Titel:
Keine Klagebefugnis für Konkurrentenverdrängungsklage gegen wasserrechtlichen Bewilligung zum Betrieb eines Wasserkraftwerks
Normenketten:
VwGO § 42, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
BayWG Art. 86 S. 2
WHG § 8, § 10
RL (EU) 2019/44 Art. 8
RL 2006/123/EG Art. 9, Art. 12
Leitsätze:
1. Mit einer Klage kann nicht das Ziel verfolgt werden, ein transparentes und neutrales wasserrechtlichen Verwaltungsverfahrens zu schaffen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 8 RL (EU) 2019/944 (Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie) sowie Art. 9 und Art. 12 RL 2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie) enthalten keine konkreten und verbindlichen Vorgaben über die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wasserrecht, Konkurrentenklage, Klagebefugnis (verneint), Schaffung von Verfahrensvorschriften, Klagebefugnis
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 05.12.2024 – 8 BV 22.1880
Fundstelle:
BeckRS 2022, 28008
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für die von der Beigeladenen betriebene Wasserkraftanlage.
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Die Klägerin ist ein multinationales Energieunternehmen und gehört zu den führenden integrierten Strom- und Gasunternehmen weltweit.
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Die Beigeladene betreibt auf Grundlage einer ihr vom Beklagten zuletzt am 25. Mai 2020 erteilten wasserrechtlichen Bewilligung die Wasserkraftanlage ... .
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Am 19. Juni 2020 beantragte die Klägerin die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für den Betrieb der Wasserkraftanlage ... bzw. für das Aufstauen des ...-, ...- und ... sowie das Aufstauen und Absenken im Ober- und Unterbecken der Wasserkraftanlage ... sowie das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus dem ...- und ... zum Einleiten von Wasser ins Oberbecken der Wasserkraftanlage ....
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Dabei reichte die Klägerin keine eigenen Planunterlagen für das Vorhaben ein, sondern verwies insoweit vollumfänglich auf die von der Beigeladenen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Erteilung der Bewilligung vom 25. Mai 2020 erstellten und im Bewilligungsverfahren öffentlich ausgelegten Planunterlagen.
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Mit ihrem Antrag machte die Klägerin geltend, dass sowohl die geltende Rechtslage, als auch die bislang gängige Behördenpraxis zur Folge hätten, dass bei einer bestehenden Anlage wie der streitgegenständlichen Wasserkraftanlage stets dem bisherigen Rechteinhaber erneut die Benutzung des jeweiligen Gewässers gestattet werde und Dritte wie die Klägerin keine Möglichkeit hätten, die entsprechende Bewilligung zu erhalten. Dem Rechteinhaber komme eine privilegierte Stellung zu. Die nationalen Vorschriften sowie die Behördenpraxis zur Genehmigung des Baus und des Betriebs von Wasserkraftanlagen stünden nicht in Einklang mit dem Europarecht - insbesondere der Dienstleistungsrichtlinie, der Niederlassungssowie der Dienstleistungsfreiheit. Auch die europäische Kommission teile diese Auffassung. Danach seien die deutschen Regelungen für den Bau und den Betrieb von Wasserkraftanlagen auch deshalb unionsrechtswidrig, da entsprechende Genehmigungen erteilt würden, ohne dass zuvor ein transparentes und neutrales Auswahlverfahren durchgeführt worden sei.
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Mit Bescheid vom 19. November 2020 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab.
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Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin fehle das erforderliche Sachbescheidungsinteresse. Ein solches fehle, wenn der Antrag dem Antragsteller offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. Die Klägerin sei weder Eigentümerin noch Nutzungsberechtigte der bestehenden Einrichtungen. Es bestehe für die Klägerin mangels zivilrechtlicher Befugnisse auch keinerlei Möglichkeit, von einer etwaigen Bewilligung Gebrauch zu machen. Auf die Frage, ob sich die Klägerin fremde Antragsunterlagen im Hinblick auf das Urheberrecht überhaupt zu eigen machen konnte, komme es deshalb nicht mehr an. Bezüglich der seitens der Klägerin geäußerten rechtlichen Bedenken sei im Übrigen anzumerken, dass der Antrag der Klägerin erst nach Abschluss des inzwischen bestandskräftigen Genehmigungsverfahrens der Beigeladenen eingegangen sei. Konkurrierende Erlaubnis- bzw. Bewilligungsanträge im Sinne des Art. 68 Satz 2 BayWG lägen damit nicht vor.
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Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht erhoben und beantragt,
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1. Der Beklagte wird verpflichtet, den zugunsten der Beigeladenen erteilten Bescheid vom 25. Mai 2020 zum Betrieb der Wasserkraftanlage ... (Az. ...) zurückzunehmen.
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2. Der Versagungsbescheid vom 19. November 2020 (Az. ...) wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Bewilligung, hilfsweise der gehobenen Erlaubnis nach § 8 WHG unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts und der europarechtlichen Verfahrensanforderungen neu zu entscheiden.
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Zur Begründung wird mit Schriftsätzen vom 22. Dezember 2020 und 3. Februar 2021 im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Aufhebung des Versagungsbescheids vom 19. November 2020 und Neubescheidung. Der Versagungsbescheid sei rechtswidrig, da die derzeitigen wasserrechtlichen Genehmigungs- bzw. Verfahrensvorgaben und die Behördenpraxis gegen Europarecht, insbesondere gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV und die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie bzw. die Dienstleistungs-Richtlinie verstießen. Die deutschen Regelungen für den Bau und den Betrieb von Wasserkraftanlagen seien rechtswidrig, da entsprechende Genehmigungen erteilt würden, ohne dass zuvor ein transparentes und neutrales Auswahlverfahren durchgeführt werde. Die derzeitigen Regelungen sowie die entsprechende Behördenpraxis ließen in Bezug auf den Betrieb einer Wasserkraftanlage keinen Wettbewerb zu, sondern privilegierten den bisherigen Rechteinhaber bzw. Eigentümer. Da nicht bekannt gemacht werde, dass eine Genehmigung für den Betrieb einer Wasserkraftanlage auslaufe und es auch kein öffentliches Register gebe, in dem die Genehmigungen sowie die entsprechende Laufzeit eingesehen werden könne, erhielten etwaige „Mitbewerber“ allenfalls im Rahmen der gegebenenfalls durchzuführenden Öffentlichkeitsbeteiligung aufgrund der umweltrechtlichen Zulassung des Vorhabens Kenntnis vom Auslaufen einer wasserrechtlichen Genehmigung. Zu diesem Zeitpunkt habe jedoch der bisherige Rechteinhaber bereits einen Antrag auf (Wieder-)Erteilung der Gestattung gestellt, sodass mangels Transparenz faktisch stets dem Antrag des bisherigen Rechteinhabers stattzugeben sei. Dritte seien auch unabhängig von landesrechtlichen Bestimmungen von der Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung ausgeschlossen, da die Prüfung der Voraussetzung des Sachbescheidungsinteresses nach der gängigen Behördenpraxis faktisch immer zu einer Perpetuierung der Betreiberstellung des Alteigentümers bzw. vorhandenen Betreibers und damit letztlich zu einer Abschottung des Markts führe. Nur dieser habe exklusiven Zugriff auf das jeweilige Betriebsgrundstück. Diese nach den rechtlichen Bestimmungen und der derzeitigen Behördenpraxis gegebene tatsächliche und rechtliche Bevorzugung des bisherigen Rechteinhabers laufe auf ein nicht zu rechtfertigendes Marktzutrittshindernis hinaus, sodass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV vorliege. Zugleich verstoße die faktische Bevorzugung des Rechteinhabers auch gegen die in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie und der Dienstleistungsrichtlinie geforderten Grundsätze eines objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens. Vor diesem Hintergrund seien die §§ 8, 12 WHG i.V.m. Art. 68 Satz 2 BayWG unionsrechtskonform auszulegen. Sollte dies nicht möglich sein, so wäre das nationale Recht unanwendbar und die sekundärrechtlichen Vorschriften der Richtlinien unmittelbar anwendbar. Dem Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung stehe auch nicht der Bescheid vom 25. Mai 2020 zugunsten der Beigeladenen entgegen. Dieser müsse vom Beklagten nach Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen werden. Das der Behörde insoweit grundsätzlich zustehende Ermessen sei aufgrund des das Unionsrecht prägenden effet-utile-Grundsatzes im vorliegenden Fall auf Null reduziert.
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Das zuständige Landratsamt ist der Klage für den Beklagten mit Schriftsätzen vom 25. Januar 2021 und 8. März 2021 entgegengetreten und beantragt,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die der Entscheidung zugrundeliegenden Vorschriften des WHG und des BayWG verstießen weder gegen primäres, noch gegen sekundäres Europarecht. Selbst wenn man einen derartigen Verstoß jedoch annehmen wollte, könnten die Klageanträge weder über eine europarechtskonforme Auslegung bzw. die Unanwendbarkeit einzelner Vorschriften die Klageanträge begründet werden. Eine öffentliche Ausschreibung sei in den bestehenden Regelungen nicht vorgesehen, sodass eine entsprechende europarechtskonforme Auslegung nicht erreichbar sei. Auch gebe es im maßgeblichen Europarecht keine unmittelbar anwendbare Vorschrift, die die Regelungen in §§ 8, 12 WHG i.V.m. Art. 68 BayWG durch klare Vorgaben ersetzen könnte. Nachdem die Vorschriften dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit einräumten, ein objektives, transparentes und diskriminierungsfreies Genehmigungsverfahren einzuführen, dieses aber nicht näher definierten und insbesondere keine europaweite Ausschreibung vorsähen, seien sie nicht geeignet, unmittelbare Wirkungen zu entfalten. Es bedürfe weiterer Umsetzungsakte und Entscheidungen des nationalen Gesetzgebers.
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Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2021 hat die Klägerin ihr Vorbringen weiter vertieft und ausgeführt, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung durchaus möglich sei. Sie wolle die Schaffung eines fairen, offenen und transparenten (Ausschreibungs-) Verfahren erreichen. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen seien jedoch nicht Gegenstand der deutschen Regelungen, sodass diese durch die im europäischen Recht geforderten und aufgezeigten genehmigungsrechtlichen Standards im Wege einer europarechtskonformen Auslegung ergänzt werden könnten.
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Mit gerichtlichem Hinweis vom 3. Mai 2022 teilte das Gericht der Klägerin mit, dass nach vorläufiger Rechtsauffassung der Kammer wegen der fehlenden eigenen Planunterlagen und eines fehlenden selbständigen Betriebskonzepts bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage bestünden.
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Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 2. Juni 2022 Stellung und führte im Wesentlichen aus, es sei der Klägerin aufgrund der derzeitigen Verfahrensausgestaltung unmöglich, eigenständige Planunterlagen sowie ein eigenständiges Betriebskonzept zu entwickeln. Dies sei die direkte Folge der vollständigen Beschränkung des Marktzutritts. Allein der bisherige Betreiber habe Zugang zu der vorhandenen Anlage und nur er verfüge über die notwendigen Informationen, um eigenständige Planunterlagen zu erstellen.
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Die Beteiligten erklärten mit Schreiben vom 2. März 2022 (Beklagter), 8. März 2022 (Beigeladene) sowie 7. April 2022 (Klägerin) jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
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Bezüglich des Weiteren Vortrags der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Klage auf Aufhebung der der Beigeladenen mit Bescheid vom 25. Mai 2020 erteilten Bewilligung und Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über die Erteilung der beantragten wasserrechtlichen Bewilligung, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), bleibt ohne Erfolg.
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Sie ist bereits unzulässig.
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II. Die Klage ist unzulässig.
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1. Für das Begehren der Klägerin erweist sich eine Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (sog. Konkurrentenklage) als statthaft.
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In einem ersten Schritt bedarf es dabei der Beseitigung der Begünstigung des Dritten im Wege der (Dritt-)Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO und daran anschließend eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO auf Zuteilung der begehrten Rechtsposition (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 53ff.; BayVGH, U.v. 22.7.1982 - 22 B 81 A.2505 - juris).
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Der unter Nr. 1 des Klagebegehrens gestellte Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der Begünstigung der Beigeladenen vom 25. Mai 2020 ist hingegen unstatthaft, da die Anfechtungsklage einem solchen Antrag vor Eintritt der Bestandskraft vorgeht (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn. 172). Vorliegend war die der Beigeladenen unter dem 25. Mai 2020 erteilte Bewilligung gegenüber der Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht bestandskräftig, da sich die Klägerin spätestens im Zeitpunkt der ihr gegenüber ergangenen ablehnenden Entscheidung vom 19. November 2020 infolge der damit verbundenen Kenntnisnahme von der Bewilligungsentscheidung zugunsten der Beigeladenen so behandeln lassen musste, als ob diese Bewilligung ohne Rechtsbehelfsbelehrungamtlich bekannt gegeben worden wäre, sodass für die fristgerechte Erhebung einer Anfechtungsklage die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO maßgeblich war. Diese Frist wurde mit Klageerhebung am 22. Dezember 2020 unproblematisch gewahrt. Der damit insoweit im ersten Schritt der Konkurrentenklage allein statthafte Antrag auf Aufhebung des die Beigeladene begünstigenden Bescheids vom 25. Mai 2020 im Wege der Anfechtungsklage ist dabei auch denklogisch im weitergehenden Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Bescheids nach Art. 48 BayVwVfG enthalten.
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2. Der Klägerin fehlt jedoch die für die Konkurrentenklage nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.
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a) Die Klagebefugnis eines unterlegenen Konkurrenten ergibt sich im Fall der Konkurrentenklage grundsätzlich bereits als Folge der das Kontingent erschöpfenden Gewährung der Bewilligung an einen Konkurrenten. Denn wird das Kontingent mit der Vergabe an einen Konkurrenten erschöpft, sind die Vergabe an diesen und die Ablehnung anderer Mitbewerber nur zwei Seiten derselben Auswahlentscheidung (VG München, U.v. 14.4.2021 - M 7 K 20.2790). Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt jedoch voraus, dass in Bezug auf die begehrte Begünstigung auch tatsächlich eine echte Konkurrenzsituation gegeben ist.
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Nach Ansicht der Kammer ist dies im Fall der Klägerin aus den nachfolgend dargestellten Gründen jedoch nicht der Fall.
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b) Zwar wird für die Klägerin in der Klagebegründung ausgeführt, dass sie beabsichtige, die Wasserkraftanlage ... zukünftig zu betreiben. Die Klägerin hat jedoch in Bezug auf ihr Begehren keinerlei eigenständige Planunterlagen erarbeitet, sodass es bereits an einem eigenständigen Konzept der Klägerin zum Betrieb der Wasserkraftanlage fehlt. Die Klägerin hat lediglich - urheberrechtlich bedenklich - in vollem Umfang auf die Planunterlagen der Beigeladenen verwiesen. Ein eigenes Betriebskonzept, welches unerlässliche Voraussetzung für die Annahme einer Konkurrentenstellung wäre, fehlt vollständig. Der diesbezügliche Einwand der Klägerin, dass es ihr mangels Zugangsmöglichkeit zur Anlage und den erforderlichen Informationen nicht möglich gewesen sei, eigene Planunterlagen zu erstellen, greift nach Ansicht der Kammer nicht durch. Denn wie sich dem Antrag der Klägerin vom 19. Juni 2020 unter Nr. 2 „Technische Angaben zur WKA ...“ entnehmen lässt, waren der Klägerin aus den öffentlich ausgelegten Planunterlagen der Beigeladenen - auf die sie im Übrigen vollumfänglich verweist - auch die technischen Daten der streitgegenständlichen Wasserkraftanlage bekannt, sodass ihr die Erstellung eigener Planunterlagen durchaus möglich gewesen wäre. Dabei ist auch nicht ersichtlich, weshalb die die Klägerin dabei anders stünde, als jeder andere Dritte im Rahmen der (erstmaligen) Errichtung einer Wasserkraftanlage. Dem Gericht liegen aber jedenfalls auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin zumindest versucht hätte, ihr gegebenenfalls noch fehlende weitere Information über die Beigeladene oder den Beklagten zu beschaffen. Ein tatsächliches Eigeninteresse am Betrieb gerade dieser Wasserkraftanlage lässt sich so im Ergebnis nicht feststellen.
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Auch die Klagebegründung gibt zu erkennen, dass kein wirkliches Interesse der Klägerin am Betrieb der streitgegenständlichen Wasserkraftanlage besteht. Denn die Begründung löst sich vollständig von der der Beigeladenen erteilten wasserrechtlichen Gestattung. Die Klägerin wendet sich in ihrer Begründung vielmehr generell gegen die derzeitige Ausgestaltung des behördlichen Auswahlverfahrens bei der Erteilung wasserrechtlicher Bewilligungen zum Betrieb von Wasserkraftanlagen, bemängelt dabei insbesondere die generell fehlenden konkreten gesetzlichen Verfahrensvorgaben und begehrt unter dem Deckmantel der Klage gegen die der Beigeladenen erteilten wasserrechtlichen Gestattung letztlich die generelle Neuregelung des wasserrechtlichen Verwaltungsverfahrens.
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c) Im Übrigen ist im Kontext der Konkurrentenklage zu berücksichtigen, dass eine Verletzung des unterlegenen Konkurrenten in subjektiven Rechten durch die Begünstigung des Mitbewerbers nur denkbar ist, wenn er ohne die Bevorzugung des Mitbewerbers die Begünstigung selbst bekommen hätte oder zumindest ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gehabt hätte (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 147). Denn nur dann kann sich die Beseitigung der Begünstigung des Mitbewerbers auch als gerechtfertigt erweisen.
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Nachdem die Klägerin vorliegend keine eigenen Planunterlagen vorgelegt hat, die auf ein von ihr erstelltes individuelles Konzept zum Betrieb der Wasserkraftanlage ... zurückgehen, sondern in ihrem Antrag lediglich auf die von der Beigeladenen erstellten Planunterlagen verwiesen hat, kann aber auch nicht von einem eigenen ordnungsgemäßen und vollständigen Antrag ausgegangen werden. Ein Anspruch der Klägerin auf die Erteilung der begehrten wasserrechtlichen Bewilligung auf Basis des Antrags vom 19. Juni 2020 ist unter diesen Voraussetzungen nicht denkbar. Da es der Klägerin damit bereits an einem eigenen potentiellen Anspruch mangelt, kann klägerseits die Aufhebung der der Beigeladenen mit Bescheid vom 25. Mai 2020 erteilten Begünstigung nicht verlangt werden.
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3. Auch das in den Schriftsätzen zur Klagebegründung deutlich werdende eigentliche Ziel der Klägerin - Schaffung bzw. Ausgestaltung eines transparenten und neutralen wasserrechtlichen Verwaltungsverfahrens - kann mit der vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Klage nicht verfolgt werden.
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Kern der von der Klägerin aufgeworfenen Problematik sind die derzeit im Wasserrecht fehlenden Verfahrensregelungen, wie beispielsweise die Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung, die sicherstellen würden, dass es überhaupt zum Aufeinandertreffen konkurrierender Anträge kommen kann.
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Die für unzulänglich erachteten Verfahrensvorschriften können jedoch durch das Gericht als bloße Kontrollinstanz im Rahmen des Gerichtsverfahrens nicht geschaffen werden. Auch kommt eine europarechtskonforme Auslegung mangels bestehender Verfahrensvorschriften im deutschen Recht nicht in Betracht. Nachdem sich auch weder in Art. 8 der Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der RL 2012/27/EU (Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie) noch in Art. 9 und 12 der RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) konkrete und verbindliche Vorgaben über die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens enthalten, es sich insoweit also nicht um „self-executing“ Vorschriften handelt, scheidet auch eine unmittelbare Anwendbarkeit der sich hieraus ergebenden Vorgaben für ein transparentes und neutrales Auswahlverfahren aus. Letztlich ist auch die für die Erteilung der Bewilligung zuständige Behörde ebenso wie das Gericht nicht in der Lage, die von der Klägerin angestrebten allgemeinverbindlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des (Auswahl-)Verfahrens festzulegen. Die Schaffung bzw. Ausgestaltung des von der Klägerin begehrten transparenten und neutralen Verwaltungsverfahrens erfordert vielmehr den Erlass eines Parlamentsgesetzes. Eine hierauf gerichtete verwaltungsgerichtliche Klage ist jedoch unzulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 14).
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III. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
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IV. Die Berufung wird nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Frage des Rechtsschutzes in Bezug auf fehlende Verfahrensvorschriften im Wasserrecht einer allgemeinen Klärung zuzuführen ist. Die Rechtssache hat demzufolge grundsätzliche Bedeutung.