Titel:
Kostenerinnerung wegen Anwaltskosten (Asylverfahren - Einzelfall)
Normenketten:
VwGO § 92 Abs. 3, § 149 Abs. 1 S. 2, § 151 S. 3, § 155 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, § 161 Abs. 2 S. 1, § 165 S. 2
RVG § 30 Abs. 2, § 33
Leitsatz:
Versäumt es ein Beteiligter, vor Kostenfestsetzung durch das Gericht einen Antrag auf reduzierte Gegenstandswertfeststellung zu stellen, das Erinnerungsverfahren mithin bei frühzeitigem Antrag auf Gegenstandswertfeststellung vermeidbar gewesen wäre, entspricht es der Billigkeit, diesem Beteiligten die Kosten des - gerichtgebührenfreien - Erinnerungsverfahrens aufzuerlegen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Iran, Asyl, Einstellungsbeschluss, Kostenerinnerung wegen Anwaltskosten, Antrag auf vorläufige Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung über die Erinnerung, Anwaltskosten bei asylrechtlicher Untätigkeitsklage, nachträglicher Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts bei asylrechtlicher Untätigkeitsklage, Erledigung durch Abänderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses infolge geänderter gerichtlicher Gegenstandswertfestsetzung;, übereinstimmende Erledigungserklärung;, Kostenentscheidung;, Kostenaufhebung;, Festsetzung des Gegenstandswerts, Änderung des Gegenstandswerts
Fundstelle:
BeckRS 2022, 28401
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
1
Aufgrund übereinstimmender Erklärungen der Beteiligten ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das Verfahren ist daher in rechtsähnlicher Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes lediglich über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der bei einer Entscheidung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen und deshalb nach Maßgabe der §§ 154, 155 VwGO kostenpflichtig geworden wäre. Eine Verpflichtung des Gerichts, allein im Hinblick auf die noch offene Kostenentscheidung ansonsten erforderliche Feststellungen zu treffen, Beweise zu erheben oder schwierige Rechtsfragen zu klären, besteht nicht. Bei der Billigkeitsentscheidung kann auch berücksichtigt werden, inwieweit das erledigende Ereignis auf den Willensentschluss eines Beteiligten zurückzuführen ist (Schenke in Kopp/ Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 161 Rn. 15 ff.).
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Billigem Ermessen entsprach es hier, die Kosten des gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahrens - hier des Antrags auf vorläufige Aussetzung der Vollziehung nach §§ 165 Satz 2, 151 Satz 3, 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO - gegeneinander aufzuheben mit der Folge, dass die Beteiligten die Gerichtskosten je zur Hälfte (§ 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen.
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Denn die Kostenerinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. Mai 2022 und der daran anknüpfende Antrag auf vorläufige Aussetzung der Vollziehung war einerseits zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Entscheidung des Gerichts unbegründet, weil der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss auf der Basis des § 30 Abs. 1 RVG ursprünglich rechtmäßig war und erst nachträglich rechtswidrig wurde, nachdem die Antragstellerin (die Beklagte des Ausgangsverfahrens) gleichzeitig mit Erhebung der Erinnerung den Antrag auf reduzierter Gegenstandswertfeststellung gestellt und das Gericht daraufhin den für die Kostenfestsetzung maßgeblichen Gegenstandswert reduziert hatte. Die Antragstellerin hat konkret erst mit ihrem Schreiben vom 20. Mai 2022 den nach § 33 RVG auch im Verfahren des § 30 Abs. 2 RVG erforderlichen Antrag auf gerichtliche Gegenstandswertfeststellung gestellt (siehe dazu VG Würzburg, B.v. 29.6.2022 - W 8 K 22.30235 - juris Rn. 8 ff., 12 m.w.N.). Nach dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 4 VwGO können die Kosten, die durch das Verhalten einer Beteiligten, hier der Antragstellerin, entstanden sind, dieser auferlegt werden. Dabei kommt sowohl vorprozessuales als auch prozessuales Fehlverhalten in Betracht (siehe Hartung/Zimmermann-Kreher in BeckOK, VwGO, Posser/Wolff, 62. Ed., Stand: 1.7.2022, Rn. 12 und 13). Das Erinnerungsverfahren wäre vermeidbar gewesen, wenn die Antragstellerin frühzeitig den Antrag auf Gegenstandswertfeststellung im Verfahren W 8 K 22.30235 gestellt hätte. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 151 Satz 3 und § 165 Satz 2 VwGO kommt hinzu, dass die Antragstellerin bei zunächst offener Rechtslage nicht dargetan hat, dass die Vollstreckung für sie eine unzumutbare unbillige Härte zur Folge gehabt hätte (vgl. VG Würzburg, B.v. 18.3.2021 - W 8 M 20.31250 - juris Rn. 10 ff. m.w.N.).
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Andererseits war im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über die Kostentragung zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin zugute zu halten ist, dass der gesetzliche Gegenstandswert gemäß § 30 Abs. 1 RVG mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Streitwertbeschluss vom 11.7.2018 - 1 C 18/17 - EzAR-NF 98 Nr. 99 - juris Rn. 6) im vorliegenden Fall einer asylrechtlichen Untätigkeitsklage unbillig und deshalb in angemessener Weise zu halbieren war (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, B.v. 29.6.2022 - W 8 K 22.30235 - juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Die Antragsgegner bzw. ihr Bevollmächtigter haben sich im vorliegenden Erinnerungsverfahren zudem bis auf die schlichte Zustimmung zur Erledigungserklärung nicht weiter geäußert bzw. beteiligt.
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Die vorstehende Kostenentscheidung war zu treffen, weil mangels Kostentatbestand zwar keine Gerichtsgebühren anfallen, jedoch Rechtsanwaltsgebühren entstehen. Außerdem können Auslagen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten zu erstatten sein (Kunze in BeckOK, VwGO, Posser/Wolff, 62. Ed., Stand: 1.7.2022, § 165 Rn. 11).
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Die Festsetzung eines Streitwerts ist hingegen entbehrlich, da keine Gerichtsgebühren anfallen (Kunze in BeckOK, VwGO, Posser/Wolff, 62. Ed., Stand: 1.7.2022, § 165 Rn. 11). Die Festsetzung eines Gegenstandswerts nach § 33 RVG hat nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag zu erfolgen (Kunze in BeckOK, VwGO, Posser/Wolff, 62. Ed., Stand: 1.7.2022, § 165 Rn. 11; Schneider, NJW-Spezial 2012, 603).