Inhalt

VG München, Urteil v. 21.07.2022 – M 27 K 21.4458
Titel:

Anfechtung von Nebenbestimmungen in Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten

Normenkette:
GlüStV 2021 § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2, § 5, § 6, § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 9 Abs. 4 S. 3
Leitsätze:
1. Es ist rechtlich nichts zu erinnern, wenn die Behörde einem Vermittler von Sportwetten aufgibt, die Gewährleistung des Ausschlusses von Minderjährigen durch eine Identitätskontrolle (etwa eine Ausweiskontrolle) beim Betreten der Wettvermittlungsstelle vorzunehmen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Spieler in einer Sportwettenannahmestelle hat nicht das Recht, die Abfrage, ob er gesperrt ist, zu verweigern und kann diese Abfrage auch nicht durch eine persönliche Versicherung, nicht gesperrt zu sein, ersetzen; das  gilt jedenfalls dann, wenn ein Abfragesystem technisch fehlerfrei zur Verfügung steht und angewendet werden kann. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vorgabe, dass Werbemaßnahmen nicht zum Spielen „anreizen“ dürfen, nimmt erkennbar über § 5 Abs. 2 GlüStV Bezug auf die unter § 1 GlüStV genannten Ziele und dient damit auch dem Ziel, den glücksspielspezifischen Suchtgefahren Rechnung zu tragen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle, Nebenbestimmungen, Teilnahmeverbot Minderjähriger, Teilnahmeverbot gesperrter Spieler, Einsehbarkeit von Wettterminals, Werbebeschränkungen, Unverzügliche Mitteilung von Änderungen betrieblicher Verhältnisse, Sportwettenvermittlung, Erlaubnis, Nebenstimmungen, Identitätskontrolle, Minderjährige, Teilnahmeverbot, Verhältnismäßigkeit, Abfrage, informationelles Selbstbestimmungsrecht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 28406

Tenor

I.Das Verfahren wird eingestellt, soweit es sich erledigt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.Die Berufung wird zugelassen.  

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen verschiedene Nebenbestimmungen in einer ihr von dem Beklagten auf ihren Namen erteilten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten vom 27. Juli 2021.
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Der Veranstalter … … … beantragte für die Klägerin mit Schreiben vom 25. November 2020 die Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle an der Betriebsstätte … … … …
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Mit Bescheid vom 27. Juli 2021, an die Klägerin am 29. Juli 2021 versandt, erteilte der Beklagte der Klägerin durch die Regierung von Oberbayern die Erlaubnis, in der Wettvermittlungsstelle … … … … … …, Sportwetten an den mit Konzession des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 2. November 2020 erlaubten Veranstalter … … … im dort erlaubten Umfang zu vermitteln (Nr. 1). Unter Nr. 4 erließ der Beklagte unter anderem folgende Nebenbestimmungen:
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„a) Die Wettvermittlungsstelle darf nur das Wettprogramm des Veranstalters vermitteln.“
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„b) Der Ausschluss Minderjähriger ist durch Identitätskontrolle (z.B. Ausweiskontrolle) beim Betreten der Wettvermittlungsstelle zu gewährleisten. Das Teilnahmeverbot für Minderjährige gilt auch, wenn der Minderjährige aufgrund einer Vollmacht eines Erziehungsberechtigten oder eines anderen Volljährigen handeln will. In der Wettvermittlungsstelle ist auf das Teilnahmeverbot Minderjähriger zudem durch einen deutlich sichtbaren Aushang hinzuweisen.“
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„c) Zur Sicherstellung des Teilnahmeverbots gesperrter Spieler ist bei jeder Spielteilnahme ein Abgleich mit der zentralen … … durchzuführen. Der Abschluss eines Spielvertrages ist nur zulässig, wenn die Abfrage bei … ergeben hat, dass der Spieler dort nicht als „gesperrt“ eingetragen ist.“
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„e) Sofern die Wettvermittlung an Wettterminals erfolgt, sind die Terminals so aufzustellen, dass durch ständige Einsehbarkeit der mit der Wettvermittlung befassten Personen und durch zusätzliche technische Sicherungsmaßnahmen an den Wettterminals die Einhaltung des Jugend- und Spielerschutzes gewährleistet ist.“
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„f) Die Werbebeschränkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 GIüStV 2021 sind zu beachten. Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel sind unter Berücksichtigung der spezifischen Gefährdungspotentiale der einzelnen Glücksspielprodukte an den gleichrangigen Zielen des § 1 GlüStV 2021 auszurichten. Werbemaßnahmen dürfen nicht zum Spielen anreizen.
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Zudem gilt:
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aa) Werbung für unerlaubtes Glücksspiel ist verboten.
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bb) Werbung für öffentliches Glücksspiel ist nicht erlaubt, wenn sie
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- sich an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richtet, insbesondere Darstellungen und Aussagen enthält, die Minderjährige besonders ansprechen oder Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen darstellt, die an öffentlichen Glücksspielen teilnehmen. Mit vergleichbar gefährdeten Zielgruppen sind insbesondere Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten sowie Spieler in finanziellen Schwierigkeiten gemeint.
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- irreführend ist, insbesondere unzutreffende Aussagen über die Gewinnchancen oder Art und Höhe der Gewinne oder über die angebotenen Glücksspiele enthält,
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- in ausschließlicher und einseitiger Weise den Nutzen des Glücksspiels betont,
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- gleichzeitig für unerlaubtes Glücksspiel wirbt,
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- suggeriert, dass Glücksspiel eine vernünftige Strategie sein könnte, um die finanzielle Situation zu verbessern,
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- vermittelt, dass Glücksspiel Problemen wie insbesondere finanziellen Schwierigkeiten, sozialen Problemen und psychosozialen Konflikten entgegenwirken kann,
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- ermutigt, Verluste zurückzugewinnen oder Gewinne wieder zu investieren,
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- den Zufallscharakter des Glücksspiels unangemessen darstellt,
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- den Verzicht auf Glücksspiel abwertend erscheinen lässt bzw. vermittelt, die Teilnahme an Glücksspielen fördere den eigenen sozialen Erfolg,
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- das Glücksspiel als Gut des täglichen Lebens erscheinen lässt.“
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„i) Eine Veränderung der betrieblichen Verhältnisse, z. B. Kündigung des Wettvermittlungsvertrages, Betriebsaufgabe/-verlegung oder Wechsel der verantwortlichen Person, ist der Erlaubnisbehörde unverzüglich mitzuteilen. Änderungen der Rechtsform sind mindestens einen Monat vor deren beabsichtigter Wirksamkeit anzuzeigen. Der Nachweis der Zuverlässigkeit einer anderen oder neuen zur Vertretung berechtigten Person ist unverzüglich zu erbringen. Hierzu sind die erforderlichen Unterlagen vollständig vorzulegen.“
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„j) Der Erlaubnisinhaber hat der Erlaubnisbehörde oder deren Beauftragten jederzeit auf Verlangen im erforderlichen Umfang Einsicht in die die Vermittlungstätigkeit dokumentierenden Unterlagen, insbesondere zu den getätigten Spieleinsätzen und ausgezahlten Gewinnen sowie den zugehörigen Bankbelegen, zu gewähren. Diese Unterlagen sind sechs Jahre aufzubewahren.“
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Zur Begründung führte die Regierung von Oberbayern für den Beklagten im Wesentlichen aus, dass Rechtsgrundlage der in Nr. 4 erlassenen Nebenbestimmungen § 9 Abs. 4 Satz 3 GlüStV sei. Die Nebenbestimmung in Nr. 4 a) stelle sicher, dass nur legal veranstaltete Wetten vermittelt würden. Das in Nr. 4 b) verfügte Teilnahmeverbot Minderjähriger ergebe sich aus § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 GlüStV. Das Teilnahmeverbot gesperrter Spieler in Nr. 4 c) ergebe sich aus § 8 Abs. 2 Satz 1 GlüStV. Die gesetzliche Verpflichtung, gesperrte Spieler vom Spiel auszuschließen, bestehe auch dann, wenn das Spielersperrsystem … nicht erreichbar sei. Die Nebenbestimmung Nr. 4 e) gewährleiste zunächst den Jugendschutz gemäß § 4 Abs. 3 GlüStV, insbesondere, weil ein persönlicher Kontakt wegen des automatisierten Wettabschlusses nicht gegeben sei. Die Einsehbarkeit der Wettterminals sichere zudem wirkungsvoll die soziale Kontrolle und verhindere so die Anonymität des Wettenden gerade auch im Hinblick auf die Vermeidung von Spielsucht. Die in Nr. 4 f) geregelten Werbebeschränkungen ergäben sich aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AGGlüStV. Mit den Werbebeschränkungen solle insbesondere den Belangen des Jugend- und Spielerschutzes sowie der Suchtprävention Rechnung getragen werden. Unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 GlüStV seien die genannten Werbebeschränkungen verhältnismäßig. Zu Nr. 4 i) wurde ausgeführt, dass die Erlaubnis nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 4 AGGlüStV personen- und ortsgebunden sei. Daher müsse die Erlaubnisbehörde von Änderungen der betrieblichen Verhältnisse unverzüglich Kenntnis erhalten, um die Erlaubnis gegebenenfalls entsprechend anpassen zu können. Das in Nr. 4 j) enthaltene Einsichtsrecht sei eine Maßnahme im Bereich der Glücksspielaufsicht in ihrer Funktion als Erlaubnisbehörde (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 GlüStV). Von ihm werde nur in dem für die gesetzliche Überwachung erforderlichen Umfang Gebrauch gemacht. Die Aufbewahrungsfrist lehne sich an § 257 HGB an. Auf die weitere Begründung des Bescheids wird verwiesen.
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Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin am 20. August 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und wandte sich zunächst gegen die Nebenbestimmungen in Nr. 4 a), 4 b), 4 c), 4 e), 4 f), 4 i) und 4 j). Zuletzt beantragte sie sinngemäß,
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den Bescheid vom 27. Juli 2021 in Nr. 4 b), 4 c), 4 e), 4 f) und 4 i) aufzuheben, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die Erlaubnis ohne die angegriffenen Bestimmungen zu erteilen, höchsthilfsweise, die angegriffenen Bestimmungen aufzuheben und die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
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Zur Begründung lässt sie im Wesentlichen ausführen, dass die Klage als isolierte Anfechtungsklage zulässig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Auffassung des Schrifttums sei die Anfechtung einer Nebenbestimmung unter der Voraussetzung statthaft, dass der Verwaltungsakt prozessual teilbar sei. Der Erlaubnisbescheid ohne die angegriffenen Auflagen stelle eine sinnvolle und belastbare Regelung der Vermittlungstätigkeit dar, zumal sich die Nebenbestimmungen auch zu einem erheblichen Teil in der bloßen Wiederholung gesetzlicher Vorschriften erschöpften. Mithin trete die Nebenbestimmung als selbständige Handlungspflicht neben die Erlaubnis und sei daher als isoliert anfechtbare Auflage zu qualifizieren. Die Klage sei auch begründet. Der durch Nr. 4 b) bedingte Unions- und Grundrechtseingriff sei ungerechtfertigt. Die Regelung sei im Übrigen unverhältnismäßig und unbestimmt. Die Verhinderung einer Spielteilnahme könne ebenso gut im Zuge des Versuchs der Spielteilnahme erfolgen. Bei den Sportwettangeboten in Lottoannahmestellen erfolge auch keine Alterskontrolle bei Betreten. Zudem zog der Klägerbevollmächtigte einen Vergleich mit dem Online-Betrieb und brachte hierzu vor, dass der Ausschluss minderjähriger oder gesperrter Spieler dort durch Identifizierung oder im Falle des § 8 GlüStV durch Abgleich mit der Sperrdatei gewährleistet werde. Die Seiten selbst seien jedoch barrierefrei für gesperrte Spieler und Minderjährige aufrufbar. Es sei nicht folgerichtig, den stationären Vertrieb stärker zu beschränken als den vom Gesetzgeber als gefährlicher eingestuften Onlinevertrieb. Die in Nr. 4 c) getroffene Regelung sei ebenfalls unverhältnismäßig. Bei Ausfall des …-Systems sei die Vorgabe nicht erfüllbar. Zudem habe der Spieler das Recht, die …-Abfrage nicht zuzulassen. Die Regelung in Nr. 4 e) sei nicht erforderlich; durch die technischen Maßnahmen sei eine Spielteilnahme Minderjähriger ohnehin sichergestellt. Die in Nr. 4 f) getroffene Regelung sei nicht als Einzelfallregelung zu qualifizieren. Sie wiederhole in weiten Teilen lediglich das Gesetz. Hierzu verwies der Klägerbevollmächtigte auf den Wortlaut von § 5 Abs. 1und 2 GlüStV. Die in Nr. 4 i) gewählte Formulierung sei zeitlich unbestimmt. Die Mitteilung der Rechtsformänderung sei zudem nicht immer einen Monat vor der angestrebten Wirksamkeit möglich.
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Mit Schreiben vom 9. September 2021 zeigte die Regierung von Oberbayern - Prozessvertretung - die Vertretung des Beklagten an und legte am 1. Dezember 2021 die Behördenakten vor. Sie beantragte für den Beklagten zugleich,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die in Nr. 4 b) getroffene Nebenbestimmung notwendig und erforderlich sei, um das in § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 GlüStV normierte Teilnahmeverbot Minderjähriger dauerhaft zu gewährleisten. Aufgrund des für Minderjährige höheren Gefährdungspotenzials und zur Vermeidung einer Gewöhnung Minderjähriger an entsprechende Spielabläufe habe der Abgleich in der Wettvermittlungsstelle im stationären Bereich bei jedem Betreten zu erfolgen. Wettannahmestellen seien nicht vergleichbar, da diese keine hauptsächlich dem Spielbetrieb dienende Räumlichkeiten darstellten. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägerbevollmächtigten werde der stationäre Betrieb auch nicht stärker beschränkt als der Online-Betrieb, da auch dort eine Identitätskontrolle stattfinde. Zu Nr. 4 c) führte der Beklagte aus, dass sich das Teilnahmeverbot gesperrter Spieler aus § 8 Abs. 2 Satz 1 GlüStV ergebe. Hingewiesen wurde auf die in § 8 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 3 Satz 5 GlüStV getroffenen Regelungen. Die gesetzliche Verpflichtung, gesperrte Spieler vom Spiel auszuschließen, bestehe nach dem GlüStV aus Gründen des Spielerschutzes auch dann, wenn das Spielersperrsystem … nicht erreichbar sei. Eine persönliche Versicherung des Spielers, dass er nicht gesperrt sei, genüge nicht den Anforderungen des § 8 Abs. 3 Satz 1 GlüStV. Die Datenverarbeitung sei in § 23 GlüStV geregelt. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stelle im Vergleich zu einem Verbot ein milderes Mittel dar. Die in Nr. 4 e) getroffenen Regelung diene der Einhaltung des Jugend- und Spielerschutzes. Zu Nr. 4 f) wurde ausgeführt, dass nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV in der Erlaubnis Inhalts- und Nebenbestimmungen zur Ausgestaltung der Werbung für öffentliches Glücksspiel, insbesondere im Fernsehen und im Internet einschließlich fernsehähnlichen Telemedien und Video-Sharing-Diensten, sowie zu Pflichthinweisen festzulegen seien. Die Nebenbestimmung diene daher der Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 5 GlüStV. Die Nebenbestimmung stelle entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht lediglich eine bloße Wiederholung des Gesetzes dar, sondern beinhalte zusätzliche Konkretisierungen. Die in Nr. 4 i) verwendete Formulierung „unverzüglich“ bedeute nach der Legaldefinition des § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“. Eine Frist von einem Monat sei angemessen.
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Der Klägerbevollmächtigte erwiderte mit Schriftsatz vom 28. Februar 2022. Er führte zunächst ergänzend zur Zulässigkeit der Klage aus. Ferner wurde mit Blick auf die Einheitlichkeit stationärer Wetterlaubnisse um Vorlage einer stationären …-Erlaubnis einer …-Annahmestelle gebeten. Vorgelegt wurde ein Bescheid der Bezirksregierung Münster, welche im Vorfeld auch an den Beklagten als Gesprächsgrundlage übersandt worden sei. Zu den Nebenbestimmungen Nr. 4 b), 4 c) und 4 e) führte er aus, dass diese drei Regelungen simultan nicht erforderlich seien. Eine Identitätskontrolle Minderjähriger bei Betreten sei nicht erforderlich, da bei Betreten zwangsläufig eine Identifikation des Spielers im Zuge des Sperrdateiabgleichs erfolge. Weitere Maßnahmen zum Jugend- und Spielerschutz seien dann überflüssig. Ergänzend wurde ausgeführt, dass bereits über § 8 Abs. 3 Satz 5 GlüStV verhindert werde, dass sich Jugendliche im Wettbetrieb aufhalten und am Spiel teilnehmen. Entsprechendes gälte für gesperrte Spieler.
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In der mündlichen Verhandlung am 21. Juli 2022 erklärte die Beklagtenvertreterin unter anderem, der Begriff „jederzeit“ in der Nebenbestimmung Nr. 4 j) werde zur Klarstellung auf § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GlüStV bezogen, insbesondere auf die Worte „während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten“. Der Klägerbevollmächtigte erklärte die Klage hinsichtlich der Nebenbestimmungen Nr. 4 a) und Nr. 4 j) für erledigt. Hinsichtlich des weiteren Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom selben Tag verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Soweit die Klage hinsichtlich der Nebenbestimmungen in Nr. 4 Buchst. a) und j) des streitgegenständlichen Bescheids in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
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2. Im Übrigen ist die jeweils zulässige Klage gegen die Nebenbestimmungen in Nr. 4 Buchst. b), c), e), f) und i) des streitgegenständlichen Bescheids sowohl im Hauptantrag als auch in den Hilfsanträgen unbegründet, da die Klägerin auch unter Beachtung sowohl nationalen, insbesondere Verfassungsrechts, als auch unter Berücksichtigung europäischen Rechts, insbesondere der dort enthaltenen Grundfreiheiten, durch diese Nebenbestimmungen nicht in ihren Rechten verletzt ist und ferner weder auf den Erlass einer entsprechenden Erlaubnis ohne diese Nebenbestimmungen noch auf eine erneute Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen Anspruch hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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2.1. Die Nebenbestimmung in Nr. 4 Buchst. b) ist - bezogen auf den ersten Satz, auf den allein sich die Klage hinsichtlich dieser Nebenbestimmung bezieht - rechtmäßig. Es ist rechtlich nichts zu erinnern, dass der Beklagte die Gewährleistung des Ausschlusses von Minderjährigen durch eine Identitätskontrolle (etwa eine Ausweiskontrolle) beim Betreten der Wettvermittlungsstelle regelt. Nach Auffassung der Kammer ist es nicht unverhältnismäßig, eine Teilnahmeverhinderung nicht erst etwa im Zuge des Versuchs der Spielteilnahme vorzunehmen, sondern bereits am Eingang der Wettvermittlungsstelle. Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass bei staatlichen Lottoannahmestellen bislang eine solchermaßen gestaltete Alterskontrolle nicht stattfindet.
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2.2. Die Nebenbestimmung in Nr.4 Buchst. c) ist - in der Fassung, die sie seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erhalten hat - ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Im Gegensatz zur Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin hat ein Spieler nicht das Recht, die …-Abfrage zu verweigern und kann diese Abfrage auch nicht durch eine persönliche Versicherung, nicht gesperrt zu sein, ersetzen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das …-System technisch fehlerfrei zur Verfügung steht und angewendet werden kann. Ein informationelles Selbstbestimmungsrecht eines Spielers steht dieser Regelung zur …-Abfrage unter Berücksichtigung der Schutzfunktion dieser Abfrage ebenfalls nicht entgegen, auch nicht im Hinblick auf potentielle Gesundheitsdaten des jeweiligen Spielers. Die Schutzfunktion der …-Abfrage auch und gerade hinsichtlich des Spielers selbst rechtfertigt die Regelung dieser Nebenbestimmung.
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2.3. Die Nebenbestimmung in Nr. 4 Buchst. e) ist entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten verhältnismäßig und insbesondere erforderlich. Durch das Aufstellen von Geldspielautomaten im ständigen Sichtbereich konnte schon bisher neben den bereits bestehenden technischen Maßnahmen zum Schutz minderjähriger Spieler eine zusätzliche visuelle Kontrolle seitens des Gewerbetreibenden erfolgen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV: „ständige Aufsicht“). Warum eine solche zusätzliche visuelle Kontrolle auch bei Wettterminals nicht erforderlich und daher unverhältnismäßig sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Die Begründung hierzu (Ziff. 2.3.5 d. Bescheids) verkehrt nicht eine Aussage des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in das Gegenteil, insbesondere nicht im Urteil vom 18. April 2012 (10 BV 10.2273) unter Rn. 67 f., denn an dieser Stelle hatte sich dieses Gericht zur Anwesenheitspflicht des Betriebsinhabers geäußert, die die Voraussetzung für eine solche ständige Aufsicht darstellt.
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2.4. Dass die Nebenbestimmung in Nr. 4 Buchst. f) sich keinesfalls in einer bloßen Wiederholung des Vertragstextes erschöpft, sondern die dort - insbesondere unter § 5 GlüStV - geregelten Werbebeschränkungen konkretisiert und ergänzt, hat die Beklagtenseite nachvollziehbar und ausführlich vorgetragen. Das Gericht folgt diesen Ausführungen. Dem steht weder eine Tatbestandswirkung einer der Klägerin erteilten Werberahmenerlaubnis noch eine vermeintliche Unzuständigkeit des Beklagten zur Regelung dieser Nebenbestimmung entgegen. Auch die Vorgabe, dass Werbemaßnahmen nicht zum Spielen „anreizen“ dürfen, nimmt erkennbar über § 5 Abs. 2 Satz GlüStV Bezug auf die unter § 1 GlüStV genannten Ziele, damit auch dem Ziel, den glücksspielspezifischen Suchtgefahren Rechnung zu tragen (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GlüStV).
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2.5. Schließlich bewegt sich die unter der Nebenbestimmung Nr. 4 Buchst. i) enthaltene Vorgabe, eine Veränderung der betrieblichen Verhältnisse unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen, im rechtlich zulässigen Rahmen. Eine zeitliche Unbestimmtheit ergibt sich nicht, denn „unverzüglich“ bedeutet „sofort“ bzw. in Anlehnung an § 121 Abs. 1 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“. Was daran nicht bestimmbar sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht, ebensowenig die vorgetragene, jedoch nicht näher dargetane Unmöglichkeit, eine beabsichtigte Rechtsformänderung mindestens einen Monat vor der beabsichtigten Wirksamkeit anzuzeigen.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 161 Abs. 2 VwGO, wobei unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO auch bzgl. der erledigten Nebenbestimmungen die Kosten der Klägerin aufzuerlegen waren, weil diese erledigten Nebenbestimmungen in Relation zu dem gesamten Streitgegenstand teils von geringer Bedeutung waren, teils einer gerichtlichen Kontrolle voraussichtlich standgehalten hätten. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
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4. Die Berufung war nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil unter Geltung des GlüStV 2021 zu den vorliegend aufgeworfenen Rechtsfragen noch keine ober- bzw. höchstrichterliche Rechtsprechung existiert und die Bedeutung dieser Rechtsfragen über den bloßen Einzelfall hinausgeht, wie schon die zahlreichen bei der Kammer anhängigen gleichgelagerten Verfahren zeigen.