Titel:
Erlass eines Haftbefehls wegen Nichterscheinens im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft
Normenkette:
ZPO § 802c, § 802f
Leitsätze:
1. Im Dezember 2020 war bei strikter Einhaltung der Hygiene- und Sorgfaltsregelungen eine Wahrnehmung des Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft im Vollstreckungsverfahren ohne Weiteres zumutbar. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gerichtsvollzieher ist grundsätzlich nicht gehalten, den Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft zu verlegen, wenn der Verlegungsantrag erst einen Tag vorher eingeht, obwohl die Ladung knapp drei Wochen zuvor zugestellt worden war. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zwangsvollstreckung, Abgabe der Vermögensauskunft, Termin, Nichterscheinen, Verlegungsantrag, COVID-19-Pandemie
Vorinstanzen:
AG München vom 08.12.2020 – 1516 M 11538/20
AG München vom 03.12.2020 – 1516 M 11538/20
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I, Beschluss vom 23.05.2022 – 20 T 13841/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 14.09.2022 – I ZA 9/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2022 – I ZA 9/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 28716
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 06.09.2021 gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts München vom 08.12.2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Im hiesigen Verfahren vollstreckt der Gläubiger gegen die Schuldnerin aus einem Vergleich des Landgerichts München I vom 28.01.2019 in Verbindung mit dem Beschluss vom 22.03.2019 sowie aus einem in demselben Verfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.06.2019 (Az.: 35 O 8569/18). Die Vollstreckungstitel sind der Schuldnerin zugestellt. Der Hauptgerichtsvollzieher hat am 14.10.2020 den gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin zur Zahlung aufgefordert. Er hat ihn am 15.10.2020 und am 10.11.2020 persönlich aufgesucht, jedoch nicht angetroffen. Er hat dann die Schuldnerin mit Schreiben vom 11.11.2020 zur Abgabe der Vermögensauskunft aufgefordert und hierfür einen Termin am 03.12.2020 bestimmt. Das Schreiben wurde dem gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin am 12.11.2020 zugestellt. Am 02.12.2020 hat dieser eine Terminsverlegung beantragt. So hätten sich am 30.11.20 seine betagten Eltern einer lange geplanten Katarakt-Operation unterziehen müssen. Sie seien von seiner Betreuung abhängig und gehörten darüber hinaus auch zu einer vulnerablen Personengruppe im Hinblick auf die Covid19-Pandemie. Er ist dann auch zum angesetzten Termin nicht erschienen. Für diesen Fall hatte der Gläubiger im Vollstreckungsauftrag den Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO beantragt. Das Amtsgericht München hat am 08.12.2020 diesen beantragten Haftbefehl erlassen.
2
Hiergegen richtet sich das Schreiben des gesetzlichen Vertreters der Schuldnerin vom 06.09.2021. Darin erklärt er, dass die Ausstellung bzw. Existenz des Haftbefehls ohne rechtliche Grundlage erfolgt sei. Da der Haftbefehl bisher nicht zugestellt worden sei, könne er keine Beschwerde einlegen, weshalb er insoweit Erinnerung gemäß 766 ZPO begehre. Das Amtsgericht München hat das Schreiben als sofortige Beschwerde ausgelegt, ihr mit Beschluss vom 12.10.2021 nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, dass die Pandemiesituation nicht von der Abgabe der Vermögensauskunft entbinde. Die Vollstreckung sei bislang rechtmäßig verlaufen.
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Mit Schreiben vom 18.10.2021 teilte der gesetzliche Vertreter der Schuldnerin mit, dass er keine sofortige Beschwerde eingelegt habe. Er hat dann am 28.10.21 Akteneinsicht beantragt und nach ihrer Gewährung am 08.03.2022 und am 12.04.2022 weiter vorgetragen. Danach habe das Vollstreckungsgericht bestimmungswidrig sein Schreiben vom 06.09.2021 als Grundlage für eine sofortige Beschwerde bewertet. Er habe keine sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl einlegen wollen. Das Amtsgericht hätte vor einer Umdeutung einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen. Darüber hinaus vertieft er seine Auffassung, dass die Pflege seiner Eltern und die erhöhte Infektionsgefahr durch Covid19 ein Erscheinen zum Termin nicht möglich gemacht hätten. Auch hätten die prozessualen Voraussetzungen für die Terminsbestimmung zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht vorgelegen. Er habe nämlich bereits im Vertagungsantrag mitgeteilt, dass er für den Fall, dass dieser keinen Erfolg habe, um Vorlage und Antragsentscheidung nach § 766 ZPO ersuche. Das Vollstreckungsorgan habe jedoch keine Antragsentscheidung durch das Vollstreckungsgericht herbeigeführt. Damit sei er von seinem Recht auf gerichtliche Entscheidung abgeschnitten worden.
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Darüber hinaus hätten auch etwaige vorherige Pfändungsversuche durch das Vollstreckungsorgan nicht stattgefunden. Damit hätte aber ein solcher Termin gar nicht erst bestimmt werden dürfen. Daher habe er nicht zum Termin erscheinen müssen, sodass letztlich die Grundlage für den Erlass eines Haftbefehls fehle.
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Das Amtsgericht hat das Schreiben vom 06.09.2021 zutreffend als sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl ausgelegt. Denn hierin begehrt der gesetzliche Vertreter der Schuldnerin gerade dessen Aufhebung. Solches ist mit der sofortigen Beschwerde erreichbar. Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend das Rechtsziel der Schuldnerin erkannt und sich bemüht, ihr den richtigen Zugang zu ermöglichen. Soweit die Schuldnerin später schreibt, sie habe keine sofortige Beschwerde einlegen wollen, ist dies unbeachtlich, weil damit unklar bleibt, was sonst das Ziel ihres Schreibens gewesen sein soll. Im Übrigen hat sie die sofortige Beschwerde auch auf mehrfache Anregung hin nicht zurücknehmen wollen.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht angebracht.
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Sie ist indessen unbegründet. Das Vollstreckungsverfahren ist insoweit ordnungsgemäß verlaufen, so dass der Erlass des Haftbefehls zu Recht erfolgte. Denn der gesetzliche Vertreter der Schuldnerin hat den Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft schuldhaft versäumt. Angesichts der Bedeutung des Vollstreckungsverfahrens im Allgemeinen und der Abgabe der Vermögensauskunft im Besonderen war es ihm zuzumuten, dass er die Betreuung seiner Eltern für den Zeitraum der Abgabe der Vermögensauskunft unterbricht bzw. anderweitig sicherstellt. Zudem war auch im Dezember 2020 bei strikter Einhaltung der Hygiene- und Sorgfaltsregelungen eine Wahrnehmung des Termins beim Gerichtsvollzieher ohne weiteres zumutbar.
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Auch ist zu sehen, dass der Schuldnerin der Termin vom 03.12.2021 bereits am 12.11.2021 zugestellt wurde, ihr Verlegungsantrag aber erst am 02.12.21 gestellt wurde. Insofern war auch der Gerichtsvollzieher nicht gehalten, den Termin - wie beantragt - abzusetzen und eine gerichtliche Entscheidung einzuholen. Denn sonst könnte auf diese Weise der Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft stets verzögert werden. Darüber hinaus bestanden keine Anhaltspunkte, wonach die Art und Weise der Zwangsvollstreckung fehlerhaft sei. Dass vorherige Pfändungsversuche stattgefunden haben, ergibt sich im Übrigen aus der Gerichtsvollzieher-Sonderakte.
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Weil folglich die bisherige Zwangsvollstreckung nicht zu beanstanden ist, war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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Für eine - zuletzt von der Schuldnerin thematisierte - Prozesskostenhilfe fehlt es aufgrund des Obigen an der notwendigen Erfolgsaussicht.