrategien des streitgegenständlichen Fahrzeugs waren im Rahmen der Typgenehmigung keine Angaben des Herstellers im sog. Beschreibungsbogen gefordert. Die genaue Beschreibung der Emissionsstrategien wurde erst ab 16.05.2016 mit der Verordnung (EU) 2016/646 der Kommission vom 20.04.2016 eingeführt, also nach der Erteilung der Typgenehmigung bzw. der Erstzulassung des in Rede stehenden Fahrzeugs. Anders als bei einer Prüfstandserkennungssoftware mit Umschaltlogik könnte aus dem - unterstellten - Fehlen derartiger ergänzender Angaben nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abgezielt oder dies auch nur billigend in Kauf genommen hätte (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 01.03.2021 - 8 U 4122/20, BeckRS 2021, 9658 Rn. 61). Selbst ein - hier gegebener - verpflichtender Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts indiziert ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht das Vorliegen einer unzulässigen prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung, über die das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erteilung der Typgenehmigung getäuscht worden sein müsse (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2022 - VII ZR 266/20, BeckRS 2022, 8394 Rn. 20). Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten zu 2) im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des Kraftfahrt-Bundesamts und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 223/20, BeckRS 2021, 33847 Rn. 14), legt die Klagepartei nicht dar.
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(gg) Nicht zu folgen ist der Auffassung, das sittenwidrige Verhalten eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten könne mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderliche moralische Unwerturteil. So wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente „mosaikartig“ zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen (vgl. BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 23).
21
Auf der vorgenannten Grundlage kann das Verhalten der Beklagten zu 2) - unabhängig von der Frage der Tatbestandswirkung der EG-Typgenehmigung - bei der gebotenen Gesamtbetrachtung mangels eines objektiv sittenwidriges Handelns mit dem Ziel der Kostensenkung und Gewinnmaximierung nicht einer arglistigen Täuschung der Typgenehmigungsbehörde bzw. der Klagepartei als Fahrzeugerwerberin gleichgesetzt werden.
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(2) Zudem fehlt es jedenfalls an dem für eine deliktische Haftung notwendigen Schädigungsvorsatz der Beklagten zu 2), der bei einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten zu 2) hätte vorliegen müssen (vgl. BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 32).
23
Ein solcher Vortrag ist den schriftsätzlichen Ausführungen der Klagepartei nicht zu entnehmen. Der Anspruchsteller hat darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter nach § 31 BGB des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 35). Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (vgl. BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 32). Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2) zu Vorgängen innerhalb ihres Unternehmens, die auf eine Kenntnis ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen, setzt jedenfalls voraus, dass das (unstreitige oder nachgewiesene) Parteivorbringen hinreichende Anhaltspunkte enthält, die einen solchen Schluss nahelegen (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2021 - VI ZR 875/20, BeckRS 2021, 44363 Rn. 14). Fehlt es - wie hier - bereits an einem ansatzweisen schlüssigen Vortrag, ist für eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2) kein Raum. Allein aus der hier zu unterstellenden objektiven Unzulässigkeit der von der Klagepartei behaupteten Abschalteinrichtungen folgt kein Vorsatz der Beklagten zu 2) hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. BGH, Beschluss vom 12.01.2022 - VII ZR 424/21, BeckRS 2022, 7010 Rn. 38; BGH, Beschluss vom 10.11.2021 - VII ZR 415/21, BeckRS 2021, 45434 Rn. 37). Der pauschale Verweis der Klagepartei auf die Unkenntnis der Mitarbeiter des Kraftfahrt-Bundesamts ist unsubstantiiert. Bei den von der Klagepartei benannten Zeugen bleibt unklar, inwieweit sie ohne einen nicht vorgetragenen konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug der Emissionsklasse EU6 Angaben zu einer möglichen strategischen Entscheidung des Vorstands der Beklagten zu 2) geben können. Dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main - was gerichtsbekannt ist - aufgrund vorausgegangener Ermittlungen gegen die Beklagten im Jahr 2021 wegen Verletzung von Dokumentationspflichten ein Bußgeld in Höhe von 64,8 Mio. € verhängt hat, vermag einen Vorsatz der Beklagten zu 2) gleichfalls nicht zu begründen.
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Ein Schädigungsvorsatz der Beklagten zu 2) bzw. ihrer verfassungsmäßigen Vertreter (§ 31 BGB) oder Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nach Vortrag der Klagepartei mit einem sogenannten „Thermofenster“-Mechanismus ausgestattet ist (vgl. BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 32). Anders als bei einer Software, die die Situation auf dem Prüfstand erkennt, deswegen in einen anderen Modus schaltet und deren Unzulässigkeit deshalb ebenso wie die Gefahr eines Widerrufs der erschlichenen Betriebszulassung auf der Hand liegt, ist dies beim sog. „Thermofenster“ gerade nicht der Fall. Es sind vorliegend keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Einbau der Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge bzw. in dem Bewusstsein geschehen ist, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde. Denn der Einschätzung im Hinblick auf das Thermofenster konnte auch eine möglicherweise falsche, aber bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.12.2020, NJW 2021, 1216 bzw. bis zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 14.07.2022 in den Rechtssachen Az. C-128/20, C-134/20 und C-145/20 (vgl. Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union Nr. 124/22 vom 14.07.2022) dennoch vertretbare Gesetzesauslegung zugrunde liegen, dass es sich um eine zulässige Abschalteinrichtung handele (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 101/21, BeckRS 2021, 34034 Rn. 24). Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte zu 2) tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung der Klagepartei hätte aufdrängen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.10.2021 - VII ZR 50/21, BeckRS 2021, 38656 Rn. 19). Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung des erforderlichen Vorsatzes nicht. Auch aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt folgen keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte zu 2) handelnden Personen in dem Bewusstsein agierten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Denn dem Kraftfahrt-Bundesamt war die Verwendung von Thermofenstern bei allen Herstellern und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz bekannt. Es war deshalb zu einer Überprüfung des Emissionsverhaltens der Fahrzeuge - gegebenenfalls nach weiteren Rückfragen beim Hersteller - ohne weiteres in der Lage (vgl. BGH, VersR 2022, 1173 Rn. 25 m. w. N.). Unerheblich ist hierbei, ob es andere technische Möglichkeiten gab, mit denen auch bei geringerer Reduzierung der Abgasrückstände das Risiko von Motorschäden vermieden und zugleich die weiteren Schadstoffgrenzen eingehalten werden konnten. Unabhängig davon, ob solche Möglichkeiten der Beklagten zu 2) auch bekannt gewesen waren, kann es keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellen, wenn ein Kfz-Hersteller nicht der Vorreiter der technischen Entwicklung ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2020 - I-5 U 110/19, BeckRS 2020, 9904 Rn. 42).
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(3) Die Erklärungslast des Gegners ist in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2022 - VII ZR 327/21, BeckRS 2022, 19588 Rn. 12; BGH, Urteil vom 23.06.2022 - VII ZR 442/21, BeckRS 2022, 19714 Rn. 25). Vorliegend ist die Beklagte zu 2) dem Vortrag der Klagepartei entgegengetreten und hat ausgeführt, dass und warum der Vorwurf der Klagepartei jeder Grundlage entbehrt. Soweit die Beklagte zu 2) hierbei dem Vortrag der Klagepartei durch einfaches Bestreiten entgegengetreten ist, ist dieses nicht unzulässig. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 634 Rn. 18; BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 26 m. w. N.). In der Regel genügt daher gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Partei das einfache Bestreiten des Gegners (BGH, Urteil vom 24.03.2022 - VII ZR 266/20, BeckRS 2022, 8394 Rn. 24). Die sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2) führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (vgl. BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 27; Zöller/Greger, ZPO, 34. Auflage 2022, vor § 284 Rn. 34). Auch begründet eine sekundäre Darlegungslast keine prozessuale Verpflichtung, Urkunden vorzulegen. Eine Pflicht zur Vorlage von Urkunden der nicht beweisbelasteten Partei folgt nur aus den speziellen Vorschriften der §§ 422, 423 ZPO oder aus einer Anordnung des Gerichts nach § 142 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 23.02.2022 - VII ZR 252/20, BeckRS 2022, 9437 Rn. 13).
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Insbesondere obliegt es vorliegend nicht der Beklagten zu 2) darzulegen, mit welchen Angaben ihre Entscheidungsträger die Verwendung des sogenannten „Thermofensters“ bzw. der weiteren, klägerseits vorgetragenen unzulässigen Abschalteinrichtungen gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt begründet und auf welcher Grundlage sie dieses/diese in Anwendung der Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 für zulässig gehalten haben (OLG Bremen, NJOZ 2021, 489 Rn. 54 m. w. N.). Vielmehr ist grundsätzlich die Klagepartei als Gläubigerin des geltend gemachten Anspruchs in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten zu 2) nach § 826 BGB (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 35), was auch die tatsächlichen objektiven und subjektiven Umstände einschließt, aus denen sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit ergeben soll. Die Verwendung einer Abschalteinrichtung ist auch für den Fall der Unzulässigkeit derselben nicht ohne weiteres als sittenwidrig anzusehen, sondern bedarf nach den oben dargelegten Kriterien auch des Vorliegens der zusätzlichen Voraussetzungen einer besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten zu 2). Daraus ergibt sich, dass auch nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. ein Handeln der Beklagten zu 2) in der Annahme des Vorliegens dieser Voraussetzungen lediglich ausnahmsweise eine ansonsten begründete Sittenwidrigkeit entfallen ließe (in diesem Fall wäre eine Darlegungs- und Beweislast der Beklagten zu 2) hinsichtlich der Voraussetzungen dieser Ausnahme bzw. ihres Vertrauens auf deren Anwendung anzunehmen, vgl. BGH, NJW-RR 2009, 1207 Rn. 23), sondern es bleibt vielmehr insoweit bei der vollen Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei (vgl. OLG Bremen, NJOZ 2021, 489 Rn. 54).
27
Anders als die Klagepartei meint, ist der Vortrag der Klagepartei von der Beklagten zu 2) auch nicht im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden. Die Last, sich auf die Behauptungen des Gegners zu erklären, setzt entsprechend schlüssige Behauptungen voraus (vgl. Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 19. Auflage 2022, § 138 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 9). Da von vornherein unschlüssiger Vortrag gerade nicht den Schluss auf die geltend gemachte Rechtsfolge zulässt, muss er im Grunde nicht bestritten werde, um die Folge nach § 138 Abs. 3 ZPO auszuschließen (vgl. MüKoZPO/Fritsche, ZPO § 138 Rn. 18). Ungeachtet dessen hat die Beklagte zu 2) bereits in der Klageerwiderung dargelegt, das aus ihrer Sicht die Klagepartei unsubstantiiert ins Blaue hinein vorgetragen habe. Unter diesen Umständen kann nicht geschlossen werden, dass die Beklagte zu 2) Vortrag der Klagepartei unstreitig im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO stellen wollte.
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cc) Auch die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2, 31 BGB/831 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB sind nicht erfüllt, da es auch hier an der substantiierten Darlegung eines entsprechenden Vorsatzes gemäß §§ 15, 16 Abs. 1 StGB der Beklagten zu 2) im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs hinsichtlich des objektiven Tatbestandsmerkmals der Erregung oder Unterhaltung eines Irrtums der vermeintlich geschädigten Klagepartei fehlt. Im Übrigen wäre auch die für den Betrugstatbestand erforderliche Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße der Klagepartei mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) oder Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) der Beklagten zu 2) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte, nicht gegeben, weil diese bzw. die Beklagte zu 2) keinen unmittelbaren Vorteil aus dem Kaufvertrag der Klagepartei mit zie hen konnten (vgl. BGH, NJW 2020, 2798, 2801). Ein etwaiger der Klagepartei entstandener Schaden kann stoffgleich allenfalls mit dem Vorteil sein, der dem Verkäufer aus dem Fahrzeugverkauf zugeflossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2022 - III ZR 270/20, BeckRS 2022, 10055 Rn. 26; BGH, Beschluss vom 14.09.2021 - VI ZR 491/20, BeckRS 2021, 29971 Rn. 14; BGH, NJW 2020, 2798, 2801; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.05.2021 - 6 U 15/20, BeckRS 2021, 16080 Rn. 124).
29
dd) (1) Ebenfalls kann die Klagepartei den geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 31 BGB bzw. § 831 BGB, Art. 5 Abs. 1, 2 i. V. m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007, Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 (EG) Nr. 715/2007 bzw. den §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV herleiten. Dieser Anspruch scheitert - neben der fehlenden schlüssigen Darlegung des erforderlichen subjektiven Tatbestandes, s. o. - bereits am Schutzcharakter des Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV (BGH, NJW 2020, 2798, 2799 f.; BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 76; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2020 - I-5 U 110/19, BeckRS 2020, 9904 Rn. 47 ff.; OLG Bremen, NJOZ 2021, 489, 495 ff.). Gleiches gilt hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs der Klagepartei aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 18 Abs. 1 der RL 2007/46/EG (vgl. BGH, Beschluss vom 14.02.2022 - VIa ZR 204/21, BeckRS 2022, 3564; BGH, Hinweisbeschluss vom 15.06.2021 - VI ZR 566/20, BeckRS 2021, 20209 Rn. 8).
30
(2) Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der Frage der Einhaltung der Grenzwerte außerhalb des NEFZ bzw. im Zusammenhang mit der Auslegung der maßgeblichen europarechtlichen Verordnungen und Richtlinien, insbesondere hinsichtlich der Auslegung der VO (EG) 715/2007, bedarf es unter Berücksichtigung des „effet utile“ - Grundsatzes nicht. Der Senat hat die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, insbesondere das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.12.2020 - C-693/18, NJW 2021, 1216 ausgewertet und seine Entscheidung hieran orientiert. Auf dieser Grundlage hat der Senat unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die Überzeugung gebildet, dass vorliegend die richtige Anwendung des Unionsrechts, insbesondere die Frage des Drittschutzes des Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 angesichts des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Regelungszwecks des geltenden Unionsrechts derartig offenkundig zu beantworten ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.08.2021 - VII ZR 280/20, BeckRS 2021, 28852 Rn. 1; BGH, NJW 2020, 2798, 2799 f.) und der Senat hierdurch auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht. Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof der Europäischen Union die gleiche Gewissheit bestünde. Der Senat ist im Übrigen nicht bereits deshalb zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet, weil einzelstaatliche Gerichte in Rechtssachen, die der beim Senat anhängigen ähneln und die gleiche Problematik betreffen, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 1 - 3 AEUV vorgelegt haben (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2015 - C-72/14, C-197/14, BeckRS 2015, 81095; BGH, NVwZ-RR 2020, 436 Rn. 51). Ebenso wenig ist der Senat verpflichtet, die Antwort auf diese Frage abzuwarten und das bei ihm rechtshängige Verfahren analog § 148 ZPO auszusetzen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2015 - C-72/14, C-197/14, BeckRS 2015, 81095; BGH, NVwZ-RR 2020, 436 Rn. 51). Der Senat schließt sich deshalb den überzeugenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs an (vgl. u. a. BGH, Beschluss vom 12.01.2022 - VII ZR 424/21, BeckRS 2022, 7010 Rn. 19 ff.; BGH, Urteil vom 08.12.2021 - VIII ZR 190/19, BeckRS 2021, 44235 Rn. 91; BGH, Beschluss vom 08.12.2021 - VIII ZR 280/20, BeckRS 2021, 40565 Rn. 34 ff.; BGH, Beschluss vom 13.10.2021 - VII ZR 545/21, BeckRS 2021, 34454 Rn. 1 ff. m. w. N.; BGH, Beschluss vom 01.09.2021 - VII ZR 128/21, BeckRS 2021, 37683 Rn. 12 ff.). Die Berufungsbegründung gibt keinen Anlass, davon abzuweichen.
31
(3) Bezüglich des von der Klagepartei behaupteten sog. Thermofensters fehlt es am gemäß § 823 Abs. 2 BGB erforderlichen Verschulden der Beklagten zu 2). Fahrlässigkeit hinsichtlich eines Verstoßes gegen drittschützende Normen kann hier nicht festgestellt werden.
32
(a) Maßstab für die Bestimmung der Fahrlässigkeit im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB ist § 276 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, VersR 1968, 378, 379; MüKoBGB/Wagner, 8. Auflage 2020, BGB § 823 Rn. 611). Gemäß dieser Vorschrift handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Welche Sorgfalt jeweils erfordert wird, ist ohne Rücksicht auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Betroffenen nach einem objektiven Maßstab zum Zeitpunkt der Verursachung des Schadens bzw. dem Zeitpunkt, zu dem eine Schadensabwendung in Betracht kam, zu beurteilen (vgl. BGH, NJW 2021, 1818 Rn. 32 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2022 - 21 U 106/21, BeckRS 2022, 19655 Rn. 10; Grüneberg/Grüneberg, BGB, § 276 Rn. 15 f). Fahrlässigkeit setzt unter anderem die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit voraus. Ein Rechtsirrtum ist nur ganz ausnahmsweise unvermeidbar, wenn der Schuldner nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte. Es genügt zum Beispiel, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde die Rechtsfrage zugunsten des Schuldners beantwortet hätte. In diesem Fall sind auch die sonst zu fordernden Erkundigungen des Schuldners über Bestand und Umfang seiner Verpflichtung entbehrlich und scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Schutzgesetz aus (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 1004, 1005; OLG Hamm, Urteil vom 24.06.2022 - 30 U 90/21, BeckRS 2022, 18539 Rn. 66; OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2022 - 21 U 106/21, BeckRS 2022, 19655 Rn. 10).
33
(b) Unter Beachtung dieser Grundsätze hätte die Beklagte zu 2) durch den Einbau eines sog. Thermofensters in das streitgegenständliche Fahrzeug nicht fahrlässig gehandelt. Das Kraftfahrt-Bundesamt ist und war gemäß § 2 Abs. 1 EG-FGV in Verbindung mit Art. 3 Nr. 29 und Art. 4 Abs. 4 und Abs. 2 der RL 2007/46/EG diejenige Behörde, die in Deutschland für die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben zu sorgen hat. Hätte die Beklagte zu 2) das Kraftfahrt-Bundesamt um entsprechende Auskunft gebeten, hätte das Kraftfahrt-Bundesamt das Thermofenster jedoch nicht als unzulässig beurteilt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 24.06.2022 - 30 U 90/21, BeckRS 2022, 18539 Rn. 65 ff., 69 f.). Dieser Schluss ist im Hinblick auf das Thermofenster schon deshalb gerechtfertigt, weil dem Kraftfahrt-Bundesamt sowohl das Vorhandensein als auch die grundsätzliche Funktionsweise und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz seit Jahren bekannt ist (vgl. BGH, VersR 2022, 1173 Rn. 25; OLG Hamm, Urteil vom 24.06.2022 - 30 U 90/21, BeckRS 2022, 18539 Rn. 70).
34
ee) Zwar kann sich ein Anspruch des Verbrauchers auch aus einer Verletzung des § 16 Abs. 1 UWG ergeben, da dieser Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. BGH, GRUR 2008, 818 Rn. 87; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen (Bornkamm), UWG, 39. Auflage 2021, § 16 Rn. 32). Eine Verletzung von § 16 Abs. 1 UWG setzt aber zumindest bedingten Vorsatz voraus (vgl. Bornkamm, a.a.O., § 16 Rn. 17), welcher hier aus den oben dargelegten Gründen nicht gegeben ist.
35
c) Es liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) der Klagepartei vor. Vorliegend hat das Landgericht die umfangreichen Schriftsätze der Klagepartei nicht übergangen, zumal das Landgericht in seinem Urteil namentlich auf das von der Klagepartei behauptete „Thermofenster“ sowie den Vortrag der Klagepartei zu weiteren Abschalteinrichtungen und zum Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt eingegangen ist. Dessen ungeachtet lässt das angefochtene Urteil auch im Übrigen erkennen, dass das Landgericht das gesamte Vorbringen der Klagepartei sowie deren Beweisangebote zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10.05.2022 - VI ZR 219/21, BeckRS 2022, 14424 Rn. 5). Das Landgericht hat insbesondere den Kern des Inhalts der Anträge der Klagepartei nicht verkannt. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Landgericht dem von der Klagepartei angebotenen Zeugen- und Sachverständigenbeweis hinsichtlich der von der Klagepartei nicht von (unstreitigen oder bewiesenen) Anhaltspunkten getragen, pauschal behaupteten Abschalteinrichtungen nicht nachgekommen ist. Konkrete Indizien für die Richtigkeit ihrer Behauptungen hat die Klagepartei nicht aufgezeigt. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. der Anhörung der von der Klagepartei angebotenen Zeugen bedarf es aus den o. g. Gründen auch aufgrund des Vortrags der Klagepartei in der Berufungsbegründung nicht.
36
d) Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache steht der Klagepartei auch kein Anspruch auf Zinsen zu. Die Berufung erweist sich daher insgesamt als unbegründet.
37
e) Dem Antrag der Klagepartei auf Zulassung der Revision ist nicht zu entsprechen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich nicht. Gründe im Sinne des § 543 ZPO stehen dem Beschlussverfahren nicht entgegen. Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 826 BGB sind höchstrichterlich abstrakt seit langem geklärt und durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 hinsichtlich der Entwicklung und des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Rahmen der Abgasreinigung weiter konkretisiert worden. Ob die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 826 BGB wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen, hängt von den in tatrichterlicher Würdigung des jeweiligen Sachvortrags zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab und kann nicht Gegenstand einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof sein (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2022 - VIa ZR 334/21, BeckRS 2022, 10201 Rn. 13; BGH, Beschluss vom 12.01.2022 - VII ZR 424/21, BeckRS 2022, 7010 Rn. 18).
38
Aus den dargelegten Gründen hat die Berufung unter keinem Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg. Der Senat beabsichtigt daher, die Berufung der Klagepartei gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
39
Nach Sachlage empfiehlt es sich, zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung binnen o. g. Frist zu prüfen. Im Falle einer Rücknahme ermäßigt sich gemäß Nr. 1222 S. 2 KV zum GKG die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen von 4,0 auf 2,0.