Titel:
Keine systemischen Mängel im spanischen Asylsystem
Normenketten:
AsylG § 34a
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23
DVO (EU) 118/2014 Art. 5 Abs. 2
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 23 Dublin III-VO ist es, anders bei einem Aufnahmeantrag nach Art. 21, Art. 22 Dublin III-VO, nicht erforderlich, dass die Zuständigkeit des ersuchten Staates für die Durchführung des Asylverfahrens nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO geklärt ist, sodass es einer Prüfung von Art. 8 bis 15 Dublin III-VO durch die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht nicht bedarf. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach dem System der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Spanien weisen keine systemische Mängel auf. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebungsanordnung nach Spanien, Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 23 Dublin III-VO, Fristenregime der Dublin III-VO und der Dublin-Durchführungsverordnung im Remonstrationsverfahren, Abschiebungsanordnung, Spanien, vorläufiger Rechtsschutz, Aufnahmeerklärung, Übernahmeerklärung, Wiederaufnahmeverfahren, systemische Mängel, Aufnahmebedingungen, Abschiebungsverbot, Durchführungsverordnung zur Dublin-III-Verordnung, Dublin-Durchführungsverordnung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 28089
Tenor
1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Spanien.
2
Die 1980 geborene Antragstellerin zu 1) und ihre 2009, 2011, 2015 und 2017 geborenen Kinder, die Antragsteller zu 2) bis 5) sind syrische Staatsangehörige. Sie reisten am 28. Dezember 2020 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellen 19. Januar 2021 Asylanträge.
3
Nach Angabe der Antragsteller zu 1) bei einer Anhörung vom 19. Januar 2021 reisten die Antragsteller im Dezember 2012 aus ihrem Heimatland aus, verbrachten ca. drei Jahre in Libyen, über vier Jahre, bis Ende 2019, in Algerien und sind über Marokko am 14. Januar 2020 nach Spanien (zunächst …, dann …) gereist, wo sie ca. elf Monate verbracht haben, und sind von dort weiter über Frankreich und Belgien am 28. Dezember 2020 nach Deutschland. Bei der Anhörung gem. § 25 AsylG am 28. Januar 2020 gab die Antragstellerin zu 1) an, dass ihr Mann und zwei Töchter weiter in Marokko seien; sie hätten es nicht über die Grenze geschafft. Außerdem seien zwei weitere ihrer neun Kinder in Algerien. Sie habe nach Deutschland zur weiteren minderjährigen Tochter H* … gewollt. Sie habe in Spanien Fingerabdrücke abgegeben, wisse aber nicht, ob sie einen Asylantrag gestellt habe. Einen Bescheid habe sie nicht bekommen. Die Kinder seien gesund, sie selbst leide an Gelenk- und Rückenschmerzen. Sie wollte bei ihrer in Deutschland lebenden und verheirateten Tochter bleiben, die ein krankes Kind habe.
4
Eine EURODAC-Datenbankabfrage durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergab einen Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) für die Antragstellerin am 21. Januar 2020 und eine Fingerabdrucknahme am 22. Januar 2020.
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Auf ein Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2021 teilte das Königreich Spanien mit Schreiben vom 2. Februar 2021 mit, dass eine Übernahme wegen fehlender Verwandtschaftsnachweise nicht erklärt werden könne. Hierauf remonstrierte die Antragsgegnerin unter Vorlage weiterer Familienstandsurkunden am 23. Februar 2021, worauf hin Spanien am 4. März 2021 mitteilte, dass die Zuständigkeit für die Antragsteller nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) anerkannt werde.
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Mit Bescheid vom 9. März 2021, der Antragstellerin zu 1) zugestellt am 12. März 2021, lehnte das Bundesamt die Anträge als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Spanien (Ziffer 3) und Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete diese auf 21 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
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Hiergegen erhoben die Antragsteller, die Antragsteller zu 2) bis 5) vertreten durch die Antragstellerin zu 1), am 16. März 2021 zur Niederschrift der Geschäftsstelle Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach (AN 17 K 21.501069) und beantragten gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klagen anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 22. März 2021,
9
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 9. April 2021 beriefen sich die Antragsteller auf systemische Mängel im spanischen Asylverfahren und die pandemische Lage in Spanien, die zu einem Abschiebungsverbot führe.
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Das Gericht hat zum Verfahren die Bundesamtsakte der Tochter H* … … …, geb. … 2002 beigezogen. Aus ihr ergibt sich, dass diese am 28. Juni 2018 in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat und ihr mit Bescheid des Bundesamts vom 6. August 2020 subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Sie hat im Rahmen ihrer Anhörung am 23. August 2018 angegeben, in Libyen ihren Mann kennengelernt und geheiratet zu haben und am 25. Juni 2017 einen Sohn geboren zu haben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
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Die als Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamtes vom 9. März 2021 auszulegenden Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind als solche zulässig, aber unbegründet und deshalb abzulehnen.
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1. Die Anträge sind zulässig, insbesondere statthaft, weil die gleichzeitig erhobenen Klagen gegen die Abschiebungsanordnung keine aufschiebende Wirkung haben, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG. Die Klagen und die Eilanträge sind fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG erhoben worden.
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2. Die Anträge sind jedoch unbegründet, weil die Interessensabwägung des Gerichts ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller ergibt. Im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklagen eine maßgebliche Rolle. Die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage führt zu dem Ergebnis, dass die Hauptsacheklagen aller Voraussicht nach erfolglos bleiben werden. Die in Ziffer 3 des Bescheids getroffene Abschiebungsanordnung erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) nämlich als rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
15
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen - bzw. im Fall des hier vorliegenden Wiederaufnahmeverfahrens zur Wiederaufnahme verpflichteten - Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.
16
a) Das Königreich Spanien ist zur Wiederaufnahme der Antragsteller nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO verpflichtet. Die Antragsteller haben in Spanien nämlich bereits Asylanträge gestellt, über die die spanischen Behörden noch nicht entschieden haben. Dies ergibt sich aus der ausdrücklich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO gestützten Aufnahmeerklärung des spanischen Innenministeriums vom 4. März 2021. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein Asylantrag gestellt, aber noch nicht entschieden ist. Die Asylantragstellung in Spanien am 21. Januar 2021 ist außerdem durch die EURODAC-Datenbank, die einen Treffer der Kategorie 1, der für die Asylantragstellung in einem Staat steht, nachgewiesen (§ 22 Abs. 3 Buchst. a) Dublin III-VO i.V.m. Anhang 2 Verzeichnis A II zur Dublin-Durchführungs-VO). Der Sach- bzw. Verfahrensstand von in Spanien gestellten, aber noch entschiedenen Asylanträgen entspricht auch den eigenen Angaben der Antragstellerin zu 1) in ihren Anhörungen vom 19. und 28. Januar 2021, wo sie angegeben hat, dass ihr in Spanien Fingerabdrücke abgenommen worden seien, sie aber keinen Bescheid bekommen habe. Dafür, dass sich zwischenzeitlich hieran etwas geändert hat, ist nichts ersichtlich, wobei auch eine zwischenzeitliche Ablehnung des Asylantrags in Spanien oder eine Verfahrenseinstellung wegen Nichtbetreiben oder Nichterreichbarkeit der Antragsteller an der Wiederaufnahmeverpflichtung seitens Spaniens nicht ändern würde. In diesem Falle würde sich die Rückübernahmeverpflichtung aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. c oder d Dublin III-VO ergeben. Eine Anerkennungsentscheidung durch Spanien in Abwesenheit der Antragsteller ist nicht zu erwarten, zumal eine Anhörung dort offenbar noch nicht stattgefunden hat; insoweit hat weder die Antragstellerin etwas berichtet, noch hat das spanische Innenministerium eine derartige Mitteilung gemacht. Aufgrund der (Erst-)Asylantragstellung in Spanien ist Spanien zur Wiederaufnahme der Antragsteller nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b), Art. 23 ff. Dublin III-VO somit verpflichtet.
17
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH, U.v. 2.4.2019 - C-582/17 und C-583/17 - juris) ist im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 23 Dublin III-VO, anders bei einem Aufnahmeantrag nach Art. 21, Art. 22 Dublin III-VO auch nicht erforderlich, dass die Zuständigkeit des ersuchten Staates für die Durchführung des Asylverfahrens nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO geklärt ist (EuGH, U.v. 2.4.2019 - C-582/17, C-583/17 - juris Rn. 54 ff., VG Ansbach, B.v. 10.5.2021 - AN 17 S 21.50090 - juris, U.v. 28.6.2021 - AN 17 K 19.50954 - juris; VG München, B.v. 27.11.2020 - M 1 S 20.50531 - juris Rn. 20), so dass es einer Prüfung von Art. 8 bis 15 Dublin III-VO durch die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht nicht bedarf. Der Asylbewerber kann sich im Wiederaufnahmeverfahren grundsätzlich nicht darauf berufen, dass der ersuchende Staat selbst oder ein anderer Staat für die inhaltliche Prüfung seines Asylantrags zuständig ist (EuGH, U.v. 2.4.2019 - C-582/17, C-583/17 - juris Rn. 54 ff., VG Ansbach, B.v. 10.5.2021 - AN 17 S 21.50090 - juris, U.v. 28.6.2021 - AN 17 K 19.50954 - juris; VG München, B.v. 27.11.2020 - M 1 S 20.50531 - juris Rn. 20). Die Zuständigkeit für das Asylverfahren ist vielmehr vom übernehmenden Staat, somit Spanien, zu klären. Die Entscheidung des EuGH ist zwar für einen Fall eines im ersten Mitgliedstaat aufgrund zurückgenommenen Asylantrags abgeschlossenen Verfahrens ergangen (Fall nach Art. 20 Abs. 5 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO), sie ist nach den Darlegungen des EuGH aber gleichermaßen und erst recht in den Fällen eines im ersten Mitgliedstaat noch offenen Verfahrens einschlägig (VG Ansbach, B.v. 9.9.2021 - AN 17 S 21.50195 - juris).
18
In der vom EuGH entschiedenen Konstellation nach Art. 20 Abs. 5 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) Dublin III-VO hat dieser zwar eine Ausnahme für den Fall gemacht, dass die betroffene Person dem Zweitstaat, in dem sie sich befindet, Gesichtspunkte übermittelt, die offensichtlich belegen, dass dieser Mitgliedstaat gemäß den Zuständigkeitskriterien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall hat der ersuchende und für das Prüfungsverfahren eigentlich unzuständige Staat seine Zuständigkeit gleich anzuerkennen (EuGH, U.v. 2.4.2019 - C-582/17, C-583/17 - juris Rn. 83 ff.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
19
Eine derartige offensichtliche Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für das Asylverfahren der Antragsteller ist nicht erkennbar. Aus den Vorschriften zur Wahrung von Familieneinheiten, Art. 9 bis 11 oder der Vorschriften des Art. 16 und 17 Dublin III-VO, ergibt sich keine Zuständigkeit in Bezug auf die Tochter bzw. Schwester der Antragsteller H* … Aus der zum Verfahren beigezogenen Akte für H* … ergibt sich, dass diese im Zeitpunkt der (Erst-)Asylantragstellung der hiesigen Antragsteller in Spanien (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) nicht mehr minderjährig war und außerdem schon verheiratet war. Damit gilt sie nicht mehr als Familienangehörige der Antragstellerin zu 1), da Art. 2 Buchst. g) zweiter Spiegelstrich Dublin III-VO sowohl die Minderjährigkeit des Kindes fordert, als auch, dass das Kind unverheiratet ist. Damit greift insbesondere Art. 9 Dublin III-VO nicht ein. Anhaltspunkte für eine Erkrankung des Enkelsohns der Antragstellerin zu 1) ergeben sich aus den Akten nicht. Eine nur pauschale und unsubstantiierte Behauptung begründet keinesfalls ein offensichtliches Eingreifen eines Tatbestandes nach Art. 16 oder 17 Dublin III-VO. Ein Einverständnis bzw. ein schriftlicher Wunsch der in Deutschland lebenden Verwandten liegt überdies nicht vor.
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b) Das Wiederaufnahmeverfahren ist vom Bundesamt am 29. Januar 2021 auch rechtzeitig, innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der EURODAC-Treffermeldung vom 28. Dezember 2020 (Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO) eingeleitet worden. Auch das Remonstrationsschreiben nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (Dublin-Durchführungs-VO) erging am 23. Februar 2021 noch innerhalb dieser Frist von zwei Monaten ab der EURODAC-Treffermeldung, was - da es sich bei der Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO um eine zwingende, absolute Frist handelt (vgl. EuGH, U.v. 13.11.2018 - C-47/18 - juris Rn. 87) - notwendig ist. Das Remonstrationsgesuch erging am 23. Februar 2021 zudem innerhalb der Remonstrationsfrist von drei Wochen nach Ablehnung der Übernahme nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Dublin-Durchführungs-VO (2.2.2020). Da die Beklagte weitere Personenstandsurkunden vorlegen konnte, war die Möglichkeit der Remonstration sachlich eröffnet. Ein Mitgliedstaat kann nach Erhalt einer ablehnenden Antwort dann eine neuerliche Überprüfung seines Gesuchs verlangen, wenn er der Auffassung ist, dass die Ablehnung auf einem Irrtum beruht oder er sich auf weitere Unterlagen berufen kann, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Dublin-Durchführungs-VO.
21
Spanien hat die Rückübernahme am 2.Februar 2021 zunächst innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO abgelehnt. Damit ist es zunächst nicht zu einer Rückübernahmeverpflichtung gekommen. Auch eine Übernahmeverpflichtung nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO wurde durch die Ablehnung abgewendet. Jedoch hat Spanien auf die Remonstration hin am 4. März 2020 seine Übernahmebereitschaft schließlich erklärt. Diese Erklärung erfolgt fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Dublin-Durchführung-VO. Nicht erforderlich war - trotz des insoweit missverständlichen Art. 5 Abs. 2 Satz 4 Dublin-Durchführungs-VO -, dass die Frist von zwei Wochen nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO bezogen auf das ursprüngliche Aufnahmegesuch (29.1.2021) eingehalten ist. Das enge Fristenregime der Dublin III-VO erfordert diese Bemessung der Frist nicht. Vielmehr würde ein solches Verständnis ein erhebliches Hindernis für das Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten darstellen (EuGH, U.v. 13.11.2018 - C 47/17 - juris Rn. 88). Eine so zu verstehende Frist wäre realistischerweise nämlich in nahezu keinem Fall einhaltbar und vom ersuchten Staat durch schlichtes Abwarten auch torpedierbar (vgl. bereits VG Ansbach, B.v. 9.2.2018 - AN 17 S 18.50096 -juris Rn. 19 und B.v. 14.2.2018 - AN 17 S 18.50128 - juris Rn.25, auch VG Düssedorf, B.v 13.7.2018 - juris Rn. 20-28; a.A. VG Düsseldorf, B.v. 27.4.2018 12 L 38/40/17.A - juris Rn. 42 und VG Aachen, U.v. 19.12.2017 - 4 K 4415/17.A - juris Rn. 56).
22
Nachdem das Fristenregime der Dublin III-VO und nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-Durchführungs-VO eingehalten wurde, ist es zu keiner Zuständigkeitsverschiebung gekommen und Spanien zur Rückübernahme der Antragsteller verpflichtet.
23
c) Es liegen auch keine Umstände nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO vor, die eine Rückkehr der Antragsteller nach Spanien unzumutbar erscheinen ließen.
24
Nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 - NVwZ 2012, 417) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (GRCh) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsland systemische Mängel aufweisen, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen, bei Rückführung in den Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
25
Derartige systemische Mängel sind für Spanien nicht erkennbar und wurden von Antragstellerseite auch nicht substantiiert vorgetragen. Das Gericht schließt sich nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln, der - soweit ersichtlich - nahezu einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an, die derartige systemische Mängel im spanischen Asylsystem - in der Regel selbst für vulnerable Personen - verneint (vgl. VG Chemnitz, B.v. 12.4.2022 - 5 L 122/22.A - juris Rn. 17 ff.; VG Gera, B.v. 22.2.2022 - 6 K 963/21Ge - juris Rn. 26 ff.; VG Würzburg, B.v. 9.12.2021 - W 2 S 21.50343 - juris Rn. 19 ff. und B.v. 11.1.2019 - W 2 S 19.500022; ständ. Rechtspr. der Kammer, vgl. VG Ansbach, B.v. 31.5.2022 - AN 17 S 20.50132 - juris; a.A. VG Düsseldorf, B.v. 1.2.2022 - 12 L 2264/21.A - juris Rn. 45 ff.).
26
An die Annahme des Ausnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Es müsste die ernsthafte Gefahr grundlegender Verfahrensmängel oder erheblich defizitärer Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem Mitgliedsland erkennbar und für den Rechtschutzsuchenden im zu entscheidenden Einzelfall zu befürchten sein (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014, 10 B 6/14 - juris), was weder allgemein für Spanien der Fall ist, noch im Hinblick auf eine besonders schutzwürdige Personengruppe, der die Antragsteller angehören, erkannt werden kann. Auch mit Blick auf die von der Antragstellerin zu 1) vorgetragenen Gesundheitsbeschwerden ergibt sich kein solcher Ausnahmefall.
27
Das spanische Recht garantiert nämlich allen Asylsuchenden den gleichen uneingeschränkten Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem, wie dies auch für die eigenen Staatsangehörigen der Fall ist (vgl. Raphaelswerk, Spanien: Information für Geflüchtete, die nach Spanien rücküberstellt werden, S. 8; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - BFA -, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Spanien, Gesamtaktualisierung am 3.2.2021, S. 15). Dabei ist auch der Zugang zu Fachbehandlungen und zu spezialisierter Behandlung für Personen, die schwere Misshandlungen erlebt haben, an einer Traumatisierung leiden oder sonstige psychische Hilfe benötigen, garantiert (BFA, S. 15, Raphaelswerk, S. 8). Für einen Arztbesuch wird eine Krankenversicherungskarte benötigt, die eine Bestätigung der Sozialversicherungsanstalt INSS voraussetzt. Nicht registrierte Flüchtlinge haben nur im Notfall Zugang zum Gesundheitssystem (Raphaelswerk, S. 8/9). In Spanien kann wie in allen anderen EU-Mitgliedstaaten generell davon ausgegangen werden, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in ausreichendem Maße verfügbar sind; MedCOI (Medical Country of Origin Information) beantwortet aus diesem Grund auch keine Anfragen zu medizinischen Behandlungsmöglichkeiten innerhalb der EU (BFA, S. 15). Der Antragstellerin zu 1) droht damit in Spanien auch unter Zugrundelegung von ernsthaften bzw. behandlungsbedürftigen Erkrankungen prognostisch keine erniedrigende oder menschunwürdige Behandlung. Vielmehr ist eine Schmerz- oder sonstige Behandlung von Gelenk- und Rückenschmerzen in Spanien möglich und für die Antragsteller auch erreichbar.
28
d) Ebenso wenig sind zielstaatsbezogene oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar, die einer Abschiebung nach Spanien entgegenstünden. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus den gesundheitlichen Beschwerden der Antragstellerin zu 1). Erkrankungen sind wie oben dargestellt in Spanien ohne Weiteres behandelbar. Die hohe Gefahrenschwelle des Art. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einer lebensbedrohenden bzw. massivsten Gesundheitsgefahr ist überdies nicht erkennbar. Auch eine Familienbindung zur erwachsenen Tochter und zum Enkelkind begründet kein Abschiebungsverbot.
29
3. Die Kostenentscheidung des damit erfolglosen Antrags beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
30
4. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.